Neue Bücher: Familiengeheimnisse!
Familiengeheimnisse! Das ist der rote Faden, der meine Buchtipps verbindet. Der Herbst 2024 bringt eine Reihe spannender literarischer Neuerscheinungen aus und über Frankreich, die in verschiedene Epochen, Städte und Lebenswelten entführen.
Vier Titel zeigen exemplarisch, wie stark individuelle Geschichten und historische Ereignisse miteinander verflochten sein können. Ob es sich um Anthony Passerons eindringlichen Debütroman „Die Schlafenden“, Gaëlle Nohants berührendes Werk „All die gestohlenen Erinnerungen“, Elena Edens Gartenroman „Der Garten im Licht“ oder Bettina Pohlmanns Coming-of-Age-Erzählung „Paula in Paris“ handelt: In jedem dieser Titel sind es Familiengeheimnisse, die das Leben der Protagonistinnen und Protagonisten nachhaltig prägen. Sie forschen nach Ahnen, werden mit Ungesagtem konfrontiert und entdecken verborgenen Wahrheiten. Darüber hinaus bietet dieses Quartett spannende Einblicke in unterschiedliche historische und kulturelle Welten.
Anthony Passeron, Die Schlafenden*
Mit „Die Schlafenden“ hat der französische Autor Anthony Passeron ein beeindruckendes Erstlingswerk hingelegt, das im französischen Original mit zahlreichen Preisen bedacht wurde, u.a. dem Prix Première und dem Prix Première Plume.
In seinem Roman erzählt Passeron schnörkellos und nüchtern die persönliche Geschichte von Passerons Onkel Désiré. Désiré war der älteste Sohn einer angesehenen Metzgerfamilie in einem Dorf bei Nizza und wurde in den frühen 1980er-Jahren heroinabhängig. Später infizierte er sich mit HIV und starb an AIDS. Die Biografie von Désiré zeigt, wie seine Familie, insbesondere seine Mutter Louise, mit seiner Sucht und Krankheit umging.
Akribisch darin eingebettet ist die Geschichte der AIDS-Epidemie. Detailliert beschreibt Passeron die Erforschung des HIV-Virus durch französische und amerikanische Mediziner. Er schildert den Kampf gegen Verharmlosung und Gleichgültigkeit gegenüber der Krankheit und zeigt, wie AIDS anfangs als „Schwulenkrebs“ oder „Junkieseuche“ abgetan wurde.
Gerade die sachliche Darstellung sorgt dafür, dass ich den Roman, der Licht auf eine düstere Zeit wirft, die noch nicht lange zurückliegt, als sehr bewegend und wichtig empfunden habe. Wer mag, kann den Roman hier* online bestellen.
Gaëlle Nohant, All die gestohlenen Erinnerungen* (Le bureau d’éclaircissement des destins*)
Gaëlle Nohant ist eine französische Autorin, die 1973 in Paris geboren wurde und heute in Lyon lebt und arbeitet. Ihr Roman „All die gestohlenen Erinnerungen“ wurde 2023 mit dem Grand Prix RTL-Lire ausgezeichnet. Der Roman handelt von der französischen Archivarin Irène, die für die Arolsen Archive arbeitet.
Ihre Aufgabe ist es, persönliche Gegenstände, die einst KZ-Häftlingen von den Nazis abgenommen wurden, an die Nachkommen der Opfer zurückzugeben. Im Roman folgt Irène bei ihren Recherchen dabei zwei spezifischen Objekten: einem verblichenen Stoffpierrot, der einem 15-jährigen Jungen namens Lazar gehörte, der Buchenwald überlebte, aber später in Griechenland verschwand, und einem Medaillon, das der Polin Wita in Auschwitz gehörte. Wird sie es schaffen, ihre Familiengeheimnisse zu lüften, ihre Schicksale zu klären?
Ihre Schicksale, und damit die Handlung des Romans, sind fiktiv – und inspiriert von der Arbeit einer Organisation, die im Herzen der SS-Hauptstadt der Nazizeit bis heute sich dem Schicksal der KZ-Häftlinge widmet: die Arolsen Archives. Sie wurden 1948 von den Alliierten unter dem Namen International Tracing Service (ITS) gegründet, um nach dem Zweiten Weltkrieg bei der Suche nach vermissten Personen und der Klärung von Schicksalen zu helfen. Die Arolsen Archives verwahren rund 3000 Gegenstände, die KZ-Häftlingen gehörten, und versuchen, im Rahmen der Kampagne #StolenMemory, diese an die Familien der Opfer zurückzugeben.
