Melun: an der Seine. Foto: Hilke Maunder
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Postkarte aus … Melun

Es begann wie in Paris: Auch in Melun, rund 40 Kilometer südöstlich gelegen, befindet sich die Wiege der Stadt auf einer Insel in der Seine. Und auch in der Hauptstadt des Départements Seine-et-Marne erhebt sich mit dem Collégiale Notre-Dame seit dem 11. Jahrhundert eine beeindruckende Kirche.

Spione hinter Gittern

Doch daneben, noch viel wuchtiger und imposanter: ein Knast. Das Gefängnis, 1803 bis 1811 ausschließlich für Männer erbaut, birgt neben den normalen Zellen ein quartier spécial, einen gesonderten Trakt.

Dort sitzen Spitzel und Spione, Alt- und Neonazis, Terroristen und Separatisten ein. Sie hat ein Gericht verurteilt, das von 1963 bis 1981 einzigartig war in westlichen Demokratien: die Cour de surété de l’Etat, das Staatssicherheits-Gericht.

Collégiale Notre-Dame und Knast. Foto: Hilke Maunder
Das Collégiale Notre-Dame und der Männer-Knast. Foto: Hilke Maunder

Diplomierte Detektive

Ebenfalls auf der Insel im Fluss lernt der Nachwuchs, unerkannt zu schnüffeln und zu spionieren. Die Uni Paris II Panthéon-Assas Melun bildet als einzige Hochschule des Landes drei Jahre lang die künftige Elite französischer Detektive aus – in Rechtskunde, Informationsbeschaffung und -bewertung, Schriftkunde, Observation sowie im Chiffrieren und Dekryptieren von Nachrichten und Dokumenten.

Erbaut wurden Uni, Kirche und Knast auf dem wohl schönsten Fleckchen der gesamten Stadt, die schon Caesar in De Bello Gallico erwähnte. Alt und bedeutend sei Melun damals gewesen.

Melun: Collégiale Notre-Dame. Foto: Hilke Maunder
Das Collégiale Notre-Dame. Foto: Hilke Maunder

Heute kämpft es sichtbar mit vielen Problemen. Prunkvolles Erbe und Verwahrlosung trennen wenige Schritte. Leere Schaufenster, Dreck und Männer, die herumlungern, zeugen davon.

Wenige Schritte weiter: ein lauschiger Platz, eine Promenade an der Seine, restaurierte Juwelen, Kirchenarchitektur und Stadtpalais, Leichtigkeit und Lebensfreude.  Extreme Kontraste auf engstem Raum, wie ihr sie auch vielleicht auch anderen französischen Städten kennt, die angesichts leerer Kassen mit den Herausforderungen von heute mitunter überfordert sind.

Melun: an der Seine. Foto: Hilke Maunder
Hausboot an der Seine. Foto: Hilke Maunder

Dort, am Mittelmeer, fühlte ich mich sicher. Hier schaue ich, ob noch andere Menschen in den Straßen unterwegs sind. Und wie sie sich bewegen und benehmen.

Dass hier die Offiziersschule der Gendarmerie Nationale sitzt, ist nicht zu spüren. Während sonst die staatliche Polizei seit der Einführung des Plan Vigipirate omnipräsent ist, macht sie sich hier rar.

Melun: Place Jacques Aymot. Foto: Hilke Maunder
Die Place Jacques Aymot von Melun. Foto: Hilke Maunder

Der Treffpunkt von Melun

Als um 19 Uhr die Geschäfte schließen, ist die Innenstadt verwaist. Mit einer Ausnahme: der Place Jacques Amyot. Dort hat die gebürtige Pariserin Charlotte Jugant im Dezember 2017 Doctor Beer eröffnet, eine Bierbar mit mehr als 200 Sorten Gerstensaft auf der Karte.

