Was für ein Blütenrausch vor dem Kapitelhaus! Foto: Hilke Maunder
|

Noyon: 2000 Jahre Geschichte

Im Zweiten Weltkrieg besetzten deutsche Truppen weite Teile Frankreichs. Dass dies auch im Ersten Weltkrieg der Fall war, ist nur selten Thema. Berühmt wurde die Kleinstadt Noyon, rund 100 Kilometer nördlich von Paris im picardischen Département Oise.

Das Kriegerdenkmal von Noyon: Foto: Hilke Maunder
Das Kriegerdenkmal von Noyon: Foto: Hilke Maunder

Die Deutschen in Noyon

Vom 30. August 1914 bis zum 17. März 1917 hatten die Deutschen die nordfranzösische Stadt okkupiert. 30 Monate lang prägte das deutsche Militär den Rhythmus der Kleinstadt. Berühmt wurde ein Satz von Georges Clemenceau.

Et cependant, depuis un an, les Allemands sont à Noyon
(Die Deutschen sind indessen seit einem Jahr in Noyon).

Am 25. August 1915 kritisierte der 74-jährige Zeitungsverleger und Staatsmann die Regierung von Viviani. Der Satz war sein Leitmotiv – und wurde zum Symbol für das ganze Land.

1917 war Noyon befreit. Während der Hunderttage-Offensive, der letzten großen Weltkriegsschlacht an der Westfront 1918, war Noyon wieder hart umkämpft.

Eine Kapelle der Kathedral von Noyon lädt zum stillen Gedenken der Gefallenen. Foto: Hilke Maunder
Eine Kapelle der Kathedral von Noyon lädt zum stillen Gedenken der Gefallenen. Foto: Hilke Maunder

Auferstanden aus Ruinen

Das Erbe der 2000-jährigen Stadt lag vielerorts in Schutt und Asche. Impressionen aus der kriegsgebeutelten Stadt aus der Sicht eines damaligen Soldaten findet ihr hier.  Doch was überlebte und wiederaufgebaut wurde, ist unbedingt einen Besuch wert.

Noyons: 200 Jahre Geschichte. Foto: Hilke Maunder
Fassaden am Vorplatz der Kathedrale. Foto: Hilke Maunder

Noyon: 2000 Jahre Geschichte

Eindrucksvoll: die Geschichtstafel in der Kathedrale von Noyon. Foto: Hilke Maunder

Die picardische Stadt gilt in Frankreich als besonders religiös. Bereits 531 wurde sie mit Saint-Médard als erstem Bischof Sitz eines Bistums. Ein gutes Jahrhundert später bestieg ein Huf- und Goldschmied den Bischofsstuhl und widmete sich von Noyon aus der Missionierung von Flandern. Unter dem Hauptaltar der Kathedrale ruhen bis heute die Reliquien des Heiligen.

721 wurde der letzte Merowinger-König Chilpéric II. dort begraben, 768 Karl der Große zum König von Neustrie, 987 Hugo Capet zum König von Hughes Capet von Frankreich gekrönt. Sorgsam listet eine riesige Marmortafel in der Kathedrale die wichtigsten historischen Ereignisse der Stadt auf.

Bis zur Französischen Revolution war Noyon ein spirituelles Zentrum, von der bis heute die beeindruckende Kapitelbibliothek in einem wunderschönen Fachwerkhaus neben der Kathedrale zeugt.

Die Auswüchse des Domkapitels indes sorgten für leidenschaftlich geführte Proteste. 1108 erkämpfte sich die Stadt eine Charta mit kommunalen Freiheiten von der Kirche.

Die Kapitelbibliothek der Kathedrale von Noyon. Foto: Hilke Maunder
Die Kapitelbibliothek der Kathedrale von Noyon. Foto: Hilke Maunder

 Meisterbau der Frühgotik

Auch, wer nicht besonders religiös ist, sollte sich einmal die Kathedrale näher ansehen. Denn sie vereint architektonisch die typischen Merkmale der Frühgotik.

Das zählt besonders die vierteilige Wandgliederung mit der Arkade, der Empore als Obergeschoss über den Seitenschiffen, dem Triforium als Laufgang unter den Chorfenstern und die Obergardenfenster.

Das Portal der Kathedrale von Noyon Foto: Hilke Maunder
Das Portal der Kathedrale von Noyon Foto: Hilke Maunder

Mir gefallen die gotischen Kathedralen besser als die barocken, prunküberladenen Kirchen, die später die Macht von König und Kirche glorifizierten.

In der Gotik ist alles so schön licht und hell, strebt nach oben und wirkt nicht mehr so schwer und erdverbunden wie die Romanik.

Das Kirchenschiff der Kathedrale von Noyon mit der holzgeschnitzten Kanzel. Foto: Hilke Maunder
Das Kirchenschiff der Kathedrale von Noyon mit der holzgeschnitzten Kanzel. Foto: Hilke Maunder

Frankreichs Reformator

1509 wurde am 10. Juli in Noyon Frankreichs „Martin Luther“ geboren: Jean Calvin. Kaum zehn Jahre alt, stirbt seine äußerst fromme Mutter Jeanne Lefranc. Mit seinem Vater Gérard Cauvin streitet sich Jean immer heftiger.

Er verlässt Noyon, um in Paris, Orléans und Bourges zu studieren. Dort begegnet er Luthers Thesen. Im Winter 1532-1533 übernimmt er sie. Die Folge: Calvin muss fliehen.  25 Jahre jung, geht er ins Exil.

Der Chor der Kathedrale von Noyon. Foto: Hilke Maunder
Der Blick vom Chor der Kathedrale von Noyon in den Kirchenraum. Foto: Hilke Maunder

Mehr als die Hälfte seines Lebens verbringt er als politischer Flüchtling in Genf, wo er am 27. Mai 1564 verstirbt. Das Musée Jean Calvin an der Place Aristide Briand 6 blättert das Leben des französischen Reformators auf.

Vom Museum sind es nur wenige Schritte zur Kathedrale, die sich am höchsten Punkt der Altstadt erhebt. Mit Laon und Sens gehört der Sakralbau von Noyon zu den ältesten Sakralbauten Frankreichs. 1145 wurde sein Chor begonnen.1235 war die Fassade mit den noch recht wuchtig wirkenden, kantigen Doppeltürmen fertig. Besteigen lassen sie sich leider nicht … von oben wäre der Blick bestimmt traumhaft!

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Hier könnt ihr schlafen*

Der Einfluss der Romanik ist noch am Chor zu erkennen. Foto: Hilke Maunder
Der Einfluss der Romanik ist noch am Chor der Kathedrale von Noyon zu erkennen. Foto: Hilke Maunder

Keine Bezahlschranke. Sondern freies Wissen für alle.
Keine Werbung. Sondern Journalismus mit Passion.
Faktentreu und frankophil.
Das gefällt Dir? Dann wirf etwas in die virtuelle Kaffeekasse.
Unterstütze den Blog! Per Banküberweisung. Oder via PayPal.

Weiterlesen

Im Blog

Alle Beiträge aus dem Dépargement Oise vereint diese Kategorie.

Im Buch

Roadtrips FrankreichRoadtrips Frankreich*

Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

 * Durch den Kauf über denPartner-Link, den ein Sternchen markiert, kannst Du diesen Blog unterstützen und den Blog werbefrei halten. Für Dich entstehen keine Mehrkosten. Ganz herzlichen Dank – merci !

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert