Pouzolles: die Circulade an der Thongue

Pouzolles, die circulade an der Thongue. Foto: Hilke Maunder
Pouzolles, die circulade an der Thongue. Foto: Hilke Maunder

Es gibt sie nur in Okzitanien. Und selbst dort fast nur in den Départements Aude, Gard und Hérault: die circulades. Diese rund 50 mittelalterlichen Runddörfer sind 200 Jahre älter als die berühmten Bastiden des Südwestens, die lange als Keimzelle des europäischen Städtebaus galten. Zu den schönsten dieser uralten Orte gehört Pouzolles.

Die Runddörfer des Languedoc

Mit Krysztof Pawlowski, Architekt und UNESCO-Beauftragter aus Polen, hat die Erforschung der Stadtentwicklung einen großen Sprung nach vorn gemacht. Sein 1992 erschienenes Werk Circulades languedociennes de l’an Mille* hat erstmals wissenschaftlich verlässlich die uralten Runddörfer im Languedoc untersucht.  Krysztof Pawlowski nannte sie circulades.

Geistliche und weltliche Macht, dicht an dicht vereint in der <em>circulade</em> von Pouzolles. Foto: Hilke Maunder
Geistliche und weltliche Macht, dicht an dicht vereint in der circulade von Pouzolles. Foto: Hilke Maunder

Ihr Name verrät, wie sie aufgebaut sind. Wie in Pouzolles schmiegen sich Häuser und Gassen als Halbkreis, Kreis oder Ellipse um eine zentrale Burg oder Kirche. Zugang zur circulade gewährten Tore oder andere Öffnungen im äußeren Häuserring. Die Häuserfront entlastete die Kassen: Sie ersparte eine deutliche teurere, separate Stadtmauer.

Angelegt wurden die wehrhaften Runddörfer nicht nur in der Ebene wie Gruissan, sondern auch auf Anhöhen, Kuppen und Hügelspitzen wie Pouzolles.

Der Wandel der Burg

Am Ufer der Thongue ragt dort das Château de Pouzolles seit dem 15. Jahrhundert in seiner heutigen Form mit zwei Ecktürmen wuchtig und wehrhaft in den Himmel. In der Renaissance waren die gotischen Fensterkreuze und Stilelemente der mittelalterlichen Burg repräsentativem Schmuck nach italienischem Vorbild gewichen. Repräsentanz statt Verteidigung war nun wichtig.

Das <em>Château de Pouzolles</em>. Foto: Hilke Maunder
Das Château de Pouzolles. Foto: Hilke Maunder

Meterdicke Fundamente

In nächster Nachbarschaft recken sich die Türme der Kirche Notre-Dame de Saint-Martin auf. Wie die Burg ruht auch die Pfarrkirche auf zehn Meter hohen und drei Meter dicken Fundamenten. Die mittelalterliche circulade von Pouzolles war nach heutigen Maßstäben winzig. Sie besaß nur zwei Hauptstraßen – die innere Rue Christophe Ricard und die  äußere Rue des Murs.

Bis zu einem Meter dick sind dort bis heute die Mauern der Häuser. Zugang ins Herz der circulade gewährte die Porte Saint-Martin, von den Einheimischen nur la porche genannt.

Das große Aufräumen

1871 war der Deutsch-Französische Krieg beendet, der Frieden von Frankfurt jedoch noch nicht geschlossen. Und  der damalige Bürgermeister von Pouzolles voller Tatendrang. An einem Märztag traf Frédéric Greilhet sich mit seinen Ratsmitgliedern zu Füßen der circulade am Ufer der Thongue. Dieses Treffen schenkte Pouzolles seinen zweiten Hingucker.

Alle, die Steine, Trester und andere Gegenstände an den Ufern der Thongue deponiert hatten, mussten den Unrat innerhalb einer Woche abräumen. Dann rückten Straßenarbeiter und Gärtner an. Sie verwandelten den Schuttplatz in einen Platanenplatz, auf dem sich seitdem das Dorf zum Plausch und Pétanque-Spiel trifft.

Das Tor der Pfarrkirche von Pouzolles. Foto: Hilke Maunder
Das Tor der Pfarrkirche Église Saint-Martin von Pouzolles. Foto: Hilke Maunder

Im Sommer ist die schattige und weitläufige Promenade jeden Freitagabend Treffpunkt für die Tanz-brasucade. Am 14. Juli feiert Pouzolles am französischen Nationalfeiertag dort sein großes Dorffest. Die Sommerfeste beschließt Ende August das Bœuf à la broche, das Rind am Spieß.

