Barbara und Uli Luipold. Foto: privat

Mein Frankreich: Uli Luipold

“Mein Frankreich“ ist nicht nur Titel meines Blogs, sondern auch Programm: Ich möchte möglichst viele von euch animieren, euer Frankreich vorzustellen. Mein Frankreich – was bedeutet das für euch? Diesmal stellt Uli Luipold sein Frankreich vor.

Uli Luipold hat im Süden von Frankreich eine zweite Heimat gefunden.


Uli Luipold: meine Geschichten aus der Provence

Unsere Freunde Konrad und Gabriele H. haben schon vor geraumer Zeit eine alte Mühle in der Provence erworben. Ein Besuch bei ihnen machte Appetit auf ein eigenes Ferienhäuschen. Den zu stillen, war nicht einfach. Ich selbst habe 52, meine Frau über 80 maisons de caractère, en centre village, avec quelques oliviers angeschaut.

So lautete zumindest unser bescheidener Anforderungskatalog. Und die Nr. 52 sollte es dann schließlich werden, leider unter Verzicht auf die Olivenbäume. Im 1100-Seelen-Dorf Ansouis sind wir 1997 fündig und inzwischen heimisch geworden. Und nicht nur wir. Über 90 Menschen haben schon bei uns übernachtet – nicht gleichzeitig, wohl gemerkt. Denn Ansouis gehört – auch – zu den plus beaux villages de France, zu den schönsten Orten des Landes.

Eines Abends saß ich auf unserer Terrasse und begann, beflügelt durch ein paar Gläschen Rosé, die folgenden Geschichten aufzuschreiben, in denen eigentlich nichts oder wenig passiert. Entspannung pur.

Unser Bürgermeister

Kurz nach unserem Hauskauf machten wir dem Bürgermeister unsere Aufwartung. Wir wurden freundlich willkommen geheißen und über die besondere Atmosphäre des Dorfes informiert. Zur Verabschiedung kam Monsieur le Maire hinter seinem Schreibtisch hervor. Wir staunten nicht schlecht, er hatte nämlich kurze Hosen an. Inzwischen sind wir gut miteinander befreundet und gehören zu der Handvoll Dorfbewohner, die er in sein Schloss in der Normandie eingeladen hat. Natürlich haben wir die Einladung nicht ausgeschlagen.

bleu, blanc, rouge

Unsere Tochter wurde hier im Dorf standesamtlich getraut. Dank einheitlicher EU-Papiere war das schon in den 90er-Jahren kein Problem. Aber wir waren etwas irritiert, als der Bürgermeister das Trauzimmer betrat. Er hatte die blau-weiß-rote Schärpe der République Française falsch herum angelegt. Da wir nicht sicher waren, ob die Trauung damit Bestand gehabt hätte, ging ich ihm kurz an die Wäsche und drehte die Schärpe um.

In der Bar des Sports. Foto: privat
In der Bar des Sports. Foto: Uli Luipold

Unser Dorftreff

Die kleine Bar am Dorfplatz nennt sich Bar des Sports. Von Sport kann hier keine Rede sein. Es sei denn, man bezeichnet das gelegentliche Heben des rechten Arms, mit Glas oder Glimmstängel bestückt, als Sport. Als Madame J. noch die Bar führte, war das eine ziemlich versiffte Höhle, in der man vor lauter Tabaksqualm kaum die Hand vor den Augen sah. Als Zeichen ihrer Barherrschaft trug Madame J. eine vergoldete Rasierklinge um den Hals.

Inzwischen ist die Bar mehrmals neu gestrichen. Geblieben sind der Tabaksqualm und die Montur der Barbesucher. Mal in Mimikry-Jagdhosen, mal in Trainingshosen von Olympique Marseille. Und geblieben sind auch die Barbesucher, sofern sie nicht gestorben sind; der elegante Patrice, Maurice mit seinem Jägerkäppi, der Schachspieler Jean-Paul mit wenigen Zähnen (er hat keinen Führerschein und fährt so ein kleines knatterndes Gefährt, das auch auf einem Kinderkarussell stehen könnte).

Und dann noch Lolo, le roi des peintres mit seinem Hund und Van, ein hängen gebliebener Vietnamese. Jetzt ist Stéph der Betreiber, ein dicklicher, stoppelbärtiger Mann, dessen Wortschatz sich auf ein morgendliches “ Ça va? “ beschränkt. So kann man in Ruhe Zeitung lesen.

