Alte Tomatensorten. Foto: Hilke Maunder
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Slow Food erleben in der Provence

Wo Wein und Oliven, Lavendel und köstliche Käse ihre Heimat haben, sind auch Slow Food und Bio-Landbau tief verwurzelt: in der Provence.

Bereits 1996 hatten sich einige Bio-Landwirte aus dem Norden des Departements Bouches-du-Rhône entschlossen, eine Genossenschaft zu gründen. Das Ziel: dem Verbraucher Qualität und Transparenz anzubieten. Das war die Geburtsstunde der Erzeugergruppe Verte Provence.

Verte Provence : grüner Genuss

Der Gemeinschaft gehören heute rund 20 Erzeuger an. Sie vertreten die drei Hauptproduktionszweige der Region. Neben Obstbaum-Kulturen mit Äpfeln, Birnen, Aprikosen und anderen Früchten und dem Freilandanbau von Salat gehört als drittes Standbein der Landbau unter Tunnel von Tomaten, Melonen, Erdbeeren und anderen empfindlichen Arten dazu.

Der Gemeinschaft hat in den letzten 20 Jahren Wissen und Maschinen ausgetauscht. Und eine gemeinsame Marke entwickelt, die heute über Frankreichs Grenzen hinaus bekannt ist.

Anbau, Ernte und Verarbeitung sowie die Zucht der Setzlinge konzentriert sich in einem Umkreis von 30 Kilometern rund um Châteaurenarde-de-Provence, einer Gemeinde mit rund 15.000 Einwohnern.

Gemüse ganz lokal

Folgt einmal dem Stadtführer hinauf auf einen Hügel, von dem aus einst das Tal der Durance überwacht wurde. Unter euch erstreckt sich ein fruchtbares Tal, das die Ebenen des Comtat Venaissin und das Urstromtal der Rhône bei Avignon ankündigt.

Dieser Überfluss an Wasser und der Schlamm der Durance, die früher regelmäßig über die Ufer trat, beschertem dem Tal unglaublich reiche Böden – und machten es zu einer der wichtigsten Gemüseanbauregionen Frankreichs. Im Museum für landwirtschaftliche Geräte und Traditionen könnt ihr von April bis September tiefer eintauchen in die Geschichte der Gemüse-Hochburg. Der Eintritt ist kostenlos.

Gemüsenanbau im Rhône-Tal. Foto: Hilke Maunder
Gemüsenanbau im Rhône-Tal. Foto: Hilke Maunder

Verte Provence setzt dieses Erbe mit neuen Ansätzen fort. Wichtig ist ihren Landwirten nicht nur die Vernetzung untereinander, sondern auch die regionale Partnerschaft mit umliegenden Betrieben. Auch, wenn sie noch klassisch und konventionell arbeiten.

Einer der Mitbegründer von Verte Provence war Jean-Michel Bachelard. Bereits 2011 eröffnete er einen Bio-Krämerladen in Châteaurenarde-de-Provence.  Der Landwirt, der auf zwei Hektar Land unter Folie Auberginen und anderes Gemüse züchtet, betont immer wieder, wie wichtig die Verbundenheit untereinander sei. Transparenz, Gemeinschaft und Respekt für die Erde, sieht er als tragende Säulen der Gemeinschaft.

Gemeinsam engagiert

Verte Provence, das ist eine Gruppe von Freunden“, sagt daher auch Roland Tourre. Seit 1979 bewirtschaftet er mit seiner Frau den Hof La Césarde in Châteauneuf-de-Bordette in der Haute Provence. 1985 begann er die erste Umstellung auf Bio mit den Oliven. 1992 war der Hof komplett umgestellt auf grünen Landbau – damals eine Pioniertat!

Es sind solche kleinen Familienbetriebe, die sich in dieser Erzeugergemeinschaft zusammengeschlossen haben. „Wir denken in erster Linie daran, Menschen zu ernähren, und nicht, ein Produkt zu verkaufen“, erzählt mir auch Annelyse Lacroix. Mit ihrem Mann Max züchtet sie auf 13 Hektar Land Salat und Kürbis.

Beratung, Infos für die Besucher und mitunter geradezu missionarische Aufklärungsarbeit gehören für viele Erzeuger im Zeichen von Slow Food mit zur tagtäglichen Arbeit. Andere Engagierte haben sich ganz und gar auf die Vermittlungsarbeit konzentriert.

