Mein Frankreich: Renate Ebel
„Mein Frankreich“ ist nicht nur Titel meines Blogs, sondern auch Programm: Ich möchte möglichst viele von euch animieren, euer Frankreich vorzustellen. Mein Frankreich – was bedeutet das für euch? Diesmal verrät es Renate Ebel.
Über sich sagt sie: „Ich bin Informatikerin, verheiratet, drei Kinder, zwei Enkel. Seit vielen Jahren lebe ich mit meiner Familie in Karlsruhe, aber die Gegend um Gérardmer ist meine zweite Heimat geworden. Neben Frankreich begeistern mich noch Stricken, Nähen und Chorsingen. Seit ich in Rente bin, schreibe ich darüber auf Instagram renatainga(@ringatricoud) und in meinem Strickblog ringastrickt.blogspot.com.“
Seit meiner Jugend liebe ich Frankreich. Als ich mit 16 Jahren das erste Mal in Frankreich war, war es zunächst ein Kulturschock für mich. Vier Wochen auf dem Land in Périgueux in einer französischen Familie nach erst einem Jahr Schulfranzösisch barg einige Herausforderungen und Fettnäpfchen, die aber meist Heiterkeit auslösten und damit meine mangelnden Sprachkenntnisse überspielten. Nach diesen Wochen sprach ich schon einigermaßen Alltagsfranzösisch und fühlte mich bei den täglichen ausführlichen Schlemmereien in der französischen Großfamilie pudelwohl.
Es war eine Zeit, in der die freundliche Aufnahme von Deutschen nicht bei allen Franzosen selbstverständlich war. Auch in der Nähe von Périgueux gab es ein Dorf, in dem deutsche Soldaten gewütet und viele Bewohner getötet hatten. Mein Gastvater kam auch auf solche Themen zu sprechen, aber betonte immer wieder „Nous sommes tous des Européens, vive l‘Europe !“, wofür ich ihm sehr dankbar war.
Meine zweite Heimat in Gérardmer

Ich besuchte mein Lieblingsland im Laufe der Jahre immer wieder und habe später meine ganze Familie mit dem Frankreich-Virus infizieren können. Nach mehreren Urlauben in Ferienhäusern auf der Île d’Oléron oder der Provence, mit dem Wohnmobil im Périgord und in Lacanau, war es im Jahre 1997 endlich soweit, dass wir den nächsten Schritt wagten. Wir kauften, nein bauten mit Firma Cuny ein Chalet in den südlichen Vogesen bei Gérardmer.
Der Bauplatz am Dorfrand mit der schönsten Aussicht wurde an einem Wochenende nach mehreren Besichtigungen festgelegt. Zunächst war es ein recht bescheidenes Holzhäuschen mit der notwendigsten Ausstattung für uns und unsere drei Kinder. Es reichte jedoch absolut aus, um dort Kurzurlaube und herrliche Wochen in den Winter- und Sommerferien zu verbringen. Ein großer Badesee ist zu Fuß erreichbar, die wichtigsten Geschäfte im Dorfzentrum ebenfalls.

Skilaufen in La Bresse
In einer Viertelstunde erreicht man mit dem Auto das größte Skigebiet in den Südvogesen bei La Bresse, wenn am Dorfhang der Lift wegen Schneemangel nicht läuft. Von unserem Wohnort in Karlsruhe brauchen wir heutzutage etwa 3 Autostunden, vor 25 Jahren waren es noch 2,5 Stunden, so sehr hat der Verkehr inzwischen zugenommen.
Im Laufe der Jahre erweiterten und modernisierten wir unser Chalet, mein Mann ist ein begnadeter Baumeister, Schreiner, Elektriker, Installateur und hat das meiste allein geschafft. Heute haben wir ein Ferienhaus für die ganze Großfamilie, das seit unserem Renteneintritt noch viel häufiger als früher genutzt wird. Es ist ein zweites Zuhause für uns, vermieten ist nach einigen anfänglichen Erfahrungen kein Thema mehr.

Familienurlaube im ganzen Land
Wir hatten von Anfang an mit den Kindern vereinbart, dass wir jeden zweiten Sommer auch noch andere Orte kennenlernen wollten. So besuchten wir die Normandie in Deauville/Trouville, die Bretagne in Pont-Aven, Quiberon, fuhren über La Rochelle nach Biarritz, wo wir auch mehrfach Station machten, wenn wir ab und zu nach Portugal fuhren.
Strandurlaube an der Côte d‘Azur in Saint-Cyr-sur-Mer, auf der Halbinsel Hyères, und eine Alpentour über Bregançon, Tignes und Chamonix zeigten uns die landschaftliche Vielfalt des Landes. Bis heute pflege ich Kontakt zu meinen Freunden von meiner ersten Reise in Périgueux.