Nohant selbst wurde durch die Erfahrungen ihrer Großmutter während des Krieges inspiriert, dieses Buch zu schreiben. Heraus kam ein tief berührendes Werk, das Bekanntes nicht in neuer Form wiederholt, sondern ein noch recht unbekanntes Kapitel bei der Aufarbeitung des Holocaust aufschlägt. Wer mag, kann den Roman über die Arolsen-Archives hier* online bestellen.
Elena Eden, Der Garten im Licht*
Elena Eden ist eine deutsche Autorin, die sich auf Gartenromane spezialisiert hat. Ihr Motto lautet „Familiengeschichten auf Gartenwegen“. Nach ihrem Debütroman „Der Garten unter dem Eiffelturm“ hat sie nun mit „Der Garten im Licht“ eine Fortsetzung vorgelegt, die euch an die französische Riviera versetzt.
Im Zentrum der Handlung steht Alina Rosen, eine Gartenfotografin, die von einem Arbeitsauftrag an die sonnenverwöhnte Côte d’Azur geführt wird. In Menton, berühmt für seine Zitronengärten, stößt Alina auf eine geheimnisvolle Spur ihrer eigenen Familiengeschichte. Eine Enthüllung aus dem Nachlass ihrer Großmutter Helena führt sie auf die Fährte von Antoine de Montagne, einem französischen Kunsthistoriker – und ihrem nie gekannten Großvater.
Ihre Großmutter und Antoine verband in den 1950er-Jahren eine große Liebe in Berlin, doch diese endete abrupt. Warum haben sich ihre Wege getrennt? Weshalb hat Antoine sich nie bei Helena gemeldet? Alina setzt alles daran, diese Fragen zu klären. Dabei wird sie mit einem mysteriösen Manuskript konfrontiert, das auf eine Verbindung zwischen ihrer Familie, der berühmten Kunstsammlerin Beatrice von Rothschild und einem Gemälde von Claude Monet hinweist.
Die Enthüllungen scheinen immer tiefer in die Vergangenheit zu reichen und drohen Alinas eigenes Leben zu erschüttern, nicht zuletzt ihre Beziehung zu Florian, der in der Ferne immer distanzierter wirkt. Wer mag, kann den Côte-d’Azur-Roman hier* bestellen.
Bettina Pohlmann, Paula in Paris*
Die Hamburger Autorin und Regisseurin Bettina Pohlmann hat nach dem Abitur ein Jahr in Paris verbracht – und ist nach dem Studium für ein weiteres Jahr nach Paris zurückgekehrt. Ihre Erfahrungen und Begegnungen flossen ein in ihren 360 Seiten dicken Roman „Paula in Paris“.
Seine Hauptfigur ist die 20-jährige Paula, die gerade ihr Abitur im Hamburger Vorort Wentorf abgeschlossen hat und für ein Jahr als Au-pair nach Paris geht – und damit den Spuren ihrer Großmutter folgt, die ebenfalls als junge Frau Paris entdeckt und erlebt hatte. In Paris angekommen, sieht sich Paula mit einigen Herausforderungen konfrontiert.
Die Stadt und ihre beiden Gastfamilien machen es ihr nicht leicht – und auch politisch ist Paris 1985 ein heißes Pflaster, wie der zweite Teil des Romans zeigt, der die Anschläge vom Dezember 1985 aufgreift. Damals soll die Hisbollah-Miliz Bomben in zwei Pariser Warenhäusern gezündet haben, wobei 43 Personen verletzt wurden.
Ob es tatsächlich die Hisbollah war, ist heute unter Historikern umstritten. In diesem politischen Ausnahmezustand begleitet der Entwicklungsroman Paula bei ihrer Suche nach ihrer Rolle im Leben und ihren Erfahrungen mit den Spielarten der Liebe. Hier* könnt ihr den Coming-of-Age-Roman bestellen.
Offenlegung
Die Autoren bzw. Verlage stellten mir die Titel kostenfrei für die Besprechung zur Verfügung. Dafür sage ich herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.
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Noch mehr Lesefutter für Herbst und Winter – und viele weitere Familiengeheimnisse -– gibt es in dieser Rubrik.
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