Aubergine mit Blüte und Frucht. Foto: Hilke Maunder
Aubergine mit Blüte und Frucht. Foto: Hilke Maunder

Die Abenteurer des Geschmacks

Les Aventurières du Goût, die Abenteuerinnen des Geschmacks, nennen sich zwei Frauen, die in Brantes beim Mont-Bentoux mit originellen Lehr(spazier)gänge für eine wohlschmeckende wie außergewöhnliche Bioküche sensibilisieren möchten. Ihre unterhaltsamen Kurse beginnen mit einem Spaziergang auf der Suche nach essbaren Wildpflanzen. Dabei hilft die Ethnobotanikerin Jacqueline. Die frisch geernteten Kräuter und essbaren Blumen dienen dann als Grundlage für den Kochlehrgang.
• 84390 Brantes, Tel. 04 75 28 86 77, monil 06 61 71, https://lesaventurieresdugout.org

Les Jardins d’Elisabeth

Elisabeth Frick, Wildkräutersammlerin aus Lauris, Foto: Hilke Maunder
Elisabeth Frick, Wildkräutersammlerin aus Lauris. Foto: Hilke Maunder

Sie hatten einen Traum, den viele hegten. Und machten ihn wahr: 1999 zog Elisabeth Fink mit ihrem Mann nach Lauris in den Luberon. Seit seiner Jugend hatte ihr Mann, ein Kunsterzieher im Ruhestand, davon geträumt, als Töpfer dort zu leben und zu arbeiten.

Vier Jahre alt war damals die Tochter, als die Bayerin aus Grafing ihrem Mann folgte und dort den Neuanfang wagte. Viele Jahre töpferten sie gemeinsam. Nach dem Tod ihres Mannes wagte sie wieder einen Neuanfang. Seitdem zieht sie  mit ihrer französischen Freundin Lisette und Nino, einem Braque de l’Ariège-Hund, hinaus in die Natur, um Wildkräuter zu sammeln.

Löwenzahn (pissenlit), Hirtentäschel (bourse à pasteur) und Gänseblümchen (pâquerettes) wandern in ihren Flechtkorb. Wilder Chicorée (chicorée), Rauke (roquette), Gänsedistel (laiteron) und Reichardia picroides (cousteline) gesellen sich dazu. Dann entdeckt sie den Vorläufer vom Kopfsalat: wilden Lattich (laitu Saint-Joseph).

Wenig weiter findet Elisabeth, die Gäste mit auf ihre Touren nimmt, den anderenorts vom Aussterben bedrohten Venusnabel (nombril de vénus). Dazu noch ein paar junge, zarte Triebe des Leimkrauts (silène enflé) oder ein paar Blätter vom Kleinen Wiesenknopf (pimprenelle): Fertig ist der Wildsalat aus dem Luberon!
• 95, Avenue de la Gare, Lauris, Tel. 06 51 15 94 12, www.facebook.com/elisabethFinkLauris

Der Kräuterkorb von Elisabeth nach einer kleinen Runde in der Natur. Foto: Hilke Maunder
Der Kräuterkorb von Elisabeth nach einer kleinen Runde in der Natur. Foto: Hilke Maunder

Der Garten des Neugierigen

Jean-Luc Daneyrolles wiederum ist neugierig auf vergessene Gemüsesorten. In seinem Potager d’un Curieux (Garten eines Neugierigen) in Saignon am Fuße des Luberon zieht er seit mehr als 30 Jahren nicht nur alte und vergessene Gemüsepflanzen, sondern produziert auch Samen, mit denen experimentierfreudige Gärtner das Aussterben der alten Sorten verhindern können.
• La Moliere, Saignon, Tel.  04 90 74 00 53, https://lepotagerduncurieux.fr

Sterneköche für Slow Food

Auch Spitzenköche unterstützen diese Food-Trends. Nadia Sammut, Tochter der Spitzenköchin Reine Sammut von der Auberge La Fenière, verrät in Kochkursen, wie gut sich antiallergene Küche mit Haute Cuisine verbinden lässt. Für sie ist das Kochen eine hochpolitische Angelegenheit.

