Roi Réne, der gute König. Foto: Hilke Maunder
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Auf den Spuren von Roi René

Kein König wird von den Franzosen so geliebt und verehrt wie der „gute König“ René (1409 – 1480). Er herrschte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert.

René war König von Neapel und Sizilien, Titularkönig von Jerusalem, Gegenkönig von Aragón, Herzog von Lothringen und Anjou, Graf von Provence und Guise, Markgraf von Pont-à-Mousson. Für die Bürger von Angers war und ist er nur eines: der Bon Roi René.

Der gute König René blickt von seiner Burg hinüber zur Stadtkirche von Angers. Foto: Hilke Maunder
Der gute König René blickt von seiner Burg hinüber zur Stadtkirche von Angers. Foto: Hilke Maunder

In Angers geboren

Am 10. Januar 1409 wurde er auf der wuchtigen Festung hoch über der Maine als zweiter Sohn Ludwigs II. von Anjou und Jolanthes von Aragón geboren.

Wie damals für einen Zweitgeborenen üblich, wurde René nicht auf die Führungsaufgaben als Regent erzogen, sondern vor allem in den schönen Künsten unterrichtet.

Er versuchte sich als Dichter und Maler, engagierte sich für die Wiederbelebung der Troubadour-Tradition – und musste sich, durch den Tod des Bruders gezwungen, doch militärischen und politischen Aufgaben widmen.

Der höchste Wehrturm von Schloss Angers ist die 40 Meter hohe Tour du Moulin. Foto: Hilke Maunder
Der höchste Wehrturm von Schloss Angers ist die 40 Meter hohe Tour du Moulin. Foto: Hilke Maunder

Altersitz in der Provence

Von seinem Stammland im Anjou und den anderen Territorien seiner Dynastie durch den Lauf der Geschichte abgeschnitten, wählte er im Jahr 1472 Aix-en-Provence als Alterssitz.

Für den Historiker Desmond Seward ist der „gute König“ daher einer

one of the most spectacular royal losers in fifteenth century Europe outside of England
einer der spektakulärsten königlichen Verlierer des 15. Jahrhunderts außerhalb Englands.

The Wars of the Roses. New York: Penguin. 1995, S. 51

Der gute König

Nicht nur dort ist le bon roi René ungeheuer populär. René I. machte seinen Hof in Aix-en-Provence zur Hochburg der Kultur und Wissenschaft. Der König, der noch acht weitere Adelstitel trug und fünf Sprachen beherrschte, war ein Schöngeist.

Er widmete sich der Wiederbelebung der altprovenzalischen Troubadourkultur, versuchte sich selbst im Dichten, holte flämische Künstler in den Süden – und griff auch selbst gerne zum Pinsel.

Französisch ornamental: der Schlossgarten des Château d'Angers. Foto: Hilke Maunder
Französisch ornamental: der Schlossgarten des Château d’Angers. Foto: Hilke Maunder

Da René die niederländische Maltechnik perfekt imitieren konnte, hielt sich bis weit ins 19. Jahrhundert das Gerücht, er habe das Triptychon in der Kathedrale von Aix-en-Provence selber gemalt. Tatsächlich jedoch wurde der „Brennende Busch“ von Nicolas Froment geschaffen.

Bis heute René zugeschrieben ist jedoch ein illustriertes Stundenbuch. Ihr findet es in der Bibliothèque Nationale de France in Paris.

Wein und Seide

Nicht nur in Wissenschaft und Kultur war René ein Mäzen. Auch der Wirtschaft gab der gute König neue Impulse. Er belebte den Weinhandel durch den Anbau der Muskatellertraube und holte Maulbeerbäume in die Provence, die damit zum Standort einer blühenden Seidenraupenzucht wurde.

Bis ins späte 19. Jahrhundert wurden die Kokons zu feinster Seide gesponnen. Erst in Heimarbeit und kleinen Manufakturen, dann in industriellen Großbetrieben, in denen vorwiegend junge Frauen und Waisen arbeiteten.

Für Kinder unter zwölf Jahren wurde die Tagesarbeitszeit 1874 auf maximal sechs Stunden beschränkt, verraten die Dokumente des Musée de la Soie von Taulignan.

