Die Salzgärten des Marais Salants zwischen Guérande und Batz-sur-Mer
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Salz: das weiße Gold der Meere

In länglichen Parzellen spiegelt sich die Wolken auf dem flachen Wasser. Dann wieder sind die Becken in dunkles Rosa getaucht, tanzen die Sonnenstrahlen über glitzerndes Weiß. Ein Hauch von Moder mischt sich in den Duft des Salzes.

Flirrende Hitze taucht die marais salants in unwirkliches Licht. Die Salzgärten an der französischen Atlantikküste gehören zu den faszinierendsten Landschaften, die ich kenne. Sie  begeistern mich stets aufs Neue.

Am Horizont tauchen über den Salzbecken des Marais Salants derGuérande-Halbinsel der Kirchtzurm von Batz-sur-Mer auf. Foto: Hilke Maunder
Am Horizont tauchen über den Salzbecken des Marais Salants derGuérande-Halbinsel der Kirchtzurm von Batz-sur-Mer auf. Foto: Hilke Maunder

Die Salzmönche von Noirmoutier

Bereits im 5. Jahrhundert legten Benediktinermönche auf der Île de Noirmoutier die Gärten für das weiße Gold des Meeres an. Sie bilden heute ein komplexes System von Becken und Kanälen, durch die kontinuierlich Meerwasser geschleust wird.

Durch die Einwirkung von Sonne und Wind verdunstet das Wasser. Die Konzentration der Salzsole steigt, bis aus der gesättigten Lösung Natriumchlorid ausfällt, Kochsalz.

Blick von der Jetée Jacobsen auf die Salzgärten von Noirmoutier-en-l'île. Foto: Hilke Maunder
Blick von der Jetée Jacobsen auf die Salzgärten von Noirmoutier-en-l’île. Foto: Hilke Maunder

Fleur de sel: die edle Salzblume

In den Salinen am Atlantik, die vom Wechselspiel der Gezeiten profitieren, bilden sich langsam an der Oberfläche dieser œillets genannten Becken feinste Kristalle. Sie sind milder und mineralreicher, knuspriger und zugleich feuchter als gewöhnliches Tafelsalz.

Sie bilden die fleur de sel, die besonders aromatische Salz„blume“. In der Kühle des Morgens erntet sie der Salzbauer behutsam mit einer lousse, einer Art Schaumlöffel, und legt sie vorsichtig in Hand geflochtene Körbe.

Dort können sie auf natürliche Weise an der Luft trocknen. Danach verkaufen sie ihr weißes Gold zu mitunter gesalzenen Preisen direkt am Straßenrand.

Salzverkauf in Guérande. Foto: Hilke Maunder
Salzverkauf in Guérande. Foto: Hilke Maunder

Sel gris: das Alltagssalz

Verpasst jedoch der saunier zwischen Juni und September den richtigen Zeitpunkt, wachsen die Salzkristalle weiter. Sie werden schwerer und sinken zu Boden. Von dort erntet sie der Salzbauer mit der ételle, einem Brettchen am Ende eines langen Holzstiels.

Das so entstandene Haushaltssalz sel gris ist deutlich gröber. Während der Reifung am Boden des Beckens hat das „graue Salz“  nicht nur Schwebeteilchen der Alge Dunaliella salina aufgenommen, sondern auch Sedimente.

Das sel gris weist dadurch einen höheren Gehalt an Spurenelementen und Mineralstoffen auf als gewöhnliches Bergsalz. In aufgeschütteten Kegeln trocknet dieses Meersalz neben den Kristallationsbecken.

Handwerk am Atlantik

Ein Salzbauer der Île de Ré. Foto: Hilke Maunder
Einst waren es 1000 Salzbauern auf der Île de Ré. Heute arbeiten noch 70 sauniers für die Inselkooperative Foto: Hilke Maunder

Neben den marais salants der Île de Noirmoutier sind die Salzgärten der Guérande-Halbinsel in den Pays de la Loire die bekanntesten am Atlantik.

Aber auch auf der Île de Ré, im Marais Breton sowie bei Les Sables d’Olonnes und Saint-Hilaire-de-Riez wird Meersalz noch auf traditionelle Weise per Hand gewonnen.

Weiter südlich gibt es keine Salzbecken mehr. Denn nur dort, wo der Golfstrom entlang der französischen Atlantikküste fließt, ist die traditionelle Salzgewinnung möglich.

Das weiße Gold, hautnah erklärt - am Besucherzentrum des Marais de Vie von Saint-Hilaire-de-Riez starten die Führungen. Foto: Hilke Maunder
Das weiße Gold, hautnah erklärt – am Besucherzentrum des Marais de Vie von Saint-Hilaire-de-Riez starten die Führungen. Foto: Hilke Maunder

Wie sie seit mehr als zweitausend Jahren erfolgt, könnt ihr in den Marais Salants de la Vie von Juni bis September hautnah erleben. Die Vendée-Gemeinde Saint-Hilaire-de-Riez hat dort 1995 einen aufgegebenen Salzgarten als arbeitendes Museum revitalisiert.

