Plastik-Recycling in der Normandie: Christian Thomas von l'Association Bouchons 276 sammelte in Le Havre die Plastikverschlüsse. Foto: Hilke Maunder
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Plastik-Recycling in Frankreich

Frankreich hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt beim Plastik-Recycling. Mit einer Kombination aus gesetzlichen Regelungen, innovativen Technologien und bürgerlichem Engagement treibt das Land die Kreislaufwirtschaft voran.

Un bouchon = un sourire ist das Motto beim Plastik-Recycling in der Normandie: ein Korken = ein Lächeln. Dort helfen Plastik-Verschlüsse von Getränkeflaschen, Shampoo, Rasierschaum, Ketchup oder Tubendeckel Menschen mit Handicap.

Seit ihrer Gründung im Jahr 2003 hat die Association Bouchons 276 in den Départements Eure und Seine-Maritime in zwei Jahrzehnten mehr als 145.810 Tonnen Plastik-Verschlüsse an ihren mehr als 400 Sammelstellen zusammengetragen. Die Plastik-Verschlüsse werden zur Wiederverwertung an Écoplastics in Pont-Brenouille (Oise) verkauft. Für jede Tonne erhält der gemeinnützige Verein 250 Euro.

Plastik-Recycling ganz solidarisch

In den letzten 20 Jahren kamen so mehr als 600.000 Euro für Menschen mit Handicap zusammen. 650 Behinderte erhielten dank der Plastik-Recycling-Initiative finanzielle Hilfen. Allein im Jahr 2024 wurden 50.650 Euro an sie ausgeschüttet.

Besonders aktive Unterstützung für die Association Bouchons 276 kommt vom Nachwuchs. Vom Kindergarten bis zum Collège wird intensiv Plastik gesammelt; selbst die Sammelbehälter holen ehrenamtlich Schüler ab. Der Erfolg der Initiative Bouchons 276 zeigt eindrucksvoll, wie Plastik-Recycling eine soziale Verantwortung übernehmen kann.

Plastik-Recycling hilft sparen

Die französische Regierung hat 2019 ein „Bonus-Malus“-System eingeführt. Verpackungen aus nicht-recyceltem Plastik sind seitdem teurer als aus umweltfreundlichen Materialien.

Produkte in recycelten Verpackungen kosten bis zu zehn Prozent weniger als herkömmliche Verpackungen. Seit 2021 können Verbraucher eigene Behälter für den Einkauf von Lebensmitteln wie Käse mitbringen. Das Recycling von Plastik ist zudem steuerlich begünstigt, das Entsorgen von Plastik auf Müllhalden teurer geworden.

Frankreich recycelte im Jahr 2020 nur 20,1 Prozent seiner Kunststoffe, weit entfernt vom EU-Ziel von 50 Prozent. Die Gesamtrecyclingquote für Verpackungsabfälle lag 2020 bei 60 Prozent, nahe am EU-Ziel von 65 Prozent.

Ehrgeizige Ziele

Um dies zu ändern, hat Frankreich in seinem 2020 verabschiedeten Gesetz zur Bekämpfung von Abfall und für eine Kreislaufwirtschaft (Loi AGEC Anti-Gaspillage pour une Économie Circulaire) ehrgeizige Ziele im Bereich Plastik-Recycling und Müllvermeidung formuliert.

Das Anti-Wegwerf-Gesetz von 2020 schreibt fest, dass ab 2025 alle Plastikverpackungen recycelbar sein müssen. Bis 2030 soll die Anzahl der Einweg-Plastikflaschen um 50 Prozent reduziert werden. Ab 2040 sollen keine Einwegkunststoffverpackungen mehr in Umlauf gebracht werden.

Zur Unterstützung dieser Maßnahmen stellte die französische Regierung im Rahmen des Konjunkturprogramms France Relance im Jahr 2020 zusätzliche 500 Millionen Euro für Investitionen in die Abfallwirtschaft bereit. Seit 1. Januar 2025 müssen alle Kunststoffverpackungen recycelbar sein.

Ebenfalls zum 1. Januar 2025 wurden zudem industrielle und kommerzielle Verpackungen (IHC Industrial, Household, Commercial) in die EPR-Regelungen einbezogen. Dies betrifft vor allem Transportverpackungen und Verpackungen aus der Logistikbranche, die bisher nicht erfasst wurden.

