Saint-Jean-Pied-de-Port. Foto: Hilke Maunder
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St-Jean-Pied-de-Port: Juwel am Jakobsweg

Letzte Station vor Spanien. In Saint-Jean-Pied-de-Port endet die französische Zubringerroute Via Podiensis. Und beginnt der bekannteste Jakobsweg. Der Namenszusatz erklärt, was die Pilger erwartet: Pied de Port heißt „am Fuße des Passes“.

Der Camino Francés führt von hier 25 Kilometer weit über den Kamm der Pyrenäen bis ins spanische Roncesvalles. Die Pilger folgen dabei auch den Spuren von Karl dem Großen. Im Jahr 778 hatte er über den Ibañeta-Pass (Puerto de Ibañeta bzw. Col de Roncevaux) auf 1.057 Meter Höhe bei seinem Feldzug Spanien erreicht. Kälter als dort droben auf der Passhöhe wird es auf dem gesamten Jakobsweg nicht.

Saint-Jean-Pied-de-Port. Türschmuck: die Jakobsmuschel. Foto: Hilke Maunder
Türschmuck: die Jakobsmuschel. Foto: Hilke Maunder

Ein Zehntel aller Pilger starten heute so in der ehemaligen Hauptstadt der Basse-Navarre ihren 730 Kilometer langen Weg nach Santiago de Compostela. Fast 60.000 Menschen sind es jedes Jahr.

Saint-Jean-Pied-de-Port_Refuge Municipal. Foto: Hilke Maunder
Hier gibt es ein Bett für Pilger auf dem Jakobsweg, verrät das blau-gelbe Muschelsymbol des Refuge Municipal. Foto: Hilke Maunder

Pilger-Mekka am Jakobsweg

Das hat Spuren in der Stadt hinterlassen. In roten Sandstein gehauene Jakobsmuscheln zieren Portale und Giebel, Friese und Fensterstürze. Gelb und blau markiert die Muschel der Pilger-Herbergen, die bereits ab zehn Euro eine einfache Unterkunft im Schlafsaal gewähren.

Saint-Jean-Pied-de-Port_Refuge Municipal. Foto: Hilke Maunder
10 Euro für Frühstück, Bett und WLAN – das Pilger-Angebot im Refuge Municipal. Foto: Hilke Maunder

„Doppelt so teuer wie der Schlafsaal im Augustinerkloster von Roncesvalles“, sagt ein Mann plötzlich neben mir, der bemerkt hatte, wie ich den Aushang der städtischen Pilgerherberge von Saint-Jean-Pied-de-Port studiere. „Doch da ist man mit 100 Leute in einem Saal. Die Schnarcherei konnte ich gestern erleben – hier wird’s hoffentlich ruhiger.“ An der Hauswand der Herberge lüften Wanderstiefel neben Turnschuhen. Drinnen werden Erinnerungen an Jugendherbergen wach: Geschlafen wird in Etagenbetten, erzählt und gegessen im Aufenthaltsraum.

Maria hat sich Bindfäden durch die Blasen gezogen, Marie-Sophie ihre Knöchel bandagiert, Beatrice die Sohlen ihrer Turnschuhe mit Plastikkleber für die nächste Etappe repariert. Stolz zeigt das Trio ihr Heft mit den Stempeln der Pilgerstationen vor.

Saint-Jean-Port-de-Pied: Pilgerunterkunft am Jakobsweg. Foto: Hilke Maunder
Pilgerunterkunft am Jakobsweg. Foto: Hilke Maunder

Wege zum Jakobusgrab

Donibane Garazi, wie die Basken das 1800-Einwohner-Städtchen nennen, ist diesmal Start ihrer zweiten Tour auf dem Jakobsweg. 2004 waren sie bereits entlang der asturisch-galizischen Küste nach Santiago de Compostela gewandert. Die älteste Route der Wallfahrt heißt heute der Englische Weg. Erst im 11. und 12. Jahrhundert förderten die spanischen Monarchen den Camino Francés als Hauptroute.

Er ist heute die beliebteste Pilgerroute. Und verwandelt Saint-Jean-Port-de-Pied von Ostern bis Oktober in ein unglaublich betriebsames Städtchen. Auch wer nicht pilgert, hat den Ort meist als Pflichtstopp auf seiner Entdeckungsreise durch das Baskenland fest eingeplant.

Saint-Jean-Pied-de-Port. Élise Sainte-Marie. Foto: Hilke Maunder
Das Innere der Kirche Notre-Dame-du-Boût-du-Pont. Foto: Hilke Maunder

Eines der schönsten Dörfer Frankreichs

Sein geschlossenes Stadtbild mit den mittelalterlichen Gassen rund um die Kirche Notre-Dame-du-Boût-du Pont, deren Glockenturm zugleich Stadttor an der Brücke über die Nive de Béréhobie ist, machen Saint-Jean-Pied-de-Port zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs. 2015 wurde es als 154. Mitglied in die prestigeträchtige Vereinigung aufgenommen.