Im Land der Circulade: die Schwestern von Pouzolles

Margon: Kleine Circulade mit großem Schloss

Nur vier Kilometer nordwestlich von Pouzolles liegt Margon mitten im Herzen des Weinbaugebiets Côtes de Thongue. Auch dieses mittelalterliche Dorf wurde im 11. Jahrhundert als Circulade angelegt. Sie schmiegt sich an ein stattliches Burgschloss, das bereits 1080 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Während des Albigenserkreuzzugs gegen die abtrünningen Katharerer kam die ehemalige Baronie Margon bereits im Jahr 1221 unter die Hoheit des französischen Königs, während das Languedoc erst 50 Jahre später an Frankreich angeschlossen wurde.

Diese territoriale und politische Besonderheit wussten die Herrscher von Margon geschickt für sich zu nutzen. So waren sie zwar dem französischen König treu ergeben und huldigen ihn, wo immer es nur ging, blieben haben zugleich der Tradition treu blieben, die ihrem Terrain den Namen République de Margon gegeben hatte.

Das Château de Margon gehört heute zu den schönsten Renaissanceschlössern des Hérault. Seinen zentralen Corps de Logis flankieren drei imposante Wehrtürme. Das Schloss umgibt ein Park, der als jardin remarquable ausgezeichnet ist, und damit als ein bemerkenswertes Grün mit Säulenzypressen, Lorbeer-Formgehölze, von Oleander gesäumte Wege und Granatapfelbäumen, die sich unter den schweren Früchten biegen. Die Olivenbäume sind in Trommelform geschnitten, die Blumenrabatten streng französisch angelegt. Wunderschön: die schlosseigene Schwertlilien-Sammlung!

Zwei Tore kontrollierten einst den Zugang zu Circulade. Das größere, de la Fontaine genannte Tor ist nicht mehr erhalten, das kleinere Portalet-Tor jedoch bis heute.

Verlassenes Winzer-Erbe

Nur noch eine malerische Ruine ist der einstige genossenschaftliche Weinkeller von Pouzolles-Margon mit seiner eindrucksvollen Fassade von 1939. Die genossenschaftliche Kellerei, die bei Weinmessen so manchen Preis erhalten hatte, beendete am 6. Oktober 2007 ihren Betrieb. 2008 schloss sie sich mit der Weinkooperative von Abeilhan zusammen.

Seit Ende 2009 gehört auch die Kellerei von Roujan der Großkooperative an. Sie verkauft seitdem ihre Landweine in Weiß, Rosé und Rot mit der geschützten geografischen Angabe (Indication Géographique Protégée) IGP Côtes de Thongue.

Die ehemalige Kooperative von Pouzolles. Foto: Hilke Maunder
Die ehemalige Kooperative von Pouzolles. Foto: Hilke Maunder

Fouzilhon: Weitblick mit Sonnenuhr

Nordwestlich von Pouzolles erhebt sich auf einer Hügelspitze eine weitere Circulade: Fouzilhon. Auch dieses Dorf, in dem noch rund 245 Einwohner leben, wurde auf einem kreisrunden Grundriss erbaut. Olivenbäumen und Weizenfelder umgeben es, Obstbäumen und wilde Blumen.

Wie befestigt und wehrhaft es einst war, verraten die Überreste der Stadtmauern und der befestigten Burg. Bis heute erhebt sich die Kastellkapelle majestätisch über dem alten Dorf.

Gassen und Treppenwege aus Stein führen im Dorf hinauf zu einem Felsen gegenüber der Kirche. Die Aussicht ist herrlich, der Gipfelschmuck grandios: eine riesige Sonnenuhr aus rosafarbenem Granit in zwei Farben. 600 Stunden lang wurde dafür der Stein geschliffen!

Noch mehr Runddörfer

Castries, Caux, Gabian, Nézignan-l’Évêque, Poussan, Puéchabon, Puissalicon, Roujan, Saint Jean-de-Fos, Saint-Pargoire, Saint-Pons-de-Mauchiens: Im Hérault, und gerade zwischen Béziers und rund um Pouzolles,  gibt es noch zahlreiche weitere Runddörfer. Und immer wieder zeigen sie das gleiche Bauprinzip.

In aufeinanderfolgenden Kreisen sind die Wohnhäuser um ein zentrales Schutzgebäude angeordnet – entweder die befestigte Burg oder die Kirche, die meist auch recht wehrhaft war. JederHäuserkreis bildete damit einen zusätzlichen Wall, um die Angreifer aufzuhalten oder zu verzögern.

Heute gehören diese Circulades zu den charmanten Dörfern im Languedoc. In alten Gassen und auf lauschigenn Plätzen haben sie das typwsiche Savoir-vivre des Südens und die Lebensart des Midi bewahrt.

