Ein kleiner Weinberg gehört zur Abtei von Gellone in Saint-Guilhem-le-Désert. Foto: Hilke Maunder
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Saint-Guilhem-le-Désert: Pilgerperle!

Zwischen dem Plateau von Larzac und den Bergen des Languedoc versteckt sich inmitten der mediterranen Garrigue, tief unten im Tal des Verdus, eines der am besten erhaltenen mittelalterlichen Dörfer der Region: Saint-Guilhem-le-Désert – eine pittoreske Pilgerperle an der Jakobsweg-Route der Via Tolosana.

Früher zogen Ziegen- und Schafherden durch die karge, bergige Landschaft mit ihren Olivenhainen, wilden Feigen, Maulbeer- und Mikadobäumen. Heute lebt Saint-Guilhem-le-Désert von all jenen Besuchern, die die drei Gütesiegel des Bilderbuchdorfes anlocken. Zusammen mit den Gorges de l’Hérault, den Schluchten des Flusses Hérault, ist es seit 2011 als Grand Site de France klassifiziert.

Der Ort gehört zu den 172 plus beaux villages de France und damit zu den schönsten Dörfern des Landes – das sorgt während der Saison für reichlich Trubel in den alten Gassen. Seine Abtei gehört als Teil des Jakobswegs zum Weltkulturerbe der UNESCO. Sie ist die Seele des Dorfes und eng mit ihm verwoben. Einige Häuser sind sogar an die Klostergebäude angebaut.

Die Abtei von Gellone

Die Benediktinerabtei machte Saint-Guilhem zu einem der größten geistigen und kulturellen Zentren des Languedoc. Ihr Gründer war ein Herzog von Aquitanien und Cousin Karls des Großen: Guilhem. Nachdem er die Sarazenen geschlagen und Barcelona eingenommen hatte, zog er sich von der Welt zurück. Im Tal des Verdus, seiner geistigen, mystischen Wüste (le désert), gründete er im Jahr 804 n. Chr. eine Abtei. Sie sollte die Autorität Karls des Großen im damaligen Septimanien festigen, dem einstigen Languedoc-Roussillon, das 2016 in der Region Occitanie aufgegangen ist.

Karl der Große schenkte der Abtei im Mittelalter das Fragment des „Wahren Kreuzes““. Diese Reliquie, auf französisch Vraie Croix, enthielt angeblich ein Stück jenes Kreuzes, an das Jesus genagelt worden war. Solche Fragmente wurden im Mittelalter hoch verehrt und galten als besonders heilig und machtvoll. Es übte daher eine große spirituelle Anziehungskraft auf die Pilger aus, die auf der legendären Via Tolosana, eines der vier französischen Hauptrouten des Jakobswegs, unterwegs waren.

Die Verehrung des Wahren Kreuzes begann nach der Auffindung des Kreuzes durch die Heilige Helena, Mutter Kaiser Konstantins, im frühen 4. Jahrhundert in Jerusalem. Über die Jahrhunderte wurden viele kleine Fragmente in ganz Europa verteilt, oft in Form von Splittern, die in Reliquiaren aufbewahrt wurden. Historisch ist nicht gesichert, dass diese Fragmente tatsächlich vom biblischen Kreuz stammen; ihr Wert lag vor allem auf der spirituellen und symbolischen Ebene.

Die heutige Abteikirche wurde im 11. Jahrhundert auf den Fundamenten der Abteikirche aus dem 9. Jahrhundert errichtet. In der Krypta ist noch der Tuffsteinchor der ursprünglichen Kirche mit seinen orientalisch inspirierten Bögen zu sehen. Trotz des dunklen Steins und der massiven Linien des Schiffs wirkt die Kirche dank ihres 18 Meter hohen Gewölbes ungewöhnlich leicht für einen romanischen Bau.

Der verkaufte Kreuzgang

Zwei Reliquien locken seit gut 1000 Jahren Pilger in Heerscharen an: die Gebeine des heiligen Guilhem und ein Fragment des Kreuzes Christi. Sie machten die Abtei auch zur Etappe auf dem Jakobsweg von Arles nach Santiago de Compostela.

Der romanische Kreuzgang des Klosters ist seit 1925 in New York im Mittelalter-Museum The Cloisters ausgestellt: verkauft nach Amerika, denn Dorf und Abtei befanden sich damals finanziell in einer mehr als miserablen Lage.

So konnte im Jahr 1906 der amerikanische Bildhauer und Kunstsammler George Grey Barnard den cloître mit seinen Kapitellen aus dem 12. Jahrhundert ersteigern – und dem Metropolitan Museum of Art in New York City schenken. 1938 wurde der Kreuzgang der Museumszweigstelle The Cloisters übergeben, die sich auf mittelalterliche Kunst und Architektur konzentriert.

Alten Gassen voller Düfte

Wasser ist allgegenwärtig im Dorf. 15 Brunnen sind in den Gassen und Durchgängen verstreut. In der Unterstadt überspannen einige Häuser, so auch das Rathaus, sogar den Verdus. Der Kalk- und Dolomitstein der Häuser schimmert in der Sonne wie Honig. Bei Regen lassen die Gassen die Härte des Lebens von einst ahnen.

