Auf dem höchsten Punkt von Provins wurde die Tour César im 12. Jahrhundert errichtet. Foto: Hilke Maunder
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Postkarte aus … Provins

80 Kilokmeter südöstlich von Paris lebt in Provins das Mittelalter: Kaum eine Stadt im Einzugsgebiet der Hauptstadt hat jene Epoche so gut bewahrt wie die quicklendige Stadt im Osten der Region Île-de-France.

Dort, wo sich damals die wichtigsten Handelsstraßen gen Süden und Norden, Osten und Westen kreuzten, fanden im Mittelalter jedes Jahr große Messen statt. Die Kaufleute der Hanse trafen dort auf die Händler der Mittelmeerregionen.

Sie tauschten Waren und Nachrichten aus und brachten so bei den jährlichen Foires de Champagne völlig unterschiedliche Kulturräume in Kontakt brachten.

58 bedeutende Bauten, Denkmäler oder andere bauliche Zeugnisse hat Provins aus denen Boomjahren bewahrt. Sie sind seit 2001 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt.

Und das nicht nur über der Erde, sondern auch unter Tage: Seit dem Mittelalter ist Provins völlig durchlöchert und mit unterirdischen Gängen durchzogen. Besucht auch diese souterrains!

Besonders lebendig wird das Mittelalter im Sommer. Bereits ab Anfang Juni stellen mehr als 300 kostümierte Einheimische beim Son & Lumière de Provins anderthalb Stunden lang das Leben im Mittelalter nach.

In der Altstadt von Provins. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Provins. Foto: Hilke Maunder

Provins: Das müsst ihr euch ansehen!

Die Altstadt drängt sich auf einem Felsdorn, der nahezu autofrei ist – nur die Anwohner haben freie Zufahrt, für Besucher sind nur wenige Straße geöffnet. Parkt in der Unterstadt und lauft hinauf. Und freut euch, das ihr statt Abgasen die Düfte der vielen Obstbäume und blühenden Sträucher riechen könnt, die die Gärten schmücken.

Stadtmauer

Sie ist wirklich gewaltig!1200 m lang ist die Stadtmauer, die 1226-1314 errichtet wurde und noch recht gut erhalten ist. An einigen Stellen ist sie noch begehbar! 22 Türme und Tore sind in die Mauer intergriert. Reste der Stadtmauer steht ihr auch am weithin sichtbaren Wahrzeichen der Stadt, der Tour César.

Provins: Der Bergfried der Tour César mit Überresten der Stadtmauer. Foto: Hilke Maunder
Der Bergfried der Tour César mit Überresten der Stadtmauer. Foto: Hilke Maunder

Tour César

Was für ein Bau, was für eine Legende! Angeblich hat Julius Cäsar den Turm erbaut. Doch keine Quelle belegt, dass der römische Feldherr jemals nach Provins gekommen ist.

Sein Name wurde kurzerhand als Symbol der Macht instrumentalisiert. Ursprünglich war der Turm nicht bedeckt und endete in Zinnen. Das heutige Dach und die heutige Struktur gehen auf das 16. und 18. Jahrhundert zurück.

Die Tour César von Provins. Foto: Hilke Maunder
Die Tour César von Provins. Foto: Hilke Maunder

Erbaut wurde der Turm auf einem künstlichen Hügel an der Festungsmauer. Von oben überwachten Soldaten zwei Patrouillenwege in der Ebene von Brie, unten schmachteten die Gefangenen im Kerker. Nicht nur seine Legende, auch seine Architektur machten den Turm schon früh berühmt.

An der Basis ist der Turm quadratisch, der auf halber Höhe achteckig wird – genau dort, wo vier Türmchen den ersten „Chemin de la Ronde“ (Wachrunde) markieren.

Zum Warnsystem gehörten Glocken. Von den einst sechs Glocken wurden  1793 und 1798 fünf geopfert, um Kanonen und Münzen herzustellen. Einzig erhalten ist eine drei Tonnen schwere Glocke mit einem Durchmesser von 1,48 m. Ihre Inschrift:

Im Jahr 1511 gegossen / Von Quiriaceerhielt ich den Namen, / Ich regiere in der Luft und jage die Wolke / Teufel, Donner und Hagel in meinem Namen“

Eindrucksvoll: das Collégiale St-Quiriace in Provins. Foto: Hilke Maunder
Eindrucksvoll: das Collégiale St-Quiriace in Provins. Foto: Hilke Maunder

Collégiale Saint-Quiriace

Nur wenige Schritte entfernt erhebt sich ein Gotteshaus, das große Pläne hegte. Als ihr Bau im 12. Jahrhundert im Stil der Romanik begonnen wurde, sollte die Stiftskirche St-Quiriace so groß werden wie die Kathedrale Notre-Dame in Paris.

