Das neue Bordeaux. Eine Ikone: die Méca in Bordeaux. Foto: Hilke Maunder
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Das neue Bordeaux: Architektur zum Staunen

Am Ufer der Garonne wächst das neue Bordeaux heran. Welche Bauten heute Ikonen der zeitgenössischen Architektur sind, wo noch gehäummert und gewerkelt wird, und wie die Metropole des Südwestens auch ganz nachhaltig zukunft schafft: Hier erfährst du es!

Architektur ist in Bordeaux seit Jahrhunderten Status und Identität. Die Hauptstadt des Département Gironde steckt mitten in einem tiefgreifenden Umbruch. Bordeaux 2030 nennt sich das ehrgeizige Stadtentwicklungsprojekt, das der Metropole des Südwestens Ikonen wie die Cité du Vin beschert hat. Solche ambitionierten Großprojekte kennt die Stadt seit Jahrhunderten.

Bordeaux: Die Porte de Bourgogne am Börsenplatz. Foto: Hilke Maunder
Die Porte de Bourgogne am Börsenplatz. Foto: Hilke Maunder

UNESCO-geschützte Altstadt

Davon zeugt auch seine Altstadt westlich der Garonne. Sie birgt das größte klassizistische Ensemble Europas. Der Hafen schmiegt sich wie eine Mondsichel an das Ufer der Garonne. Port de la Lune wird er daher genannt. Er sorgte einst für schnelles Wachstum, war essenzieller Baustein im Selbstverständnis und prägte die Identität der Stadt.

Bordeaux: Place de la Bourse. Foto: Hilke Maunder
Die Place de la Bourse. Foto: Hilke Maunder

Der Traum von Dupré

1782 läutete Dupré de Saint-Maur mit seinen Planungen die Expansion der Stadt ein. Bordeaux verließ seinen mittelalterlichen Grundriss. Dupré träumte von einem Kanal, der die Hafenbecken von Bègles und Bacalan südlich und nördlich der Altstadt miteinander verbinden würde.

Die Wasserstraße wurde nie gebaut. Und prägte doch die Architektur. Die Altstadt erhielt ihre Ringboulevards. Jenseits dieser Verkehrsschneiden entstanden mehrere neue Vororte.

Der Sprung über die Garonne

Bordeaux am Ufer der Garonne. Foto: Hilke Maunder
Der berühmte Pont de Pierre von Bordeaux. Napoleon gab die elegante Brücke mit 17 Bögen über die Garonne einst in Auftrag. Foto: Hilke Maunder

Den Sprung über die Garonne schaffte der Architekt Cyprien Alfred-Duprat. Er schuf 1822 den Pont de Pierre – und begann, die Mondsichel zum Vollmond auszubauen. Doch die Entwicklung der Rive Droite verlief nur schleppend. Die Bastide am rechten Ufer der Garonne wurde damals vor allem von Großbetrieben und der Güterbahnstrecke nach Paris bestimmt.

Erst seit der Jahrtausendwende entwickelt sich das rechte Ufer zum Wohngebiet. In rasantem Tempo entstehen zwischen den Stadtteilen Stalingrad und Bas-Lormand Eigentumswohnungen am Ufer. Mit Blick auf die Obdachlosen, die in den Ufergärten ihre Zelte aufgeschlagen haben.

Das neue Bordeaux: Wandel am Fluss

Bordeaux: Radweg an Ufer der Garonne. Foto: Hilke Maunder
Am Ufer der Garonne könnt ihr kilometerweit herrlich radeln! Foto: Hilke Maunder

In der Nachkriegszeit gab Bordeaux seinen innerstädtischen Seehafen auf. Das machte den Weg frei für die umfassende Neugestaltung des linken Flussufers. Bordeaux erhielt eine Straßenbahn, die im Zentrum dem Lauf der Garonne folgt, sanierte die Hafenfront, verwandelte Schuppen in Shoppingcentren, Bars und Cafés und öffnete die Altstadt zur Garonne.

Bordeaux: Blick von den Kais der Garonne auf den Pont Jacques Chaban Delmas. Foto: Hilke Maunder
Bordeaux: Blick von den Kais der Garonne auf den Pont Jacques Chaban-Delmas. Foto: Hilke Maunder

Zehn Kilometer lang ist die Promenade mit ihrem Uferpark und einem Miroir d’Eau von Michel Corajoud, der seit 2006 ein Besuchermagnet ist. Nördlich der Altstadt wurden – und werden noch –  die Bassins à Flot für eine Mischnutzung von Tourismus, Gewerbe, Gastronomie und Wohnen entwickelt.

