Dienstmofa. Foto: Rolf Feier
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Rolf Feier: meine Liebe zum Vélosolex

Le Vélosolex ist bis heute Kult in Frankreich und ist eine Legende, die eng mit der Nachkriegsgeschichte des Landes verbunden ist. Bereits 1946, und damit mehr als ein halbes Jahrhundert vor den heutigen E-Bikes, wurde dieses motorisierte Fahrrad in Frankreich eingeführt. Es wurde entwickelt, um in der Nachkriegszeit ein erschwingliches und zuverlässiges Transportmittel für die breite Masse zu schaffen.

Der Vélosolex, das auch als Solex oder Micron bekannt ist, verfügt über einen kleinen Benzinmotor, der an der Vorderradnabe montiert ist. Der Motor ist über eine Reibrolle mit dem Rad verbunden. So kann der Motor das Fahrrad ohne Kette oder Riemen antreiben.

Der Vélosolex : eine kulturelle Ikone

Im Laufe der Jahre wurde der Vélosolex zu einer beliebten Wahl für Pendler, Studenten und alle, die ein einfaches und effizientes Transportmittel suchten. Es war bekannt für seine Einfachheit, seine Benutzerfreundlichkeit und seinen geringen Wartungsbedarf.

In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde der Vélosolex in Frankreich zu einer kulturellen Ikone. Er tauchte in Filmen, Fernsehsendungen und in der Werbung auf und wurde oft mit der Jugendkultur und dem Zeitgeist in Verbindung gebracht.

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❤ Erlebnistipp: Le Musée du Solex

Jean Pauly sammelt seit über fünfzehn Jahren Vélosolex-Fahrzeuge. Der ehemalige deutsche Rechtsanwalt besitzt mehr als 40 Vélosolex-Räder zwischen seinem Ferienhaus in Penmarc’h und seinem Hauptwohnsitz in Deutschland. In einem von ihm selbst renovierten Schuppen in Saint-Guénolé beschloss er, sein privates Vélosolex-Museum einzurichten und so seine Leidenschaft öffentlich präsentieren zu könnten. Neben seinen alten Mopeds zeigt der Vélosolex-Liebhaber eine Fülle von Zubehör, Literatur und Originalbauplänen.
• 66, rue Pierre Sémard, Saint-Guénolé, 29760  Penmarch

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Trotz seiner Beliebtheit musste sich der Vélosolex der Konkurrenz anderer Verkehrsmittel stellen, und die Produktion des Fahrrads wurde Anfang des 21. Jahrhunderts eingestellt. Der Vélosolex ist jedoch nach wie vor ein wichtiger Teil der französischen Kultur und Geschichte und genießt bei Liebhabern und Sammlern nach wie vor hohes Ansehen. Dies zeigt auch der nachfolgende Gastbeitrag von Rolf Feier.


Meine Liebe zum Vélosolex

Es war so gegen Mitte der 1970er-Jahre, als ich mir aus reinem Zeitvertreib und ohne jegliche Kaufabsicht die schon damals legendäre Oldtimermesse „Veterama“ in Mannheim anschaute.

Dort fiel mir ein Vehikel auf, das ich aus meiner Schülerzeit im West-Berlin der Nachkriegszeit noch bestens in Erinnerung hatte: ein Fahrrad mit Hilfsmotor der Polizei, mit dem der Schutzmann seine Streife fuhr. Wir Kinder nannten das Ding „Spatzenschreck“. Natürlich durfte dies nur der Chef  fahren.

45ccm links V.1 1949, rechts V.2 1951
Beginn eines Mythos: links Modell 45 ccm V.1 1949, rechts V.2 1951. Foto: Rolf Feier

Eine Runde auf dem Maimarkt

Die nachgeordneten Wachtmeister zogen ihre Runden per Pedes. Das Ding hatte am Hinterrad eines Rahmens der Marke Miele oder Vaterland ein 50-ccm-Triebwerk der Marke AMO, das bis 1953 in Berlin-Schöneberg gebaut wurde, und jenes schnurrte wie ein Uhrwerk. Kurz entschlossen kaufte ich das Gerät und zog noch ein paar Bahnen über das Maimarkt-Gelände.

