Pesmes: wehrhaftes Idyll am Ognon
Wehrhaft schmiegt sich Pesmes (gesprochen: pɛm) an das nördliche Ufer des Ognon. An diesem idyllischen Nebenfluss der Saône haben Angler ihre Faltstühle ins feuchte Gras gestellt und hoffen, einen barbeau (Flussbarbe) aus den sanft dahingleitenden Fluten zu ziehen.
Wie gemalt schlängeln sie sich durch das Grün, umfließen Inseln wie die Île de la Sauvageonne, und durchfließen in weichen Mäandern die bis zu drei Kilometer weite Alluvialebene. In Pesmes tritt der Ognon aus der leicht gewellten Landschaft der Franche-Comté hinaus in die Saône-Ebene, die Höhen des Massif de la Serre im Blick.

Befestiges Grenzdorf
Jahrhunderte in Stein stapeln sich hinter ihnen auf. Die wehrhafte Stadtmauer von Pesmes verschmilzt dabei mit dem Château seigneurial, das seit dem Mittelalter die Silhouette der Kleinstadt im tiefsten Süden des Départements Haute-Saône markiert. Jenseits des Flusses beginnt im Südwesten bereits das Département Jura.
200 Meter hoch über dem Meeresspiegel liegt Pesmes, das im Jahr 1982 als eines der schönsten Dörfer Frankreichs und ebenfalls als Petite Cité Comtoise de Caractère ausgezeichnet wurde. Die strategische Lage im Mittelpunkt des Städtevierecks Besançon, Dole, Dijon und Gray und rund 60 Kilometer südöstlich der Präfektur Vesoul bescherte dem strategisch gelegenen Ort äußerst unruhige Zeiten und eine Vielfalt von Herrschern im Laufe der Jahrhunderte.

Eine bewegte Geschichte
Obwohl die Ursprünge von Pesmes unbekannt sind, beweisen gallorömische Überreste – Bäder, Aquädukte und Spuren einer Töpferwerkstatt – dass Pesmes schon zur Römerzeit ein betriebsames Gemeinwesen war. Mehrmals zerstört wurde es, sei es durch die Engländer 1409 oder durch Brände 1477 und 1621, bei denen nicht weniger als 120 Häuser verwüstet wurden.
Pesmes gehörte zunächst zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, dann zum Herzogtum Burgund und zu den spanischen Niederlanden, bevor es 1678 unter Louis XIV durch die Verträge von Nimwegen französisch wurde. Hatten Louis XI und Henri IV noch vergeblich versucht, die Franche-Comté zu erobern, so gelang dies dem Sonnenkönig Louis XIV, der dafür eine Nacht in Pesmes verbrachte. Seitdem zeigt das Stadtwappen eine silberne Lilie auf blauem Grund.

Renaissance: Blüte dank Handel
Während der Renaissance hatte sich der Marktflecken in eine blühende Handelsstadt verwandelt. Kaufleute und reiche Bürger ließen entlang der Rue des Châteaux und der Grand’Rue stattliche Wohnhäuser wie die Maison Mairot und die Maison Grignet, das Hôtel Mouchet-de-Châteaurouillaud (15. und 16. Jh.) oder die Maison Granvelle (16. Jh.) errichten, die trotz der sichtbaren Patina noch die Pracht von einst bezeugen.
Narben der Zeit: Authentizität statt Kulisse
Und gerade diese Patina macht den Bummel so besonders: Denn Pesmes trägt offen seine Narben, seine Brüche – und ist nicht hergerichtet als Bilderbuchkulisse. Keine Busladungen an Besuchern, sondern ein Dorf, das ursprünglich und authentisch sein Leben lebt, mal still, mal mit viel Trubel, wenn bei der cavalcade im April verkleidete Narren jeden Alters durch die Porte Saint-Hilaire zum karnevalesken Umzug durch das Dorf einmarschieren.

