Die beiden Mühlen des Mont des Alouettes. Foto: Hilke Maunder

Mont des Alouettes: die Geschichtsstunde

Er ist das höchste, was die Vendée zu bieten hat: der Mont des Alouettes. 232 Meter hoch ragt er in der Nähe von Les Herbiers in den Himmel. Er ist Teil einer armorikanischen Hügelkette, die den Lauf der Sèvre nantaise säumt.

Die exponierte Lage machte den Gipfel schon früh zum bevorzugten Standort von Mühlen. Im 16. Jahrhundert drehten sich acht Windmühlen auf dem Mont des Alouettes. Heute sind noch zwei erhalten. Eine davon ist funktionstüchtig.

Die Worte von Jean Yole

Eine Mühle schmückt ein Zitat von Jean Yole. 1878 als Léopold Robert in Soullans (Vendée) geboren und viele Jahre Bürgermeister von Vendrennes, befasst er sich als Schriftsteller in seinen Romanen, Theaterstücken und Essays vor allem mit der Vendée und den sozialen Problemen einer ländlichen Welt, deren Veränderungen die alte Ordnung der traditionellen Gesellschaft erschüttern.

C’est le rôle de chaque génération de recueillir ce que la tradition détient de sages leçons d’énergie accordées pour ensemencer les réalités futures. La tradition, c’est le pied-mère. Le progrès, c’est le greffon.

Es ist die Aufgabe jeder Generation, das zu sammeln, was die Tradition an weisen Lektionen über gestimmte Energie bereithält, um zukünftige Realitäten zu säen. Die Tradition ist der Wurzeln von allem. Der Fortschritt ist der Pfropf.

Diese Mühle schmückt ein Zitat von Jean Yole. Foto: Hilke Maunder
Diese Mühle schmückt ein Zitat von Jean Yole. Foto: Hilke Maunder

Die Sprache der Mühlen

Während der Vendéekriege nutzten die Bauern die Mühlen, um miteinander zu kommunizieren. Die Müller schickten Nachrichten von Hügel zu Hügel, indem sie die Flügel der Mühlen in vier Stellungen für ihre Nachrichten ausrichteten.

Sie verrieten, ob eine Gefahr drohte oder vergangen war, eine Versammlung anstand (Flügel in Kreuzform) oder Ruhe herrschte (Andreaskreuz).

Um diese Kommunikation zu verhindern, zerstörten die Republikaner unter der Führung von General Louis-Marie Turreau im Oktober 1793 massiv die Mühlen.

La Route Royale

2011 quälten sich die Radprofis bei der ersten Etappe der Tour de France hinauf zum Gipfel. Sie folgten dabei dem Lauf der ehemaligen Route Royale 160, späteren Nationale 160 und heutigen D 160, die Angers mit Les Sables-d’Olonne verbindet und das Département in zwei ungefähr gleich große Teile teilte.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Die Kapelle der Vendée-Kriege

Zu der einen Seite der Départementsstraße erinnern die Mühlen an die Vendéekriege. Auf der anderen Seite ist es eine Kapelle, die im Gedenken der Gefallenen der Aufstände errichtet wurde.

Die Tochter von Ludwig XVI. besuchte diese Hochburg der Vendée-Kriege am 18. September 1823 auf ihrer Reise durch den Westen. 15.000 Vendéens kamen, um ihr die Ehre zu erweisen.

Zur Erinnerung an diesen Tag wurde der Bau einer Kapelle beschlossen. Die Pläne für die Kapelle entwarf der Diözesanarchitekt Maurice Ferré. Zwei Jahre später wurde der Grundstein gelegt.

Am 6. Juli 1828 besuchte Marie-Caroline, Herzogin von Berry, und später Heldin des letzten Vendée-Krieges, den Mont des Alouettes. Als sie sah, dass der Bau noch nicht fertiggestellt war, stellte sie ebenfalls finanzielle Mittel zur Verfügung.

Nach der Juli-Revolution von 1830 wurde der Bau aufgegeben und entging nur knapp dem Abriss. 1962 engagierte sich Souvenir Vendéen für die Fertigstellung und trieb ausreichend Gelder ein. Sechs Jahre später wurde die Kapelle am 28. April 1968 eingeweiht.