Die ABE-Nummer war am Motor eingeschlagen, was bedeutete, dass man mit einem Versicherungs-kennzeichen daran am Straßenverkehr teilnehmen durfte. Papiere dafür gab es 1953 noch nicht. Das habe ich dann ausgiebig gemacht, zumal das Moped mit ca. 40 km/h die gesetzlichen Möglichkeiten durchaus ausschöpfte.

?. Foto: Rolf Feier
Flop: der Micro-Motorroller Micron (1967). Foto: Rolf Feier

Erst in die Pedale treten

Allerdings ohne Gangschaltung, was voraussetzte, dass man an jeder Ampel erst mal per Pedale eine gewisse Grundgeschwindigkeit von, sagen wir mal 30 km/h, erzeugen musste, ehe die linke Hand langsam einkuppelte.

Lediglich der Wohnort in der Vorbergzone des Schwarzwalds schränkte den Fahrspaß ein: für bergauf und Gegenwind ungeeignet. Irgendwann habe ich das Gefährt wieder verkauft.

Später zogen wir in einen topografisch weniger herausfordernden Vorort, und der Gedanke an die erneute Beschaffung eines antiken Fahrrades mit Hilfsmotor gewann wieder Kontur.

? Foto: Rolf Feier
Das Lastendreirad Triporteur von 1967. Nur 50 Stück wurden davon gebaut. Foto: Rolf Feier

Das erste Allrad-Hybrid-Mofa der Welt

Da wir in Sichtweite Frankreichs wohnen, sollte es diesmal ein Vélosolex sein. Das erste Allrad-Hybrid-Mofa der Welt! Ebay sei Dank – ich fand ein passendes Fahrzeug zu einem passenden Preis in Stuttgart. Es hatte dort gut 20 Jahre in einer Garage gestanden, die umgebaut werden sollte. Weshalb das Mofa im Wege war.

Wie sich anhand der Fahrzeugpapiere herausstellte, war dies ein Solex. Das Vélo wurde schon immer im täglichen Sprachgebrauch der Franzosen unterschlagen. 30 Jahre vorher war er an dem Ort gekauft worden, wo er jetzt erneut heimisch wurde.

Solex-Forum im Internet

Über das Solex-Forum im Internet habe ich dann eine ziemlich lustige deutsch-französische Truppe im Großraum Elsass/Baden gefunden, die technische Kenntnisse und Teile austauschte und sporadisch auf beiden Seiten des Rheins Ausfahrten und Treffen veranstaltet. Da bin ich nach insgesamt schon fast zwei Jahrzehnten immer noch gerne mit einem meiner „Nasenwärmer“ dabei.

Bei den diversen Treffen, z. T. in Frankreich, Deutschland bis hin zu den Niederlanden, lernte ich die unterschiedlichsten Typen  – auch bei den Fahrzeugen – und ihre Derivate kennen. Sogar welche mit drei, vier und sogar fünf (!) Rädern. Das war dann der Beginn einer gewissen Sammelleidenschaft.

? Foto: Rolf Feier
Typ 5000 (1971). Foto: Rolf Feier

Solex-Suche im ganzen Land

Durch den Zweitwohnsitz im Languedoc hatte ich die Gelegenheit am Rande der Hin- und Rückfahrten die eine oder andere Rarität bei Online-Auktionen zu erwerben. Faustregel: je weiter von Paris entfernt, desto eher die Chance auf Zuschlag. Und günstigere Preise.

Am ergiebigsten ist auch heute noch die Strecke der Nationale 7 zwischen Montélimar und Mondragon. Die Antiquitätenhändler und Trödler links und rechts der N7 haben alles vorrätig, was man sucht. Und vor allem, was man nicht sucht.

Rare Fundstücke

Wer stöbert, findet immer was. So habe ich bis heute vier Exemplare aus der eigentlich verschollenen ersten Serie von 1949-51 mit 45-ccm-Motor dort zu einem akzeptablen Preis erwerben können. Oder Teile und komplette Motoren bestimmter Modelle. Wer suchet, der findet. Wer nichts sucht, auch.