Blick auf den Quai des Caps. Foto: Hilke Maunder
Blick auf den Quai des Caps im Bacalan-Viertel. Foto: Hilke Maunder

Das Erbe umnutzen

Der Masterplan des Büros ANMA zieht dabei das Erbe des Hafens – Kräne, Silos und Lagerhallen– in sein Konzept mit  ein. Die Gestaltung und Materialwahl der Neubauten bewahren den industriell-maritimen Charakter dieses Viertels. Am rechten Ufer wandelte sich die ehemalige Niel-Kaserne zum Ökokosmos Darwin. Auch das rechte Ufer erhielt einen Uferpark.

Bordeaux: Caserne Niel. Foto: Hilke Maunder
Die einstige Caserne Niel birgt heute das alternative Lebenslabor Darwin. Foto: Hilke Maunder

Ziel des Masterplans Bordeaux 2030 ist es, die Einwohnerzahl von  rund 250.000 Einwohnern bis dahin zu vervierfachen und sich als Paris des Südens zu etablieren. Parisern scheint diese Idee zu gefallen.

Sie kaufen im großen Stil Immobilien in Bordeaux – und  freuen sich, dass sie dank der am 2. Juli 2017 eingeweihten TGV-Strecke Bordeaux-Paris in gut zwei Stunden in der Hauptstadt sind.

Architektur in Bordeaux: die Top Tipps

Die Cité du Vin

Bordeaux: Cité du Vin. Foto: Hilke Maunder
Die Cité du Vin. Foto: Hilke Maunder

Jahr: 2016
Architekten: XTU, Museographie: Casson Mann Limited
Auftraggeber: Stadt Bordeaux

Gold wie die Sonnenstrahlen auf der Garonne, die Fassaden der Häuser im Reederviertel Chartrons oder die Farbe der Süßweine von Sauternes: So setzten die Franzosen von XTU  die Cité du Vin ins Bacalan-Viertel von Bordeaux. Ihre Form will die Bewegungen aufgrefen, die beim Schwenken des Weins im Glas entstehen.

Die Aussichtsterrasse im 8. Stock der <em>Cité du Vin</em> von Bordeaux. Foto: Hilke Maunder
Die Aussichtsterrasse im 8. Stock der Cité du Vin von Bordeaux. Foto: Hilke Maunder

Drinnen inszeniert die 2023 neu gestaltete Erlebnisausstellung eine interaktive wie immersive Reise ins Herz der Weinkultur und des Weinbaus – in Bordeaux und aller Welt. Der Besuch endet an der rundum verglasten Verkostungsbar im achten Stock.  Der Ausblick aus 35 Metern Höhe ist atemberaubend!

• 134, Quai de Bacalan, 33300 Bordeaux, www.laciteduvin.com

Die <em>Cité du Vin </em>zur Fluss- und Gartenseite. Foto: Hilke Maunder
Die Cité du Vin zur Fluss- und Gartenseite. Foto: Hilke Maunder

Die Arkéa Aréna (Grand Aréna Bordeaux)

Jahr: 2018
Architekten: Rudy Ricciotti
Auftraggeber:  Bordeaux Métropole

2013 beschloss Bordeaux Métropole den Bau eines großen Veranstaltungssaals und übertrug der Lagardère-Gruppe die Planung, den Bau und den Betrieb der Halle. Architekt Rudy Ricciotti hat sie als Kieselstein entworfen, der von der Garonne am Ufer abgelegt wurde. Von Ricciotti stammt auch der Entwurf des MUCEM von Marseille.

Mit einem Konzert von Depeche Mode im Rahmen ihrer Global Spirit Tour wurde die neue Halle im Januar 2018 eingeweiht. Die  11.000 Karten waren innerhalb von Minuten ausverkauft. Die Halle wird hauptsächlich für Sport- und Konzertveranstaltungen genutzt – mit 11.300 Stehplätzen oder 8.000 Sitzplätzen.