Dazu gehören Elektro- und Elektronikgeräte (WEEE), Batterien und Akkumulatoren, Holzkisten und Fässer – und in einigen Ländern auch Textilien, Möbel, Spielzeug und Reifen. Die EPR-Regelungen (Extended Producer Responsibility oder Erweiterte Herstellerverantwortung) machen die Hersteller und Importeure für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte verantwortlich.

Langfristig plant die Regierung, Einwegkunststoffverpackungen schrittweise aus dem Verkehr zu ziehen, mit einem vollständigen Verbot bis 2040. Gleichzeitig strebt das Land eine Reduzierung der Haushaltsabfälle um 15 Prozent bis 2030 im Vergleich zu 2010 an.

Triman & gelbe Tonne

Ein zentraler Schritt zur Verbesserung des Recyclingprozesses war die landesweite Einführung der vereinfachten Mülltrennung.

Alle Produkte, die recycelt werden können, tragen in Frankreich seit 1. Januar 2005 das schwarz-weiße Zeichen Triman. Für private Haushalte geben die Kommunen kostenlos gelbe Tonnen ab und stellen sie als Großtonne auf zentralen Plätzen auf. Hinein kommt vieles, was in Deutschland separat gesammelt wird – auch Papier, Pappe und Karton.

Dort könnt auch ihr, wenn ihr unterwegs seid, euren Müll aus Plastik und anderen recycelbaren Materialien entsorgen. Verboten sind seit 2020 Einmalprodukte wie Plastikstrohhalme, Plastik-teller und Plastikbecher.

Der Boom der Écocups

Sie ersetzen sogenannte éco-gobelets aus Hartplastik die auf Festen und anderen Veranstaltungen ausgegeben und gewaschen werden. Längst haben sie Kommunen, Vereine und Betriebe als Werbeträger entdeckt – und das Volk als beliebte Sammelobjekte.

Der Markt für die nachhaltigen Trinkbecher ist längst aufgeteilt: Écocup und Greencup kontrollieren über 70 Prozent des Marktes. Écocup hat es dabei sogar in die französische Sprache geschafft – sein Markenname wurde zum Synonym für die Becher. Esprit Planète, die Nummer drei im Bunde, personalisiert und verkauft die Becher nicht nur, sondern verleiht sie auch – und bietet Rücknahmeprogramme an.

Bis zu 200 Mal ist ein solcher Becher aus Polypropylen ohne Bisphenol A wiederverwendbar – und danach hunderprozentig recyclebar. In den herkömmlichen Recyclingsystemen entsorgt,können Betriebe wie La Française des Plastiques auch diese Becher recyceln. Verwendet werden dabei Maschinen von Krauss-Maffei.

Was nicht wirtschaftlich recycelt werden kann, landet in den Hochöfen der Schwerindustrie oder wird zur Energierückgewinnung genutzt.

Lukratives Geschäft

Platzhirsch im Plastik-Recycling ist nach eigenen Aussagen die Paprec-Gruppe, die an 300 Standorten in zehn Ländern tätig ist, auch in Frankreich und der Schweiz. Am Ufer der Seine in Limay (Yvelines) stellt France Plastiques Recyclage, das 2007 die Paprec-Gruppe mit Sita France gegründet hat, aus alten Plastikflaschen neues PET-Granulat (Polyethylenterephthalat) her. Dazu kollaboriert France Plastique Recyclage mit SUEZ, einem der größten Abfallverwerter des Landes.

Die Basis für das Plastik-Recycling bilden jährlich rund 45.000 gebrauchte helle PET-Flaschen, die dazu nach ihrem Weg in die gelbe Tonne in spezialisierten Zentren sortiert und sich per Binnenschiff oder Laster auf den Weg zu France Plastiques Recyclage in Limay im Großraum Paris machen.

Bei ihrer Ankunft werden die Flaschen erneut sortiert, um Etiketten, Fehlklassifizierungen und Verschlüsse zu entfernen, die einen separaten Recyclingzyklus vor Ort durchlaufen. Danach kommt das Material in den Schredder, wird immer feiner zerkleinert und anschließend gewaschen. Nun ist es bereit für die Extrusion: Es wird geschmolzen und durch Siebe geleitet, die Verunreinigungen entfernen.