Gesicherter Zugang
Im Mittelalter führte der wichtigste Zugang zum Dorf nicht durch die beiden Stadttore Saint-Hilaire und Loigerot, sondern über den Passage de Gué hinauf zur Tour de Guet, dem achteckigen Wachtturm des Burgschlosses, das sich seit dem 10. Jahrhundert auf einem felsigen Vorsprung über dem Nordufer des Ognon erhebt. Seinen früheren Glanz hat es längst verloren. Der heutige, recht massig wirkende Bau stammt überwiegend aus dem 16. und 18. Jahrhundert.
Jeder, der hineinwollte nach Pesmes, musste sich jahrhundertelang am Turm ausweisen und sein Anliegen vortragen. Ausgetragen von den Schritten der Jahrhunderte führen auch heute die Treppen vom Fluss hinauf zu den Schlossgärten und hinein in den Ort, über dem der bunt glasierte Turm der Église Saint-Hilaire wacht.

Buntglasiertes Gotteshaus
Die Pfarrkirche von Pesmes hat eine komplexe Baugeschichte, die sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt. Ihre Ursprünge reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück, als die Bauarbeiten 1153 im romanischen Stil begannen. Von diesem ersten Bauwerk sind jedoch nur noch Fragmente, wie der Portalbereich, erhalten geblieben
Während der Gotik wurden der Chor erweitert und neue Kapellen erbaut. Dieser umfangreiche Umbau führte dazu, dass das ursprüngliche romanische Gebäude weitgehend abgerissen wurde. Weitere Renovierungen folgten im 18. Jahrhundert, als der Glockenturm nach einem Brand 1774 rekonstruiert und wieder aufgebaut wurde.

Die Schmiede am Fluss
Für Wohlstand sorgte einst neben der Landwirtschaft eine Waffenschmiede am Ufer des Ognon. 1660 hatte Claude de La Baume sie nördlich von Pesmes gegründet. Im 18. Jahrhundert wurden die Forges de Pesmes umfangreich ausgebaut und erhielten zwei Hochöfen, die die Wasserkraft des Ognon nutzten. Die Qualität des produzierten Stahls von Pesmes war hoch angesehen, und die forges lieferten unter anderem Rüstungen für das Arsenal in Toulon.
Im Jahr 1875 wurden die Hochöfen abgeschaltet. Doch die Schmiede arbeitete weiter und spezialisierte sich: Werkzeuge, Autozubehör und Maschinen wurden nun gefertigt – bis 1992. Heute ist der Industriekomplex ein Kulturzentrum, das als Museum faszinierende Einblicke in die Industriegeschichte von Pesmes und Umland gewährt – und zugleich als Bühne dient für Theater und Konzerte, Filme und andere Kulturveranstaltungen.

Kunst von heute im Ambiente von einst
Im Sommer verwandelt sich das Dirf in eine lebendige Kunstgalerie. Bei V’ile art Pesmes könnt ihr auf einem Skulpturenparcours durch die malerischen Gassen zeitgenössische Kunst in historischem Ambiente entdecken. Parallel dazu öffnen die zwei Dutzend einheimischen Künstler bei der Biennale Pesmes Art’s ihre Ateliers, zeigen Ausstellungen und veranstalten Workshops. Einer der bekanntesten Künstler aus Pesmes ist der Bildhauer Denis Pérez, dessen Atelier ihr in der Rue Sainte-Catherine findet.
Denis Pérez war es auch, der gemeinsam mit Andrea Malaer im Tal des Ognon ganz nah den Skulpturenpark Île Art vorantrieb, wo ihr das ganze Jahr hindurch auf zehn Hektar Plastiken, Installationen und zeitgenössische Kunst in einer natürlichen Umgebung entdecken könnt.
Seit einigen Jahren installiert Pesmes zudem aktuelle Kunst im historischen Zentrum, um die Verbindung zwischen Architektur und zeitgenössischer Kunst zu stärken. Auch seine kriegerischen Waffen hat Pesmes längst mit Boten der Liebe und Freundschaft ersetzt: Mit Mirousset beherbergt das Dorf die einzige Schnittblumenproduktion der Franche-Comté. Jedes Jahr züchtet sie mehr als 400.000 Blumen – und bietet auch Workshops zur Floristik an.

