Rote Erde, grüner Busch, blaue Fluten: der Parc de la Rivière Bleue. Foto: Hilke Maunder
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Neukaledonien: Frankreich in der Südsee

Rote Erde wie in Australien, Lebensart wie in Frankreich – und eine gehörige Portion Kanakentum. Neukaledonien ist ein faszinierender Mix. Frankreichs Außenposten in der Südsee liegt 1.600 Kilometer östlich von Brisbane im Herzen des Pazifik. Und überrascht mit einer einzigartigen Natur.

Rote Erde, Kultur der Ureinwohner und exotische Natur: Womit Australien wirbt, kann auch Neukaledonien bieten. Denn letztlich sind beide – zumindest für Geologen – Geschwister.

Bei Sarramea auf Grande Terre. Foto: Hilke Maunder
Bei Sarraméa auf Grande Terre. Foto: Hilke Maunder

Ein Teil von Gondwana

Zusammen mit Australien, Neuseeland und anderen Ecken im Südwestpazifik bildete Neukaledonien einst den riesigen Urkontinent Gondwana. Als er vor rund 250 Millionen auseinanderbrach, entstand ein Archipel, der langsam nach Nordosten driftete.

Neukaledonien: Anse Vata: Foto: Hilke Maunder
Neukaledonien und das Meer… ein einziger Traum! Foto: Hilke Maunder

Am 4. September 1774 entdeckte James Cook die  Inseln, nannte sie Neu-Schottland (New Caledonia), tauschte mit den Häuptlingen Geschenke aus – und segelte weiter. So nahm am 24. September 1853 Auguste Febvrier-Despointes den Archipel für Frankreich in Besitz.

240 Pariser Kommunarden starben in der Verbannung - auf dem <em>Cimetière des Déportée</em> der Île des Pins wurden sie bestattet. Foto: Hilke Maunder
240 Pariser Kommunarden starben in der Verbannung – auf dem Cimetière des Déportés der Île des Pins wurden sie bestattet. Foto: Hilke Maunder

Hölle in der Südsee

Das ferne Frankreich verwandelte die fernen Inseln – ähnlich wie die Briten in Australien – in die Hölle auf Erden. 21.000 Menschen wurden dorthin verbannt. Diebe, Dirnen und politisch Unbequeme, darunter auch Aufständische der Pariser Kommune.

Als zehn Jahre später Jules Garnier Nickel fand, begann ein Boom, der sich erst im dritten Millennium abschwächte. Der Archipel birgt ein Drittel der weltweiten Nickelvorräte. Jenes wird für die Herstellung von rostfreiem Stahl benötigt.

Rivière Bleu: Blaue Streifen verraten: Hier steckt Nickel im Gestein. Foto: Hilke Maunder
Blaue Streifen verraten: Hier steckt Nickel im Gestein. Foto: Hilke Maunder

Anders als in Australien, kann Nickel in Neukaledonien im offenen Tagebau abgebaut werden. Das macht den Abbau günstiger. Und allgegenwärtig sichtbar auf Grande Terre.

Nickel im Busch

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Auch im Parc Provincial de la Rivière Bleue im Süden von Grande Terre steckt überall Nickel in der Erde. Blaue Adern im Gestein verraten sein Vorkommen.

Die Gebiete, die einst für den Bergbau abgeholzt wurden, werden heute gezielt mit einheimischer Flora aufgeforstet. Dass dies gelingt, hat Forscher weltweit neugierig gemacht. Denn Nickel ist ein hochgiftiges Metall!

Exotische Blüte im NSG Rivière Bleue. Foto: Hilke Maunder
Exotische Blüte im Rivière Bleue-Naturpark. Foto: Hilke Maunder

Neukaledonien Superpflanzen

Doch auf Neukaledonien gibt es ein paar Superpflanzen, die dem Nickel nicht nur trotzen, sondern es sogar nutzen. Als „Hyperakkumulatoren“ ziehen sie die Schwermetalle aus dem Boden und speichern sie in ihren Blättern. Auf dem Weg dorthin färbt das Nickel den Pflanzensaft blaugrün.

Flechten sind Indikatoren für saubere Luft. Diese findet ihr im NSG Rivière Bleue.
Flechten sind Indikatoren für saubere Luft. Diese findet ihr im Rivière Bleue-Naturpark. Foto: Hilke Maudner

Der  Ökologe Antony van der Ent hat diese außergewöhnlichen Pflanzen mit nach Melbourne genommen und dort in einen Teilchenbeschleuniger gesteckt.