Das misslang – zumal sich ihr Bau enorm in die Länge zog. Erst im 17. Jahrhundert war das Schiff mit der heutigen Westfassade  fertig gestellt. Als wenige Jahre später als das Dach einstürzte, schloss man das Dach stattdessen mit einer Kuppel.

Provins: Das Kircheninnere von St-Quiriace. Foto; Hilke Maunder
Das Kircheninnere von St-Quiriace. Foto: Hilke Maunder
Provins: Am Eingang verrät eine Steintafel auf der Fassade: 1429 besuchte Jeanne d'Arc das Chorherrenstift, als sie Charles VII. auf dem Rückweg von seiner Krönung zum König von Frankreich in Reims begleitete. Foto: Hilke Maunder
Am Eingang verrät eine Steintafel auf der Fassade: A, 3- August 1429 nahm Jeanne d’Arc in der Basilika an einer Messe teil, als sie Charles VII. auf dem Rückweg von seiner Krönung zum König von Frankreich in Reims begleitete. Foto: Hilke Maunder

Katakomben

Das die gesamte Altstadt ist durchlöchert. Die Gänge und Gewölbe der „souterrains“ entstanden vermutlich als Steinbruch für Provins florierende Wollindustrie.Denn hier wurde eine tonige Erde abgebaut, mit der es gelang, die Wolle zu entfetten – die „terre à foulon“.

Später lagerte man dort Lebensmittel und andere Waren und  versteckte sich. Die Freimauererloge organisierte dort geheime Treffen, die Résistance den  den Widerstand.

Besichtigen könnt ihr die unterirdischen Gänge nur mit Führer. Infos dazu gibt es beim Office de Tourisme. Den Eingang zur Unterwelt findet ihr an der Rue Saint-Thibault 3.

Der Eingang zur Unterwelt von Provins. Foto; Hilke Maunder
Der Eingang zur Unterwelt von Provins. Foto: Hilke Maunder

Grange aux dîmes

Die Zehntscheune (Grange aux dîmes) von Provins in der Rue Saint-Jean ist ein romanisches Gebäude aus dem 12. Jahrhundert und gehörte einst zum Chorherrenstift Collège Saint-Quiriace.

Zu Messezeiten vermieteten die geschäftstüchtigen Geistlichen das Haus an Händler aus Toulouse, die zur großen Herbstmese nach Provins kamen. Im großen Gewölbesaal wurden die Waren gelagert. Im ersten Stock lagen die Herbergen der Händler.

Die "Grange aux dîmes" von Provins. Foto: Hilke Maunder
Die Grange aux dîmes von Provins. Foto: Hilke Maunder

Maison romane

Ebenfalls ein Kalksteinbau aus dem 12. Jahrhundert ist die Maison romane, die heute ein Museum zur Geschichte von Stadt und Region birgt. Aufgrnd der Lage im einstigen Judenviertel vermuten die Historiker, dass das Haus einst eine Synagoge oder jüdische Schule barg.

Provins: Nostalgisch und knallig: die Verkaufsklappe eines Ladens an der Place du Châtel. Foto: Hilke Maunder
Nostalgisch und knallig: die Verkaufsklappe des Ladens der Maison des Trois Pignons an der Place du Châtel. Foto: Hilke Maunder

Place du Châtel

Nur 80 m lang und 30 m lang ist der Hauptplatz der Oberstadt, doch das reicht, um ihn zum beliebten Treffpunkt zu machen – ist er doch von Cafés, Bars und Restaurants gesäumt, mit dem Auto zu erreichen… und im Herzen sandig genug, um im Schatten des Croix des Changes Boules zu spielen.

Alte Häuser wie die Maison des Trois Pignons mit Fachwerk und Verkaufsklappen, der steinern-wuchtige Stadtpalais des Hôtel de la Coquille und die Maison des Petits-Plaids mit ihrem asymmetrischen Dach sorgen für mittelalterliches Ambiente und typisch französisches Flair. Verweilt hier ein wenig!

Bunt: die Fensterläden in der Rue Saint-Thibault. Foto: Hilke Maunder
Bunt: die Fensterläden in der Rue Saint-Thibault, der Verbindungsstraße zur Unterstadt Foto: Hilke Maunder

Couvent des Cordelières

Im 1248 gegründeten Klarissenkloster retten heute die Restauratoren der Bibliotheque nationale de France alte Bücher und andere wertvolle Dokumente. Ebenfalls hier untergebraucht ist die Verwaltung der Denkmalschutzbehörde und eine Tourismus-Fachschule.

Roseraie de Provins

Bäume beschatten, Bäche durchziehen ihn: Das drei Hektar große Rosarium von Provins ist eine grüne Oase, die von der großen Bedeutung der Rose für Provins erzählt. Mehr als 300 alte und moderne Rosenzüchtungen könnt ihr in diesem poetischen Ort der Oberstadt entdecken.

Zwei Familien, die Brier und die Vizier, hatten den Rosengarten einst gegründet. Zwölf Jahre lang lang er brauch, ehe er 2007 von passionierten Rosenfans wieder zum Leben erweckt wurde.

