An der Place Granvelle von Besançon erinnert dieses Denkmal an Victor Hugo. Foto: Hilke Maunder
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Auf den Spuren von Victor Hugo

L’avenir a plusieurs noms. Pour les faibles, il se nomme l’impossible; pour les timides, il se nomme l’inconnu; pour les penseurs et pour les vaillants, il se nomme l’idéal

Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.

Für viele Franzosen ist er der größte Autor des Landes: Victor Hugo. Er schrieb zahlreiche Gedichte, Romane und Dramen, betätigte sich als literarischer, aber auch politischer Publizist und setzte sich mit Honoré de Balzac für das Urheberrecht ein.

1802 erblickte die emblematische Figur der französischen Romantik in Besançon das Licht jener Welt, die er mit seinem Werk verändern sollte.

Hausgeburt in Besançon

Am achten Tag des Monats Ventose im Jahr X der Republik (= 27. Februar 1802) meldete sein Vater Joseph Sigisbert Hugo im Rathaus von Besançon die Geburt seines dritten Sohnes, Victor Marie, „geboren am gestrigen Tag um halb elf Uhr abends“, d.h. am 26. Februar 1802. Die Geburtsurkunde ist bis heute in den Stadtarchiven verwahrt.

Sein Vater, in Nancy geboren, war als Soldat Bataillonschef im 20. Linieninfanterieregiment, das damals in Besançon stationiert war. Seine Mutter Sophie Françoise Trébuchet stammte aus Nantes

In seinem Gedicht „Herbstblätter“ erinnert Victor Hugo an seine Herkunft.

Ce siècle avait deux ans ! […] 
Alors dans Besançon, vieille ville espagnole, 
Jeté comme la graine au gré de l’air qui vole, 
Naquit d’un sang breton et lorrain à la fois …

Dieses Jahrhundert war zwei Jahre alt! (…)
Damals in Besançon, der alten spanischen Stadt,
Hingeworfen wie der Same an die fliegende Luft,
Geboren aus bretonischem und zugleich lothringischem Blut …“

Victor Hugo blieb nicht lange in der Wohnung des Hauses der Grande Rue, in dem er geboren wurde. Bereits sechs Wochen nach seiner Geburt wurde sein Vater via Aix-en-Provence nach Marseille versetzt. Kurz darauf trennten sich seine Eltern.

Der junge Victor Hugo blieb bei seiner Mutter und wuchs in Paris auf. Victor und sein Bruder Eugène Hugo wurden dort von ihrem Vater in ein Internat in Paris gesteckt und besuchten anschließend das Lycée Louis-le-Grand. Im Jahr 1818 sprach das Gericht die Scheidung seiner Eltern aus.

Victor Hugo kehrte nie mehr in seine Heimatstadt zurück. Nur sechs Wochen habe er dort gelebt, sagen einige Literaturwissenschaftler. Dennoch hat Victor Hugo seine Wurzeln nie vergessen.

Das Geburtshaus von Victor Hugo

Das Geburtshaus von Victor Hugo in Besançon. Foto: Hilke Maunder
Das Geburtshaus von Victor Hugo in Besançon. Foto: Hilke Maunder

Bis 2013 jedoch erinnerten nur eine Inschrift und eine Vitrine an das Geburtshaus des Schriftstellers. Erst zehn Jahre nach den Feierlichkeiten zu seinem 200. Geburtstag entschloss sich die Hauptstadt des Département Doubs der Franche-Comté, das Haus für Besucher zu öffnen. Ein Jahr später, am 13. September 2013, folgte die Einweihung der Maison Natale Victor Hugo in der Grande Rue 140.

Dort erwartet euch kein Museum, keine Gedenkstätte. Sondern eine zeitgenössische Inszenierung, die Multimedia-Animationen und interaktiven Elementen, sehr viel Platz einräumt. Im Erdgeschoss dreht sich alles um Victor Hugos Verbindungen zur Geburtsstadt.

Im Obergeschoss lernt ihr Hugo als engagierten Kämpfer kennen. Meinungsfreiheit, Menschenwürde, Kinderrechte und Freiheit der Völker: Was Victor Hugo vor mehr als 200 Jahren forderte, ist noch heute aktuell.