Die hochauflösenden Bilder aus dem Innersten der Pflanze verrieten, wie die Pflanze die Metallanreicherung anlegte und nutzte. Und genau mit dieser Technik sollen nun verseuchte Böden weltweit mit solchen  Superpflanzen renaturiert werden.

Eine der fleischfressenden Pflanzen von Rivière Bleue; Sie lockt mit süß duftendem Duft die Insekten. Foto: Hilke Maunder
Nepenthes vieillardii – eine der fleischfressenden Pflanzen von Rivière Bleue. Sie lockt mit süß duftendem Duft die Insekten. Foto: Hilke Maunder

Fleischfresser & Orchideen

Zwischen dem dichten Grün verstecken sich auch Orchideen wie die Megastylis gigas. Eine Besonderheit sind auch die fleischfressenden Pflanzen wie die Drosera neocaledonica und Nepenthes vieillardii. Da der Boden so nährstoffarm ist, fressen sie Insekten und decken so ihren Nährstoffbedarf.

Rivière Bleue: Einer der blühenden Exoten, die ich nicht kann - wer kann weiterhelfen? Foto: Hilke Maunder
Ein blühender Exot. Foto: Hilke Maunder

Das Naturschutzgebiet im Süden von Grande Terre schützt die Becken der Flüsse Rivière Blanche, Rivière Bleue und Mois de Mai, von denen die beiden letztgenannten seit 1958 den Yaté-Stausee füllen. Aus den Fluten ragen Tausende Baumstümpfe und Stämme heraus: ein großer ertrunkener Wald – die forêt noyée.

Der versunkene Wald von La Rivière Bleue. Foto: Hilke Maunder
Der versunkene Wald von La Rivière Bleue. Foto: Hilke Maunder

Über die 80 Meter lange Brücke Pont Pérignon, deren „Gummiholz“ seit 60 Jahren dem Wasser trotzt, geht es im Allradwagen hinein in einen urzeitlichen Regenwald. Früher bedeckte solch ein Regenwald rund 80 Prozent von Neukaledonien. Heute sind es knapp 20 Prozent.

Der versunkene Wald von La Rivière Bleue. Foto: Hilke Maunder
Der versunkene Wald von La Rivière Bleue. Foto: Hilke Maunder

Urwald unter Wasser

Unter dem Blätterdach versperrt ein Gewirr aus Lianen den Weg. Eine Gottesanbeterin hat sich zwischen riesigen Blättern versteckt. Filigrane Flechten und dicke Moose haben die Stämme von Baumveteranen erobert.

Le Grand Kaori vom Rivière Bleue. Foto: Hilke Maunder
Le Grand Kaori von der Rivière Bleue. Foto: Hilke Maunder

Mehr als 1.000 Jahre hat Le Grand Kaori auf dem Buckel. 40 Meter hoch ragt der älteste und größte Kauri-Baum von Neukaledonien in den Tropenhimmel.

Epiphyten haben seine Krone erobert, Besucher ihre Namen in seine Rinde geritzt. Möbel, Masten und ganze Schiffe wurden aus Kauri-Holz einst hergestellt, das auch auf der australischen Ostküsteninsel Fraser Island im großen Stil dafür abgeholzt wurde.

Riesentauben und Wasserschlangen

Die frühe Isolation hat auch eine faszinierend fremde Tierwelt hervorgebracht. Aufgeregt zücken ein paar Mountainbiker ihre Handys. Direkt vor ihnen stochert ein junger Cagou mit grauweißem Federkleid und langem, roten Schnabel  im Laub nach Nahrung.

Kaum größer als eine Ente, ist Neukaledoniens Nationalvogel selten geworden – eingeschleppte Feinde wie der Fuchs habe die Vogelart, die nur laufen, aber nicht fliegen kann, drastisch dezimiert.

Im Unterholz des Regenwaldes lebt auch die Riesentaube Notou. An den Küsten schlängeln Schlangen am Brandungssaum.

Îlot Maître: Die Giftschlange Tricot Rayé ist überall im Süden von Neukaledonien am Meer zu finden. Foto: Hilke Maunder
Die Giftschlange Tricot Rayé ist überall im Süden von Neukaledonien am Meer zu finden. Foto: Hilke Maunder

In den Höhlen versteckt sich die Roussette Roux.Im April darf die bedrohte Fledermausart – ganz legal – gejagt werden, um Le Bougna  vorzubereiten.

