Train des Merveilles: Im HInterland von NIzza hängen die Dörfer an den Hängen der Berge – Ackerbau ist hier nur auf Terrassen möglich. Foto: Hilke Maunder

Ausflugstipp: der Train des Merveilles

Zu den berühmtesten Ausflugszügen Frankreich auf regulären Bahnstrecken der SNCF gehört der Train des Merveilles im Hinterland von Nizza.

Dort haben sich die Flüsse Paillon, Bévéra und Roya tief in den Fels gefräst und eine spektakuläre Landschaft geschaffen, in denen uralte Dörfer auf hohen Kämmen und Spitzen wie Adlerhorste hocken, eingebettet in ein sattes Grün. Mitten hindurch saust ein legendärer Zug: der Train des Merveilles.

Eine technische Meisterleistung

„Zug der Wunder“ nennt sich diese Linie, und der Name ist verdient. Der 1883 begonnene Bau der Eisenbahnlinie von Nizza ins italienische Cuneo war eine gigantische Herausforderung. 100 Brücken, Viadukte und Stützmauern wurden in die Berge gebaut. Die Tunnel erhielten die Form von Wendelschleifen.

So konnten die Züge unabhängig von Schnee oder Steinschlag im Innern des Berges an Höhe gewinnen. 1928 wurde die Eisenbahnstrecke eingeweiht, die seitdem als eine der schönsten der Welt gilt. Sieben Dörfer, sechs Haltestellen: Alle verdienen, auszusteigen und bis zum nächsten Zug ein wenig zu spazieren und die Panoramablicke auf die südlichen Seealpen zu genießen.

Abfahrt für den Zug der Wunder

Ohne Kurverei auf engen Straßen bringt euch der Train des Merveilles in die Berge. Seit 1928 verbindet in gut zwei Stunden Nizza mit Tende. Holt euch eine Tageskarte! Dann könnt ihr unterwegs jederzeit Pausen einzulegen. Genießt bei der Bahnfahrt die herrlichen Aussichten auf die Landschaft mit Adlernestern, die auf Bergkämmen hocken, tief unten das Meer. Von Mai bis Oktober kommentieren Guides auf Englisch und Französisch die Fahrtstrecke!

Peille – der Balkon

Malerisch an einem Berghang der Seealpen klebt Peille. Durch seine isolierte Lage war es lange abgeschottet. So konnte sich im Dorf sogar ein eigener Dialekt entwickelt: Pelhasc.

Ungewöhnlich war auch das Verhältnis der Dörfler zur Kirche. Im Mittelalter ließ die Kurie die Bewohner wiederholt exkommunizieren, da sie sich weigerten, den Kirchenzehnt zu entrichten. Die Chapelle des Pénitents Noirs verwandelten sie in eine Olivenpresse. In die Chapelle de St-Sébastien zog die Gemeindeverwaltung.

Mit seinen alten Natursteinhäusern, Kirchen und Kapellen, Plätzen und Gassen, Torbögen, Brunnen und Steinmetzarbeiten war das village perché Peille von vor mehr als 100 Jahren ein beliebter Ausflugsort. Dazu trug einst auch die Ölmühle bei.

Der Postkarten-Rundweg

Folgt dem Circuit des Cartes Postales und vergleicht an 14 Stationen alte Postkarten mit heutigen Ansichten. Was unverändert ist? Noch immer glitzert tief unten blau das Mittelmeer! Ihr seid schwindelfrei und trittsicher? Dann kraxelt den Klettersteig hinauf. Von dort oben ist die Aussicht noch atemberaubender!

Wie Alltag und Arbeit zu Urgroßmutters Zeiten aussahen, verrät das Musée du Terroir, zu dem auch ein Küchengarten gehört. Danach wisst ihr, was Pinnata, Caban, drailh, taraa, poulhieia bedeuten – und wozu die provenzalischen Werkzeuge einst gedient haben.

Der kleine Hunger

Le petit creux, die kleine Kuhle, nennen Franzosen den kleinen Hunger, der sich mittags meldet – groß getafelt wird abends! Diesen stillt in Peille La Voute mit köstlichen Pfannkuchen: süß als Crêpes, salzig als galettes aus Buchweizenmehl. Schwarz und kräftig ist der Kaffee der Bar L’Absinthe an der Place du Serre – der perfekte Ort, um mit Einheimischen in Kontakt zu kommen.

Sightseeing im Zug

Pünktlich geht es weiter gen Norden. Lehnt euch zurück und genießt 40 Minuten Bilderbuchlandschaften im Vorbeifahren.

Die mittelalterliche Brücke mit Mautturm überspannt in Sospel das Flüsschen Bévéra. Foto: Hilke Maunder
Auch Sospel liegt an der Bahnlinie. Dort überspannt eine mittelalterliche Brücke mit Mautturm das Flüsschen Bévéra. Foto: Hilke Maunder

Breil-sur-Roya: Bereit für viel Genuss?