Je veux les peuples grands, je veux les hommes libres.

Ich will große Völker, ich will freie Menschen.

Das Musée Victor Hugo von Villequier

1959 richtete das normannische Département Seine-Maritime in der ehemaligen Zweitwohnung des Reeders Isidore Vacquerie aus Le Havre das Musée Victor Hugo im Seinestädtchen Villequier ein. Einer seiner Söhne des Reeders, Auguste, hatte während seines Studiums in Paris Victor Hugo kennengelernt und war ein glühender Verehrer von ihm gewesen.

Gemeinsam mit seiner Frau Adèle Foucher und ihren Kindern Léopoldine, Charles, François-Victor und Adèle besuchte Victor Hugo 1838 die Reederfamilie in Villequier.

Die damals 14-jährige Léopoldine und der 21-jährige Charles verliebten sich ineinander, aber Victor Hugo, der sehr an seiner Tochter hing, hielt sie für zu jung, um schon im nächsten Jahr eine Heirat in Betracht zu ziehen. Außerdem verzögerten mehrere Trauerfälle in der Familie Vacquerie diesen Wunsch. Fünf Jahre lang musste Léopoldine Hugo warten, ehe sie im kleinen Kreis Charles Vacquerie am 15. Februar 1843 in der Pariser Kirche Saint-Paul heiraten konnte.

Am 2. September des gleichen Jahres reist das Paar nach Villequier. Zwei Tage später besteigen Léopoldine und Charles zusammen mit dessen Onkel Pierre und Sohn Arthur ein Boot, segeln nach Caudebec, erledigen dort beim Notar Geschäftliches, segeln zurück – und treffen plötzlich auf einen Schwall, der das Boot kentern lässt. Alle vier Insassen ertrinken. Leopoldine war erst neunzehn und ihr Mann sechsundzwanzig Jahre alt, Onkel Pierre zweiundsechzig und Cousin Arthur kaum elf Jahre jung.

Léopoldine Hugo ruht auf dem Friedhof von Villequier in der gleichen Gruft wie Charles Vacquerie. Das Museum erinnert an das Unglück und an die Bande zwischen den beiden Familien.

Die Elenden von Montreuil

Im Sommer sollte ein Besuch von Montreuil-sur-Mer nicht fehlen, das – anders als der Name ahnen lässt –  nicht am Meer liegt – sondern in einer recht sumpfigen Ebene im Département Pas-de-Calais.

Victor Hugo, der das Städtchen 1838 besuchte und im dortigen Hôtel de France dinierte, war zutiefst enttäuscht. Die Folge: Er machte im ersten Teil seines Werkes die Zitadelle des Ortes zum Schauplatz seines Romans „Die Elenden“ gemacht. Heute könnt ihr könnt dort im Juli und August um 22.30 Uhr eine großartige Inszenierung von Les Misérables erleben.

Die Spuren von Victor Hugo auf Guernsey

Von 1856 bis 1870 lebte Victor Hugo im Exil auf der britischen Kanalinsel Guernsey.

Nach dem Staatsstreich von Louis Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1851 war Victor Hugo aus Frankreich verbannt worden. 1852 musste er Belgien verlassen, 1855 Jersey den Rücken kehren. 19 Jahre lang dauerte das Exil von Victor Hugo. 15 Jahre lang war Guernsey seine Heimat.

1856 konnte er dort, hoch über dem Inselhafen St. Peter Port, mit dem Verkauf seiner Gedichtsammlung Les Contemplations das Anwesen Hauteville House erwerben, das er wie seine Pariser Wohnung selbst entwarf und einrichtete – opulent, mit rotem Samt, lebensgroßen vergoldeten Figuren, großen Spiegeln, Lustern und Leuchtern. Zahlreiche Meisterwerke wie „Die Elenden“, aber auch weniger bekannte Romane wie „Das Teufelsschiff“ entstanden in diesem Gesamtkunstwerk, das bis heute die Sinne berührt.

