La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Perpignan: La Sanch – die Oster-Prozession

La Sanch (sprich: Ssantsch): Blutrot und goldgelb zieren Banner in den Farben Kataloniens die Fassaden. Klagelieder erklingen aus den Lautsprechern. An Häuserwänden und Strommasten, Laternenpfählen und Fassaden sind sie in den Gassen der Altstadt befestigt.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Schweigend trägt eine Prozession von Männern mit schwarzen und roten Kapuzen, dunkel gekleideten Frauen mit einem mantille-Tuch auf dem Haar, betenden Jungen und Mädchen die Figuren der Passionsgeschichte drei Stunden lang durch die Straßen von Perpignan.

Die Procession de la Sanch am Karfreitag bildet seit 600 Jahren den Auftakt der Osterfeierlichkeiten in der Hauptstadt des Roussillon. Sie beginnt alljährlich um 15 Uhr vor der Église Saint-Jacques. Doch schon Tage vorher sind die Frauen und Männer mit den Vorbereitungen beschäftigt.

Foto: Hilke Maunder

La Sanch: größte Passionsparade des Pays Catalan

Zurückzuführen ist die größte Prozession des Pays Catalan auf Vincent Ferrier, der 1350 in Valencia geboren wurde. Wie einst Jesus, wurde auch der Dominikanerpater auf seinen Reisen stets von Tausenden Anhängern begleitet.

Überall, wo der Heilige auftauchte, bildeten sich große Prozessionen. Als Zeichen ihrer Buße und Demut trugen die Gläubigen nur dunkle Kleidungsstücke.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Angeführt wurde ihr Büßermarsch von einem Mann, der unter einer roten Kappe versteckt war und eine Eisenglocke schwang. Als regidor bestimmt dieser caparutxa genannte Büßer mit seiner Glocke bis heute den bedächtigen Trauermarsch am Todestag Jesu.

Lebendig seit 600 Jahren

Bewahrt und lebendig gehalten wird das Erbe der Passionsmärsche in Perpignan von der Archiconfrérie de la Sanch. Am 11. Oktober 1416 gründete sie sich in der Saint-Jacques-Kirche von Perpignan.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Heute erhebt sich ihr Backsteinbau über Häusern der Zigeuner und Muslime, die heute in den Stadtvierteln Saint-Jacques und Saint-Mathieu leben. Auf Holzstühlen und Fensterrahmen hockend, beobachten sie den Umzug, und hören drei Stunden lang sakrale katholische Musik statt Maghreb-Pop.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Das Blut der Buße

La Sanch ist katalanisch und bedeutet das Blut. Blutsbruderschaften gibt es, ähnlich wie in Spanien, im Pays Catalan noch zahlreich. Einst begleiteten sie die Gefangenen und zum Tode Verurteilten bis zum Folterpfahl zum schaurigen Klang von Kirchenliedern, wie dem Miserere des Pendus. In der Masse der Büßermasken wurde so der eigentliche Täter versteckt.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Von 1777 bis 1949 war die Tradition begraben. Erst   1950 wurde sie neu belebt. Einst fanden die Prozessionen nachts statt. So könnt ihr sie heute noch in Collioure und Arles-sur-Tech erleben.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder

Misteri & Goigs

Neben den mit schwarzem Krepp verkleideten Trommeln gehören zu jeder Prozession die Misteri und die Goigs. Die misteri (Mysterien) zeigen die einzelnen Szenen der Passion in Lebensgröße. Sie wiegen rund 250 Kilogramm. Nur Männer können sie tragen.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Steht die Prozession, können sie ihre schwere Last auf ihre Gabelstöcke absetzen. Mit Jesus, der sein Kreuz trägt, und schließlich an sein Kreuz genagelt ist, endet der Marsch.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Prunkvollstes Element der Prozession ist jedoch der fromme Christus auf seinem Bett vor der Cathédrale Jean-Baptiste. Hier hält traditionell der Bischof von Perpignan eine Ansprache.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Kirchenlieder in den Gassen