Die Häuser stehen so dicht, dass selbst im Sommer die Gasen der Circulade Pouzolles schön schattig sind. Foto: Hilke Maunder
Die Häuser stehen so dicht, dass selbst im Sommer die Gasen der Circulade Pouzolles schön schattig sind. Foto: Hilke Maunder

Pouzolles: meine Reisetipps

Lage

Rund 18 Kilometer nordöstlich von Béziers und rund 30 Kilometer von den Stränden im Hérault entfernt

Schlemmen und genießen

Café des Allées

Tapas und Tartar, Burger und beliebte Bistrotgerichte: Das Ecklokal, einst als Café Martin gegründet, ist bis heute der Treff von Pouzolles – besonders, wenn Fußball-Matches live übertragen werden oder der DJ auflegt.
• 1, Place de l’Étoile, 34480 Pouzolles, Tel. 04 67 24 80 17, www.facebook.com/bistrotcafedesallees

Schlafen

Entre Pechs et Vignes

Caroline und Stéphane haben auf ihrem 2700 Quadratmeter großen Grundstück in den Weinbergen mit Pool und Boule-Platz mehrere Gästezimmer eingerichtet. Abends wird bei der table d’hôte gemeinsam gegessen:
• 8, chemin des Rouyères, 34480 Pouzolles, Tel. 06 77 73 59 99, www.entre-pechs-et-vignes.fr

Le Grenier du Parc

Danièle und ihre Tochter Antou haben im einstigen Weinkeller drei Gästezimmer für maximal zwölf Personen eingerichtet. Bei gutem Wetter wird das Frühstück mit Eiern von eigenen Hühnern im 2.200 Quadratmeter großen Garten serviert. Abends schlemmen alle Gäste gemeinsam bei der table d’hôte.
10, Avenue Gambetta, 34480 Pouzolles, Tel. 06 29 85 38 31, kein www.

Noch mehr Betten*

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Wandern

Zwei markierte Rundwanderwege eröffnen immer wieder neue Ausblicke auf Pouzolles inmitten einer weiten, offenen Landschaft mit einzelnen puechs (Hügelkegeln). Unterwegs begegnet man immer wieder Kreuzen. 23 wurden ringsum von Pouzolles aufgestellt.

Puech Fario

4 Kilometer lange, leichte Rundwanderung, Infoblatt: www.pouzolles.fr/images/PDF/Balades/Pouzolles_PechFario.pdf

Canto Merle

6,5 Kilometer lange, leichte Wanderung, Infoblatt: www.pouzolles.fr/images/PDF/Balades/Pouzolles_CantoMerle.pdf

Markierte Stichrouten bringen Wanderer nach Fos, Gabian, Margon, Neffiès, Roujan und Vailhan. Die PDFs zu diesen Wanderungen lassen sich herunterladen auf www.pouzolles.fr/tourisme-et-activites/randonnees.

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6 Kommentare

  1. Liebe Hilke,
    vielen vielen Dank für Deine tollen Tips. Ich habe schon unzähligen Menschen von Deinem wunderbaren informativen Blog erzählt und hoffe nur, dass diese Empfehlungen Früchte tragen. Mach weiter so! Ich freue mich immer auf die nächste Ausgabe und stöbere auch in den alten herum. Das bringt mir mein Frankreich so nahe – so lange ich noch in Hamburg sitze und noch nicht reisen kann. Aber bald!!!!!

    • Liebe Christiane, ganz herzlichen Dank! Und ganz herzliche Grüße zurück in die alte Heimat. Mein toller Dr. Rose hat das Knie perfekt wieder hinbekommen – jetzt kann Frankreich wieder kommen :-). Morgen früh um sechs geht der Flieger für die erste Etappe bis Paris… und dann wird’s lang. Herzlich, Hilke

  2. Ganz in Nähe in Vailhan befindet sich eins der besten Restaurants Frankreichs, Äponem-l‘Auberge zu Presbytere. Eine junge Köchin verzaubert mit Gerichten aus dem eigenen Garten. Sehr teuer, aber jeden Bissen wert! Wir gehen einmal im Jahr hin,wenn wir einen Tisch bekommen.

  3. Liebe Hilke! Obwohl wir nur 35 km entfernt von Pouzolles wohnen, waren wir noch nie dort! Das werden wir nun schleunigst nachholen. Dafür wären wir schon öfter in AIGNE, einem kleinen „Village escargot“, das in der Nähe (7km) von Minerve liegt. Ebenfalls in der Nähe sind die wirklich sehenswerten Dolmen von Siran. Diese drei Orte ergeben einen perfekten Tagesausflug, in den man ein Essen im „Chantovent“ in Minerve einbinden sollte. Dieses Restaurant bietet neben sehr gutem Essen eine herrliche Aussicht über die Schlucht des Briant.

    • Liebe Lisa, ganz herzlichen Dank für Deinen tollen Tipp – der wird sofort eingeplant für einen der nächsten Ausflüge. Merci!
      Viele Grüße, Hilke

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