In Breil-sur-Roya wachsen im Schatten des Mont Bégo (2872 m) dank des milden Mikroklimas noch auf 300 Metern Höhe die Zitronen. Schlendert vom Bahnhof erst zum Fluss und lasst die Silhouette auf euch wirken, ehe ihr durch die Altstadt bummelt, wo die Geschäfte erst gegen 15/16 Uhr wieder öffnen.

Die Rue Pasteur verführt zum Schlemmen. Die hausgemachten Wurstwaren und Terrinen der Boucherie de la Roya sind genauso köstlich wie die Kuchen, Kekse und typischen Brotsorten der Region bei Le Petit Gourmand.

Feinstes Olivenöl findet ihr bei der Domaine de la Chapelle Saint-Jérôme, köstlichen Ziegenkäse von Odoli bei den Käse-Affinateurs der kleinen Stadt.

Technikfans besuchen in Breil das Écomusée du Haut-Pays et des Transports im alten Lokschuppen neben dem Bahnhof mit drei Dutzend Loks, Waggons, Trolley- und Omnibussen.

Apéro mit ganz besonderen Weinen

Auch Vin de Noix (Walnusswein) und Vin d’Orange (Orangenwein) gehören zu den lokalen Spezialitäten. Kostet die köstlichen Tropfen in Breil-sur-Roya beim Apéro in der Bar Le Biancheri am gleichnamigen Platz oder im rustikalen Gasthof La Bonne Auberge, der bei schönem Wetter seine Tische in die Gasse stellt.

Beide Lokale schätzen die Einheimischen auch für ihre gute Küche. Doch Achtung: Der letzte Zug verlässt Breil-sur-Royal um 19.24 Uhr!

Peillon-Sainte-Thècle: Das letzte Adlernest

Von Breil folgt die Bahn erst dem Tal der Roya, dann des Paillon und erreicht ein malerisches Adlernest, dessen Bahnhof sogar eine eigene Facebook-Seite hat: Peillon-Sainte-Thècle. Wer noch nicht fußmüde ist, lässt sich auf steilen Gassen und Treppenwegen durch das alte Dorf mit seinen hohen, schlanken Häusern treiben.

Das Bilderbuchörtchen in 373 m Höhe ist das Nachbar- und Zwillingsdorf von Peille und eines der schönsten villages perchés der Riviera. Doch aufgrund der Lage ist es bis heute kaum besucht. Außerhalb der Hochsaison trefft ihr hier nur Einheimische.  Lauft von der Place Arnulf durch das Gewirr der Gassen hinauf zur Église Saint-Sauveur auf dem Gipfel.

Ebenfalls außerhalb des Dorfs befindet sich die Chapelle des Pénitents Blancs, die Giovanni Canavesio im 15. Jahrhundert mit Fresken der Passion Christi verziert hat. Achtung: Die Kapelle ist verschlossen. Wer sie besichtigen will, muss sich vorab im Rathaus anmelden. Von der Kapelle könnt ihr in rund zwei Stunden auf einer alten Römerstraße nach Peille laufen.

Ein Hauch Asien  

Pascale und Paul servieren im Bistro des Sources in Peillon nicht nur Klassiker wie Leber oder Niere vom Kalb, Andouilette und Rindertartar, sondern auch Dorade, Pasta, vegetarische Gerichte und lokale Genüsse, die mit asiatischen Aromen verfeinert wurden.

Bienvenu in Tende!

Das traditionelle Ziel von Tagestouren mit dem Train des Merveilles ist Tende. Das charmante mittelalterlich Städtchen ist Startort ist des französischen Fernwanderweges GR 52A.

Als Sentier Panoramique du Mercantour führt er224 Kilometer lang auf seinem Weg vom Col de Tende im Département Alpes-Maritimes nach Colmars-les-Alpes im Département Alpes-de-Haute-Provence zu den landschaftlichen Höhenpunkten des 1979 gegründeten Nationalparks im Herzen der Seealpen.

Bereits kurz vor 20 Uhr  verlässt der letzte Zug des Train des Merveilles das Städtchen und kehrt nach Nizza zurück. Wer bleibt, kann am nächsten Tag noch einen Schatz aus der Vorzeit besichtigen.

Die Felskunst des Mont Bego

Mehr als 5000 Jahre alt sind die Felszeichnungen in der Vallée des Merveilles bei Tende im  Mercantour-Nationalpark. Diese in den Granit geritzte Galerie prähistorischer Botschaften an Göttergehört zu den bedeutendsten Fundstätten von Felsbildern in den Alpen und Teil des UNESCO-Weltkulturerbes „Alpen des Mittelmeers“

Rund um den (2.872 Meter hohen Mont Bego lassen die rund 40.000 Felszeichnungen aus dem Jahr 3.300 v. Chr. auf 4.000 Felsen in zwei Täler in einer Höhe von etwa 1.900 bis 2.700 Metern den Alltag und die Kultur unserer Ahnen lebendig werden.  Auf 17 Quadratkilometern verraten die Gravuren von Rindern, Steinböcken, Hirschen und Pferden, Kutschen und Waffen, wie die Menschen in der Jungsteinzeit und der Bronzezeit einst dort lebten.