Fürs Festtagsgericht werden Fisch und Fleisch mit Kokosmilch übergossen und gemeinsam mit Taro-, Yams- und Maniokwurzeln, in Bananenblätter gewickelt, auf heißen Steinen über Stunden hinweg in einer Grube gegart.

Wilde Westen: Auf den weiten Weiden bieten riesige Bois Noir (Blackwood)-Bäume Schatten. Foto: Hilke Maunder
Auf den weiten Weiden bieten riesige Bois Noir (Blackwood)-Bäume Schatten. Foto: Hilke Maunder

Bei den Cowboys der Südsee

Am nächsten Tag geht es von Neukaledoniens Hauptstadt Nouméa in den Westen von Grande Terre. Einsam wird das Land und zunehmend trockener. In diesem weiten Busch, den die Einheimischen brousse nenne, liegt die Heimat riesiger Viehfarmen.

Broussards und stockmen, neukaledonische Cowboys, züchten dort Brahmousin-Rinder. Gekreuzt aus Brahman & Limousin-Vieh, weiden sie auf weiten Steppen, die in der Ferne an ausgemergelten Bergen enden.

Wilde Wsten: Unser Aussichtsplatze zum abendlichen Barbecue. Foto: Hilke Maunder
Unser Aussichtsplatze zum abendlichen Barbecue. Foto: Hilke Maunder

Weniger als 1500 Millimeter Regen fallen im wilden Westen pro Jahr, und damit deutlich weniger als an der Ostküste, wo sich die Passatwinde an der zentralen Bergscheide der neukaledonischen Hauptinsel abregnen und die Yams-Felder der Kanaken bewässern.

Flammenbäume leuchten feuerrot vor dem dunklen Fels. Blackwood und Araukarien, Opuntien und scharfes Gras bedecken das Land.

Wilde Westen: Die Néra bei Bourail. Foto: Hilke Maunder
Die Néra bei Bourail. Foto: Hilke Maunder

Trockenwald mit Korallenblick

Am Naturschutzgebiet Domaine de Déva halten wir und folgen dem 5,5 Kilometer langen Rundweg Sentier du Oua Koué. Durch den Trockenwald von Gouaro, der mit 38 Vogel-, 11 Echsen- und 58 Schmetterlingsarten eine überraschend reiche Fauna im arg trockenem Gestrüpp birgt, steigen wir einen kleinen Hügel hinauf.

Wilde Westen: Aufstieg zum Aussichtsgipfel der Domaine de Deva bei Bourail. Foto: Hilke Maunder
Aufstieg zum Aussichtsgipfel der Domaine de Deva bei Bourail. Foto: Hilke Maunder

Schatten ist rar, heiß sticht die tropische Sonne vom blauen Himmel. In der Ferne ballen sich ein paar dicke Wolken über der zentralen Bergscheide von Grande Terre.

Doch an der Küste ist der Blick noch weit und klar, und der Aufstieg auf Saumpfaden und Treppenwegen fast geschafft. Oben angekommen, sind wir sprachlos vom Anblick: Vor uns liegt die Korallenküste von der Lagune Neukaledoniens.

Wilde Westen: Domaine de Déva mit dem Creek Salé. Foto: Hilke Maunder
Die Domaine de Déva mit dem Creek Salé. Foto: Hilke Maunder

Schildkröten & Korallen

Mal türkisblau, dann gesprenkelt mit Korallen, an  der Riffkante weiß schäumend, schließlich tiefblau bis an den Horizont, so liegt sie uns zu Füßen. 24.000 Quadratkilometer bringt sie auf die Landkarte: Weltrekord!

Das mit 1.600 Kilometern Länge zweitgrößte Barriereriff der Welt trennt sie von der Tiefsee. Mitten im flachen Türkis paddeln unzählige schwarze Punkte: Meeresschildkröten, die zum Atmen kurz auftauchen.

Neukaledonien: Die Lagune von Nessadiou bei Bourail. Foto und Copyright: Martial Dosdane / NCTPS
Die Lagune von Nessadiou bei Bourail. Foto und Copyright: Martial Dosdane / NCTPS

Auf Inseln wie Lifou, Maré und Ouvéa kommen sie zur Eiablage ans Land. Wie Postkarten, die wahr geworden sind, präsentieren sich die Loyalitätsinseln.