Das Gotteshaus im neogotischen Stil ist ein auffallend schlichtes Gebäude. Seine modernen Glasfenster zeigen die Wappen der drei aufständischen Provinzen.

Die Kapelle am <em>Mont des Allouettes</em> mit ihren Glasfenstern. Foto: Hilke Maunder
Die Kapelle am Mont des Alouettes mit ihren Glasfenstern. Foto: Hilke Maunder

Hintergrund: die Vendée-Kriege

Der Vendée-Krieg war ein Bürgerkrieg als Reaktion auf die Französische Revolution. Im September 1792 hatte die Revolutionsregierung die Erste Französische Republik ausgerufen.

Frankreich befand sich in jener Zeit im Ersten Koalitionskrieg und hatte im Kampf gegen Preußen, Österreich und kleine deutschen Staaten mehrere Niederlagen einstecken müssen. Im März 1793 führte die Revolutionsregierung daher die Wehrpflicht ein. Überall im Land wurden Männer gegen ihren Willen als Soldaten eingezogen.

Dagegen wehrten sich die Bauern der Vendée. Schon bald erhielten sie Unterstützung von zahlreichen, militärisch erfahrenen Adligen. Unterstützt wurden die Aufständischen der Vendée auch von der katholischen Kirche, die von den Anhängern der Republik enteignet worden war.

Die Bauernarmee

Sie machte die Aufständischen der Vendée, die zudem in puncto Landeskenntnis den Revolutionstruppen überlegen waren, zu einer schlagkräftigen Armee. 40-60.000 Männer, meist Bauern und Handwerker, waren ihr Fußvolk. Die anfängliche Überlegenheit der Vendée-Armee jedoch verpuffte. Immer häufiger konnten die Revolutionstruppen Siege für sich verbuchen.

Nach zwei Kriegen und an einem Genozid an der Bevölkerung mussten die Widerständler im Vertrag von La Jaunaye die Grenzen der Republik anerkennen. Mit der Hinrichtung Ludwigs XVI. jedoch flammten die Kämpfe wieder auf. Frankreich versprach allen, die ihre Waffen abgaben, Saatgut oder Vieh. Im  15. Juli 1796 verkündete die Revolutionsregierung des Direktoriums: les troubles dans l’Ouest sont apaisés, die Unruhen im Westen sind beruhigt.

1798 begann der dritte Krieg der Vendée, 1815 und 1832 weitere Rebellionen. Insgesamt, so die Wissenschaft, kosteten die Kämpfe rund 300.000 Menschenleben. Ein Drittel der Dörfer wurden zerstört; die Landwirtschaft litt enorm.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Gezielter Genozid?

General François-Joseph Westermann soll nach der Verfolgungs- und Vernichtungsaktion von Savenay an den Wohlfahrtsausschuss berichtet haben:

 Il n’y a plus de Vendée. Elle est morte sous notre sabre libre, avec ses femmes et ses enfants. Je viens de l’enterrer dans les marais et dans les bois de Savenay. Je n’ai pas un prisonnier à me reprocher. J’ai tout exterminé. 

„Es gibt keine Vendée mehr. Sie starb unter unserem blanken Säbel, mitsamt Frauen und Kindern. Ich habe sie in den Sümpfen und Wäldern von Savenay begraben. Man kann mir keine Gefangenen vorwerfen. Ich habe alles vernichtet.

Noch heute streiten die Historiker über die Interpretation der Vernichtung der Vendée. Jean Tulard, einst Professor an der Sorbonne und profiliertester Historiker der Napoleon-Forschung in Frankreich, nannte das Töten in der Vendée einen gezielten Genozid.

Mont des Alouettes: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Restaurant Mont des Alouettes

Auf dem „Gipfel“ des Mont des Alouettes gibt es eine gutbürgerliche Ausflugsgaststätte.
• Avenue de Cholet, 85500 Les Herbiers, Tel. 02 51 67 02 18, www.facebook.com

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Im Süden der Vendée entdeckte ich dieses charmante chambre d’hôtes.

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