• 48-50, Avenue Jean Alfonséa, 33270 Floirac, www.arkeaarena.com

Die Cité Frugès

Die Cité Frugès in Pessac. Foto: Hilke Maunder
Die Cité Frugès in Pessac. Foto: Hilke Maunder

Jahr: 1926
Architekten: Le Corbusier und sein Cousin Pierre Jeanneret
Auftraggeber: Henry Frugès

Henry Frugès war ein Zuckerfabrikant mit sozialem Bewusstsein. Um die Lebensbedingungen seiner Arbeiter zu verbessern, beauftragt er die Architekten Le Corbusier und Pierre Jeanneret, Kunst, sozialen Fortschritt und konstruktive Innovation in einer Wohnsiedlung vor den Toren von Bordeaux miteinander zu verbinden. Le Corbusiers Anlage gehört seit Juli 2016 mit 16 weiteren Stätten zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Die Cité Frugès in Pessac. Foto: Hilke Maunder
Detail der Corbusier-Siedlung Frugès. Foto: Hilke Maunder

Am Musterhaus der Siedlung beginnen Führungen. Die Maison Frugès-Le Corbusier ist zudem das einzige Gebäude, in dem ihr das Innere von Le Corbusiers Bauten erleben könnte.

Le Corbusier verstand seine Arbeiterhäuser als eigenständige Kunstwerk. Klar, kantig und geometrisch sind ihre Formen – typisch für die damalige Architektur-Avantgarde. Farben gestalten die Fassaden und steuern die Wahrnehmung der weltweit ersten Arbeiter-Gartensiedlungen, die nach dem Kanon der neuen, modernen Ästhetik gebaut wurden.

Die Cité Frugès in Pessac. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Jeder sollte sich ein solches Heim leisten können, hatte sich Monsieur Frugès gewünscht. Corbusier setzte es um – und integrierte die innovativsten Komfortelemente seiner Zeit bei Ausstattung und Gestaltung des Wohnraums.

Die Cité Frugès in Pessac. Foto: Hilke Maunder
In der Maison Frugès-Le Corbusier. Foto: Hilke Maunder

Möglich machte es die Standardisierung beim Bau. Frugès erwies sich als äußerst innovative Experimentierbaustelle. Wie ließen sich Vorfertigung und Vielfalt miteinander verbinden? Le Corbusier zeigt es in Frugès mit einem faszinierenden Spiel der Postionierung.

Die Cité Frugès in Pessac. Foto: Hilke Maunder
Ungeklärte Eigentumsverhältnisse, Erbstreit oder Desinteresse am Bau: Während einige Häuser der Welterbe-Mustersiedlung Le Corbusiers verfallen, sind andere im Zug der Gentrifizierung unter strengen Auflagen vorbildlich restauriert worden. Foto: Hilke Maunder

Sie führt zu sieben Haus-Typen mit zahlreichen Nuancen. Er nannte sie: Wolkenkratzer, Quincunx, Arkaden, Zickzack und Zwillinge und ergänzte sie mit zwei Typen freistehender Häuser. Sie sorgen für Abwechslung in der kleinen Gartenstadt vor Bordeaux.

• 4, Rue le Corbusier, 33600 Pessac, Tel. 05 57 93 65 40, www.pessac.fr

Die Méca

Charakterkopf: die <em>Méca</em> in Bordeaux. Foto: Hilke Maunder
Charakterkopf: die Méca in Bordeaux. Foto: Hilke Maunder

Jahr: 2019
Architekten:  Bjarke Ingels Group + Freaks freearchitects
Auftraggeber: Conseil Général d’Aquitaine

Der 8 Tallet, ein Wohnhaus wie eine Acht im Herzen der Ørestad, und Copenhill, Kopenhagens urbane Skipiste auf dem Dach der Müllverbrennung, machten Bjarke Ingels vor zwei Dekaden zum dänischen Shooping-Star der zeitgenössischen Architektur. Heute ist er etabliert, hat Partner ins Haus geholt – und arbeitet mit großem Erfolg international.

Die <em>Méca</em> Foto: Hilke Maunder
Die Méca Foto: Hilke Maunder

Für Bordeaux schuf er ein Gebäude, das sich am Ufer der Garonne wie eine Skulptur erhebt: la Méca. Diese Maison de l’Économie Créative et Culture en Nouvelle-Aquitaine birgt die Büros aller staatlichen Stellen, die sich mit Literatur, Kunst und Kino beschäftigen.