Im Sommer legt sich der Duft von Jasmin über das Dorf, der über alte Mauern wallt und die Fassaden erobert hat. Dann wieder leuchten Oleanderbüsche in Rot und Rosa, rankt Wein die Wände empor, setzen Geranien leuchtende Farbtupfer.

In einem Haus erzählt das Musée d’Antan mit lebensgroßen Santons-Figuren das Leben und Arbeiten von einst. Auf der Place de la Liberté haben die Cafés ihre Sonnenschirme um die 1855 gepflanzte Platane aufgespannt. Auf dem Brunnen steht eine Marianne-Statue. Sie kehrt der Abtei den Rücken zu.

Die Schluchten des Hérault

Saint-Guilhem-le-Désert ist nicht nur ein Pilgerort für Katholiken, sondern auch das Tor zu einem der schönen Schluchten Südfrankreichs. Ihren Eingang markiert, nur wenige Kilometer südlich von Saint-Guilhem-le-Désert , die älteste romanische Brücke Frankreichs: der Pont du Diable. Zwischen 1028 und 1031 wurde er von den beiden Abteien Aniane und Gellone errichtet. Mit zwei großen, runden Hauptbögen und zwei „Kiemen“, die bei Hochwasser den Abfluss erleichtern sollten, klammert sich an die steilen Felsen des Hérault und markiert den Eingang zu der atemberaubenden Schlucht des Hérault.

In nächster Nähe setzten Rudy und Romain Ricciotti aus elf Tonnen Beton die Passerelle des Anges als Schaufenster auf die 50 Meter lange Teufelsbrücke daneben.

Die beiden Brücken über den Hérault. Foto: Hilke Maunder
Die beiden Brücken über den Hérault. Foto: Hilke Maunder

„Schwarzen Abgrund“ hieß ihr Standort einst. Heute geht es hier sehr heiter zu. Bungee-Jumper stürzen sich vom Balkon der Gorges de l’Hérault. Seine Ufer sind heute beliebte Badeplätze, und Freizeitpaddler starten im Kanu oder Kajak zu kurzen oder längeren Touren in die Schlucht, deren Fluten sich nach der Schneeschmelze in tosendes Wildwasser verwandeln.

Paddler auf dem Hérault bei der Teufelsbrücke. Foto: Hilke Maunder
Paddler auf dem Hérault bei der Teufelsbrücke. Foto: Hilke Maunder

Felswände fallen steil ins Wasser. Das Kanu oder Kajak einzusetzen, ist nur an wenigen ausgewiesenen Stellen möglich, die alljährlich zum Saisonbeginn Beamte auf Sicherheit und Sauberkeit kontrollieren.

In Saint-Guilhem-le-Désert könnt ihr dicht am Fluss der Départementsstraße D4 nach Saint-Martin-de-Londres folgen und immer wieder neue Ausblicke auf die Schluchten des Hérault genießen. Immer einsamer und grüner wird das Land – besonders nach der barrage de Bissaou, einer Staustufe samt Brücke mit Blick auf einen kleinen Wasserfall.

Hier setzen Kanuten gerne ihre Boote ein, gibt es doch einen grobkörnigen Sandstrand samt Parkplatz, der vor jedem Saisonbeginn gereinigt und gepflegt wird.

Der Hérault entspringt im Massif Central in der Nähe des Mont Aigoual auf einer Höhe von 1.565 Metern und mündet nach 158 Kilometern bei Agde ins Mittelmeer. Die wilden Schluchten, die er bei Saint-Guilhem-le-Désert in das Massif de la Séranne gegraben hat, sind bis heute ein einsames, weites Naturland, perfekt zum Wandern oder Klettern, Paddeln oder Plantschen – unzählige Naturbadestellen säumen den Fluss.

Saint-Guilhem-le-Désert: meine Reisetipps

Parken

Die preiswerteste Option, sein Gefährt zu parken, ist der Großparkplatz am Pont du Diable. Im Preis für das Tagesticket eingeschlossen ist der Shuttle nach Saint-Guilhem-le-Désert.

Die recht kleinen Parkplätze oben und unten am Ort sind rasch ausgebucht und teuer. Dort nur eine einzige Stunde zu halten, kostet mehr als das Tagesticket auf dem Großparkplatz. Falschparker werden rigoros abgeschleppt.

Schlemmen und genießen

Brasserie artisanale Làsarde

Von der Produktion bis zur Abfüllung könnt ihr die Mikro-Brauerei besichtigen und in der gemütlichen Atmosphäre von Bar und Patio ihre fünf Biere probieren: das helle Bier L’occitoise, das bernsteinfarbene Bier La source des moines (Die Quelle der Mönche), das blumige Weißbier La Làsarde sowie ein blondes Bier mit Hibiskus und ein New IPA.
• 20, rue du Bout du Monde, 34150 Saint-Guilhem-le-Désert, Tel. mobil 06 60 09 03 61, www.facebook.com/Lasarde34

Hier könnt ihr schlafen*

 

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Im Blog

Alle schönsten Dörfer findet ihr in dieser Kategorie, noch mehr zum Hérault in dieser Kategorie.

Im Buch

Hilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien abseits Geheimtipps

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es beginnt in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre Kultur, Sprache und Küche pflegt.

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