Manche Suchen entwickeln sich zu bemerkenswerten Aktionen. So zum Beispiel bei der Beschaffung einer Hinterachse für das Lastendreirad Triporteur, von dem ursprünglich nur 50 Stück gebaut wurden.

Ich bekam das Teil (normalerweise unauffindbar und unter der Hand vererbt) für nur 45 Euro mit der Auflage, den gesamten Scheunen-Inhalt mit gefühlt 20 Solex-Wracks mitzunehmen. Man hat selten einen glücklicheren Schrotttransporteur von Cosne-sur-Loire an den Oberrhein fahren sehen.

Bis nach Japan

Ein Trotilex aus dem Jahr 1974. Foto: Hilke Maunder
Ein Trotilex aus dem Jahr 1974. Foto: Hilke Maunder

Eine weitere Aktion, die ich sicher nie vergesse, war die Heimholung von einem halben Dutzend Solex-Go-Karts aus Japan über Ungarn zurück nach Frankreich. Die waren als Neufahrzeuge in den 1960er-Jahren von Solex an Honda nach Japan geliefert worden, was zu einem Joint-Venture führen sollte.

Offensichtlich hatte man vergessen, dem Land der aufgehenden Sonne zu kommunizieren, dass die Muster mit Zweitaktmotoren ausgestattet waren.

Aus Budapest geholt

Was dann dazu führte, dass Honda damit nichts anfangen konnte und die Apparate in irgendeiner Lagerhalle gestapelt wurden – und in Vergessenheit gerieten.

Ich bin wieder fündig geworden bei meiner Solex-Suche. Foto: Rolf Feier
Wieder fündig geworden!Foto: Rolf Feier

Jahrzehnte später fand sie ein ungarischer Importeur von gebrauchten Kleintraktoren in besagter Halle und ließ sie als Beiladung in den Container nach Europa packen.

Übers Internet und nach diversen Telefonaten in lustigen Sprachen konnte ich die Fahrzeuge (immer noch fabrikneu!) etwas südlich von Budapest aufladen. Seither zieren sie einige Sammlungen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz.

Geschichten und Begegnungen

Und so hat jeder Vélosolex seine Geschichte. Einschließlich der Begegnungen mit den Verkäufern. Das ist mit vielen Geschichten aus dem Leben von Mensch und Technik verbunden.

Und mit dem Kennenlernen von verwinkelten Dörfern ganz oben in den Alpen bei Grenoble, in la France profonde bei Limoges, hinter den Dünen in der Normandie oder in einem Schloss bei Fréjus.

Dort war der Rittersaal vom Hausherren für die Solex-Sammlung zweckentfremdet und die Familie gewann irgendwann einmal die Hoheit über die Nutzung zurück – die Sammlung stand zum Verkauf. Und so konnte ich mir ein paar schöne Exemplare sichern.

Foto: Rolf Feier
Was an der Decke hängt, braucht auf dem Fußboden keinen Platz. Foto: Rolf Feier

Mobiles Kulturgut

In aller Regel mündeten die Kaufabschlüsse in einer spontanen Essenseinladung der Dame des Hauses und so manches Mal hätte meine Rückfahrt über Tage hinweg mit den angebotenen Degustationen in den häuslichen Weinkellern deutliche Verzögerungen erfahren können.

Hätte ich dort keine Solexe abgeholt, hätte ich kaum eine so sympathische und persönliche Perspektive von Land und Leuten gewinnen können und auch einige interessante Zeitgenossen weniger getroffen – normal wäre man eigentlich nie gerade dorthin gefahren.

Bei derartigen Anlässen versteht man auch den wunderbaren Begriff  „Mobiles Kulturgut“. Was denn auch hier den Unterschied zwischen googeln und eigener Erfahrung ausmacht.


Der Beitrag von Rolf Feier  ist ein Gastartikel in einer kleinen Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran: 

• Bitte keine PDFs.

• Text: per Mail in Word, Open Office oder per Mail. Denkt daran, euch mit ein, zwei Sätzen persönlich vorzustellen.

