Tarascon mit seinem markanten Roc de Sédour am Lauf der Ariège. Foto: Hilke Maunder

Postkarte aus … Tarascon-sur-Ariège

Das Beste an Tarascon-sur-Ariège ist seine Lage. Dort, wo der Vicdessos in die Ariège fließt, ragt die Roche du Castella aus dem Talboden auf. Von oben eröffnen sich 360-Grad-Rundblicke auf das Becken von Tarascon, die Gipfel der Pyrenäen und den markanten Roc de Sédour.

Schon früh erkannten die Grafen von Tarascon den strategischen Vorteil des Felsdorns. Sie befestigten ihn und errichteten auf seiner Spitze eine Grafenburg, die 1192 erstmals erwähnt wurde. Im Schatten der Burg entwickelte sich eine kleine Siedlung. Die Entstehungsgeschichte von Tarascon-sur-Ariège ist damit identisch mit jener von Foix.

In der Altstadt von Tarascon. Auf den Treppen (links) kommt ihr zum Wahrzeichen und Aussichtspunkt. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Tarascon-sur-Ariège. Auf den Treppen (links) kommt ihr zum Wahrzeichen und Aussichtspunkt. Foto: Hilke Maunder

Boomtown des Mittelalters

Doch während in der Hauptstadt des Départements Ariège noch der imposante Burgkomplex erhalten ist, war er in Tarascon-sur-Ariège bereits 1633 verschwunden – durch eine Verordnung von König Ludwig XIII. und Kardinal Richelieu.

Im 18. Jahrhundert waren auch die Stadtmauern und der Steingürtel am Burgberg arg verfallen. Die Stadtmauer besaß damals noch mehrere Türme und Tore: die Porte d’Espagne im Süden, die Porte du Foirail im Osten, die Porte du grand pont im Westen und die Porte de Foix im Norden.

Das Wahrzeichen von Tarascon-sur-Ariège

Die <em>Tour de Castella</em>Foto: Hilke Maunder
Die Tour de Castella. Foto: Hilke Maunder

Die Porte de Foix ist nicht mehr erhalten. Sie wurde auf Anordnung des Ingenieurs der Provinz abgerissen. Der Großteil des Materials, darunter die Glocke und die Uhr, jedoch wurde recycelt  – für den Bau der heutigen Tour de Castella.

Im Mai 1775 wurde der 21 Meter hohe Rundturm an der Stelle des alten feudalen und eckigen Wachtturms eingeweiht. Seitdem ist der das Wahrzeichen von Tarascon-sur-Ariège. Nachts wird er angestrahlt!

Die <em>Porte d'Espagne</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Porte d’Espagne in Tarascon-sur-Ariège. Foto: Hilke Maunder

Das Tor zur Altstadt

Das übrig gebliebene Baumaterial wurde zur Restaurierung der Porte d’Espagne genutzt. Auch Porte du Mazel Vieil oder Porte de Malbec genannt, bildet sie bis heute den südlichen Zugang zur Altstadt. Früher war das Tor mit einer Zugbrücke und einem Fallgitter versehen.

Die Verteidigung der Stadtmauer verstärkte damals ein um die Stadt herum verlaufender Graben. Heute erinnern nur noch die Schießscharten an die wehrhafte Funktion des Tores. Seine kleine Innentreppe führte zum Wachturm und zum Wehrgang, der entlang der Stadtmauer verlief.

Das Stadttor hat im Lauf seiner langen Geschichte viele Nutzungen erfahren. Es war Gefängnis, Schule und eine Zeit lang sogar Rathaus. Heute beherbergt es ein Lager für archäologische Ausgrabungen von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart.

Die Arkaden der <em>Place Félix Garrigou</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Arkaden der Place Félix Garrigou. Foto: Hilke Maunder

Der größte Platz der Altstadt

Vom Aussichtsturm erreicht ihr in wenigen Schritten den zentralen Platz der Altstadt. Die einstige Place de la Daurade ( Place des Couverts ) heißt zu Ehren von Félix Garrigou, einem 1835 in Tarascon-sur-Ariège geborenen lokalen Gelehrten, heute Place Félix Garrigou.

Er war Höhlenforscher und Prähistoriker, Professor an der medizinischen Fakultät in Toulouse und hielt im Laufe seines Lebens zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen über die lokale Geschichte und Archäologie.

Die Brunnenfrau der <em>Place Félix Garrigou</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Brunnenfrau der Place Félix Garrigou. Foto: Hilke Maunder

Auf dem Platz mit seinen Arkaden und dem kleinen Brunnen, den eine Wasser tragende Frau schmückt, befand sich zwischen 1830 und 1885 das Rathaus. In einer Ecke des Platzes liegt der Eingang zur Pfarrkirche Notre-Dame de la Daurade.

