Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
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Prats-de-Mollo: bäriges Bergnest des Vallespir

63 Kilometer südwestlich von Perpignan sind im Winter die Bären los. Seit mehr als 600 Jahren feiert alljährlich im Februar Prats-de-Mollo-la-Preste im Haut-Vallespir die Fête de l’Ours, um den Winter zu vertreiben.

Mitunter liegt noch Schnee auf dem lieblichen Tal des oberen Tech, das die  kahlen Hängen des Costabonne- und Canigou-Massivs überragen.

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Blick auf die Kirche Saintes-Juste-et-Ruffine. Foto: Hilke Maunder

Ausgehungert soll im Mittelalter einst ein Bär hinab ins Tal gestiegen sein und eine Schäferin geraubt haben. Holzfäller, die in der Nähe arbeiteten, hörten die Hilferufe des jungen Mädchens.

Nach intensivem Kampf mit dem Zotteltier konnte die junge Frau befreit werden. Bei der Diada de l’Os , wie die einheimischen Katalanen das Bärenfest nennen, lebt die Legende alljährlich wieder auf.

Drei Männer, die Gesichter voller Öl und rußgeschwärzt, den Körper behängt mit dunklen Schafsfellen, rennen so durch die Gassen des befestigten Städtchens, die Schäferin in ihren Fängen, Besucher und Dörfler hinterher. Wer sich ihnen in den Weg stellt, wird mit Ruß beschmiert.

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Im Sommer ist Prats-de-Mollo reich mit Blumen geschmückt. Foto: Hilke Maunder

Doch da kommen schon die barbiers, die „guten Retter“, allesamt Honoratioren der Gemeinde, mit mehlbestäubten Gesichtern und weißen Hemden und Hosen.

Sie kesseln die Bären ein, legen sie in Ketten und zerteilen ihr Fell mit Äxten. Das Gute hat gesiegt. Prats feiert den Trubel, ruß und mehlverschmiert, ausgelassen bis spät nachts – und natürlich mit Bärenbier aus der örtlichen Brasserie de l’Ours.

Die Altstadt: befestigt und wehrhaft

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Hier geht es hinein in die ville close von Prats-de-Mollo-la-Preste. Foto: Hilke Maunder

Hinein in die Altstadt von Prats-de-Mollo kommt ihr durch die Porte de France. Im Winter ist die ville close wie ausgestorben. Im Sommer landet ihr im touristischen Rummel.

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Dann sind hier Touristen eindeutig in der Überzahl, schmücken Wimpel mit Wappen der Stadt und katalanische Sang-et-Or-Streifen in Gelb und Rot die Gassen und Plätze.

Die Pfarrkirche von Prats-de-Mollo ist in die Stadtmauer integriert. Foto: Hilke Maunder
Die Pfarrkirche von Prats-de-Mollo ist in die Stadtmauer integriert. Foto: Hilke Maunder

An der Place d’Armes führen die Stufen der Rue de la Croix de Mission hinauf zur spätgotischen Église Saintes-Juste-et-Ruffine aus dem 13. Jahrhundert.

Im 17. Jahrhundert erhielt sie ihr heutiges Aussehen. Beim Blick ins Innere staune ich: Dort hängt eine mehr als zwei Meter lange Rippe eines Wals als Votivbild!

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Im Innern der Pfarrkirche. Foto: Hilke Maunder

Stolze zehn Meter reckt sich der barocke Retabel des Hochaltars auf. Dick mit Blattgold überzogen, berichtet er vom Leben und Leiden der Heiligen Justa und Rufina, den Schutzpatroninnen der Stadt. Draußen führt ein befestigter Wehrgang um das Chorhaupt herum.

Prats-de-Mollo, Wehrgang. Foto: Hilke Maunder
Zur Flussseite könnte ihr Teile des Wehrganges der ville close begehen. Foto: Hilke Maunder

Von Vauban ausgebaut: das Fort Lagarde

Jenseits der Stadtmauer, die beim Erdbeben 1428 in Teilen einstürzte, weist ein Schild den Weg hinauf zum Fort Lagarde. Bei Regenwetter könnt ihr auch den gedeckten Weg hinaufsteigen oder zur Hochsaison die kostenlose navette vom Office de Tourisme nutzen.

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Das Fort Lagarde thront hoch oberhalb von Prats-de-Mollo-la-Preste. Foto: Hilke Maunder

Das Fort wurde ab 1692 auf einer Hügelkuppe oberhalb von Prats-de-Mollo errichtet – 33 Jahre nach der Angliederung des Comté de Roussillon (Grafschaft Roussillon) an Frankreich 1659 im Zuge des Pyrenäenfriedens. Friedlich waren jedoch die nächsten Jahre nicht.

