Mein Frankreich: Rainer Schneider
Mein Frankreich ist nicht nur Titel meines Blogs, sondern auch Programm: Ich möchte möglichst viele von euch animieren, euer Frankreich vorzustellen. Mein Frankreich – was bedeutet das für euch?
Diesmal erzählt es Rainer Schneider. Über sich schreibt er: Ich wurde 1955 in Heidelberg geboren. Nach dem Abitur und der Bundeswehr habe ich in Karlsruhe Architektur studiert und hatte mit einem Freund lange Zeit ein Architekturbüro in Karlsruhe mit Schwerpunkt bauökologischer Wohnungsbau. Seit 2023 bin ich im unruhigen Ruhestand. Seit ich 17 Jahre alt war, war ich jedes Jahr auf Reisen.
In jungen Jahren mit dem Zug oder dem Motorrad, dann mit dem ausgedienten Auto der Eltern Richtung Italien und Südfrankreich. Hochzeitsreise in die USA. Mit Geburt der Kinder überwiegend Italien. Später nach Australien die Tochter besuchen, weiter nach Neuseeland. Etliche Male in Thailand mit Abstecher nach Laos, Ägypten. Wir sind weit herumgereist und haben nie an einem Ort länger verweilt – außer mit den Kindern).
Mein Frankreich
… ist eine Erinnerung

an meinen ersten Trip per Anhalter nach Südfrankreich 1972 mit gerade einmal 17 Jahren. Mein Freund und ich haben von Heidelberg aus eine Woche in teilweise strömenden Regen für den Trip benötigt. Nur um auf dem Campingplatz bei Cap d´Agde einen Tramper zu treffen, der die Strecke in 1,5 Tagen bewältigt hat – ohne Regen. Wir haben auf diesem Trip schmerzhaft Französisch gelernt. Z.B. als uns ein Bauer in seinem 2CV mitgenommen hat und wir meinten, er führe uns nach Dijon.
Dort hat damals die Autobahn in den Süden begonnen. Aber als er Mitte auf dem Land uns bei strömenden Regen aus dem 2CV hat aussteigen lassen und auf Nachfrage erklärte, er hätte uns gesagt: „sur la rue de Dijon“ haben wir gelernt, dass das nicht dasselbe ist als „à Dijon“.
In Agde waren wir das erst Mal in einem französischen Restaurant. Wir bestellten das Menü mit den obligatorischen 3-Gängen. Als Nachtisch stellte uns der Wirt eine Etagere mit vier verschiedenen Käsen auf den Tisch. Wir haben den Käse der étagère vollständig aufgegessen statt von jedem Käse ein Stück abzuschneiden. Der Wirt hat nichts gesagt, aber selbst jetzt nach über 50 vergangenen Jahren schäme ich mich immer noch über das teutonische Fehlverhalten.
Aber auf dieser Reise hat mein Herz Frankreich lieben gelernt und ist davon nicht mehr abgerückt, trotz der vielen schönen Orte, die wir weltweit gesehen haben.
… ist eine Erinnerung

an meine Reise 1977 mit meiner Freundin und heutige Ehefrau mit dem Motorrad über die Route Napoléon nach Bandol. Alles Landstraße. Irgendwann war mir klar, dass wir kurz vor Bandol sein müssen, aber von Meer oder von Bandol war außer hügeliger Landschaft nichts zu sehen. Wir waren wohl auf der damals nicht ausgebauten L559. Dann eine Linkskurve und das Meer war 50 Meter weg!
Diesen Anblick werde ich nie vergessen. Wir waren zwei Wochen auf einem Campingplatz nahe der heutigen Plage de la Gorguette. Wir hatten ein sogenanntes Minizelt, zwei Luftmatratzen und zwei Schlafsäcke. Bereits am zweiten Tag hat meine damalige Freundin und heutige Frau meine Luftmatratze durchstochen, sodass ich die restliche Zeit direkt auf dem Boden schlafen musste. Bis heute ist dies ein running gag zwischen uns. Die Fotos zeigen, dass wir mit dem Moto weite Touren unternommen haben und bis nach Arles gefahren sind. Aber in unserer Erinnerung haben wir die meiste Zeit im Zelt verbracht bei Baguette, Rotwein und Liebe. In dieser Reihenfolge, wiederkehrend.
… ist eine Erinnerung

an eine Reise 1980 mit zwei Freunden in einem 2CV über Ronchamp mit der Kapelle Notre-Dame-du-Haut ins Kloster La Tourette bei Lyon. Als Architekturstudent war dies eine Pflichtveranstaltung, wollte man Bauten LeCorbusiers studieren. Wie überholt man auf französischen Nationalstraßen mit einem 2CV mit drei jungen Männer und Gepäck darin einen LKW? Man wartet, bis man auf einem Hügel ist und kilometerweit die Straße überblicken kann.
Dann beschleunigt der 2CV von 80 km/h auf 90 km/h und kann kurz vorm Anstieg auf der anderen Talseite vor dem LKW einscheren. Hin und wieder hat das nur funktioniert, weil das dann doch noch entgegenkommende Fahrzeug freundlich und mit Wissen um die Probleme Platz gemacht hat.