Der Blick von der Tour Saint-Michel zur <em>Place Félix Garrigou</em>. Foto: Foto: Hilke Maunder
Der Blick von der Tour Saint-Michel zur Place Félix Garrigou. Foto: Foto: Hilke Maunder

Wehrhafte Kirchen

Die Daurade-Kirche, die früher Saint Paul gewidmet war, diente der ersten mittelalterlichen Siedlung als Pfarrkirche. Sie wurde unter der Herrschaft von Heinrich II. (1547-1559) auf den Ruinen einer älteren Kirche (11. Jahrhundert) wiederaufgebaut. Ihren Namen La Daourado, was in der Sprache der Langue d’Oc „die Vergoldete“ bedeutet, erhielt sie von der vergoldeten Statue, die die linke Kapelle schmückt.

Die Kirche der Altstadt von Tarascon: <em>Notre-Dame de la Daurade</em>. Foto: Hilke Maunder
Die Kirche der Altstadt von Tarascon: Notre-Dame de la Daurade. Foto: Hilke Maunder

Der Chorraum ist ungeheuer opulent für eine Kleinstadt und zeigt, wie bedeutend Tarascon einst als Handelsplatz gewesen ist. Im Mittelalter war Tarascon eine der vier wichtigsten Städte der Grafschaft Foix.

Gold glänzt auf den Wänden, bedeckt die Skulpturen aus Holz und funkelt in 1000 Sternen vom blauen Firmament. Fünf imposant große Gemälde der Toulouser Schule aus dem 18. Jahrhundert schmücken die Wände.

Betrachtet auch einmal die beiden Bänke im Stil Ludwigs XIII. mit Rückenlehnen aus geschnitzter Eiche, die ineinander verschlungene Blumen darstellen. Sie stammen von einem anonymen Handwerker aus dem 17. Jahrhundert.

Im Innern von <em>Notre-Dame de la Daurade</em>.Foto: Hilke Maunder
Im Innern von Notre-Dame de la Daurade.Foto: Hilke Maunder

Gebeutelt in den Religionskriegen

Während der Religionskriege wurde die Kirche 1568 und 1582 verwüstet und protestantisch. Erst 17 Jahre später wurde die erste katholische Messe wieder dort abgehalten.

Direkt gegenüber erhebt sich der wuchtige Glockenturm Tour Saint-Michel. Er ist der letzte Überrest einer Kirche aus dem 14. Jahrhundert und befand sich bei Fertigstellung des Gotteshauses 1382 noch im Bau. Angelegt wurde er damals als Kapelle des zu beiden Seiten gelegenen Friedhofs.

Der fast 25 Meter hohe Turm mit seinen markanten Zinnen hatte, wie die Kirche, jedoch vor allem eine defensive Funktion. Beide Baukörper fügten sich in das Befestigungssystem der Stadt ein. Auch die Wahl des Heiligen Michael deutet auf die militärische Funktion der Kirche hin. Michael war ein heiliger Krieger, der im Mittelalter häufig für diese Art von Monumenten verwendet wurde.

Die <em>Tour Saint-Michel</em>Foto: Hilke Maunder
Die Tour Saint-Michel. Foto: Hilke Maunder

Altstadt mit Patina

Die Schätze von Tarascon-sur-Ariège lassen sich nicht auf den ersten Blick entdecken! Strenge Gebäude bergen überraschende Innenhöfe.  Türen aus Massivholz mit gehämmerten Nägeln aus den damaligen Schmieden und Häuser mit rechteckigen Oberlichtern haben in der Altstadt das Mittelalter bewahrt.

Die Namen der Altstadtstraßen erinnern an ihre damalige Funktion: Rue des chapeliers, foirail und quartier du Mazel-Vieil, Metzgerviertel.

Foto: Hilke Maunder

Tarascons Altstadt ist nicht aufgehübscht, nicht hergerichtet. Und daher umso faszinierender. Jedes Haus erzählt eine Geschichte.

Rue Nauge, eine der drei Hauptgassen der Altstadt. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder
Faszinierend, die alten Holzläden, die auch als Auslagen der Waren einst dienten. Foto: Hilke Maunder
Solche alten Haustüren sind in der Altstadt von Tarascon-sur-Ariège öfters zu sehen. Foto: Hilke Maunder

Die Helden der Place du Castella

Foto: Hilke Maunder

12.500 passeurs – Briten, Kanadier, Amerikaner, Belgier, Polen und Franzosen – überquerten als Schlepper die Pyrenäen, halfen so der Résistance und retteten Menschenleben. Das Tal der Ariège war einer der wichtigsten Korridore. Am Rande der Altstadt erinnert eine Gedenkstätte auf der Place du Castella mit zwei Monumenten an die Opfer der Kriege und die Akteure im Untergrund.

Das Monument aux Morts besteht aus einer außergewöhnlichen Bronzestatue. Sie stellt  einen liegenden Soldaten mit über dem Kopf angewinkelten Armen dar und wurde 1965 vom Bildhauer Robert Pagès und dem Architekten Milles entworfen. Das Nationalmonument der Freiheit oder Monument des Passeurs war ursprünglich in Sabart aufgestellt und am 27. September 1986 eingeweiht worden.