„Wenn man mit dem TGV durch Frankreich reist, sieht man deutlich, wie sehr die Agro- und Ernährungsindustrie uns im Griff hält. Dreimal am Tag, bei jeder Mahlzeit, entscheiden wir, ob das so bleibt. Oder wir andere Formen des Essens, Lebens, Sein haben wollen“. Ihr Vision: eine Cuisine Libre, die solidarisch und authentisch ist, frei von Zwängen, kreativ wie köstlich. Mehr dazu findet ihr hier.

Frei und ungebunden - die Küche von Nadia Sammut. Neugierig? Dann klickt aufs Foto! Copyright: Nadia Sammut.
Frei und ungebunden – die Küche von Nadia Sammut. Copyright: Nadia Sammut.

Le Conservatoire Grand Sud des Cuisines

In der Camargue engagiert sich Frédéric Lacave, seit mehr als 20 Jahren Küchenchef des Hôtel-Restaurants Le Flamand Rose von Albarion, gemeinsam mit mehr als 50 Gastronomen und Erzeugern für eine echte, authentische Küche, die tief verwurzelt ist in den Traditionen und dem Terroir des Landstrichs.

Gemeinsam haben sie dazu bereits 2001 Le Conservatoire Grand Sud des Cuisines gegründet. Auch Sternekoch Armand Arnal von La Chassagnette im Süden von Arles gehört zum Verband, dem Roger Merlin von La Cusine de Provence vorsteht.

Frédéric Lacave. Foto: Hilke Maunder
Frédéric Lacave. Foto: Hilke Maunder

Slow Food in der Provence: die Infos

Le Potager d’un Curieux

•  La Molière, 84400 Saignon, Tel. 04 90 74 44 68, www.facebook.comhttps://lepotagerduncurieux.wordpress.com

Auberge La Fenière

• 1680, Route de Lourmarin (D943), 84160 Cadenet, Tel. 04 90 68 11 79,  www.aubergelafeniere.com

Distillerie Aroma’plantes

Magali und Guillaume Liardet sind seit 1978Züchter und Destillateure von aromatischen und medizinischen Pflanzen im ökologischen Landbau. Das Paar vermarktet seine Bio-Produkte ausschließlich von ihrem Bauernhof in der Haute Provence. Dort stellen sie feste und flüssige Seifen durch Kaltverseifung und Naturkosmetik für ihre Hausmarke COSMESSENCES her.
• Route du Mont Ventoux, 84390 Sault, Tel. 04 90 64 14 73, www.distillerie-aromaplantes.com

Festivals

• Plantes Rares et Jardin Naturel, Serignan du Comtat, April
Fête de la Biodiversité, Sarrians, August
Festival Ventoux Saveurs Nature, Sept.

Lavendel und Mohn ... in Ferrassières. Foto: Hilke Maunder
Lavendel und Mohn in Ferrassières. Foto: Hilke Maunder

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Zur Einstimmung: DuMont Bildatlas Provence*

DuMont Bildatlas Provence 2021In meinem DuMont-Bildatlas „Provence“* stelle ich in sechs Kapiteln zwischen Arles und Sisteron die vielen Facetten der Provence vor. Ihr erfahrt etwas vom jungen Flair zu Füßen des Malerberges, vom Weltstadttrubel an der Malerküste, dem weißen Gold aus der Pfanne oder einer Bergwelt voller Falten.

Neben Aktivtipps, Hintergrund und Themenseiten gibt es in der Edition 2021 zwei neue Rubriken. “Ja, natürlich” präsentiert zahlreiche Tipps für nachhaltige Erlebnisse und Momente. In “Urlaub erinnern” stelle ich Andenken, Eindrücke und Erinnerungen vor, mit denen der Urlaub daheim noch weiter lebendig bleibt. Hinzu kommen Serviceseiten mit allen Infos, persönlichen Tipps und großer Reisekarte. Wer mag, kann den Band hier* direkt bestellen.

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Die poule au pot ist eine der 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe, besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

Gemeinsam mit dem Fotografen Thomas Müller reiste ich wochenlang durch meine Wahlheimat und machte mich auf die Suche nach den besten Rezepten und typischsten Spezialitäten der südfranzösischen Küche. Vereint sind sie auf den 224 Seiten meines Reise-Kochbuchs Le Midi.

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