Das Café im Innern der <em>Méca</em>Foto: Hilke Maunder
Das Café im Innern der Méca. Foto: Hilke Maunder

Ebenfalls dort daheim ist der Regionalfonds für aktuelle Kunst aus Nouvelle-Aquitaine (FRAC). 1200 Werke umfasst seine Sammlung, die wechselnde Ausstellungen spannungsreich inszenieren.

❤  Von ihrer Terrasse eröffnet die Méca aus 37 Metern Höhe tolle Ausblicke auf den Fluss und die Stadt.

Der Miroir d’Eau

Bordeaux: Miroir d'Eau. Foto: Hilke Maunder
Bringt einfach Spaß: der Miroir d’Eau auf dem Börsenplatz. Foto: Hilke Maunder

Jahr: 2007
Architekten: Jean-Max Llorca une Michel Corajoud
Auftraggeber: CUB/Ville de Bordeaux

Von 10 Uhr früh bis 22 Uhr in die Nacht spritzt es feucht im historischen Herzen von Bordeaux. Drei Minuten Füllen, 15 Minuten Spiegeln, fünf Minuten Entleeren und drei Minuten Nebel ist seit 2007 auf dem Halbrund der Place de la Bourse von April bis Oktober der Tagesrhythmus.

Mit 3.450 Quadratmetern gilt seine weltberühmte Wasserfläche als weltweit größtes Reflexionsbecken. Der miroir d’eau ruht auf einer 130 Meter langen und 42 Meter breiten Granitplatte, deren Düsen ein unterirdischer, 800 Kubikmeter fassender Wassertank speist. 

Bordeaux: Place de la Bourse bei Nacht. Foto: Hilke Maunder
Bordeaux: die Place de la Bourse bei Nacht. Foto: Hilke Maunder

Zwei Zentimeter tief ist die Wasserfläche, in der sich die klassizistischen Prachtbauten spiegeln. Jacques Gabriel (1667–1742) und sein Sohn Jacques-Ange Gabriel (1698–1782) haben sie im 18. Jahrhundert geschaffen. Bis zu zwei Meter hoch steigen die Wasserstrahlen – im Sommer eine überaus beliebte Erfrischung!

• Place de la Bourse, 33000 Bordeaux

Der Pont Jacques Chaban-Delmas

Der <em>Pont Jacques Chaban-Delmas</em> erinnert mit den ersten Nachkriegsbürgermeister von Bordeaux. Foto: Hilke Maunder
Der Pont Jacques Chaban-Delmas erinnert an den ersten Nachkriegsbürgermeister von Bordeaux. Foto: Hilke Maunder

Jahr: 2013
Architekten: Charles und Thomas Lavigne
Auftraggeber: Communauté urbaine de Bordeaux

Blau bei Flut, grün bei Ebbe: So leuchtet die fünfte Garonne-Brücke von Bordeaux im Port de la Lune bei Nacht.  575 Meter lang und 77 Meter hoch überspannt seit 2013 der Pont Jacques Chaban-Delmas als höchste Hubbrücke Europas den Fluss. Seine Pylone verlängern mit großen, fließenden Linien die Kais der und fügen sich perfekt in die Landschaft ein.

Für Radfahrer und Fußgänger gibt es getrennt Spuren auf der Brücke. Foto: Hilke Maunder
Für Radfahrer und Fußgänger gibt es getrennte Spuren auf der Brücke. Foto: Hilke Maunder

Für mich ist die moderne Brücke zwischen den beiden alten Querungen des Pont d’Aquitaine und des Pont de Pierre das schönste Beispiel der zeitgenössischen Architektur, die Technik und Ästhetik harmonisch verbindet.

2.600 Tonnen schwer ist die 120 Meter lange Fahrbahn aus einem Profilstahlkasten, der für die Passage von Seeschiffen und Windjammern emporgezogen wird. Diese Arbeite erledigen vier, überraschend filigran wirkende Türme, die auf 18 Meter hohen länglichen Sockeln ruhen und im Flussgrund einbetoniert sind.

Ein Sturm kündigt sich an und lässt die Brücke dramatisch wirken. Foto: Hilke Maunder
Ein Sturm kündigt sich an und lässt die Brücke dramatisch wirken. Foto: Hilke Maunder

Sie bergen im Innern ein 600 Tonnen schweres Gegengewicht und Flaschenzüge für das Anheben des Mittelfelds. Im Falle einer Panne senkt sich das Hebefeld allein durch sein Gewicht wieder ab.