Treffpunkt für die ganze Familie
Am meisten freue ich mich darüber, dass auch meine Kinder und Enkel immer noch gerne in unser Chalet kommen. Leider sind die Sprachkenntnisse nicht bei allen gleich gut entwickelt, aber alle können sich ganz gut verständigen. Die Außenkontakte sind allerdings immer noch mir vorbehalten. Wenn z.B. die Feuerwehr oder der Skiclub am Jahresende ihre Kalender anbieten oder die Nachbarskinder uns Lose für die Schultombola verkaufen wollen, muss immer ich nach vorne.
Aber meistens mach ich es gerne und bin stolz, wenn ich wieder etwas in Französisch dazugelernt habe. Gewünscht hätte ich mir schon, dass alle Kinder und mein Mann mehr Französisch lernen, aber es gehen eben nicht alle Wünsche in Erfüllung. Auch wäre mein größter Traum natürlich ein Haus am Meer, aber das erschien uns während unserer Berufstätigkeit nur schwer machbar.

Ins Dorfleben integriert
Für eine Integration ins Dorfleben waren wir viele Jahre zu selten da. Das hat sich seit unserem Rentenbeginn etwas geändert. Wir sind in den Geschäften und Restaurants als gute Kunden namentlich bekannt und werden immer sehr nett und aufmerksam bedient.
Wenn ich auf meinen täglichen Spaziergängen Nachbarn treffe, ist immer Zeit für einen freundlichen Austausch über das Wetter und aktuelle Ereignisse im Dorf. Engere Kontakte sind zwar bisher nicht entstanden, dennoch fühlen wir uns sehr wohl, genießen die Ruhe und den Wandel der Natur zu jeder Jahreszeit.
Schön zu allen Jahreszeiten

Besonders schön im Frühjahr sind die Wiesen mit den jonquilles, den wilden Narzissen, dem Wahrzeichen der Region um Gérardmer. Im Sommer ist an den Seen Urlaubsstimmung mit vielen Veranstaltungen für die Touristen aus der Pariser Region und aus Belgien. Im Winter ist Schneewandern und Skifahren angesagt. Das ganze Jahr über genießen wir ausgiebig Essen und Wein in französischer Qualität und bummeln gerne über Märkte mit regionalen Produkten.

In den letzten Jahren hat sich im Dorf und der nächsten Stadt Gérardmer viel verändert. Jede freie Fläche wird bebaut, Geschäfte und Restaurants schließen, neue eröffnen und nur wenige haben ein Durchhaltevermögen, das über drei Jahre hinausgeht. Das liegt auch an der instabilen Wetterlage und den recht kurzen Sommer- und Wintersaisonzeiten.

Mit dem Klimawandel wird das Wetter auch in den Vogesen immer unberechenbarer. Schnee zum Jahreswechsel ist nicht mehr sicher, verregnete Sommertage sind häufiger geworden und Wassermangel ist selbst hier schon so ein Thema, dass bereits im Sommer Trinkwasser aus dem See gefiltert und gechlort wurde, weil alle natürlichen Quellen versiegt waren.

Das Speiseangebot ist zu unserem Bedauern sehr in die internationale Richtung abgedriftet, Burger und Pizza überall, weniger traditionelle Bistroküche oder Vogesenspezialitäten außer in den zahlreichen Auberges, die wir auf unseren Wanderungen immer gerne besuchen. Mit unseren E-Bikes sind wir auch ohne Auto flexibel in unserer Vallée des 3 Lacs unterwegs und schaffen jeden Berg bis hoch zur Route des Crêtes.

Das grenzüberschreitende Leben ist im Laufe der Jahre viel einfacher geworden, nicht nur wegen des Internets, sondern auch wegen vieler neuer Regelungen in der EU. Über das Dorfleben kann ich mich heute jederzeit online informieren, Handwerker und Gärtner muss ich nicht mehr über die pages jaunes suchen, sondern kontaktiere sie ebenso wie EDF und Mobilfunkanbieter über ihre E-Mail-Adressen aus dem Internet.

In den ersten Jahren musste ich zum Zählerablesen extra aus Karlsruhe anreisen und konnte nur telefonisch aus dem französischen Festnetz einen Termin dafür vereinbaren. Deutsche Handy-Telefonate waren richtig teuer, ebenso Banküberweisungen. Heute haben wir im französischen Bergdorf Glasfaseranschluss, in der deutschen Großstadt jedoch nicht. An diese Veränderungen erinnere ich immer gerne meine Freunde und Bekannte, wenn wieder mal EU-Bashing läuft.


Unsere französischen Nachbarn sind mit uns gealtert und jetzt über 90. Ich mache mir deshalb Gedanken, was sich alles verändern wird, wenn deren Kinder über die Häuser entscheiden werden. Vielleicht müssen wir dann auch nochmal umdenken und irgendwo einen Neuanfang wagen.
Wieder in Frankreich, vielleicht sogar am Meer, wer weiß? Auf jeden Fall werden die Grillabende auf unserer Terrasse bei Sonnenuntergang, die Sommertage mit Schwimmen und Paddeln im See oder die Skifahrten auf unserem Dorfhang und den großen Pisten immer in unserer Erinnerung bleiben.