Auf Ouvéa säumen 27 km strahlend weißer Sand die Plage de Mouli. Steil stürzen sich die 46 Meter hohen Felsen von Lékiny ins badewarme Türkisblau.

Fast 50 m hoch ragen die Felsen von Lékiny an der Ostküste von Ouvéa auf. Foto: Hilke Maunder
Fast 50 m hoch ragen die Felsen von Lékiny an der Ostküste von Ouvéa auf. Foto: Hilke Maunder

Bei den Kanaken

Direkt am Straßenrand bäckt ein Kanake köstliches Brot im Holzofen. Jeanne hockt auf der Erde und flicht aus Palmwedeln einen Behälter für einen alten Brauch.

Ouvéa: Handwerk statt Hightech: Die Brote des Bäckers aus der Inselhauptstadt sind köstlich! Foto: Hilke Maunder
Handwerk statt Hightech: Die Brote des Bäckers aus der Inselhauptstadt sind köstlich! Foto: Hilke Maunder

„Als Zeichen des Respekts bringen wir bei einem Besuch nicht Blumen mit, sondern verschenken Geld – eingewickelt in bunten Stoff oder versteckt in solch einer Deko. Faire la coutume heißt das bei uns Kanaken“, sagt Jeanne und springt auf, als ihr Handy klingelt.

Trotz des karstigen Bodens und des fehlenden Humus ist die Insel von dichtem Grün durchzogen. Wo kein Dschungel das Land erobert hat, wachsen Kokospalmen auf riesigen Plantagen. Aus dem Kernfleisch der Kokosnüsse, der Kopra, wird Kokosöl gewonnen.

NC: Jeanne fliegt Palmwedel für einen alten Brauch. Foto: Hilke Maunder
Jeanne flicht Palmwedel für eine Zeremonie. Foto: Hilke Maunder

Das wandert als Speiseöl nicht nur in den internationalen Export, sondern auch in die Seifenherstellung. Und sogar ins Auto: Ouvéa testet Kokosöl als Kraftstoff!

Kiefernduft am Tropenpool

Beim Flug von Nouméa zur Île des Pins habt ihr herrliche Ausblicke auf das Weltnaturerbe des neukaledonischen Korallenmeers. Foto: Hilke Maunder
Beim Flug von Nouméa zur Île des Pins habt ihr herrliche Ausblicke auf das Weltnaturerbe des neukaledonischen Korallenmeers. Foto: Hilke Maunder

Das weithin sichtbare Wahrzeichen der Île des Pins sind die pins colonnaires, kerzengerade Kiefern, aus denen einst die Masten der Segler gefertigt wurden. Tiefgrün rahmen sie die piscine naturelle ein. Im Süden der Baie d’Oro haben Felsen einen Wasserlauf vom Meer abgeriegelt.

Die "piscine naturelle" der Île des Pins. Foto: Hilke Maunder
Die piscine naturelle der Île des Pins. Foto: Hilke Maunder

In diesem flachen Badepool tummeln sich kunterbunte Tropenfische: Pflichtstopp für fast alle Besucher der Insel, die mit Selfiestick und Go Pro anrücken.

Einmal bitte hinlegen und wohlfühlen: Strandbett an der Baie d'Oro. Foto: Hilke Maunder
Einmal bitte hinlegen und wohlfühlen: Strandbett an der Baie d’Oro. Foto: Hilke Maunder

Ruhiger geht es bei den Attraktionen unterhalb der Erde zu: Tropfsteinhöhlen wie die Grotte de la Reine Hortense oder die Teufelsgrotte, die die Erosion im Karst der Insel geschaffen hatten.

Die Grotte de la Reine Hortense auf der Île des Pins. Foto: Hilke Maunder
Die Grotte de la Reine Hortense auf der Île des Pins. Foto: Hilke Maunder

Der heiße Knast

Geradezu gespenstisch still ist es beim „bagne“, dem einstigen Zuchthaus nahe der Inselhauptstadt Vao. Zu zehnt hausten dort Frankreichs Deportierte in den engen, vergitterten Zellen.

Wegen Überfüllung wurden die Häftlinge auch draußen in Ketten zur Nacht an ihren Kerker gefesselt. Tagsüber mussten sie in sengender Hitze Steine brechen. 1909 wurde das Zuchthaus aufgegeben.