• 33000 Bordeaux

Der Pont Simone Veil

Jahr: 2024
Architekten: Rem Kohlhaas
Auftraggeber: Communauté Urbaine de Bordeaux (CUB)

Die sechste Straßenbrücke über die Garonne erhält Bordeaux 2024. Den Entwurfe für den 549 Meter langen und 33 Meter breiten Pont Simone Veil entwarf das Büro des preisgekrönten niederländischen Architekten Rem Koolhaas. Die Bauarbeiten sollten ursprünglich 2016 beginnen, aber es gab Verzögerungen. 2024 war der Bau vollendet.

Die Brücke wurde ohne Pylone realisiert. Sie ruht auf 8 Pfeilern, die jeweils von vier mit Stahlbeton gefüllten Stahlrohren, den sogenannten Pfeilerschächten, getragen werden. Jede dieser 32 Röhren ist 23 Meter tief und hat einen Durchmesser von 2,5 Meter. Auf der Brücke gibt zwei Fahrspuren pro Richtung für Fahrzeuge sowie separate Spuren für den öffentlichen Nahverkehr sowie Rad- und Fußgängerwege.

Das Stade Matmut-Atlantique

Das <em>Stade Matmut Atlantique</em> von Bordeaux. Foto. Hilke Maunder
Das Stade Matmut Atlantique von Bordeaux. Foto. Hilke Maunder

Jahr: 2015
Architekten: Herzog & de Meuron, Landschaftsgestaltung: Michel Desvigne
Auftraggeber: Société Bordeaux Atlantique (Gesellschafter: die Bauunternehmen Fayat und Vinci)

Von außen ein Wald: Leuchtend weiß zitieren Säulen aus Stahl die schlanken Kiefern der Forêt des Landes und verweisen auf all die Bäume, die das Gelände auf allen Seiten säumen. Ungewöhnlich leicht und filigran kommt das Stadion von Bordeaux daher, das seit 2016 das alte Stadion Chaban-Delmas im Stadtteil Bordeaux-Lac ersetzt.

Detail der stadtseitigen Längsseite des <em>Stade Matmut Atlantique</em> inn Bordeaux. Foto. Hilke Maunder
Detail der stadtseitigen Längsseite des Stade Matmut Atlantique inn Bordeaux. Foto. Hilke Maunder

Sein Dach besteht aus 44 Meter langen, freitragenden Pfeilern mit Zugankern und einer komprimierten Stütze am Kopf der Tribüne. Rund 42.000 Sitzplätze bietet das Heimstadion des FC Girondins de Bordeaux bei Fußball- oder Rugby-Matches.

Auch Konzerte und andere Kulturveranstaltungen finden dort statt. 233 Meter lang, 210 Meter breit und 43 Meter hoch ist das Stadion. Und einzigartig im Land, denn es besteht zu 70 Prozent aus Stahl.

Das Stade Matmut Atlantique von Bordeaux. Foto. Hilke Maunder
Der Eingang zum Stadion. Foto: Hilke Maunder

Ohne Stahl  wäre es nicht möglich gewesen, den von der Stadtverwaltung von Bordeaux vorgegebenen Kostenrahmen einzuhalten. Stolz sagte daher der damalige Bürgermeister der Stadt, Alain Juppé, bei  Einweihung der Sportstätte am 18. Mai:  Das Stade Matmut Atlantique ist das  günstigste Stadion der Euro 2016. Ein Hingucker ist es auf jeden Fall!

• Cour Jules Ladoumegue/Avenue de la Jallère, 33300 Bordeaux, www.matmut-atlantique.com

Das Tribunal des Grandes Instances (TGI)/Cité juridicaire

Jahr: 1998
Architekten: Richard Rogers Partnerships
Auftraggeber: französisches Justizministerium (Ministère de la Justice)

Große Eier, Weinflaschen, Knoblauchzehen oder Bienenstöcke? Das diskutierte Bordeaux, als es 1998 die Silos des Tribunal de grandes instances erhielt, die Richard Rogers als Sitz des Landgerichtes entworfen hatte. Im Dezember 2021 ist der englische Architekt verstorben. Doch sein Bau ist bis heute ein Hingucker in der Innenstadt und besonders schön im Licht der abendlichen Beleuchtung.