Nach seinem Tod schenkten es Victor Hugos Erben zum 100. Geburtstag der romantischen Bewegung der Stadt Paris. Auch Hauteville House ist heute ein Museum.

Das Victor-Hugo-Haus von Paris

Als erstes Literaturmuseum des Landes eröffnete am 30. Juni 1903 die Maison de Victor Hugo im Pariser Hôtel de Rohan-Guéménée. In der Stadtvilla an der Place des Vosges lebte Hugo von 1832 bis 1848.  Damals hieß der wunderschöne Platz im Marais noch Place Royale.

Die unglaublich reichen Sammlungen des Museums umfassen Zeichnungen von Victor Hugo, Erinnerungsstücke und Möbel, die Hugo teilweise selbst entworfen hat, Werke, die seine Schriften illustrieren, Fotografien, Gemälde, Skulpturen, Drucke, Manuskripte, Archive und eine umfangreiche Bibliothek.

Regelmäßige Ankäufe und Schenkungen ließen seit 1903 das Museum, das sich über zwei Etagen erstreckt, beständig wachsen.  Am 30. Juni 2023 feiert das Victor-Hugo-Haus sein 120-jähriges Bestehen.

Im Innern der <em>Maison Victor Hugo </em>. Foto: Hilke Maunder
Im Innern der Maison Victor Hugo . Foto: Hilke Maunder

Victor Hugo im Panthéon

Am 22. Mai 1885 verstarb Victor Hugo. Ganz Frankreich trauert um ihn – und debattierte leidenschaftlich, wie man ihn am besten ehren könnte. Ein Staatsbegräbnis wollte es sein.

Bereits am 27. Mai 1885 verkündete ein Dekret im Journal Officiel, dass Victor Hugo im Panthéon beigesetzt werden sollte. Vor dere Beisetzung wurde der Körper von Victor Hugos Körper am Sonntag, dem 31. Mai 1885, einen Tag lang unter dem Arc de Triomphe aufgebahrt. Ganz im Einklang mit dem letzten Willen, festgehalten im Testament vom 2. August 1883, zog Victor Hugo im „Leichenwagen des Armen“ zum Pariser Panthéon. Mehr als zwei Millionen Menschen folgten dem Nationaldichter Frankreichs auf seinem letzten Weg.

Rodin für Hugo

Mit dem Denkmal der Grabstätte von Hugo beauftragte Frankreich einen seiner berühmtesten Bildhauer: Auguste Rodin.

Rodin hatte Hugo 1993 getroffen, um eine Büste von ihm zu schaffen. Für die Ruhestätte im Ruhmestempel der Franzosen sollte es indes eine Ganzkörperskulptur sein. Den ersten Entwurf indes lehnten Frankreichs Behörden ab. Auch zwei weitere Entwürfe finden kein Gefallen.

Erst 1897 gab es grünes Licht für Rodins Hugo-Skulptur. Es zeigt den Dichter nackt, mit einem Tuch über dem Bein, den Blick auf das stürmische Meer gerichtet. Zwei statt der ursprünglich drei geplanten weiblichen Allegorien begleiten ihn. Über ihm schwebt die tragische Muse als Symbol für den Theatermann Hugo. Hinter ihm steht die Mediation als innere Stimme des Dichters.

Das Pariser Panthéon von innen. Foto: Hilke Maunder
Das Pariser Panthéon von innen. Foto: Hilke Maunder

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4 Kommentare

  1. Ich bin immer so begeistert von diesem Blog und teile Beiträge. Weil wir im Norden Frankreichs schon 25 Jahre ein schönes Stadtferienhaus mit Zitadellenblick haben – mitten im romantischen Montreuil-sur-Mer, das Victor Hugo besuchte. Oftmals hab ich die Aufführungen von „Les Miserables“ mit 200 Statisten in der Zitadelle gesehen. Die Hochzeit am Schluss oder das Feuerwerk am Schlafzimmerfenster…

      1. Oh ja. Kommen Sie, das Team und die Leser gut ins neue Jahr 2022. Es soll Freude, Hoffnung und Zuversicht bringen. Und das was frau/Mann/kind sich wünscht.

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