Damals war La Tourette noch ein Kloster, das Gäste aufnahm. Man lebte mit den Mönchen, aß gemeinsam zu Mittag und zu Abend. Und das Essen war vorzüglich. Mit einem der Mönche haben wir uns etwas angefreundet. Der überredete uns, mit ihm nach Lyon zu fahren um dort in einem authentischen Restaurant zu Abend zu essen. Er bestellte, es gab für alle tripes lyonnaises. Das war das erste und letzte Mal, dass ich Kutteln gegessen habe. Nicht, dass diese schlecht geschmeckt hätten, aber das Gehirn zusammen mit den Augen sagte etwa anderes.

… ist eine Erinnerung
an meine Reise 1985 mit meiner Freundin und heutigen Ehefrau mit dem Motorrad nach Korsika. Das war so nicht geplant. Damals kamen die sogenannte Last Minute-Reisen in Mode, und wir wollten ursprünglich mit einem „Reiseschnäppchen“ irgendwohin. Es gab bis kurz vor Urlaubsbeginn aber keine Angebote. Also haben wir donnerstags beschlossen, am Samstag mit dem Motorrad nach Korsika zu fahren.

Damals noch reiseunerfahren sind wir über das Rhônetal nach Nizza gefahren statt über den deutlich kürzeren Weg über die Schweiz nach Genua. Für mich lag damals Nizza etwas „links von Marseille“, wenn man Richtung Süden fährt. Kurz vor Marseille gabelt sich die Autobahn und ich bin richtig erschrocken folgende zu lesen: Marseille 20 Kilomter, Nizza 200 Kilometer. Wir sind kurz vor dem Verschließen der Ladeluke an der Fähre angekommen.

In Porto haben wir uns direkt am Hafen in einem kleinen Hotel eingemietet und sind von dort durch die Insel gefahren. Eines Abends kommen wir zurück und sehen den Patron vor dem Restaurant ein Gewehr putzen. Dahinter ein großes Schild: Aujourd´huit sanglier. An das Wildschweinragout erinnern wir und noch heute.

… ist eine Erinnerung
an eine Familienferienzeit auf einem Campingplatz neben Port Grimaud. Wir waren dort drei Wochen. Bereits am ersten Tag am Strand sehen meine Frau und unsere beiden Mädchen einen Eisstand. Die drei gehen hin und jede hat ein Eis in der Hand. Meine Frau beklagt sich noch, dass das Eis zusammen 30 Franc, damals ca. 10 DM gekostet hat.
Das hat die drei aber nicht davon abgehalten, jeden Tag zum Eisstand zu gehen. Irgendwann wurde mir klar, dass das Eis bei drei Urlaubswochen ca. 200 DM kosten wird. Das hat schon weh getan, aber meine drei Frauen haben mir das mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt, jede auf ihre Weise.

… ist eine Erinnerung
an eine Zeit, in der wir nicht in Frankreich waren. Andere Ziele wurden bereist, mit dem Jachtsegeln wurde begonnen, die Türkei das passende Revier. Es war sicherlich keine dunkle Zeit, aber mir hat etwas gefehlt.
… ist eine Erinnerung

an eine Reise 2014 über Gigondas, Avignon, Saint-Remy-de-Provence, die Camargue nach St-Cyr-sur-Mer. Endlich wieder Frankreich. In Avignon hatten wir das Glück, eine Kunstausstellung im aufgelassenen Prison Sainte-Anne hinter dem Papstpalast anschauen zu dürfen – La Disparation des Lucioles.

Die Ausstellung war unheimlich gut, der Gedanke, dass in diesen Gemäuern Menschen leben mussten, unheimlich. Meine Frau stellte bei dieser Reise fest, dass „die Franzosen“ viel freundlicher geworden sind und neben französisch sogar englisch sprechen. Das war durchaus nicht immer so. Sie sprechen sogar so gut Englisch, dass sie gar nicht merken, dass man sie auf Französisch anspricht.