Sein Bau inspiriert die Fantasie. Und spiegelt das Wesen der Justiz. Zur Ecke des Cours d’Albret steht ein Gebäude ganz aus Glas, um zu zeigen, dass die Justiz transparent ist. Auf der Seite der Rue des Frères Bonie präsentiert sich die Cité juridicaire als ein viel avantgardistischeres und originelleres Bauwerk, das sich in die alten Festungsmauern des Fort du Hâ einfügt.

• 30, Rue des Frères Bonie, 33000 Bordeaux

Der Grand Parc: Umbau von 530 Wohnungen

Der sanierte Großbau von Lacaton/Lassalle im <em>Quartier Grand Parc</em>. Foto: Hilke Maunder
Der sanierte Großbau von Lacaton/Lassalle im Quartier Grand Parc. Foto: Hilke Maunder

Jahr: 2016
Architekten: Anne Lacaton, Jean-Philippe Vassal, Frédéric Druot, Christophe Hutin
Auftraggeber: Aquitanis

Bestehendes ändern und verbessern, ist die Maxime des Architekten-Duos Anne Lacaton und Jean-Philippe Vassal, und dies bewiesen es bereits 1993. Ihre Maison Latapie, ein 1993 für eine Familie mit zwei Kindern in einer gewöhnlichen Straße in Floirac bei Bordeaux errichtetes Einfamilienhaus, wurde zum Sinnbild für geräumiges, eigenständiges und zugleich preiswertes Wohnen.

1998 zeigten sie, dass Verwandlung statt Abriss auch im großen Stil gelingt. Während andere sie am liebsten abreißen würden, zeigten Lacaton-Vassalle im Quartier du Grand Parc, wie Großwohnsiedlungen für überschaubares Geld lebenswerter und nachhaltiger werden. 530 Wohnungen erhielten dort beheizte Anbauten, Wintergärten, bioklimatische Balkone und große Fensterfronten. Für die Großsiedlung musste 1970 der alte Stadtteil Les Cressonnières weichen.

Quartier du Grand Parc

Das Mériadeck

Kontraste: die alten échoppes von Bordeaux und die Sechziger-Jahre-Architektur von Mériadeck. Foto: Hilke Maunder
Kontraste: die traditionenelles échoppes von Bordeaux und moderneArchitektur von Mériadeck. Foto: Hilke Maunder

Jahr: 2006-2011
Architekten:
Auftraggeber: Ville de Bordeaux

Mériadeck war früher ein echtes Schmuddelviertel – und dies nur 400 Meter von seinem Amtssitz im Hôtel de Ville entfernt. Als Jacques Chaban-Delmas 1946 dort als Bürgermeister einzog, beschloss er – auch angesichts der grassierenden Wohnungsnot – das große Aufräumen.

Mériadeck. Foto: Hilke Maunder
Spielwiese der Nachkriegsarchitektur: Mériadeck. Foto: Hilke Maunder

1946 ernannte er Jean Royer zum Generalinspektor für Stadtplanung in Aquitanien (Inspecteur Général de l’Urbanisme pour l’Aquitaine) und obersten Stadtplaner von Bordeaux. Royan kam vom 1944 gegründeten Ministerium für Wiederaufbau und Urbanisierung (MRU).

Streng wurden in Mériadeck die Verkehrsströme getrennt.Foto: Hilke Maunder
Streng wurden in Mériadeck die Verkehrsströme getrennt.Foto: Hilke Maunder

1951 lag ein Gutachten des Départements zu Mériadeck vor. Es kam zu einem folgenschweren Schluss: Méridack sei zu unhygienisch, zu sehr ein Abschaum in jeder Hinsicht, um den Stadtteil zu erhalten. Der Abriss wurde angeordnet – und der Bau von 2500 neuen Wohnungen. Heraus kam – zumindest visuell – ein Monstrum in Beton.

<em>Mériadeck</em>. Foto: Hilke Maunder
Mériadeck. Foto: Hilke Maunder

In vielen Aspekten ist Mériadeck jedoch wegweisend und geradezu nachhaltig – besonders mit seiner totalen Trennung der Verkehrsströme: die Autos auf der Straße, die Fußgänger auf einer Bodenplatte mit viel Grün.