Um den neuen Rohstoff lebensmitteltauglich zu machen, erfolgt eine zweite Reinigung. Sieben Stunden lang muss das Granulat unter Vakuum bei 200 °C schwitzen, damit es wirklich rein ist – das ist rechtlich vorgeschrieben. Rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, sind die Maschinen und 115 Mitarbeiter von France Plastique Recyclage dabei in Betrieb.

Belohnung für PET

Zehn Milliarden! So viele Plastikflaschen mit Mineralwasser konsumiert Frankreich jedes Jahr. Mit B:Bot wollen Benoît Paget und sein Team an zentralen Standorten wie Supermärkten die leeren PET-Flaschen einsammeln. Mehr als 500 Standorte allein in Kontinentalfrankreich gibt es bereits – wo, verrät die interaktive Karte auf der Startseite des Unternehmens. Die Zeichen stehen auf Expansion, erst in die Überseegebiete des Landes, dann nach Portugal und Tunesien.

Das System funktioniert – denn es lockt mit Belohnung. Je nach Flasche gibt es zwei bis zehn Cent als Gutschein. Täglich sammelt so B:Bot bereits 460.000 Plastikflaschen ein, Tendenz steigend.
https://b-bot.com

Wer Plastik recycelt, erhält von Réco einen Einkaufsbon.
Wer Plastik recycelt, erhält von Réco einen Einkaufsbon. Foto: Hilke Maunder

Nicht nur für Plastikflaschen aus PET, PEHD, sondern auch Büchsen aus Aluminium oder Stahl (cannettes) und Tetrapacks sammeln die Container von Réco – allerdings bislang nur im Großraum Reims. Wer zuvor auf der Réco-App ein Kundenkonto eingerichtet hat, kann danach seine Belohnung wählen – oder den Betrag einer Wohlfahrtsorganisation spenden. Auch bei Réco könnt ihr auf der Homepage die nächste Recyclingbox in Reims finden.

Entwickelt wurde Réco von Suez. Suez ist ein großes französisches Unternehmen, das sich auf Umweltdienstleistungen spezialisiert hat und Lösungen in den Bereichen Wassermanagement, Abfallwirtschaft und Recycling anbietet. In Reims profiliert sich Suez mit seinem Pilotprojekt Réco als innovativer Akteur im Wachstumsmarkt Kreislaufwirtschaft.
www.reco.suez.fr

Tod dem Plastik mit Enzymen

In Longlaville, einer Gemeinde im Département Meurthe-et-Moselle, entsteht derzeit ein wegweisendes Pilotprojekt beim Plastik-Recycling. Das französische Unternehmen Carbios plant dort die weltweit erste industrielle Anlage zur enzymatischen Wiederverwertung von PET-Kunststoffen.

Die innovative C-Zyme-Technologie soll es ermöglichen, Plastikabfälle effizient und nachhaltig in ihre ursprünglichen Bestandteile zu zerlegen, um daraus neues PET herzustellen – ohne Qualitätsverlust. Mit einer Investitionssumme von rund 150 Millionen Euro und einer geplanten Jahreskapazität von 50.000 Tonnen PET-Abfällen, was etwa zwei Milliarden PET-Flaschen entspricht, könnte dieses Verfahren einen Meilenstein für die Kreislaufwirtschaft bedeuten. Die Inbetriebnahme der Anlage ist für 2025 vorgesehen.

Wie funktioniert das enzymatische Bio-Recycling von PET?

Die von Carbios entwickelte C-Zyme-Technologie nutzt ein spezielles Enzym, das PET-Kunststoff gezielt in seine chemischen Grundbausteine zerlegt. Dieser Prozess, auch enzymatische Depolymerisation genannt, unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Recyclingverfahren. Während mechanisches Recycling häufig mit Qualitätseinbußen verbunden ist und nicht alle PET-Produkte recycelt werden können, bleibt das mit C-Zyme recycelte PET vollständig neuwertig.

Im ersten Schritt wird das Enzym auf die PET-Abfälle aufgebracht. Es ist so konzipiert, dass es ausschließlich PET abbaut, während andere Bestandteile wie Farbstoffe, Klebstoffe oder Beschichtungen unberührt bleiben. Innerhalb von nur 16 Stunden kann auf diese Weise bis zu 98 Prozent der PET-Masse in ihre Monomere zerlegt werden – Terephthalsäure und Monoethylenglykol. Diese beiden Grundstoffe werden anschließend gereinigt, bevor sie in einem weiteren Schritt zur Herstellung von neuem PET verwendet werden.