Die Hölle auf Erden: "le bagne de l'Île des Pins". Foto: Hilke Maunder
Die Hölle auf Erden: le bagne de l’Île des Pins. Foto: Hilke Maunder

Seitdem hat die Natur die Hölle im Paradies zurückerobert. Doch bedrückend ist der Besuch bis heute. Auch 240 Pariser Kommunarden starben in der Verbannung – auf dem Cimetière des Déportées der Île des Pins wurden sie bestattet.

Die Straßen auf der Île des Pins sind gut ausgebaut. Foto: Hilke Maunder
Die Straßen auf der Île des Pins sind gut ausgebaut. Foto: Hilke Maunder

Ihre Insel als Verbannungsort? Die einheimischen Kanaken waren wenig begeistert, unterlagen aber bei den Verhandlungen mit Frankreich.

Heute ist Hilanion Vendegou als grand chef Oberhäuptling der 2000 Kunié in acht Stämmen darauf bedacht, Identität und Autonomie der Kanaken zu wahren.

Die Kultur der Insulaner

Den Eingang zu seinem Wohnhaus zieren Wächterfiguren, wie sie auch das kanakische Kulturzentrum Tjibaou in Nouméa schmücken. Als Vorbild für seinen spektakulären Bau, der traditionelle Formen mit bahnbrechender Technologie verschmilzt, wählte Renzo Piano die traditionellen cases der Kanaken.

Die Rundhütten aus Holz und Palmwedeln unterscheiden sich zwar lokal in der Höhe ihrer Dächer, doch die Bauart ist stets ähnlich. Der Italiener inszenierte sie als cases modernes sur un rêve d’avenir, moderne Rundhütten, die dem Zukunftstraum der Urbevölkerung Gestalt geben.

Nouméa: Detail einer "case" im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder
Detail einer case im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder

Die Verbindung von Alt und Neu schaffen die Materialien. Das Holz steht für die Vergangenheit, der Stahl für die Zukunft und die Moderne. Geholt wurde das Holz aus Ghana, da dort die Bäume ähnliche Eigenschaften wie die neukaledonischen Houp besitzen.

Nouméa: Ausstellung in der 1. case des Tjibaou-Kulturzentrums. Foto: Hilke Maunder
Die Ausstellung in der ersten case des Tjibaou-Kulturzentrums. Foto: Hilke Maunder

Die Hütten von Renzo Piano

Im Elsass wurde alles vorgefertigt, dann nach Nouméa verschifft und aufgebaut. Die höchste case erhebt sich 28 Meter hoch im Kulturzentrum – und ist damit Symbol für die 28 Sprachen der Kanaken. Wie einst werden alle Ausstellungs-Hütten natürlich durch den Wind gekühlt. Hinzu kommt ein Außengelände.

Nouméa: Die Kanakin Tika vor der Häuptlingshütte im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder
Die Kanakin Tika eine Hütte im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder

Ein Lehrpfad – der Chemin Kanak – stellt mit fünf Stationen den Lebensraum und die Arbeitswelt der Kanaken, ihr Denken und Fühlen vor. Dass sie an die Wiedergeburt glauben, verrät die fünfte Station.

Nouméa: Im Innern der "case2 des Häuptlings. Foto: Hilke Maunder
Im Innern der case des Häuptlings. Foto: Hilke Maunder

Sechs Milliarden französische Francs, nicht ganz eine Milliarde Euro, spendierte Frankreich für das Kulturzentrum. Die Hauptstadt  stellte kostenlos das Land auf der Tina-Halbinsel bereit. 1989, fünf Jahre nach dem Höhepunkt des Bürgerkrieges, wollte der Staat Zeichen setzen.

Nouméa: Die "case" des Häuptlings im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder
Die case des Häuptlings im Tjibaou-Kulturzentrum, Foto: Hilke Maunder

Ein sorry, wie Kevin Rudd es in Australien aussprach, steht noch aus. Die Geschichte wird erst langsam aufgearbeitet. In Kunst, Literatur und Musik, Foto und neuen Kunstformen. Und bei der Pflege des Kulturerbes, das reicher ist, als ein schneller Blick auf Nouméa vermuten lässt.