Der Beitrag von Renate Ebel ist ein Gastartikel in einer kleinen Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran:
- Keine PDFs.
- Text: per Mail in Word, Open Office oder per Mail. Denkt daran, euch mit ein, zwei Sätzen persönlich vorzustellen.
- Fotos: Bitte schickt nur eigene Bilder und jene möglichst im Querformat und immer in Originalgröße. Sendet sie gebündelt mit www.WeTransfer.com (kostenlos & top!) – oder EINZELN ! – per Mail. Bitte denkt an ein Foto von euch – als Beitragsbild muss dies ein Querformat sein.
- Ganz wichtig: Euer Beitrag darf noch nicht woanders im Netz stehen. Double content straft Google rigoros ab. Danke für euer Verständnis.
Vor der Veröffentlichung erhaltet ihr euren Beitrag zur Voransicht für etwaige Korrekturen oder Ergänzungen. Erst, wenn ihr zufrieden seid, plane ich ihn für eine Veröffentlichung ein. Merci !
Ich freue mich auf eure Beiträge! Alle bisherigen Artikel dieser Reihe findet ihr hier.
ein sehr guter und ausführlicher Bericht, auch über die vielen Erneuerungen die den Bekanntheitsgrad mit sich bringt. Ich kannte zwar schon das Elsass und ein wenig die Vogesen von meiner Kindheit an aber erst neulich habe ich es wiederentdeckt, da ich nun wieder in meiner Heimat (nahe Freiburg) lebe nachdem ich auch einige andere Gegenden in Frankreich kennenlernte und auch dort gelebt habe. Viele liebe Grüsse aus der Nähe von Freiburg.
Guten Tag Renate,
ein toller Bericht der Lust auf Gérardmer und die Umgebung macht.
Wir sind seit nunmehr über 60 Jahren gar nicht weit weg von dir: am étang du Stock in Rhodes bei Sarrebourg. Wir lieben das Wasser, Segeln, Schwimmen. ähnlich wie bei dir haben wir mittlerweile nette Kontakte zu französischen Nachbarn. besonders schön ist, daß man fast auf jedem Bauernhof der Gegend einzigartige Produkte bekommen kann, immer verbunden mit einem kleinen Smalltalk.
Auch unsere Feriengäste, die seit nunmehr 3 Jahren die Möglichkeit haben unser Haus zu mieten sind begeistert. auch wegen dem tollen Blick auf den See und auf die Vogesen.
und: auch wenn es Mal wärmer werden sollte haben wir hier eine ausgezeichnete Luft.
Liebe Grüße aus Rhodes,
Olivier und Claudette
Hallo Olivier und Claudette,
auch eine sehr schöne Gegend, die Ihr Euch ausgesucht habt. Wir dachten eigentlich, dass es mit dem Klimawandel eher wärmer wird und wir dann aus der Großstadt in die luftigen Berge flüchten können. Leider ist es bei uns in Gérardmer bisher nur unbeständiger und regnerischer geworden. Mal schaun, wie sich das weiter entwickelt.
Liebe Grüße nach Rhodes
Renate
Ein wirklich schöner Bericht, toll und flüssig geschrieben zudem, der tatsächlich Lust auf die Vogesen macht.
Ein Punkt würde mich noch speziell interessieren: warum ist das Alter der Nachbarn, bzw. die Pläne von deren Kindern „mit den Häusern“ ein Problem? Haben Sie das Grundstück von den Nachbarn gepachtet – oder warum bedarf es eventuell eines Neuanfanges?
Eine Antwort auf diese Frage wäre nett…
Ich bin glücklich, dass France – entgegen meiner Befürchtungen – politisch nicht komplett nach rechts abgedriftet ist – also kann tatsächlich weiterhin gelten: Vive l‘Europe! ( und natürlich die deutsch-französische Freundschaft)
Nein, das Grundstück haben wir gekauft, das ist kein Problem. Es ist mehr das Gefühl, das damit eine ruhige Ära zu Ende geht und eine gewisse Unsicherheit, was die Zukunft bringen wird. Jetzt ist z.B. unser Grundstück (ebenso wie die der Nachbarn) offen ohne Zaun, eine Trinkwasserquelle der Nachbarn wird durch unser Grundstück geleitet, Katzen stromern darauf herum, bisher alles völlig konfliktfrei. Wir hatten aber auch schon mal vor Jahren im Nachbarhaus Feriengäste mit 3 riesengroßen Hunden, die sich ziemlich frei getummelt haben. Auch hatten wir letztes Jahr eine erste Baustelle in der Nachbarschaft, die viel Lärm und Dreck verursacht hat. Solche Veränderungen meine ich. Wenn die sich häufen, könnte es für uns ein Signal für den Aufbruch sein. Aber derzeit fühlen wir uns dort noch pudelwohl, es sind nur Gedankenspiele bei trüben Regentagen.
Ein toller Bericht. Ich werde daraufhin Gérardmer auf jeden Fall wieder besuchen. Liebe Grüße aus der Südpfalz, nur 10 km von Wissembourg entfernt. Vive l’europe!