Neue Heimat in der Fremde

Im Sommer blühen die Stockrosen im Schlosspark von Angers. Foto: Hilke Maunder
Im Sommer blühen die Stockrosen im Schlosspark von Angers. Foto: Hilke Maunder

Den Maulbeerbaum brachte René aus Persien in die Provence. Andere Pflanzen, die heute als typisch für die Provence gelten, holten bereits die Griechen ins Land: Olivenbäume und Weinstöcke.

Im 19. Jahrhundert wurde es unter den reichen Einheimischen und zugereisten Engländern Mode, die Gärten der Villen in der Provence möglichst exotisch auszustatten.

Fremdpflanzen wie Araukarien (Chile), Agaven (Mexiko), Palmen (Afrika) und Eukalyptusbäume (Australien) wurden in der Provence heimisch. Auch die Flora spiegelt die Geschichte am Kreuzpunkt der Völker und Kulturen.

Residenz des guten Königs, roi René: das Château de Tarascon. Foto. Hilke Maunder
Residenz des guten Königs Roi René: das Château de Tarascon. Foto. Hilke Maunder

Der entführte Tote

René I. starb in Aix-en-Provence am 10. Juli 1480. Sein Grab jedoch ist dort nirgends zu finden. Nur eine Statue auf dem Cours Mirabeau erinnert dort an den letzten Herrscher der Provence.

Seine sterblichen Überreste indes wurden in einer Nacht- und Nebelaktion zurück nach Angers gebracht, wo er in der Cathédrale Saint-Maurice seine letzte Ruhestätte fand.

Auf den Spuren von Roi René

In und um Angers

Le Château d’Angers

Wehrhaft: das Schloss von König René in Angers. Foto: Hilke Maunder
Wehrhaft: das Schloss von König René in Angers. Foto: Hilke Maunder

Sein Schloss aus hellem Tuff und dunklem Schiefer gleicht äußerlich einer Festung. 17 Türme aus Schiefer und Kalktuff und 30 bis 40 Meter hohe, wehrhafte Mauern schützen das Schloss. Bereits die Römer hatten dort einst ein Fort errichtet, ehe Ludwig IX. diese Festung erbauen ließ.

Der Schlossgraben indes war nie mit Wasser gefüllt. Heute schmücken ihn kunstvoll angelegte Blumenbeete und Rabatte.

Jenseits der Festungsmauern findet ihr weitere Wein- und Blumengärten, den Wohntrakt Châtelet, die königliche Kapelle und das Museum der Apokalypse.

Da der König von fremden Ländern und Kulturen fasziniert war, fügte er den Gärten eine eine Menagerie für exotische Tiere und Haustiere hinzu.

Viele Jahre nach dem guten König nutzte Ludwig XIV. das Schloss als kleine Bastille und ließ unliebsame Adlige einkerkern, darunter auch seinen obersten Finanzbeamten Nicolas Fouquet.

Die Apokalypse

Das Böse bedroht das Gute, Die Sünder schmoren in der Höhle: ein Motiv des Wandteppichs L'Apocalypse. Foto: Hilke Maunder
Das Böse bedroht das Gute: ein Motiv des Wandteppichs L’Apocalypse. Foto: Hilke Maunder

Als moderner Neubau aus flachen Schiefersteinen passt sich das Museum kantig klar der historischen Architektur an.

Drinnen birgt er im Halbdunkel ein einzigartiges Zeugnis mittelalterlicher Textilkunst: die Tenture de l’Apocalypse (Zyklus der Apokalypse) aus dem 14. Jahrhundert.

Ursprünglich 165 Meter lang war der größte mittelalterliche Wandteppich. Inzwischen nur noch 144 Meter lang und vier bis sechs Meter hoch, haben die Tapisserien zum Weltuntergang bis heute nichts von ihrer Farbigkeit und Faszination verloren.

ngeheuer mit vielen Köpfen bedrohen die Menschen. Foto: Hilke Maunder
Der furchterregende Drache besitzt mehrere Köpfe, unterwirft sich aber der Krone. Foto: Hilke Maunder

Dann blättert der Erzähler, übermannshoch gewebt, mit seiner linken Hand die Seite um. Rot leuchtet die Minuskelrubrik. Die handgewebten Teppiche lieben solche Details.