Nouméa: die Aussicht vm Château Hagen. Foto: Hilke Maunder
Weitblick: die Aussicht vom Château Hagen auf Noumea. Foto: Hilke Maunder

Die Pracht der Kolonialzeit

Ehrenamtliche der Association Témoignage d’un Passé haben seit 2009 das Erbe der Kolonialzeit  restauriert und zu einer wichtigen Sehenswürdigkeit der neukaledonischen Hauptstadt gemacht. 57 Zeugnisse der Kolonialarchitektur verbindet der vier Kilometer lange Parcours du Faubourg durch den Faubourg Blanchot.

Nouméa: Château Hagen
Château Hagen ist heute ein Kulturzentrum.

Die imposante Maison Célières verwandelten die Freiwilligen in ein Literaturhaus, das auf Begegnung, Austausch und Dialog setzt. Das sind auch die Ziele des Château Hagen, das 1889-1892 im Herzen eines großen, exotischen Gartens als repräsentativer Herrensitz angelegt wurde.

Heute lädt es ein, die Kultur Neukaledoniens zu entdecken. Im Programm: Ausstellungen zum Arbeitsleben von einst, das der Kaffeeanbau prägte, aktuelles Kunstschaffen der Kanaken, Konzerte und Festivals wie Les Chemins Sonores.

Nouméa: Kanakische Maske auf einem Schrank im Château Hagen. Foto: Hilke Maunder
Kanakische Maske auf einem Schrank im Château Hagen. Foto: Hilke Maunder

Hinter dem Herrenhaus versteckt sich das älteste Haus der Hauptstadt. Die Maison Taragnat (1858) von Pierre Canel (1822-1890), der als einer der ersten Kolonisten nach Neukaledonien kam, ist ein einfacher, schlichter Bau aus Feldsteinen mit kleiner Veranda und großem Dach.

Damals hieß das Städtchen noch Port-de-France. Da dies immer wieder zu Verwechslungen führte mit Fort-de-France, Hauptstadt von Martinique, wurde 1866 der Name in Nouméa geändert. Seine gute Stube ist die Place des Cocotiers.

Place Feillet im Herzen von Nouméa. Foto: Hilke Maunder
Die Place Feillet im Herzen von Nouméa. Foto: Hilke Maunder

Den rechteckigen Stadtplatz, exakt 400 x 100 m groß, komponierte Stadtplaner Coffyn aus vier Plätzen. Er hatte die gesamte Stadt einst in 100 x 100 m große Rasterblöcke aufgeteilt.

Heute ist Nouméa längst über die alte Stadt hinausgewachsen, hat Hügel und Buchten erobert – und ist doch sich treu geblieben.

Marché de Nouméa: Einer der Exoten aus der Lagune von Nouméa zeigt sich besonders farbenfroh. Foto: Hilke Maunder
Einer der Exoten aus der Lagune von Nouméa zeigt sich besonders farbenfroh. Foto: Hilke Maunder

Ritual am Meer

Täglich außer montags trifft sich tout Nouméa in den Markthallen an der Baie de la Moselle direkt am Meer. Frühmorgens um sechs gibt es dort die besten Schnäppchen, wissen die Einheimischen. Nach dem Einkauf pilgern sie zur Buvette du Marché.

Ein petit noir, ein erster Wein: Das ist ein Muss. Und macht Neukaledonien, quer durch all seine Kulturen, durch und durch französisch.

Marché de Nouméa: La Buvette du Marché: Ein Abstecher zum Marktcafé gehört dazu! Foto: Hilke Maunder
La Buvette du Marché: Ein Abstecher zum Marktcafé gehört dazu! Foto: Hilke Maunder

Neukaledonien: meine Reise-Infos

Hinkommen

Neukaledoniens internationaler Carrier Aircalin bedient von Nouméa-La Tontouta (NOU) aus mit einer Airbus-Flotte elf internationale Destinationen im Pazifik: Japan (Tokio, Osaka), Australien (Sydney, Brisbane, Melbourne), Neuseeland (Auckland), Französisch-Polynesien (Papeete), Fidschi (Nadi) Vanuatu (Port Vila) und Wallis & Futuna

Acht bis neun Mal pro Woche verbindet Aircalin im Codeshare mit Air France/KLM, Lufthansa und Finnair Europa mit dem Archipel.

Le Petit Train rollt auch in Nouméa. Foto: Hilke Maunder
Le Petit Train rollt auch in Nouméa. Foto: Hilke Maunder

Weiterkommen

Auto

Das Straßennetz ist überraschend gut ausgebaut. Auf der Hauptinsel Grande-Terre gibt es  vier Territorialstraßen (frz. routes territoriales, RT) und voies expresses, mehrspurige Schnellstraßen. Die Straßen im Inselinnern sind meist unversiegelt.

