Neue Regional-Krimis aus Frankreich
Wenn der Sommer naht und die Reiselust wächst, gibt es kaum etwas Schöneres, als sich gedanklich schon einmal an den Urlaubsort zu träumen. Regional-Krimis aus Frankreich bieten die perfekte Möglichkeit, die Sehnsucht nach Lavendel, Käse und Rotwein zu stillen – garniert mit einer Prise Nervenkitzel.
Von der sonnenverwöhnten Provence über das majestätische Loire-Tal bis zum pulsierenden Großstadtleben im französischsprachigen Genf – die folgende Auswahl aktueller Regional-Krimis aus Frankreich entführt euch in die unterschiedlichsten Ecken unseres Nachbarlandes, wo hinter idyllischen Fassaden mörderische Geheimnisse lauern, perfide Morde geschehen und Kriminalfälle sich überraschend anders inszenieren. Bonne lecture mit diesen fünf Neuerscheinungen!
Andreas Heineke, Revanche à la Provence*

Der inzwischen fünfte Band der südfranzösischen Krimireihe des norddeutschen Autors Andreas Heineke, der die Hügel und Täler, Städte und Dörfer des Luberon wie seine Westentasche kennt, führt den Dorfgendarmen Pascal Chevrier und seine Kollegin Audrey in die glitzernde, aber dunkle Welt der Mode.
Schauplatz ist das malerische Lacoste, wo die letzte Kollektion des verstorbenen Designers Pierre Cardin präsentiert werden soll. Doch auf dem Rückweg zur Unterkunft nach den letzten Proben verschwindet das Topmodel spurlos – kurz vor der Modenschau. Chevrier stößt auf ein Netz aus Gier und Intrigen in der Fast-Fashion-Branche, das Models, Designer und Dorfbewohner verknüpft.
Heineke verwebt gekonnt reale Begebenheiten mit fiktiver Spannung. Der Krimi beleuchtet kritisch die Ausbeutung und moralischen Abgründe der Fast-Fashion-Industrie und hinterfragt dabei auch das Engagement von Pierre Cardin, der Lacoste – einst Heimat des Marquis de Sade – in ein Saint-Tropez der Kunst verwandeln wollte.
Geschickt nutzt Heineke die historische Kulisse und aktuelle Diskussion um Lacoste als Folie für seine überaus spannende Handlung. Eine zentrale Rolle spielt darin die Geschichte des Purpurs, des wohl kostbarsten Farbstoffs der Welt. Heineke gelingt ein spannender Mix aus Lokalkolorit, Gesellschaftskritik und historischem Hintergrund, der 320 Seiten lang fesselt, euch in die Provence entführt und gleichzeitig zum Nachdenken anregt.Wer mag, kann den Krimi hier* online bestellen – oder in seiner Lieblingsbuchhandlung vor Ort erwerben.
René Anour, Tödliches Gebet*

René Anour hat im Jahr 2004 mit Tödlicher Duft die Krimireihe um Commissaire Louis Campanard begonnen, die im März 2025 Fortsetzung fand mit dem Krimi Tödliches Gebet*.
Nach Grasse ist nun die fast 900 Jahre alte Abtei Notre-Dame de Sénanque der Schauplatz. Dort sorgt ein Mönch namens Frère Bernard für Unruhe, bis seine teuflischen Prophezeiungen tödlicher Ernst werden und ein Klosterbruder bei einem vermeintlichen Unfall ums Leben kommt. Commissaire Campanard und sein Team Obscur beginnen die Ermittlungen. Während der Ermittlungen stößt Campanard auf düstere Geheimnisse innerhalb der Klostermauern und taucht ein in ein Netz aus Mysterien und Konspirationen, in die auch das Mutterkloster Saint-Honorat auf den Îles de Lérins verwickelt ist.
Gekonnt verwebt Anour die spirituelle Atmosphäre der Klöster mit den dunklen Machenschaften des Marseiller Drogenmilieus, dessen Boss sich in einer Mönchskutte verbirgt. Besonders gut gefiel mir, dass Anour in seinem Krimi „Tödliches Gebet“ sich auf eine breite Basis realer Aspekte und wahrer Fakten stützt, die den Krimi sehr authentisch machen – von der stabilitas loci (Ortsgebundenheit), welche die Mönche verpflichtet, lebenslang in ihrem Gründungskloster zu bleiben, bis hin zur finanziellen Notlage der Abtei und dem verzweifelten Kampf der Mönche, Geldmittel für dringende Renovierungen zu suchen. Kurzum: ein atmosphärisch dichter Krimi und 379 Seiten Lesevergnügen! Hier* gibt es den Krimi als Taschenbuch, hier* für den Kindle.
Liliane Fontaine, Die Richterin und das Todesspiel*