Foto: Hilke Maunder

Die schwarze Madonna von Notre-Dame de Sabart

Außerhalb der Altstadt hebt sich die Kapelle Notre-Dame de Sabart an der D 8 von den Berglinien ab.  Diese romanische Kirche aus dem 11. Jahrhundert wurde angeblich auf den Fundamenten einer Marien-Kapelle erbaut. Jene war angeblich genau dort errichtet worden, wo Karl der Große 778 die Sarazenen besiegt hatte.

Im Inneren befinden sich eine schwarze Jungfrau aus dem 14. Jahrhundert, die den Sieg darstellt. Die Glasfenster der Kirche gelten als die ältesten des Départements und stammen vermutlich aus der Zeit um 1300.

<em>Notre-Dame de Sabart</em>. Foto: Hilke Maunder
Notre-Dame de Sabart in Tarascon-sur-Ariège. Foto: Hilke Maunder

Abschied von der Industrie

Bei der Kapelle hatte 1929 die Usine Péchiny ihren Betrieb aufgenommen. Fast 74 Jahre später, am 19. März 2003, endete das kleine Jahrhundert der Metallurgie am Eingang des Vicdessos-Tales. 13 Jahre später rückten die Bagger an, um das Erbe der Arbeits- und Sozialgeschichte zu zerstören.

Auf der anderen Straßenseite erstreckt sich ein Industriekomplex, der ebenfalls schon bessere Tage gesehen hat. Am Ende der Druckleitung befindet sich das EDF-Kraftwerk.

Bis Sommer 2022 soll das letzte Industrie-Erbe von Asbest befreit und abgerissen sein. Es bleibt einzig die EDF-Druckleitung am Hang. Foto: Hilke Maunder

Gießerei und Endfertigung der Aluminiumfabrik von Sabart Aéro Tech wurden auf der linken Seite des Vicdessos zusammengelegt. Auf der rechten Seite wird alles verschwinden. Sobald die Gebäude von Asbest befreit sind, werden sie sukzessive abgerissen.

Bis zum Sommer  2022 soll der  Industriestandort  sein Gesicht drastisch verändert haben. Rio Tinto hat sich dann aus dem Département verabschiedet. Die Gemeinde, die das  Grundstück erworben hat, hegt große Pläne für das Terrain.

Statt auf Industrie setzt sie nun auf Tourismus. Wie erfolgreich eine solche Investition sein kann, zeigt in nächster Nähe der Parc de la Préhistoire. Er gehört zu den touristischen Top-Attrationen im Tal der Ariège.

Der Eingang zum Parc de la Préhistoire. Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zum Parc de la Préhistoire. Foto: Hilke Maunder

Tarascon: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Hyprocras

In der kleinen Weinhandlung À la bonne vôtre entdeckte ich im Schaufenster den Hypocras. Der aromatisierte Wein wurde im Mittelalter wegen der damals sehr teuren Gewürze nur an den Höfen von Königen und reichen Adligen ausgeschenkt.

Das heute übliche Rezept stammt von Taillevent, Leibkoch von Karl V. Er fügte dem Rotwein Zimt, Orangenblüten und Gewürznelken zu.
• Avenue de la République, 09400 Tarascon-sur-Ariège, Tel. 05 61 05 83 07, www.facebook.com

Foto: Hilke Maunder

Hier könnt ihr schlafen*
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Die Architektur der Häuser ist meist schlicht und streng. Umso häufiger sind Blumen und Pflanzen als Schmuck gefragt. Foto: Hilke Maunder
Die Architektur der Häuser ist meist schlicht und streng. Umso häufiger sind Blumen und Pflanzen als Schmuck gefragt. Foto: Hilke Maunder

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Weiterlesen

Im Blog

Nicht weit entfernt von Tarascon ist Europas größte Höhle, Lombrives. Hier habe ich sie vorgestellt.

Tief in die Erd- und Menschheitsgeschichte führt auch die Grotte de Béilhac. Klickt hier für Infos und Impressionen.

Ein ganz besonderes Erlebnis ist eine Kahnfahrt unter Tage. Die Rivière souterraine de Labouiche windet sich eindrucksvoll durch den Karst der Montagnes de Plantaurel. Infos und Impressionen gibt es hier.

Noch mehr Reise-Inspirationen für das Département Ariége findet ihr in dieser Kategorie.

Tarascon überrascht mit Kontrasten. Foto: Hilke Maunder
Außerhalb des kleinen Altstadtkerns überrascht Tarascon mit Kontrasten. Foto: Hilke Maunder

Im Buch

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt an den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen.

50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

Le Midi*

Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

Ihr findet darin 80 Rezepte von der Vorspeise bis zum Dessert, Produzentenportaits, Hintergrund zu Wein und Craftbeer, Themenspecials zu Transhumanz und Meer – und viele Tipps, Genuss à la Midi vor Ort zu erleben. Wer mag, kann meine 80 Sehnsuchtsrezepte aus Südfrankreich hier* online bestellen.

Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!

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