Flieger

Vom Inlandsflughafen Nouméa-Magenta fliegt Air Calédonie (www.air-caledonie.nc) mit ATR 72-600-Propellermaschinen nach Lifou, Tiga, Maré, Île-des-Pins, Bélep sowie in den Norden von Grande Terre. Air Loyauté (www.air-loyaute.nc) schwebt mit der DHC6-400 zu den Loyalitätsinseln.

Schiff

Die Gare Maritime ist mit mehr als 200 Ankünften im Jahr bei Kreuzfahrern sehr beliebt; www.gare-maritime.cci.nc. Auch Lifou, Maré und die Île des Pins sind Kreuzfahrtsziele.

Fähren

Von der Gare Maritime des Îles schippert Betico mit Schnellkatamaranen zur Île des Pins und den Îles Loyauté, vor allem nach Lifou, Maré und Ouvéa.

Wilde Westen: Zimmer 28 im Sheraton Deva. Foto: Hilke Maunder
Zimmer 28 im Sheraton Déva. Foto: Hilke Maunder

Schlafen

Auf Neukaledonien dominieren Resorts, Hotels und Motels internationaler Ketten. Boutiquehotels sind (noch) nicht vorhanden. Hinzu kommen rund 50 Farmstay-Angebote.

Noch im Aufbau der Aufenthalt bei  den indigenen Einheimischen. Beim séjour en tribu wird in einfachen Gemeinschaftsunterkünften übernachtet, auch die Sanitärräume werden oft geteilt, Warmwasser ist nicht Standard. Beim Camping dominieren einfache, naturnahe Plätze.

Nouméa: Boris vom Restaurant "L'Arléquin". Foto: Hilke Maunder
Boris vom Restaurant L’Arléquin. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen

40 Prozent der Produkte werden lokal erzeugt, der Rest kommt aus Frankreich, Australien und Neuseeland. Grundnahrungsmittel der Kanaken sind stärkehaltige Wurzeln wie Yams, Taro und Maniok, die nicht nur die Küche, sondern auch Kultur und Brauchtum prägen.

An Land sind Roussette (Fledermaus) und Hirsch kulinarische Spezialitäten, aus der Lagune kommen Fische und Krustentiere wie Langusten, Krevetten und Krebsarten. Fisch oder Fleisch gleichermaßen wandern in das Traditionsgericht Le Bougna, das im Erdofen gart.

Vor Ort werden bei Bier die Sorten Lager und Ale gebraut; sämtliche Weine und Spirituosen sind teure Importware.  Der Alkoholverkauf ist eingeschränkt.

Îlot Maître: In Neukaledonien gebraut: Nummer-One-Bier – gibt es auch als Mojito-Variante! Foto: Hilke Maunder
In Neukaledonien gebraut: Nummer-One-Bier – gibt es auch als Mojito-Variante! Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Mein Neukaledonien-Special

Mein Neukaledonien-Special

Zur Einführung: Frankreich in der Südsee

Die Hauptstadt: Nouméa erleben: die Hauptstadt-Highlights

Nouméa: Die cases der Kanaken

Anse Vata: Das Longchamp von Nouméa 

Îlot Maître: Die Spielwiese von Nouméa

Grande Terre: Der wilde Westen von Grande Terre

Grande Terre: PNR Rivière Bleue: das große Stauen

Île des Pins: Fast ein Paradies

Ouvéa: Bei den Kanaken

Neukaledonien: Das dürft ihr nicht verpassen!

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Joseph Andras_KanakyJoseph Andras, Kanaky*

Dreimal hat bereits die südpazifische Inselgruppe Neukaledonien über ihre Unabhängigkeit von Frankreich abgestimmt. Bei jeder Abstimmung überwog knapp die Zustimmung zum Verbleib beim fernen Mutterland. Einer der führenden Figuren der kanakischen Unabhängigkeitsbewegung war Alphonse Kahnyapa Dianou.

Er war einer der Anführer, die den Angriff militanter Kanak-Nationalisten auf die Gendarmerie von Fayaoué in Ouvéa am Freitag, dem 22. April 1988, geplant hatten. Die Aktion misslang. Sie führte zum Tod von vier Gendarmen, gefolgt von der Geiselnahme der anderen Gendarmen.