Die Bevölkerung, plötzlich ungewollt französisch, rebellierte gegen die in Frankreich seit 1291 erhobene Salzsteuer gabelle.  Im Holländischen Krieg (1672–1678) holten sich die Spanier Stadt und Fort zurück. Allerdings nur für ein Jahr.

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Der Aufstieg zum Fort Lagarde. Foto: Hilke Maunder

Der Sonnenkönig Ludwig XIV. beauftragte daher seinen Festungsbaumeister Vauban, das Fort auszubauen und auch benachbarte Anlagen wie die Zitadelle von Mont-Louis zu verstärken.

Dennoch gelang es 1793 erneut, das Vallespir und den Conflent einzunehmen. Und bis heute fremdeln die beiden einstigen comarcués mit Frankreich.

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Auch Streifenmuster im Bayadère-Stil sind typisch katalanisch. Les Toiles du Soleil werden in Saint-Laurens-de-Cerdans gefertigt. Foto: Hilke Maunder

Im Herzen Katalanen

Nirgendwo in den Pyrénées-Orientales sieht man an Hauswänden, Gassen oder als Autoaufkleber so viele Banner in den katalanischen Farben Rot und Gold, wird die Zugehörigkeit zum Pays Catalan so betont.

Prats-de-Mollo. Im Tal des Tech weisen zahlreiche Wegweiser die Richtung Occitanie. Hier ist man im Pays Catalan.
Prats-de-Mollo liegt für die Einheimischen im Pays Catalan, nicht in der Großregion Occitanie. Foto: Hilke Maunder

Und auch selbst gemachte Straßenschilder mit dem Hinweis Occitanie 61 km sind rund um Prats-de-Mollo nicht selten.  Ob gerade deshalb Frankreichs Straßen in Prats-de-Mollo endeten, der Ort so lange eine Sackgasse blieb?

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Erst seit den 1960-er Jahren gibt es 16 km entfernt einen offiziellen Grenzübergang nach Spanien. So blühte Jahrhunderte lang der Schmuggel auf einsamen Gebirgspfaden über den 1513 m hohen Col d’Ares.

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Rot und Gelb sind die Nationalfarben der Katalanen. Foto: Hilke Maunder

Prats-de-Mollo: meine Reisetipps

Bärenfeste

Bärenfeste feiern insgesamt drei Ortschaften des Haut-Vallespir. Auch in Arles-sur-Tech und Saint-Laurent-de-Cerdans könnt ihr das bärige Spektakel erleben. Die Bärenfeste der drei Orte gehören seit 2022 zum immateriellen Welterbe.

Shopping

Le Refuge d’Arts

In ihrer Werkstatt verkauft Christine Petitpas nicht nur eigene gemalte Werke und Töpferarbeiten, sondern veranstaltet auch Kunstkurse – auf Wunsch mit Unterkunft.
• Rue de la porte d’Espagne, 66230 Prats-de-Mollo-la-Preste, Tel. 06 75 08 86 00, https://christinepetitpas.com

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Le Refuge d’Art. Foto: Hilke Maunder

Atelier du Vallespir (ex Boucherie Nou)

Die Katalanen sind stolz auf ihre charcuterie. Cathy und Michel Nou gehören zu den besten Metzgern der Region. Ihr Kalbfleisch Rosée des Pyrénées Catalanes, Lammfleisch und die hausgemachte katalanische Blutwurst Boutifare sind mehrfach prämierte Spezialitäten.

Nach 36 Arbeitsjahren hat das Paar im Frühjahr 2022 ihr Geschäft an den jungen Metzger Julien Denaud übergeben, der während seiner Ausbildung bereits erste Lorbeeren einheimste: als meilleur apprenti de l’anné, bester Azubi des Jahres.
• 5, place d’Armes, 66230 Prats-de-Mollo-la-Preste, Tel. 04 68 39 76 39, www.facebook.com/atelierduvallespir

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Die Metzgerei Nou ist für ihre katalanischen Wurstwaren berühmt. Michel Nou fertigte sie vor Ort – und hat die Rezepte seinem Nachfolger verraten. Foto: Hilke Maunder
Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Auch die Schlachterei Nou beweist Heimatstolz. Foto: Hilke Maunder

Schlafen & schlemmen

Hôtel Le Costabonne*

Direkt am Foiral, einer länglichen Esplanade, unter deren Platanen der Markt gastiert und Pétanque gespielt wird, liegt am Eingang zur Altstadt das kleine, sympathische Hotel von Leo und Familie.