Gespeist wird er vom Flusswasser der Vie, die dort im Rhythmus der Tiden das Land erobert. Sel de la Vie, Salz des Lebens, hat Anthony Oger, Salzbauer des Marais de l’Étoile, daher in einem Wortspiel sein Salz genannt.

Beim Rundgang erklärt er euch, wie aufwändig bis heute die handwerkliche Salzgewinnung ist. Er zeigt Arbeitsgeräte und Techniken, verrät, welche Pflanzen in den unterschiedlich salzigen Umgebungen leben.

Anthony kennt all die Tiere, die in den Salzmarschen leben. Vom Reiher bis zur Rohrweihe, von Krebs bis zur Krevette, vom Aal bis zur Daurade. Unterwegs kommt ihr auch an traditionellen Bourrine-Häusern vorbei, die typisch sind für die dortigen Salzbecken.

Industrie am Mittelmeer

Industrieller Salzabbau bei Salin-de-Giraud. Foto: Hilke Maunder
Industrieller Salzabbau bei Salin-de-Giraud. Foto: Hilke Maunder

Die industrielle Meersalz-Produktion konzentriert sich in Frankreich am Mittelmeer. Dort ist das Wasser mit 38 Gramm Salz pro Kilogramm Wasser dreimal so salzig wie am Atlantik.

Der Big Player des Midi ist der Groupe Salins. Er gewinnt in Aigues-Mortes und Salin-de-Giraud in der Camargue sowie in Berre am gleichnamigen Lagunensee bei Marseille im großen Stil auf insgesamt 25.000 Hektar Meersalz.

Etang de la Palme. Foto: Hilke Maunder
Der étang de la Palme. Foto: Hilke Maunder

Deutlich kleiner sind die beiden großen Salinen des Départements Aude in Gruissan und La Palme. Die benachbarte Saline Sainte-Lucie bei Port-la-Nouvelle wird heute als Natura 2000-Schutzgebiet nicht mehr betrieben.

Ebenfalls aufgegeben sind die Salinen Pesquiers und Vieux-Salins von Hyères sowie die alten Salinen von Frontignan, die heute unter dem Schutz des Conservatoire du Littoral stehen.

Aigues-Mortes, Blick von der Stadtmauer auf die Saline du Midi (Salzgewinnung). Foto: Hilke Maunder
Aigues-Mortes, Blick von der Stadtmauer auf die Saline der Salins du Midi. Foto: Hilke Maunder

Saunier oder paludier?

Doch wer arbeitet eigentlich in den Salzbecken? Ein saunier oder ein paludier? Beide Begriffe bezeichnen Menschen, die unter freiem Himmel das Meersalz in großen Becken ernten. Und doch…. Auf der Halbinsel der Guérande (oben) werden die Salzbauern paludiers genannt. Auf der südlich gelegenen Insel Île de Noirmoutier heißen sie sauniers.

In anderen Regionen – wie bei Saint-Gilles-Croix-de-Vie – ist der saunier der Besitzer, der paludier der Arbeiter. Und, damit es so richtig kompliziert wird, in anderen Ecken des Landes genau umgekehrt.

Sehenswert: das Musée des Marais Salants in Batz-sur-Mer, das über die Salzgewinnung in Salzgärten ringsum informiert.
Sehenswert: das Musée des Marais Salants in Batz-sur-Mer, das über die Salzgewinnung in Salzgärten ringsum informiert.

Salz erleben: meine Reisetipps

Salz im Museum

Spannende Salzmuseen findet ihr hier:

Das Salz von Salies

In Salies wird in 70 Meter Tiefe die Sole für das Salz von Salies gewonnen. Foto: Hilke Maunder
In Salies-de-Béarn wird in 70 Meter Tiefe die Sole für das Salz von Salies gewonnen. Foto: Hilke Maunder

Eng mit dem Salz verbunden ist auch die Geschichte von Salies-de-Béarn. Auf dessen Place du Bayaà füllten einst die Salzträger (tiradours) die dort sprudelnde Sole in ihre  Krüge. Mit diesen Krügen, sameaux  genannt, eilten sie zu den Sälzern und kippten sie dort in deren große Steintröge.

In diesen coulèdes verdunstete die Sole und hinterließ ihr wertvolles Salz. Anfangs war dieses Salzsieden das Privileg der parts prenants. Als 1587 das  livre noir von Salies-de-Béarn die Nutzung des Salzbrunnens neu regelte, sorgten die anwesenden Familien dafür, dass das Quellwasser der Salzquelle nur unter den Anteilseignern aufgeteilt und kommerzialisiert werden durfte. 1840 endeten diese Privilegien.