• Fotos: bitte möglichst im Querformat und immer in Originalgröße. Bitte schickt sie mit www.WeTransfer.com (kostenlos & top!) gebündelt mir zu – oder EINZELN ! – per Mail. Bitte denkt an ein Foto von euch – als Beitragsbild muss dies ein Querformat sein.

• Und, ganz wichtig: Euer Beitrag darf noch nicht woanders im Netz stehen. Double content straft Google rigoros ab. Danke für euer Verständnis.

Vor der Veröffentlichung erhaltet ihr euren Beitrag zur Voransicht für etwaige Korrekturen oder Ergänzungen. Erst, wenn ihr zufrieden seid, plane ich ihn für eine Veröffentlichung ein. Merci ! Ich freue mich auf eure Beiträge! Alle bisherigen Artikel dieser Reihe findet ihr hier.

 

 

 

10 Kommentare

  1. Hallo,

    ich (56) bin kein ausgewiesener Frankreich-Fan, aber fahre seit vielen Jahren Solex. Als Alltagsfahrrad. In Verbindung mit einem Anhänger unbedingt geeignet. Es gibt nichts Schöneres, als im Sommer durch die Felder zu fahren und die Entschleunigung zu genießen. Die Fahrt zur Arbeit und zurück sind für mich wie Kurzurlaub. In Zeiten, wo ein vernünftiges E-Bike jenseits der 5000 € liegt, gewinnt die Solex in allen Belangen: Ein Liter auf hundert Kilometer, wenn leer wird getankt. Gebraucht in gutem, restaurierten Zustand für 1000 € auf den Plattformen. Echtes Lebensgefühl, ein wirklicher Oldtimer mit viel Geschichte. Vielleicht werde ich ja noch zu einem Frankreich-Fan…

  2. Hallo
    Wir stehen gerade mit dem Wohnmobil in Rodemack,wo an diesem Wochenende, durch Zufall, ein Solex Treffen stattfindet.
    Hier werden Ausfahrten und Geschicklichkeitsprüfungen veranstaltet. Richtig schön!
    Wir sind große Frankreich Fans und waren schon oft hier.Gerne auch in der Normandie und Bretagne.Haben auch schon Bergues besucht, vielen bekannte aus dem Film „Willkommen bei den Schti’s.

    Tolle Seite!!

  3. Was für ein toller Artikel über mein fast erstes Fortbewegungsmittel. Im Saarland in den 50er bis 70er Jahren gehörten die Solex zum Straßenbild. Meine beiden Eltern, Tante und Großmutter besaßen auch schon in den 50ern Solex. Eine ohne Motor diente mir als Jugendlichen als Fahrrad. Eine 5000 aus 1972 fuhr meine Großmutter noch fast bis sie 80 Jahre war. Diese Solex mit der Originalen Rechnung ist heute noch in meinem Besitz und wartet auf meine Restaurierung.

  4. Schöner Artikel. Ich hatte auch eine Solex ,gekauft 1974. Da ich leider nicht selber reparieren konnte, sie öfter rumruckelte, und die Werkstatt über 40 km weg war, habe ich schweren Herzens an eine Bekannte verkauft 2014

  5. Ich war 1964 und 65 im Schüleraustausch in Bagnols und seitdem bin ich total Frankreichaffin: Skilaufen in 3 Vallees, Urlaube und seit 26 Jahren ein Haus im Herault ❤️❤️❤️ Seit langer Zeit habe ich den Wunsch, mir eine Solex zuzulegen – allein mir fehlt das techn Verständnis…..
    Jetzt liebäugle ich mit einem 2CV….. LG aus Berlin🙋🏻‍♀️

  6. Hallo Herr Freier, danke für den schönen Artikel.

    Ich hatte auch mal das Vergnügen, mit einer Solex Bj.’71 mein Städtchen unsicher zu machen. Aktuell habe ich übrigens noch eine eSolex (die elektrische Variante) mit frischem Akku abzugeben. Bei Interesse bitte melden!

    1. Bonjour Claus,
      lese den Artikel leider gerade erst, ich hätte ebenfalls Interesse an der Solex; das könnte ein prima Geburtstagsgeschenk für meinen französischen Partner sein…,
      Viele Grüße et bon week-end!

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