Saint-Jean-Pied-de-Port: Der Kirchturm sichert als Teil der Stadtmauer den Zugang über die Brücke der NIve. Foto: Hilke Maunder
Der Kirchturm sichert als Teil der Stadtmauer den Zugang über die Brücke der Nive. Foto: Hilke Maunder

Nicht verpassen solltet ihr auch den Wochenmarkt unter der hölzernen, halboffenen Markthalle. Dort könnt ihr die besten Produkte der Unteren Navarra kosten und kaufen. Für den besten Überblick über Saint-Jean-Pied-de-Port, das längst mit seinen beiden Nachbardörfern verschmolzen ist, solltet ihr der Rue de la Citadelle hinauf zur Zitadelle folgen.

Die städtische Pilgerherberge von Saint-Jean-Pied-de-Port am Aufgang zur Zitadelle. Foto: Hilke Maunder
Die städtische Pilgerherberge von Saint-Jean-Pied-de-Port am Aufgang zur Zitadelle. Foto: Hilke Maunder

Der Kerker der Kirche

Dabei kommt ihr auch am Prison des Évèques vorbei. Ob das düstere Gewölbe von Hausnummer 41 einst zur Bischofszeit wirklich ein Kerker war – oder erst später – weiß heute niemand mehr. Umso eindrucksvoller ist die Ausstellung zum Jakobsweg: Neben den Bildern baumeln noch die Kerkerketten an der Wand.

Die Zitadell von Saint-Jean-Pied-du-Port. Foto: Hilke Maunder
Die Zitadelle von Saint-Jean-Pied-de-Port. Foto: Hilke Maunder

Die Zitadelle trägt deutlich Vaubans Handschrift. Er hatte den Festungsbau von 1630 im Jahr 1680 vollständig erneuert und verstärkt. Heute birgt der Bau eine Schule. Doch der Weitblick von dort oben lohnt den Aufstieg über Rampe.

Saint-Jean-Pied-de-Port aus der Vogelperspektive. Foto: Hilke Maunder
Saint-Jean-Pied-de-Port aus der Vogelperspektive. Foto: Hilke Maunder

Weitblick von der Wehrmauer

Beim Rückweg kommt ihr am Hinweisschild zum Chemin de la Ronde vorbei. Die Runde auf der Wehrmauer lohnt sich! Sie eröffnet nicht nur weitere Ausblicke auf die Stadt und ihr Tal, sondern auch in Gärten und Hinterhöfe. Baskisches Leben hautnah!

Saint-Jean-Pied-de-Port: Das milde Klima lässt sogar Bananenstauden im Schatten der Wehrmauer wachsen. Foto: Hilke Maunder
Das milde Klima lässt sogar Bananenstauden im Schatten der Wehrmauer wachsen. Foto: Hilke Maunder

Wer beim Bummel durch die alten Gassen der Rue d’Espagne gen Süden folgt, kommt an zwei Handwerksbetrieben vorbei, die abseits des touristischen Trubels wie einst arbeiten. In der Poterie Navarrais führt Olivier Carriquiry die Keramiktradition seines Vaters fort und brennt seine Tonarbeiten bei 1300 °Celsius im Ofen.

Rot-Weiß-Grün: die Farben der Basken in den Gassen von Saint-Jean-Pied-de-Port. Foto: Hilke Maunder
Rot-Weiß-Grün: die Farben der Basken in den Gassen von Saint-Jean-Pied-de-Port. Foto: Hilke Maunder

Die Espadrilles-Näherin

Wenige Schritte weiter hat Albertine Arangoïs in ihrem Werkstattladen in Hausnummer 42 mehr als 30 Jahre lang Espadrilles handgenäht, wie es ihre Mutter dereinst in der Espadrilles-Fabrik von Mauléon getan hatte. 2000 Espadrilles, Jahr für Jahr. Bunt, gestreift, uni. Größe 23 bis Größe 46.

In Saint-Jean-Pied-de-Port näht Patrice die Espadrilles noch von Hand. Foto: Hilke Maunder
Wie die Mutter, so die Tochter: Patricia näht die Espadrilles noch von Hand. Foto: Hilke Maunder

Inzwischen hat Albertines Tochter Patricia den Betrieb übernommen. Sie ist die letzte Näherin von Espadrilles im Städtchen. Was sonst als solche dort verkauft wird, ist Fabrikware für einen Sommer. Handgenäht halten die Schuhe mehrere Jahre.

Saint-Jean-Pied-de-Port: die norwegische Naht der Espadrilles. Foto: Hilke Maunder
Die norwegische Naht der Espadrilles – Metall schützt die Hände beim Druck durch die Sohle. Foto: Hilke Maunder

Dafür sorgt die „norwegische Naht“, die nach dem Kleben die Natursohle mit dem Oberstoff aus Leinen oder Baumwolle verbindet und auf Wunsch mit Zierstickerei geschmückt wird. Nach einem Entwurf macht dies die Nähmaschine vollautomatisch.