Bereits früh morgens, während in der Kirche die Gemeinde die misteri noch mit Rosen in Rot, Rosa, Weiß und Gelb schmückt, erschallen in den Gassen die goigs. Diese traditionellen Kirchenlieder berichten von der Leidensgeschichte Marias.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder
La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Sie wird auch auf kleineren und leichteren misteri dargestellt, die traditionell schwarz gekleidete Frauen tragen. Die Sänger und Sängerinnen halten hier und da Körbe und erbitten Eier und Blutwurst, die die Hauptbestandteile des Ostermahles bilden.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Während der Prozession wird heute zwischen den Gesängen der Hintergrund der Prozession erläutert. Denn sie lockt heute nicht nur Gläubige, sondern auch Tausende Besucher am Karfreitag nach Perpignan.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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In der heiligen Woche stehen zahlreiche weitere Events mit Kirche, Kunst und Kinderspaß auf dem Programm. Doch La Sanch ist der Höhepunkt: archaisch und mitunter Angst einflößend, mysteriös, unglaublich berührend, einfach magisch.

La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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La Sanch: meine Infos

Oster-Prozessionen

In den Pyrénées-Orientales

Karfreitagsprozessionen gibt es auch in Collioure, Arles-sur-Tech, Bouleternère und Elne. Am Ostersonntag folgen Prozessionen der Sanch in Céret und Ille-sur-Têt.

Auf Korsika

  • Erbalunga: Am Karfreitag beginnt als erste Prozession um 7 Uhr früh La Cerca, die 7 Kilometer lange „Suche“. Sie beginnt der Kirche Saint-Erasme und führt nach der Runde entlang der Kapellen ringsum wieder zurück in das Dorf am Cap Corse.
  • Bonifacio: Prozession der fünf städtischen Bruderschaften
  • Calvi: Büßerprozession in Calvi02
  • Corte: Kerzenprozession
  •  Sartène: abendliche Büßerprozession U Catenacciu in Sartène. Dort lebt das Mittelalter wieder auf, wenn der „Große Büßer“ ein 32 kg schweres Kreuz durch die Altstadt tragen muss.
La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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Foto: Hilke Maunder
La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
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La Sanch, die große Karfreitagsprozession von Perpignan. Foto: Hilke Maunder
Diese Dame trägt die traditionelle Tracht von Perpignan – auch Granatschmuck gehört dazu. Foto: Hilke Maunder
La Sanch. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

4 Kommentare

  1. Sehr geehrte Frau Maunder,
    ich wünsche Ihnen von Herzen frohe und gesegnete Ostern!
    Ich lese seit Jahren sehr interessiert Ihre Newsletter, weil Frankreich für meine Frau und mich das Lieblingsland für unsere Cabrio-Urlaubsreisen ist.
    Herzliche Grüße aus Soest
    Karl Duling

    1. Sehr geehrter Herr Duling, ganz herzlichen Dank für Ihre lieben Ostergrüße! Ich wünsche Ihnen noch viele erlebnisreiche Cabriotouren in Frankreich – mit offenem Dach durch das Land zu reisen, einfach herrlich! Joyeuses Pâques! Hilke Maunder

  2. Liebe Hilke,
    vielen Dank für diesen ausführlichen und wie immer auch sehr informativen Bericht. Die abendliche Prozession in Collioure durfte ich schon mehrfach erleben. Ein mystisch und zugleich beeindruckender Zug, dem immer Massen von Zuschauern beiwohnen. In diesem Jahr fällt auch dieser, wie all so Vieles, Corona zum Opfer.

    Ihnen wünsche ich ein schönes Osterfest. Machen Sie das Beste daraus und bleiben Sie bitte gesund !

    Liebe Grüße

    Elisabeth Kretschmar

    1. Liebe Frau Kretschmar, die abendliche Prozession in Collioure will ich schon seit Jahren besuchen. Nie hatte es wegen beruflicher Termine gepasst. Und nun, in dem Jahr, wo es ginge, das Virus… schade. Ich wünsche Ihnen denncoh: Joyeuse Pâques! Und bleiben Sue gesund! Des bises, Hilke

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