Thibaut IV. (1201–1253), Graf der Champagne, soll die Damas Rose einst von einem Kreuzzug ins Land gebracht haben, und bis heute wird die Rose hier nicht nur gezüchtet, sondern auch verarbeitet: zu Rosenhonig, Rosenkonfitüre und Rosenbonbons.

Provins: Blauregenragt an der Rue Saint-Thibaut mit der Ruine der gleichnamigen Kirche. Foto: Hilke Maunder
Blauregen ragt an der Rue Saint-Thibaut mit Überresten der gleichnamigen Kirche. Foto: Hilke Maunder

Meine Reisetipps: Provins

Schlemmen

Hostellerie de la Croix d’Or

Die 1264-70 errichte Hostellerie ist das älteste Hotel Frankreichs. Heute könnt ihr dort nicht mehr logieren, aber immer noch sehr gemütlich und lecker speisen. Der Küchenchef ist Bretone!
• Rue des Capucins, 77160 Provins, Tel. 01 64 00 01 96, www.facebook.com/pages/Hostellerie-de-la-Croix-dOr

Brie de Provins

Er besteht aus Rohmilch von der Kuh, wird im Einklang mit regionalen Tradition hergestellt und ist mit 27 cm Durchmesser der mittlere Bruder des viel berühmten Brie de Meaux. Seine feine Kruste ist leicht mit Pigmenten besprenkelt und je nach Jahreszeit und Reife blond bis rotbraun gestreift. Cremig, leicht säuerlich und mit einer Note von Pilzen begeistert der Brie de Provins die Gourmet, die ihn nur von April bis Oktober genießen. Dann ist die Reife perfekt, der Genuss vollendet.
www.briedeprovins.com

Schlafen

Le Cesar Hôtel*

Ob 14-16 qm große Standardzimmer oder geräumige Suite: Schickes modernes Design, WLAN, rückenschonenden Matratzen, federfreie Bettdecken, Bademantel und kostenloses Mineralwasser gehören zum Standard aller Zimmer mit modernen Viersterne-Desing-Hotel. Im Spa könnt ihr bei Massagen mit Rosenöl entspannen, in der Buzz-Bar Champagner mit Rosensirup genießen: La vie en Rose à la Provins!
• 13, rue Sainte-Croix, Tel. 01 60 52 05 20, http://lecesarhotel.com/de

Hôtel au vieux remparts de Provins*

Nostalgischen Charme und modernen Komfort verbindet dieses Boutiquehotel von Cécile und Xavier Roy im historischen Herzen von Provins. 40 schöne Zimmer, ein Spa mit Schwimmbad, Sauna, Hammam und Balneotherapie, Behandlungs- und Massagezimmern samt Duokabine für intime Momente zu zweit sowie eine stylische Bar in einem Gewölbe aus dem 12. Jahrhundert warten auf euch!
• 3, rue Couverte, Tel. 01 64 08 94 00, www.auxvieuxremparts.com

Weitere Unterkünfte*

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Nicht so berühmt wie sein Artgenosse aus Meaux, aber ebenso lecker: Brie de Provins aus roher Kuhmilch. Foto: Hilke Maunder
Nicht so berühmt wie sein Artgenosse aus Meaux, aber ebenso lecker: Brie de Provins aus roher Kuhmilch. Foto: Hilke Maunder

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Weiterreisen

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Provins: Tür(schmuck) aus dem Mittelalter. Foto: Hilke Maunder
Tür(schmuck) aus dem Mittelalter. Foto: Hilke Maunder
Ganz schön eng: Durchgänge und Treppen in der Altstadt von Provins. Foto: Hilke Maunder
Ganz schön eng: Durchgänge und Treppen in der Altstadt von Provins. Foto: Hilke Maunder

8 Kommentare

  1. Ich war heute auf einem Mittelaltermarkt, auf dem „Les derniers Trouvères“ aus Provins gesungen haben. Neugierig geworden, habe ich Provins gegoogelt und diese schöne Seite gefunden. Nun bin ich sehr neugierig auf diesen Ort geworden – vielen Dank!
    „Les derniers trouvères“ sind übrigens sehr toll!

  2. Nachdem wir auf der Reise zu unseren Freunden in unserer Partnerstadt La Ferté – Saint Aubin immer einen zweitägigen Zwischenstop machen, letztes Mal in Laon, werden wir jetzt im September auf Grund deines Berichtes Provins besuchen. Vielen Dank für die vielen guten Tipps.

  3. In Provins war ich 1986 und 1987 zum Schüleraustausch und habe noch ein paar schöne Erinnerungen. Provins wurde damals ein bisschen bekannt, weil dort Louis Malles seinen Film „Auf Wiedersehen, Kinder“ drehte. Hätte nie gedacht, dass sich heute noch jemand in dieses Städtchen verirrt 🙂

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