Pesmes: meine Reise-Tipps
Schlemmen und genießen
Boulangerie Sylvie Cervera
Robert Musey hat die Tourte de Pesmes aus der Versenkung geholt und weit über die Grenzen von Pesmes bekannt gemacht. Diese traditionelle französische Pastete wird typischerweise aus einer Kombination von Mürbeteig und Blätterteig hergestellt und enthält oft eine Füllung aus Gemüse, Gewürzen und Fleisch, das in Wein mariniert wurde. Als Bäckermeister Musey 2023 ganz überraschend verstarb, trat sein Azubi Jonathan Cervera sein Erbe an und führt seitdem die handwerkliche Traditionsbäckerei mit seiner Frau Sylvie weiter.
• 5, Grande Rue, 70140 Pesmes, Tel. 03 84 31 24 70, auf Facebook zu finden
Hôtel de France
Seit vier Generationen ist das Hôtel de France der Familie Vieille in einem alten Gebäude im Herzen des Dorfes eine beständig gute, bodenständige Adresse für Kost und Logis. Seine regionale Küche und traditionellen Gerichte mundet auch den Einheimischen und werden im Sommer auch auf einer Terrasse am Wasser serviert. Seine zehn Zimmer befinden sich in einem Nebengebäude, eingebettet in einem Garten.
• 9, rue Vanoise, 70140 Pesmess, Tel. 03 84 31 20 05, https://hotel-de-france-restaurant-pesmes.eatbu.com
Les Jardins Gourmands
Bei Pascal Rablat schlemmt ihr am Ufer des Ognon auf zwei Terrassen oder im Speisesaal – das Restaurant ist sehr beliebt, Reservierung empfohlen! Wer bleiben möchte, findet grundsolide Gästezimmer und versorgt sich selbst im gîte.
• 1, route de Dole, 70140 Pesmes, Tel. 03 84 31 20 20, www.jardinsgourmands.fr
Aktiv
Radwege
- Die Boucle cyclable n°17 des Forges (31 km) startet in Pesmes und führt durch die Vallée de l’Ognon.
- Die Boucle cyclable n°19 des Vieilles Vignes (41 km) verläuft in der Nähe von Pesmes zwischen dem Ognon-Tal und den Monts de Gy
- beide: https://hautesaonetourisme.com
Wandern
Als station verte, grüner Urlaubsort, bietet Pesmes eine Vielzahl an markierten Wanderwegen.
Erleben
Cavalcade du Val de Pesmes
Seit 2012 feiert Pesmes alljährlich Mitte April seine cavalcade. Bei dem fröhlichen Karnevalsumzug mit Traktoren und Hängern ist das ganze Dorf mit dabei!
Hier könnt ihr schlafen
Woka Camping La Colombière
43 Stellplätze auf einer Flussinsel des Ognon mit Blick auf die Altstadt. Kleiner Kaufmann und Kanuverleih.
• 3, La Colombière, 70140 Pesmes, Tel. 07 83 91 39 53, www.camping-pesmes.fr; geöffnet: Ende April bis Mitte September
La Maison Royale*
Zwölf Gästezimmer in einem befestigen Herrenhaus aus dem 15. Jahrhundert – schlummern im Nostalgie-Ambiente. Auch geeignet für Familienfeiern. Nicht barrierefrei. Wer mag, bucht hier*.
• 16, avenue Jacques Prévost, 70140 Pesmes, Tel. 03 84 31 23 23, www.maison-royale-de-pesmes.fr
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