Kein Commissaire der Police Nationale, kein Gendarm der örtlichen Polizei wie in den meisten französischen Lokalkrimis, sondern eine juge d’instruction lässt die Wahl-Bremerin und gebürtige Saarlouiserin Liliane Fontaine im Languedoc rund um Nîmes ermitteln. Dort hat die Ermittlungsrichterin Mathilde de Boncourt mit Rachid Bouraada und Félix Tourrain von der Police judiciaire schon sieben Fälle erfolgreich gelöst.
Band acht der beliebten Krimireihe, Anfang April im Piper-Verlag erschienen, spielt im Spätsommer in Nîmes, wo die Jahrestagung des monarchistischen Vereins „Freunde der Monarchie“ ein tödliches Ende nimmt. Der Tote arbeitete an einem Enthüllungsbuch über den „wahren Thronerben Frankreichs“, das Manuskript ist verschwunden. Bald folgt ein zweiter Mord, und die Spur führt Madame de Boncourt und ihr Team tief in die Welt des französischen Adels.
Fontaine verknüpft geschickt aktuelle Mordfälle mit der brisanten Debatte um die Legitimität monarchischer Ansprüche in Frankreich. Die Autorin, die im Umland von Nîmes selbst eine weitere Heimat gefunden hat, beleuchtet dabei Themen wie Machtgier, Klassenprivilegien und die Instrumentalisierung von Geschichte und verwebt sie mit der wieder einmal äußerst spannenden wie unterhaltsamen Handlung.. Wer mag, kann den Krimi hier* bestellen.
Ian Moore, Mord im Château*

Ian Moore war ein erfolgreicher britischer Comedian, ehe er sich in Frankreich niedergelassen hat und im Loire-Tal unter die Autoren gegangen ist. Mit Mord im Château* erschien m Februar 2025 aus der „Follet-Valley-Mystery“-Reihe bei Rowohlt das zweite Werk als Taschenbuch in deutscher Übersetzung. Doch wer einen klassischen Krimi erwartet, wird überrascht: Moore demontiert genüsslich das Genre und verwandelt es in eine Bühne für absurd-skurrile Comedy.
Statt düsterer Spannung und komplexer Intrigen liefert Moore überzeichnete Charaktere – allen voran den passiven Pensionbetreiber Richard und die resolute Valérie – und eine surreal-situative Komik, die an Monty Python erinnern.
Das französische Provinz-Setting mit all seinen Klischees – Wein, Käse, Landadel – dient als Kulisse für aberwitzige Eskapaden. Die Handlung selbst ist eher nebensächlich, die Spannung minimal, die Logik bisweilen fragwürdig. Moore inszeniert bewusst einen Anti-Thriller, in dem Croissantkrümel die Blutspuren ersetzen.
Mord im Château* ist somit weniger ein Whodunit für Krimifans, sondern vielmehr eine humorvolle Urlaubslektüre für alle, die sich von absurder Komik und skurrilem Lokalkolorit unterhalten lassen wollen. Moore ist Monty Python der Lokalkrimis und setzt auf Comedy – selbst wenn ein Mord geschieht. Wer mag, kann die Krimi-Satire hier* als Taschenbuch bestellen.
Joël Dicker, Ein ungezähmtes Tier*