Im Sommer verwandelt die Kneipe den idyllischen Platz in eine Guinguette Géante, holt DJs und Livemusiker nach Melun und lädt zur Party unter freiem Himmel ein. Noch gigantischer ist das Fest, das Melun alljährlich Ende Juni in den Straßen der Stadt feiert: Les Afferlantes. Tagsüber präsentiert das Festival Straßenkunst, abends Live-Musik am Schwimmbad.

Melun: Seine-Ufer am frühen Abend. Foto: Hilke Maunder
Seine-Ufer am frühen Abend. Foto: Hilke Maunder

Legenden der Lüfte

Am zweiten Wochenende im September pilgern seit 2018 alljährlich Tausende planespotter nach Melun, riesige Linsen und Ferngläser vor dem Bauch. Dann verwandelt sich das Flugfeld von Melun-Villaroche zur Bühne für legendäre Flugzeuge.

Ausgestellt sind nicht nur Ikonen des Zweiten Weltkriegs, sondern auch alte und moderne Jets, von denen einige noch nie oder nur sehr selten in Frankreich zu sehen waren. Bei den Flugshows der Air Legend-Messe zeigen sie, was noch heute in ihnen steckt.

Meluns Märchenschloss: Vaux-le-Vicomte

Vor den Toren von Melun, nur rund sechs Kilometer nordöstlich, liegt eines der schönsten Schlösser Frankreichs. Erbaut wurde es zwischen 1658 und 1661 für den Finanzminister Nicolas Fouquet.

Nicolas Fouquet war der oberste Finanzbeamte von Ludwig XIV. 1656 bis 1661 beauftragt er den Architekten Louis Le Vau und des Gartenarchitekten André Le Nôtre mit dem Bau eines Anwesens, das seine Macht und seinen Einfluss bei Hofe zeigen sollte. Drei Dörfer mussten für den Bau von Vaux-le-Vicomte weichen. Zur Einweihung lud Nicolas Fouquet am 17. Juli 1661 ein zu einem rauschenden Fest.

Die Festlichkeiten in Schloss und Park waren so glanzvoll, wie man sie zuvor noch nie gesehen hatte. Auch teurer Brokat, große Spiegel, Marmortische mit vergoldeten Füßen und massiv goldenes Tischgeschirr zeugten vom Reichtum des Adligen. Einen Gast machte diese öffentliche Zurschaustellung von Fouquets Reichtum grün vor Neid: den Sonnenkönig.  Drei Wochen später ließ Ludwig XIV. Fouquet verhaften. Sein Vorwurf: Veruntreuung von Staatsgeldern und Schlossbau ohne königliche Genehmigung.

Das Schloss von Vaux-le-Vicomte zur Gartenseite. Foto: Adobe Stock Photo/Laurence Soulez
Das Schloss von Vaux-le-Vicomte zur Gartenseite. Foto: Adobe Stock Photo/Laurence Soulez

Vaux-le-Vicomte nutzt heute die Legende, die sich vier Jahrhunderten um das Schloss rankt, geschickt zur Eigenwerbung. Sein Slogan: Das Schloss, das den Neid des Sonnenkönigs erregte. Besonders romantisch ist es samstags, wenn abends 2000 Kerzen Schloss und Park illuminieren. Oder erlebt wie einst die Royals den Zauber des 17. Jahrhundert bei Festen wie dem Musendinner, dem Journée Grand Siècle im Mai oder Weihnachten.

Durch seinen 35 Hektar großen Park zuckelt ihr ganz gemütlich mit elektrischen Golf-Wägelchen. Und stärkt euch danach auf der Terrasse des Café-Restaurants L’Écureil mit kleinen Leckereien zum Ausblick auf die Anlage.

Oder beim Picknick am Grand Canal. Den köstlichen Proviantkorb mit Foie Gras, Rillettes, Brie de Meaux, Brot und Wasser, Zitronen-Tarte und Rosé aus der Provence könnt ihr vorab online beim Schloss bestellen. Wie einst Frankreichs Könige – sie haben Picknicke im Grünen geliebt!

Melun: meine Reisetipps

Schlemmen & genießen

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