Alphonse Dianou und sein Bruder Hilaire flohen in den Norden und fanden schließlich Zuflucht in der „heiligen“ Höhle von Wateö, nicht weit vom Stamm der Gossanah entfernt. Dreizehn Tage später, am 4. Mai 1988, startete die Elite der Streitkräfte ihren Angriff, bei dem Dianou ums Leben kam. Seitdem ranken sich die widersprüchlichsten Legenden um dessen Tod.

Joseph Andras beginnt nachzuforschen. Er reist an den Ort des Geschehens, trifft Dianous Witwe, Vertraute und Zeitzeugen. Die Erzählung beruht auf Aussagen der Kanak und stellt ihr Wort in den Mittelpunkt des Buches. Es besteht aus einem doppelten Erzählrahmen. 45 Kapitel berichten über die Suche anhand von Zeugenaussagen und werden von 14 chronologischen Sequenzen unterbrochen, die den Ablauf des Angriffs und der Geiselnahme vom 22. April bis zur Erstürmung der Höhle am 5. Mai 1988 rekonstruieren.

Die Sequenz der 13 Tage der Ereignisse (22. April bis 5. Mai) verwebt die Wiedergabe der Zeugenaussagen aus den 45 Kapiteln. Die Wahl der Komposition verleiht der Erzählung Intensität und Dichte. Der Schreibstil ist eng an die Realität angelehnt.

Seine Notizen, Gespräche und Begegnungen verbindet Andras zu einem fesselnden  Text, der in den Kern eines hier nur wenig bekannten Konflikts dringt. Andras erzählt vom Widerstand gegen die Kolonialmacht, von  einer verdrängten Kultur und  von einem Land, zerrissen im Kampf für einen unabhängigen Staat: Kanaky. Wer mag, kann den Doku-Roman hier* bestellen.

Birgit Weidt: Das Lächeln der Vergangenheit

Birgit Weidt, Das Lächeln der Vergangenheit*

Eine Maske aus Holz, die ihr Großvater einst aus Neukaledonien mitgebracht hatte,  wird zum Auslöser für eine Reise, bei der Birgit Weidt nicht nur die Kultur der Kanaken von Neukaledonien, sondern auch sich selbst besser kennenlernen.

Die freie Journalistin, die u.a. für DIE ZEIT schreibt, lernt auf Grande Terre den Stammeshäuptling Bergé Kawa kennen, der ihr gestattet, in seiner Dorfgemeinschaft mit ihren Ritualen, Ahnen, Geistern und Traditionen kennenzulernen. Dort lernt sie, warum man fremden Menschen nicht in die Augen sehen soll und warum Frauen ihre Altersfalten wie Schmuck zur Schau tragen.

Das Leben der Ureinwohner im Einklang mit der Natur: Mit ihrem Taschenbuch seid ihr hautnah mit dabei. Wer mag, kann den Band hier* online bestellen.

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Offenlegung

Neukaledonien entdeckte ich auf einer Pressereise, die ATOUT France mit ihren Partnern Nouvelle-Calédonie Tourisme, Air France und Aircalin organisiert hatte. Ihnen allen sage  ich dafür merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

Neukaledonien: Anse Vata: Foto: Hilke Maunder, Angler
„Morgens beißen die Fische am besten“. Angler auf der Pier der Anse Vata. Foto: Hilke Maunder
Wilde Westen: Busch-Lunch mit Tischdecke: Patricia und ich sind begeistert! Foto: Hilke Maunder
Busch-Lunch mit Tischdecke: Patricia und ich sind begeistert! Foto: Hilke Maunder
Ouvéa: Blick von der Pont de Mouli. Foto: Hilke Maunder
Blick vom Pont de Mouli. Foto: Hilke Maunder
Île des Pins: Edmond schippert mit euch zwei Stunden lang mit seinem Outrigger-Kanu durch die Baie d'Upi. Foto: Hilke Maunder
Edmond schippert mit euch zwei Stunden lang mit seinem Outrigger-Kanu durch die Baie d’Upi. Foto: Hilke Maunder
Sonnenuntergang am Strand von Mouli auf Ouvéa. Foto: Hilke Maunder
Sonnenuntergang am Strand von Mouli auf Ouvéa. Foto: Hilke Maunder
Pure Romantik: der Sonnenuntergang auf dem Îlot Maître. Foto: Hilke Maunder
Pure Romantik: der Sonnenuntergang auf dem Îlot Maître. Foto: Hilke Maunder

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