Lasst euch Zeit und seht genauer hin. Die Prophezeiungen der Bibel, festgehalten vom Apostel Johannes in Ich-Form. Im Mittelalter über Jahrzehnte gewebt und heute Welterbe. Eine Bibel in Bildern. Eine Zeitreise ins Mittelalter. Einfach faszinierend!

Die Sünder schmoren in der Höhle: ein Motiv des Wandteppichs L'Apocalypse. Foto: Hilke Maunder
Die Sünder schmoren in der Hölle: auf dem Wandteppich L’Apocalypse. Foto: Hilke Maunder

Weitblicke von der Wehrmauer

Der Besuch des Museums endet im Hofgarten des Logis du Roi. Durch eine Maueröffnung blickt ihr hinab auf den Flusslauf der Maine.

Noch mehr Ausblicke bietet ein Spaziergang auf der Wehrmauer. Stadt und Schloss, die Gärten und die Maine mit immer neuen Panoramen und Perspektiven erwarten euch dort!

Am 10. Januar 2009 zerstörte Feuer Teile des Stammschlosses von König René – exakt 600 Jahre nach seiner Geburt. Zufall? Heute ist die mächtige Festung auf dem schroffen Felsen nahe am Zusammenfluss von Maine und Loire restauriert.

Blick vom Wehrgang auf die Maine. Foto: Hilke Maunder
Blick vom Wehrgang auf die Maine. Foto: Hilke Maunder

Le Manoir de Haute-Folie

Für seine zweite Frau Jeanne de Laval ließ König René 1476 inmitten der Weinberge dieses kleine Anwesen anlegen. Ihr findet es in der Hausnummer 5 der rue Docteur-Guichard. Fans vom Geo-Caching kennen das Domizil!

Le Logis de Reculée

Am rechten Ufer der Maine erwarb König René einige Häuser und Ländereien mit Wein, Gärten und einem Teich, an dem er seiner Angelleidenschaft frönen konnte.

Le Couvent de la Beaumette

Auf dem Felsen von Chanzé mit Blick auf die Maine legte König René am 5. Oktober 1452 den Grundstein für eine Kapelle, die er  Maria Magdalena weihte. Die Gefährtin Jesu soll bei Aix-en-Provene im Massiv von Sainte-Baume in einer Höhle gelebt haben.

Der Felsen an der Maine erinnerte René an die Provence, die zu seinem Königreich gehörte. Er nannte das Kloster La Baumette und übergab es den Franziskanern, die in Frankreich wegen der Schnüre um den Bauch (cordes) auch Cordeliers genannt werden.

Angers: Am Ufer der Maine machen bis heute Binnenschiffer fest. Foto: Hilke Maunder
Angers: Am Ufer der Maine machen bis heute Binnenschiffer fest. Foto: Hilke Maunder

Le Château des Ponts-de-Cé

Vor den Toren von Angers steht stolz ein Bergfried aus dem 15. Jahrhundert. Er ist das letzte Überbleibsel einer der Sommerresidenzen von König René.

Als Vorposten südlich der Verteidigung von Angers schützte diese befestigte Burg einst den einzigen Übergang über die  Loire zwischen Saumur und Nantes.

In seinen Mauern verfasste einst Heinrich IV. auf dem Weg nach Nantes sein Edikt der Toleranzfreiheit. Seit 1862 birgt das Wahrzeichen von Les Ponts-de-Cé das Musée des Coiffes et des Traditions.

In Maine-et-Loire

Le Château de Baugé

Eine Zeitreise durch fünf Jahrhunderte erwartet euch im Jagdschloss des guten Königs. Steigt die große Treppe zum Dachboden  empor, lehnt euch zurück und taucht bei einer 25-minütigen Projektion in die Geschichte von Anjou und seines Königs im Laufe der Jahrhunderte ein.