Besonders bemerkenswert ist die Umweltfreundlichkeit dieses Verfahrens. Im Gegensatz zu chemischem Recycling, das oft aggressive Lösungsmittel und hohe Temperaturen erfordert, läuft die enzymatische Depolymerisation bei niedrigen Temperaturen und atmosphärischem Druck ab. Dadurch wird nicht nur Energie eingespart, sondern auch der ökologische Fußabdruck des Recyclings erheblich reduziert.

Ein Meilenstein für die Kreislaufwirtschaft

Die Vielseitigkeit der C-Zyme-Technologie eröffnet völlig neue Möglichkeiten im Umgang mit Plastikmüll. Während mechanische Recyclingverfahren oft an komplexen oder gefärbten Kunststoffen scheitern, kann das enzymatische Verfahren eine breite Palette von PET-Abfällen verarbeiten – darunter farbige und undurchsichtige Kunststoffe sowie Polyestertextilien. Das daraus gewonnene PET kann ohne Qualitätsverluste beliebig oft wiederverwertet werden, wodurch ein echter geschlossener Recyclingkreislauf entsteht.

Mit der Anlage in Longlaville setzt Carbios einen wichtigen Impuls für die Zukunft der Kreislaufwirtschaft. Sollte sich das Verfahren im industriellen Maßstab bewähren, könnte es als Modell für weitere Recyclinganlagen weltweit dienen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Reduzierung von Plastikmüll leisten. In einer Zeit, in der die EU ehrgeizige Ziele beim Plastik-Recycling verfolgt und der Druck auf Unternehmen wächst, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, könnte die enzymatische PET-Wiederverwertung eine Schlüsseltechnologie der kommenden Jahre werden.

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Im Blo

Noch mehr Einblicke in Projekte und Initiativen, mit denen Frankreich die Verschwendung bekämpft, gibt dieser Beitrag: https://meinfrankreich.com/anti-gaspi-frankreichs-bekaempft-verschwendung.

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6 Kommentare

  1. Hallo, wir haben seit kurzem eine gelbe Tonne (in Forbach, dep. grand est) niemand konnte uns sagen, ob diese etwas zusätzlich zur normalen Müllgebühr kostet. Gibt es hierzu irgendwo informationen? Liebe Grüße ursula

    1. Hallo Ursula, eigentlich hättet ihr sie schon seit zehn Jahren haben sollen – das kostet nichts extra. Viele Grüße, Hilke

  2. Hallo Hilke, mit Begeisterung lese ich Deine Beiträge! Besonders schätze ich auch diesen Beitrag zum Kunststoffrecycling in Frankreich, erfährt man doch auf diesem Wege, wie es die Nachbarn handhaben. Spannend und interessant! Danke!

    1. Liebe Inge, herzlichen Dank für Deine lieben Worte. Das freut mich – und spornt mich an! Mein Frankreich ist mein Herzblutprojekt, das nach dem Beruf abends und am Wochenende wächst und gedeiht. Ich wünsche Dir noch viele schöne Momente mit dem Blog! Bises, Hilke

  3. Heute haben wir den 1.Newsletter erhalten. Toll. Wir haben vor langer Zeit in Boardville auf dem Campingplatz schon eifrig Deckel gesammelt, als der ganze Plastikmüll in den normalen Müll kam. Schöne Artikel verschönern den trüben heutigen Dezembertag.
    Wir sind seit unserem 1.Urlaub mit der Ente quer durch Nordfrankreich,danach durch Süden und Südwesten gereist. Nach den folgenden Reisen durch Europa sind wir seit 33 Jahren auf der ile d’oleron. Als begeisterte Segler erkunden wir in jedem Jahr immer mehr die Südbretagne und hoffen auf noch viele schöne Momente und Erebnisse in unserer 2. Heimat. Vielen Dank für den Newsletter, Brigitte und Thomas.

    1. Hallo Thomas, danke für diesen tolle Mail am Bibberdienstag in Hamburg! Île d’Oléron findest Du auch im Blog, auch die benachbarte Île de Ré. Die Region habe ich letzen Sommer besucht – und bin schwer begeistert. Viele Grüße! Hilke

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