Die einfachen Zimmer sind farbenfroh, ruhig, sauber und grundsolide. Wer nach hinten hinaus logiert, schläft ruhiger und kann sich über Ausblicke auf die Zitadelle freuen.

Bodenständig und in der Region verwurzelt ist die Küche, auf der ihr auch katalanische Spezialitäten wie Boles de Picolat finden, große Hackbällchen in Tomaten-Paprikasoße, oder Kaninchen-Gratin mit Knoblauch.
• Place du Foiral, 66230 Prats-de-Mollo-la-Preste, Tel. 04 68 39 70 24www.hotel-le-costabonne.com

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Die Place du Foiral. Foto: Hilke Maunder

Hôtel Le Bellevue*

Das benachbarte Zweisternehaus mit 14 Zimmern gehört zur Vereinigung Logis Hotels. Gault & Millau und Michelin empfehlen die französisch-katalanische Küche seines Restaurants Bellevue, die ihr auch auf der Terrasse zur Straßen genießen könnt.
• Place du Foiral, 66230 Prats-de-Mollo-la-Preste, Tel. 04 68 39 72 48,www.hotel-le-bellevue.fr

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Hôtel Bellevue. Foto: Hilke Maunder

Maison Mauro*

Abseits vom Durchgangsverkehr, nahe zum Tech, findet ihr dieses moderne Gästehaus mit seinen drei geräumigen Komfortzimmern mit Vorhängen in typisch katalanischen Streifenmustern. Noch in Planung ist die Ferienwohnung unter dem Dach für zwei bis zehn Gäste.

Musikzimmer und Bibliothek, eine Terrasse und ein schattiger Garten sind Plätze zum Wohlfühlen, wenn ihr zurückkommt. Und nicht mehr fort müsst zum Abendessen: Die  gemeinsame table d’hôte ist immer richtig lecker – und eine gute Gelegenheit, mit den anderen Gästen ins Gespräch zu kommen.
• 1, Rue du Jardin d’Enfants, 66230 Prats-de-Mollo-la-Preste, Tel. 06 14 62 63 21

Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Weitere Unterkünfte*
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Prats-de-Mollo: Wer kommt denn da? Wachsames Wandbild an der Wehrmauer. Foto: Hilke Maunder
Prats-de-Mollo: Feind oder Freund? Wer kommt denn da? Ein wachsames Wandbild an der Wehrmauer. Foto: Hilke Maunder
Prats-de-Mollo, Foto: Hilke Maunder
Hier und da schmücken Wandbilder die Fassaden der alten Stadt. Foto: Hilke Maunder

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Prats-de-Mollo. Foto: Hilke Maunder
Immer im Blick: das Massiv des Canigou. Foto: Hilke Maunder

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MARCO POLO Languedoc-Roussillon/Cevennen*

Diesen Titel habe ich nach Axel Patitz und Peter Bausch inzwischen seit sechs Ausgaben umfangreich erweitert und aktualisiert.

Strandvergnügen und Kultur, quirlige Städte und wildromantische Landschaften: Von den Cevennen über das Languedoc bis hin zum Roussillon findet ihr dort Highlights und Kleinode, Tipps für Entdecken und Sparfüchse – und Adressen, die ich neu entdeckt und getestet haben. Denn dieser Landstrich ist seit 2014 meine zweite Heimat.

Wandert rund um den Mont Lozére, radelt durch die Petite Camargue, schippert im Hausboot auf dem Canal du Midi, taucht mit der Zahnradbahn in die faszinierende Tropfsteinwelt der Cevennen ein oder entdeckt die Côte Vermeille bei einer Schnorchelwanderung. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.

Der Reisebegleiter vor Ort: Ralf Nestmeyer, Languedoc-Roussillon*

Zwischen dem Delta der Camargue und den Gipfeln der Pyrenäen hat Ralf Nestmeyer nahezu jeden Strand gesehen, jede Stadt besucht, jedes Wehrdorf besichtigt – im Languedoc etwas intensiver, im Roussillon fokussiert er auf bekannten Highlights. Inzwischen ist der wohl beste Führer für diese wunderschöne Ecke Frankreichs 2021 in 9. Auflage erschienen.

Das 588 Seiten dicke Werk ist der beste Begleiter für Individualreisende, die diese Region entdecken möchten und des Französischen nicht mächtig sind. Wer möchte, kann den Band hier* direkt bestellen.

Okzitanien abseits GeheimtippsOkzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte. Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

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