Saint-Jean-Pied-de-Port. Reine Handarbeit: les Espadrilles d'Albertine. Foto: Hilke Maunder
Zwei Nähmaschinen, zwei Hände, eine Frau: die letzte Werkstatt von Saint-Jean, in der die Sommerschuhe noch handgenäht werden. Foto; Hilke Maunder

Die Spitze der Espadrilles verstärkt Madame mit drei Fadenreihen, die erst zum Abschluss mit dem Stoff verbunden werden. „So können sich die Zehen nicht durch den Stoff bohren“, lacht sie. Und beginnt, den nächsten Schuh zu nähen.

Die verstärkte Spitze der Espadrille. Foto: Hilke Maunder
Die verstärkte Spitze der Espadrille. Foto: Hilke Maunder

Ihn ziert eine Jakobsmuschel. Eine junge Baskin will mit solchen Espadrilles wandern. Angst vor Blasen hat sie nicht.

„Die Espadrilles sind unsere traditionellen Alltagsschuhe. Mit denen wurde früher am Berg sogar das Holz geschlagen. Da werde ich es doch wohl bis Santiago schaffen!“

Ein kurzer Spazierweg führt zum Pont Romain, der Römerbrücke über die Nive. Foto: Hilke Maunder
Ein kurzer Spazierweg führt zum Pont Romain, einer alten Steinbrücke über die Nive. Foto: Hilke Maunder

Saint-Jean-Pied-de-Port: meine Reisetipps

Schlemmen

Paxkal Oillarburu

Gabure, Lammbris mit Chorizo-Wurst, Kohlsuppe, Forellen aus dem Iraty-Fluss: Die Küche des kleinen, einfachen Terrassenrestaurants ist tief in der Region verwurzelt. Jakobspilger schmausen gerne hier – und freuen sich über die für Frankreich ungewohnt großen Portionen.
• 8, Rue de l’Église, 64220 Saint-Jean-Pied-de-Port, Tel. 05 59 37 06 44

Cidrerie Aldakurria

Nicht prickelnd wie der Cidre der Normandie oder Bretagne, sondern still wie hessischer Apfelwein kommt hier der Cidre in den Krug – ein erfrischender Genuss zum Rindersteak oder der Lammkeule vom Grill. Gruppen können im hofeigenen Gîte übernachten.
• Sagarnotegia, 64220 Lasse, Tel. 06 70 94 60 57, www.facebook.com

Hier könnt ihr schlafen*
Booking.com

Es lohnt sich, die baskischen Fassaden von Saint-Jean-Pied-de-Port genauer zu betrachten. Foto: Hilke Maunder
Es lohnt sich, die baskischen Fassaden von Saint-Jean-Pied-de-Port genauer zu betrachten. Foto: Hilke Maunder

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Weiterlesen

Im Blog

Die Jakobswege in Frankreich habe ich hier vorgestellt.

Mehr zum Baskenland findet ihr hier.

Im Buch

Reiseführer Südwestfrankreich*

Der freie Reisejournalist Marcus X. Schmid hat für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, den besten Reisebegleiter verfasst: sachlich, mit viel Hintergrund, Insiderwissen und Tipps, und dennoch sehr unterhaltsam und humorvoll.

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Offenlegung

Ich entdeckte das französische Baskenland auf Einladung auf einer individuellen Pressereise der Agence d’attractivité et de Développement Touristiques Béarn Pays Basque. Vor Ort unterstützten mich kundige wie herzliche Mitarbeiter der Offices de Tourisme, Geschäfte, Hotels und Restaurants. Ihnen allen sage ich merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

Der Blick auf Saint-Jean-Pied-de-Port von der Rampe zur Zitadelle. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf Saint-Jean-Pied-de-Port von der Rampe zur Zitadelle. Foto: Hilke Maunder

4 Kommentare

  1. Wir sind gerade zurück aus dem Baskenland. Wir waren in Ciboure, dem kleinen, feinen Nachbarort von St Jean de Luz… Viel zu schnell vorbei, viel zu wenig gesehen, und doch ist diese Region so herrlich und Unfranzösisch, wie uns ein netter Kellner aus Sare erzählte… Wir waren auch in Pamplona in der Katedrale und haben viele Pilger gesehen. Und plötzlich war sie da, die Lust… Und jetzt lese ich Deinen Blog, und ich fühle mich, als müsste ich morgen aufbrechen… Danke!

  2. Nachdem wir auf unseren Frankreichreisen immer wieder Tips aus dem Blog getestet haben, sind wir im Pilgerort auch an die handgenähten Espandrillas gekommen. Ganz einfach zu finden. Fußgängerzone rein, gerade hoch, dann rechts. Ich habe die Näherin sofort vom Foto erkannt. Habe ihr den Artikel gezeigt und sie hat sich gefreut! Ich freue mich auch, denn dort ist wirklich ein Schuhparadies. Riesenauswahl zu günstigen Preisen. Viel empfehlenswerter als zum Beispiel in St. Jean de Lux. Auch die Anfahrt zu diesem Dorf ist sehenswert. Durch die Berge rauf und runter.

    1. Hach, das freut mich, liebe Ute! Saint-Jean-de-Luz ist das kleine Paris des Baskenlandes…. preistechnisch. Schöne Zeit im Pays Basque! Hilke

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