Auf einem Markt in L´Isle sur la Sorgue möchte ich ein Brot kaufen und es entwickelt sich folgender Dialog:
Je veux ce pain.
Shall I cut it ?
Pour cela, j’ai ma femme
Oh, vouz parlez français !

In Aix-en-Provence möchten wir Gemüse kaufen.
Je voudrais deux aubergines.
Can we talk in English?
J’essaie d’apprendre le français et tous les Français parlent anglais. C´est ne pas fair.
Je viens de Bolivie.
Meine Frau sieht zukünftigen Reisen nach Frankreich jetzt gelassener entgegen.

… ist eine Erinnerung
an kurze Aufenthalte, eher Exkursionen, über die Jahre hinweg, in Frankreich.
Paris, natürlich. Wir besuchten unsere Tochter in Sydney. Bei einem Essen kommen wir in Kontakt mit einem australischem Paar, das auf Hochzeitsreise war. Wir erklären, dass wir aus Karlsruhe kommen. Karlsruhe kennt keiner. Wo liegt Karlsruhe? Na ja, im Süden Deutschlands, nahe Heidelberg (meine Geburtsstadt kennen viele auf der Welt, nicht so in Sydney), nahe Stuttgart (wo Porsche und Mercedes herkommen, weiß mittlerweile jeder) und etwa 500 Kilometer östlich von Paris (Paris kennt wirklich jeder) war unsere Antwort.
Wow, nur 500 Kilometer von Paris entfernt? Wie oft wir schon in Paris gewesen wären? Nach Heidelberg und Stuttgart wurde nicht gefragt. Nun ja, zweimal. Ungläubiges Erstaunen. Wie kann man nur zweimal in Paris gewesen sein, wenn das nur ca. 500 Kilometrer entfernt liegt? Ehrlicherweise frage ich mich das auch, kenne aber keine passende Antwort.

Mit dem TGV 2019 nach La Rochelle, eine wunderbare Stadt. Wie in anderen französischen Städten habe ich mich auch hier gefragt, wie es die Stadtverwaltungen hinbekommen, dass sich neue Gebäude in der Kernstadt in das Ensemble einfügen und wie die das schaffen, große Werbeplakate vor den Geschäften zu verhindern und die Werbung auf ein sehr geringes Ausmaß zu reduzieren.
Seit einiger Zeit kann man auch den Weltkrieg zwei Bunker der Deutschen Marine besichtigen. Man hat 1941 dazu ein Haus in der Altstadt abgetragen, den Bunker gebaut und dann das Haus darüber wieder aufgebaut.

Im Februar 2025 zu meinem Geburtstag nach Nizza. Im Beau Rivage übernachtet. Aus welchem Fenster hat Matisse den Himmel und das Mittelmeer gemalt? Leider wurde zwischenzeitlich das Hotel geschlossen und Richtung Innenstadt 1987 neu eröffnet. Der Ausblick kann nun nicht mehr nachvollzogen werden.

Nach Paris zur Verhüllung des Arc de Triomphe. Eine wunderbare Athmosphäre, gerade nachmittags und abends. Wann kann man sonst den Place Charles de Gaulle und Teile der Champs-Élysées autofrei erleben? Der verhüllte Reichstag in Berlin war allerdings beeindruckender, was natürlich an der schieren Größe des Reichstags liegt.

Nach Wissembourg zum Einkaufen und Essen. Ist von Karlsruhe, meinem Lebensmittelpunkt, nur einen Katzensprung entfernt, genauso wie das Elsass.
… ist die Vorfreude
auf unsere Reise in diesem Jahr, 2025, nach Südfrankreich. Wir beginnen in Vallon-Pont-d´Arc, setzen nach Uzès um, fahren dann nach Apt um in Sanary-sur-Mer die Reise ausklingen zu lassen. Sanary ist einfach wunderbar : Wir waren im Oktober 2023 schon einmal dort. Es ist nichts los. Keine Action, kein Ballermann. Die größte Attraktion ist der Markt am Mittwoch, alle sind völlig entspannt, das Wetter, zumindest 2023, war wunderbar. Vormittags Spaziergang ins Dorf und auf den Markt, Mittagessen, Nachmittags Baden an der Plage du Portissol, abends nochmals Spaziergang ins Dorf, sundowner an der Promenade.
Es wird uns gefallen.

Der Beitrag von Rainer Schneider ist ein Gastartikel in einer Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran:
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