Nicht in Frankreich, sondern im französischsprechenden Genf lässt Joël Dicker seine Romane spielen, die ihn zu einem der bekanntesten Autoren der Frankophonie gemacht haben.
Mit Ein ungezähmtes Tier* präsentiert der Schweizer Bestsellerautor Joël Dicker seinen achten Roman. 2024 ist er unter dem Titel Un Animal Sauvage* erschienen. Ende Februar 2025 folgte die deutsche Übersetzung von Michaela Meßner und Amelie Thoma im Piper-Verlag. Der Autor bleibt seiner erfolgreichen Formel treu, erweitert sie jedoch um neue Facetten.
Dicker, der mit seinem Erstlingswerk „Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert“ internationale Bekanntheit erlangte, liefert erneut einen packenden Thriller, der das privilegierte Genfer Milieu als Bühne für eine Tragikomödie aus Eifersucht und sozialer Gier nutzt.
Die Geschichte beginnt etwas außerhalb von Genf in einem privilegierten Wohnviertel im Grünen. Dort, in einem Glaskubus direkt am Wald, lebt Sophie Braun mit ihrem Mann Arpad, ein reiches und erfolgreiches Paar mit zwei bezaubernden Kindern. Er ist Banker, sie ist Anwältin, 40 Jahre alt und in der Blüte ihres Lebens.
Ihre Freunde sind weniger gut betucht; Karine Liegean ist Verkäuferin, ihr Mann Greg ein Polizist. Das Leben der beiden Paare entwickelt sich zu einer unheilvollen Vierecks-Beziehung, in der Greg die attraktive Anwältin Sophie obsessiv begehrt. Er stalkt sie vom angrenzenden Wald aus, während seine Frau Karine ahnungslos bleibt. Die Spannung entlädt sich in einem raffinierten Juwelenraub, der alle Lebenslügen der Figuren aufdeckt.
Typisch für Dicker verwebt er raffiniert parallele Handlungsstränge: Die akribische Planung des Verbrechens und die Vorbereitungen zu Sophie Brauns 40. Geburtstag entwickeln sich zu einem fesselnden Spannungsbogen auf verschiedenen Zeitebenen – am 22. Juni 2022 und in der Vergangenheit. Wie in seinen früheren Werken setzt der Autor auf unerwartete Wendungen, skurrile Kontraste, viel Lokal-Flair und eine komplexe Erzählstruktur, die den Leser bis zur letzten Seite in Atem hält.
Kritiker loben den Roman als „grandios“ und betonen seinen hohen Unterhaltungswert. Gleichzeitig wird – wie bei früheren Werken Dickers – gelegentlich die Tendenz zu überladenen Handlungssträngen moniert und die recht einfache Sprache und oberflächliche Zeichnung der Figuren. „Ein ungezähmtes Tier“ ist ein typischer Dicker-Thriller, der seine Fans begeistern wird. Wer mag, kann diese 432 Seiten dicke Meisterdieb-Geschichte hier* als gebundenes Buch bestellen – und hier* für den Kindle.
Wer nach diesen sehr unterschiedlichen Regional-Krimis aus Frankreich Lust auf noch mehr frankophile Hochspannung hat, freut sich bestimmt auch auf die weiteren Krimis, die noch im Monat April erscheinen werden: Bretonisch mit Wind und Wellen* als sechster Band der Tereza Berger-Reihe von Gabriela Kasperski am 17. April 2025, gefolgt von Martin Walker, Déjà-vu: Der 17. Fall für Bruno, Chef de police* am 23. April 2025.
Offenlegung
Sämtliche Regional-Krimis aus Frankreich stellten mir die Verlage für die Rezensionen kostenfrei zur Verfügung. Dafür sage ich merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Meine Buchrezensionen spiegeln subjektiv meine Leseerfahrung wider.
Weiterlesen
Noch mehr Regional-Krimis aus Frankreich und viele weitere Lesetipps gibt es in dieser Kategorie. Freut auch auf tolle Titel aus Belletristik und Landeskunde, Küche und Keller.
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Ja, die vielen Lobeshymnen über das allerorten schöne Frankreich lese ich natürlich gerne und vor allem, wenn es um meine französische Zweitheimat im Languedoc geht.
Aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn ab und zu ein paar kritische Beobachtungen eingestreut würden. Wie wäre es zum Beispiel mit einen satirischen Text zu den -großenteils völlig unnötigen-Schikanen für Autofahrer bei der Durchquerung französischer Dörfer? Umgehungen gibt es kaum, dafür aber Engstellen, Stop-Schilder und die berüchtigten Eselsbuckel etc.
Auch die häßlichen Gewerbegebiete, Plastiktüren und -Fenster, Aluminiumfässer u.ähnl.mehr wären mal eine Betrachtung wert.
Das tut der Liebe keinen Abbruch!
Herzliche Grüße
Siegfried Pabst
Lieber Herr Papst, danke für Ihre Anregungen. Kritische Anmerkungen werden Sie durchaus auch in meinem Blog finden – Phänomene, die inzwischen in ganz Europa um sich greifen, jedoch nicht. Ich greife lieber Typisches heraus und nehme es durch auch hier und da auf die Spitze. Herzliche Grüße! Hilke Maunder
Hallo! Marseille 1940 ist zwar kein Krimi, sondern ein Bericht über Deutsche Exilanten auf ihrer Flucht nach Süd Frankreich und dem Warten dort. Sehr empfehlenswert! Vielleicht eine Rezension hier veröffentlichten? Ebenso das Buch Die Postkarte was dieses Thema auch streift. Dazu die Netflixserie Transit zum gleichen Thema.
Hallo Johannes, danke für die Tipps. „Die Postkarte“ von Anne Berest hatte ich hier vorgestellt: https://meinfrankreich.com/die-schoensten-sommerbuecher-aus-frankreich. Marseille 1940 ist notiert, merci. Zum gleichen Thema passen Klaus Mann, „Tanz auf dem Vulkan“ und „Transit“ von Anna Seghers – mehr dazu demnächst in einem Beitrag zu Exil in Frankreich. .
Super. Eines der Themen, auf die ich in Abständen immer wieder zugreifen. Die Transitserie habe ich geschaut, das Buch dazu gibt es leider nur in Englisch, aber ist ja auch ok. Und dann gibt es natürlich diverse Literatur, die man dann anschließend auch noch lesen muß/kann. 😄