Danach könnt ihr ihm ersten Stock  in den Repräsentationsräumen die großen  Themen entdecken, die dem Herzog von Anjou am Herzen lagen: Ritterlichkeit, Turniere und höfische Liebe. Danach kommt ihr ins Privatgemach, dann in das private Oratorium von René d’Anjou.

Le Manoir de la Ménitré

Das elegante Herrenhaus hieß einst Grenier-aux-Rentes. 1470 ließt es  König René für seine zweite Frau Jeanne de Laval ausbauen und mit einer Kapelle sowie Geschütztürmen versehen.

Beaufort-en-Vallée

Kennenlernen könnt ihr Jeanne de Laval in Beaufort-en-Vallée, wo ihre Statue den Hauptplatz schmückt. Sie genoss die Aufenthalte in dem Städtchen, in dem René das Schloss hatte restaurieren lassen.

Le Château de Saumur

Bis ans Schloss von Saumur reichen die Weinberge des Val de Loire. Foto: Hilke Maunder
Bis ans Schloss von Saumur reichen die Weinberge des Val de Loire. Foto: Hilke Maunder

„Schloss der Liebe“ nannte es René, und wie ein Märchenschloss erhebt sich der befestigte Palast seit 1340 hoch über Stadt und Fluss. Sein Wahrzeichen ist eine zwölf Meter hohe, 2,4 Tonnen schwere Firstspitze.

Vom Herzog von Berry als Miniatur in seinen Très riches heures* verewigt, wurde sie in 2500 Arbeitsstunden als moderne Replik gefertigt. Seit 2007 thront sie  wieder auf dem Südturm –  mit integriertem Blitzableiter. Reliefs, Lilien und Blumenmotive zieren die Spitze. 15.000 Blatt Gold sorgen für leuchtenden Schein.

Le Manoir de Launay

Auf dem rechten Ufer der Loire findet ihr das wohl originellste und atypischste Herrenhaus des Anjou. Im Manoir de Launay lebte König René mit seiner Frau Isabelle de Lorraine. Durch den Ehevertrag von 1419 kam René in den Besitz von Lothringen.

In der Provence

Château de Tarascon

Wuchtig und wehrhaft_ das Château de Tarascon. Foto: Hilke Maunder
Wuchtig und wehrhaft: das Château de Tarascon. Foto: Hilke Maunder

Schloss Tarascon  nutze König René als Residenz und Jagdschloss. René und seine zweite Frau, Jeanne de Laval, hielten sich dort oft auf und empfingen Gäste. René war ein leidenschaftlicher Jäger, und die Umgebung von Tarascon bot ihm reichlich Gelegenheit, seiner Leidenschaft nachzugehen. Die Burg könnt ihr besuchen – und beim Rundgang herrliche Ausblicke auf die Rhône genießen!

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Otto Rombach: Der gute König René*

Otto Rombach: Der gute König RenéBereits 1964 verfasste der deutsche Schriftsteller und Journalist Otto August Rombach (1904 – 1984) seinen historischen Roman, der 1965 von der DVA Stuttgart herausgebracht wurde. 51 Jahre später erschien erneut – 2016 als Taschenbuch im Fischer-Verlag.

Der Schwabe begann seine literarischen Arbeiten als junger Redakteur der Frankfurter Zeitung, wo er neben seinem Hauptberuf ab 1928  zwei kleinere Erzählbände und erste Reiseberichte veröffentlichte. Seine auf Zeitungspapier gedruckte „Gazettenlyrik“  lobte sogar Egon Erwin Kisch.

Der große Durchbruch gelang Rombach indes erst später mit farbig geschilderten Einzelschicksalen auf der großen Bühne der Historie.  Bei König René gelang ihm dies so erfolgreich, dass das Werk binnen weniger Monate innerhalb des Jahres 1965 die 11. Auflage erreichte. Wer mag, kann den Roman hier* online bestellen.

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2 Kommentare

  1. Liebe Hilke,
    dieser Bericht ist der Knaller. Unsere Loire-Reise wäre noch interessanter gewesen. Habe vielen Dank und frohe Ostern für dich und deine Familie.
    Huberta Jacobs

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