• Rue du Château d’Eau, 33000 Bordeaux; Hintergrund und Infos: www.docomomo.fr

Neues Wohnen in Bordeaux

Why should we be scared, nannte Philippe Pasqua seine Skulptur, die seit 2017 ein Hingucker im Bassin von Bacalan ist. Foto: Hilke Maunder
Soucoupe volante nannte Suzanne Treister ihre Skulptur in den bassins à flot. Das Raumschiff aus dem Jahr 2018 ist das zweite Wertk eines Triptychons.  Mit einem Durchmesser von 17 m wurde es aus verzinktem Stahl geschaffen, das mit eloxierten Aluminiumblechen bedeckt und mit der Struktur vernietet ist. Die um 15° geneigte Untertasse steht auf Stahlpfosten, die ihrerseits an einer versenkten Plattform aus verzinktem Stahl befestigt sind.Foto: Hilke Maunder

Bacalan / Dock B

160 Hektar groß ist das Stadtentwicklungsprojekt Bacalan, das Wohnraum für 12.000 Menschen schaffen will, eingebettet in ein Umfeld zum Arbeiten und Ausgehen.

Es erstreckt sich rund um die Bassins à Flot mit ihrer ehemaligen deutschen U-Boot-Basis. Obwohl überall noch gebaut wird, ist das Bacalan-Viertel schon heute auch touristisch sehr spannend.

Moderne food hall voon Bordeaux: die Halles de Bacalan. Foto: Hilke Maunder
Moderne food hall von Bordeaux: die Halles de Bacalan. Foto: Hilke Maunder

Dort findet ihr die digitale Kunstschauen der Bassins des Lumières, die Whisky-Brennerei Moon Harbour, den Food-Court Halle Bacalan, die Cité du Vin, Hotels mit großen Dachterrassen wie das Renaissance oder das Radisson. Und diverse Neubauprojekte mit Mut zur Farbe und Lust an maritimen architektonischen Zitaten.
www.blp.archi/projets/residence-dock-b-bordeaux

Bordeaux: Docks B. Foto: Hilke Maunder
Rund um die Bassins à Flot und einstige Industriebrachen am rechten Garonne-Ufer entstehen zahlreiche neue Wohnviertel. Hier: die Docks B. Foto: Hilke Maunder

Ginko

Bordeaux‘ erstes Ökoquartier trägt einen ungewöhnlichen Namen. 32,20 Hektar groß ist es – und durchzogen von autofreien Wegen. Ihr findet es zwischen dem Lac de Bordeaux, der Avenue Dassault, der Avenue des Quarante journaux und den Wohnhäusern von Lazun. Die Tram hält direkt vor der Tür.

Breite Verkehrsachten für die Tram und den Autoverkehr, grüne Spazierwege für Fußgänger und Radfahrer. Ginko, das ersste Ökoquartier der Stadt. Foto: Hilke Maunder
Breite Verkehrsachsen für die Tram und den Autoverkehr, grüne Spazierwege für Fußgänger und Radfahrer. Ginko, das ersste Ökoquartier der Stadt. Foto: Hilke Maunder

2700 Wohnungen hat der private Entwickler Bouygues Immobilier dort geschaffen. Ganz unterschiedlich sind die 30 Baufelder gestaltet.

Neben  Mehrfamilienhäusern von drei bis neun Stockwerken gibt es Stadthäuser und Wohnungen mit zwei bis fünf Zimmern. 45 Prozent des Wohnraums ist sozial gefördert. 40 Prozent des Terrains nehmen Grünflächen ein, darunter auch ein 4,5 Hektar großer Park.
https://ecoquartier-ginko.fr

Ginko holt das Wasser hinein ins Quartier. Foto: Hilke Maunder
Ginko holt das Wasser hinein ins Quartier. Foto: Hilke Maunder

Brazza

Im Nordosten von Bordeaux entsteht auf 53 Hektar das neue Wohngebiet Brazza bei der Chaban-Delmas-Brücke. Mit den Grands Moulins de Bordeaux (GMP) und Solferti war das Viertel bislang gewerblich und industriell geprägt. Ende 2022 waren die ersten 450 Wohnungen bereits bezogen.

Bordeaux: Radweg und Pont Jacques Chaban-Delmas, Foto: Hilke Maunder
Der Radweg im Parc aux Angéliques am rechten Ufer der Garonne. Foto: Hilke Maunder

Das Viertel ist angebunden an  das geothermischen Wärmenetz, das den Bedarf an Warmwasser und Heizung deckt. Drei große Waldstreifen sollten vom Parc aux Angéliques am Garonne-Ufer die Natur in das neue Stadtviertel holen. Zwischen diesen Streifen sind Gemeinschaftsgärten geplant. Die Bahnlinie soll eine Brazzaligne begrünen.