Im Land der Merveilles: Infos

Train des Merveilles

tgl. ab Nizza 5.48, 7.30, 8.33, 9.17, 12.24, 14.55, 16.43, 17.13, 18.02, 18.59, 19.41 Uhr, Zugauskunft Tel. 08 00 11 40 23, www.ter.sncf.com

Peille

Touristen-Info: Point Info Tourisme
• 15, rue Centrale. Peille, Tel : 04 93 82 14 40, mobil 06 76 45 04 53, www. peille.fr

• La Voute: 42, rue Centrale, Tel. 04 93 04 56 85, 8 – 20 Uhr, Di. abend und Mittwoch geschlossen

Breil-sur-Roya

Office de Tourisme

17, place Biancheri, 06540 Breil sur Roya
Tel. 04 93 04 99 76, http://breil-sur-roya.fr

Le Biancheri

• 5, Place Biancheri, Tel. 04 93 04 40 11

La Bonne Auberge

• 52, Rue Pasteur, Tel. 04 93 04 41 50, Nov. geschl., sonst tgl.

Écomusée du Haut-Pays et des Transports

Mai – Sept. tgl. 14-17.30 Uhr, Eintritt, halber Preis bei Anreise mit ÖPNV.

Peillon – Saint-Thècle

Le Bistrot des Sources

• 672, Avenue de l’Hôtel de Ville, 06440 Peillon, Tel. 09 83 30 00 76, www.facebook.com, Mo. Ruhetag, im Winter Mo., Di.

Der Extra-Tipp: Le Train des Pignes

Ebenfalls in Nizza startet der Train des Pignes, der Pinienzapfenzug nach Digne-les-Bains. Aufgrund der schwierigen Reliefs der Landschaft beschloss die Compagnie des Chemins de fer du Sud de la France, ihn mit einer Spurweite von einem Meter anzulegen – üblich sind in Frankreich 1440 mm. 1890 begann der Bau, 1892 wurden erste Teilstrecken eröffnet, 1911 die gesamte Linie.

Als die Stilllegung drohte, übernahmen Ehrenamtliche vom Verein Groupe d’Etude pour les Chemins de fer de Provence den Betrieb und retteten die Bahnlinie, die heute ins Netz der Region PACA fest integriert ist. Doch nicht mit modernen Dieselloks und Niederflurwaggons, sondern als Schnauferlzug, der mit lautem Rattern und ganz viel Dampf vom Land der Olivenbäume zum Land der Kastanienbäume rattert und in Entrevaux hält.

472 Jahre lang war es der Grenzort zwischen der Provence und der Grafschaft Nizza, sprich, zwischen Frankreich und dem Piemont. Wachsam thront Vaubans altes Festung über der Chalvagne, die hier in den Var einmündet. In einer Schleife umfließt er das alte Dorf, das sich auf einem stark befestigten Felskegel drängt.
www.traindespignes.fr

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8 Kommentare

  1. Salut liebe Hilke!
    so ein feiner Bericht, vielen dank, ich glaub dieser Zug fährt erst ab MAI oder?
    le train de pignes glaub ich ganzjährig-…
    ich frage deshalb nach, da ich den gesamten März im Midi bin – Inspirationsreise Initiationsreise*y* Solltest du in der Umgebung sein, freut mich ein Rosé rendez-vous,
    Herzlichst Tina!

    1. Hallo liebe Tina,
      schön, von Dir zu hören!° Und viel Spaß bei Deiner Tour im Midi! Du kannst dann auch den Train des Merveilles nutzen. Launt SNF verkehrt der Zug ganzjährig – erst ab Mai ist der Reiseführer mit an Bord, der über Lautsprecher Infos zu Land und Leuten mitteilt. Viel Spaß und gute Reise! Hilke

      Einen Linienplan im Netz mit den Fahrzeiten findest Du hier. file:///Users/him/Desktop/FH_05_Nice_Breil_Tende_-%20decembre_V1_2018.pdf

    1. Hallo Christl, 14 Jahre in der Provence – wie schön! Ich freue mich immer über Gastbeiträge. Wenn Du magst, erzähl doch im Rahmen meiner Blogparade zum Frankreich meiner Leser einmal davon. Einfach einen Text schreiben – egal, wie lang – und mit einigen Bildern in Originalgröße mir per Mail an info@maunder.de zusenden. Ich mache dann einen Beitrag fertig und schicke ihn Dir vor der Veröffentlichung noch einmal zur Freigabe. Hättest Du Lust dazu? Es würde mich und meine Leser bestimmt interessieren! Herzlich, Hilke.

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