Ein neues Salzgesetz schrieb nun eine konzentrierte Produktion vor. Mindestens eine halbe Tonne Steinsalz musste jeder Sälzer pro Jahr für den Staat gewinnen. Bis heute wird in Salies das Salzsieden in Pfannen unter freiem Himmel lebendig gehalten –  ein Unikum in Frankreich!

Die escale sensorielle: erst im Salzbad schweben und entspannen, dann unter der Himmelsdusche das Salz abspülen. Foto: Hilke Maunder
Die escale sensorielle: erst im Salzbad schweben und entspannen, dann unter der Himmelsdusche das Salz abspülen. Foto: Hilke Maunder

Wellness mit Salz

Pur oder mit Piment d’Espelette aromatisiert, verfeinert das Salz von Salies heute die Küche des Midi. Für ein ganz anderes körperliches Wohlbefinden sorgt die escale sensorielle, die Salies in seinen Thermen anbietet. Ihre Kombination aus Licht- und Aromatherapie und den Aerosolen der salzigen Heilstein beschert die gleiche wohltuende Wirkung wie ein Wochenende am Meer.

Die Salzgrotte der Thermen birgt ein winziges Totes Meer. 300 Gramm Salz pro Liter sorgen dort für wohliges Schweben im Wasser. Garniert mit Lichtern, die alle Farben des Regenbogens fließen lassen, ist dies eine echte Tiefenentspannung!
Escale sensorielle: Cours du Jardin Public, 64270 Salies-de-Béarn, Tel. 05 59 38 10 11, www.thermes-de-salies.com

Agneau des prés salés: vom Meer gesalzen!

Die Salzwiesenschafe der Somme. Foto: Hilke Maunder
Die Salzwiesenschafe der Somme. Foto: Hilke Maunder

In Nordfrankreich sorgt das Meersalz für einen ganz besonderen Genuss. Die würzigen Salzgräser auf den Deichen und Weiden wie Andel und Strandwegerich sind für die Schafe die reinste Delikatesse – und verleihen dem agneau de pré-salé seinen unvergleichlichen Geschmack: dem Salzwiesenlamm.

Sein zartes, aromatisches Fleisch  ist es äußerst gesund: Salzwiesenlammfleisch enthält wenig Fett, aber viel hochwertiges Eiweiß. Das liegt an ihrer Heimat.

Die 40 bis 45 Kilogramm schweren Jungtiere, die im Alter von drei bis zwölf Monaten geschlachtet werden, verbringen ihr kurzes Leben stets draußen, im milden Reizklima der Nordsee – und können auf den Wiesen und den ausgedehnten Deich- und Vorlandflächen beim Herumspringen und Grasen reichlich Muskelfleisch aufbauen. Wenn ihr auf der D940 die Bucht der Somme umrundet, könnt ihr sie sogar vom Auto aus auf den Feuchtwiesen grasen sehen!

Ende September holten  Züchter der Baie de Somme ihre rund 3.600 Schafe von den tideabhängigen Salzwiesen zurück zu den Weiden an ihren Höfe, wo sie überwintern. Seit dem 13. Jahrhundert gibt es diese  traditionelle Transhumanz!

Sie ist heute alljährlich Anlass für die Fête du Mouton in Crotoy. Neben den Tieren und den Verkostungen der Lammfleisch-Köstlichkeiten gehört dazu auch ein Markt mit regionalen Produkten, Musik und Geselligkeit.

Der Mont-Saint-Michel, gesehen, von der VéloMaritime-Radroute. Foto: Hilke Maunder
Auch am Mont-Saint-Michel in der Normandie grasen Salzwiesenlämmer und -schafe. Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Die alte Salzstadt Guérande

Fachwerk in Himmelsfarben, Schiefer und Granit: die typische Architektur der alten Salzstadt Guérande. Foto: Hilke Maunder
Fachwerk in Himmelsfarben, Schiefer und Granit: die typische Architektur der alten Salzstadt Guérande. Foto: Hilke Maunder

Die alte Salzstadt Guérande, einstmals noch bretonisch, habe ich hier im Blog vorgestellt.

Die Fleur de Sel der Camargue

Auch in der Camargue wird Meersalz seit der Antike gewonnen. Hier habe ich euch den Salzabbau am Mittelmeer vorgestellt. Dort könnt ihr sogar einen Salzkegel besteigen!

Lagunenseen: Salzsee im Parc Régional Naturel Narbonnaise bei Bages. Foto: Hilke Maunder
Salz ganz natürlich: ein Salzsee im Parc Régional Naturel Narbonnaise bei Bages. Foto: Hilke Maunder

Im Buch

Das ganze Land

Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!

Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren… oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.

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