POLA am rechten Ufer der Garonne. Foto: Hilke Maunder
In Brazza daheim: die Mühle GMP und das Kreativzentrum POLA am rechten Ufer der Garonne. Foto: Hilke Maunder

EurAtlantique

Am frisch sanierten Bahnhof Bordeaux Saint-Jean wächst Bordeaux‘ Antwort auf Marseilles Euroméditerranée in den Himmel: eine riesige Bürostadt mit der Rue Bordelaise als Fußgänger- und Geschäftsstraße hin zum Erlebnisufer an der Garonne. 730 Hektar groß ist das Baufeld, das sich von Bordeaux bis nach Bègles und Floirac erstreckt.

Ein fertiggestelltes Baufeld der Euratlantique. Ganz rechts im Bild: das Hotel B & B. Foto: Hilke Maunder
Ein fertiggestelltes Baufeld der Euratlantique. Ganz rechts im Bild: das B & B Hôtel . Foto: Hilke Maunder

Bordeaux Euratlantique plant 2.500.000 Quadratmeter an Wohnungen, Büros und öffentlichen Einrichtungen für 50.000 neue Einwohner und 30.000 lokale Arbeitsplätze.

Sein Wahrzeichen soll Frankreichs höchster Holzturm werden, die 57 Meter hohe Tour Hypérion. Das natürliche Material senkt die Kohlendioxidemissionen beim Bau um 45 Prozent, so der Bauherr Eiffage Construction.

www.bordeaux-euratlantique.fr

Euratlantique. Foto: Hilke Maunder
Euratlantique. Foto: Hilke Maunder

Moderne Architektur in Bordeaux: die Infos

Arc en Rêve

1822  erhielt Claude Deschamps von der Stadt Bordeaux den Auftrag, im Chartrons-Viertel ein großes Lagerhaus zu errichten. Für den Grundriss wählte er das Modell einer Markthalle. Ihr großer zentraler Raum ist als Doppelschiff gestaltet. An der Außenseite des Gebäudes verraten Blenden die Einteilung der Stockwerke.

Im 20. Jahrhundert nutzlos geworden, wurde das entrepôt in drei Abschnitten 1979, 1984, und 1990 von Denis Valode und Jean Pistre umgebaut. Bordeaux wünschte sich dort einen Ort für die Reflexion rund um das zeitgenössische Kunstschaffen. Nach einen Wanderausstellungen zog zunächst das CAPC musée d’art contemporain de Bordeaux dort ein. 1980 folgte ihm das Architekturzentrum arc en rêve.

• 7, Rue Ferrere, 33000 Bordeaux, Tel. 05 56 52 78 36, www.arcenreve.eu

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Im Blog

Bordeaux: das Paris des Südens

 

Urbane Kontraste: Bordeaux wandelt sich. Foto: Hilke Maunder
Urbane Kontraste: Bordeaux wandelt sich. Foto: Hilke Maunder

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4 Kommentare

  1. ich bin gerade für 4 kw in bordeaux und habe ihre artikel gelesen. kompliment! ich denke, sie haben in gewichtung, info-tiefe, und qualitativem gefühl die stadt brilliant dargestellt.danke und viele grüße – harald adam (ab nov wieder in frankfurt)

  2. Hallo Hilke, zur gleichen Zeit wie in Bordeaux durch Corbusier wurden in Dessau nach dem
    gleichen Prinzip 314 Reihenhäuser im Bauhausstil durch W.Gropius errichtet. Diese sind heute noch alle bewohnt und das Erbe wird gepflegt.(auch Weltkulturerbe)
    Dein Artikel über Bordeaux ist extrem gut gelungen und man möchte gleich hinfahren.
    Danke für diesen Bericht.

    1. Lieber Eike, danke – das Dessauer Bauhaus kenne ich, die Gropiussiedlung habe ich wohl leider verpasst, sie wurde auf der Pressereise damals leider nicht gezeigt und auch nicht erwähnt. Schade! Jetzt muss ich unbedingt noch einmal dorthin. Merci für die Info! Herzlichen Dank für Dein Lob und viele Grüße! Hilke

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