Louis war einer dieser Bar-Männer. Seine rechte Hand war verkrüppelt, was ihn aber beim Halten des Weinglases wenig beeinträchtigte. Wenige Jahre vor seinem Tod hat man ihn – den ältesten Dorfbewohner – in ein Altersheim in einem Städtchen in etwa 50 km Entfernung verbracht. Das Städtchen besteht hauptsächlich aus Bau- und Supermärkten.

Wir waren dort ein einziges Mal beim Einkaufen von irgendwelchem Baumaterial. Und wer läuft uns über den Weg? Louis. Als er noch im Dorf lebte, hat er sich mal nach einem Dämmerschoppen von seinen Zechgenossen verabschiedet und ist nach Hause getrippelt. Die Zurückgelassenen riefen ihm für alle Umstehenden deutlich hörbar über den ganzen kleinen Platz nach “ Louis, pas de sexe ce soir „. Und kugelten sich vor Lachen.

Lulu und der petit jaune. Foto: Uli Luipold
Lulu und der petit jaune. Foto: Uli Luipold

Lulu und le petit jaune

Oh, schon halb zwölf. Höchste Zeit für einen petit jaune, wie der Pastis hier von den Einheimischen genannt wird. Lulu ist ein Bauer, der auf dem Dienstags-Markt in Cucuron – einem kleinen Dorf im Luberon –- Kartoffeln, Zwiebeln, Karotten und Olivenöl aus eigener Ernte verkauft. Der Größe der Kartoffeln nach gehört er zu den Dümmsten. Aber er ist ein sympathischer Bursche mit Knollennase, verschmitzten Augen und einer ganz unbäuerlichen, flotten Mütze.

Meistens sitzt er auf dem Rand des großen Bassins, das in vergangenen Zeiten als Schaftränke beim Almauftrieb diente, und ist ganz zufrieden, wenn er ab und zu ein paar Pfund Kartoffeln verkaufen kann. Es sollten aber bitte nicht zu viele Kunden kommen. Sie könnten ihn beim Genuss des petit jaune stören, dem auch sein Standnachbar – nennen wir ihn Jean-Louis oder Sébastien – gern zuspricht. Schon sieht man Lulu mit zwei leeren Gläsern zur nahen Bar marschieren. Nachschub ist angesagt.

Die Spargeldiebe

Das Spargelzelt. Foto: Uli Luipold
Das Spargelzelt. Foto: Uli Luipold

In unserem Nachbardorf Villelaure (klingt wie Willeloore) gibt es einen Spargelbauern. Der hat vor Jahrzehnten, als es Energie noch fast zum Nulltarif gab, seine Spargelfelder mit warmem Wasser bewässert. Robert Blanc konnte so schon an Weihnachten seine großen Restaurant-Kunden in Paris und London und auch den Hof des Schahs von Persien mit grünen Spargeln beliefern.

Sein Sohn Jean-Pierre führt den Betrieb weiter. Die Spargel werden gewaschen, kalibriert, auf Länge geschnitten, gebunden und mit der Robert-Blanc-Banderole veredelt. Wir kaufen dort auch unsere Spargel, aber krumme, abgebrochene und ungewaschene. Jean-Pierre fragte mich eines Tages: „Was machst Du?“

Ich erzählte ihm von der Ausstellung der Künstler in unserem Dorf, bei der ich mich mit einigen Fotos beteiligt hätte. „Ah, wenn Du das nächste Mal kommst, nehme ich Dich zu meinen Spargel-Gewächshäusern mit. Dort kannst Du auch gut fotografieren.“ Beiläufig erwähnte er, dass in der Nacht zuvor Unbekannte ihm ein halbes Spargelfeld abgeräumt hätten.

Barbara und ich kauften ein paar Tage später bei Blanc Spargel. Jean-Pierre war aber nicht da. Anschließend gondelten wir ziellos durch die Gegend – ins Blaue. Zufällig kamen wir an einigen Foliengewächshäusern vorbei, die wir für die von Jean-Pierre hielten. Ich parkte das Auto, stieg aus und ging in ein Gewächshaus und fing an, zu fotografieren.

Kaum hatte ich ein paar Fotos geschossen, kamen zwei Autos angefahren: Jean-Pierre und sein Bruder. Ein Marokkaner, der unweit wohnte, hatte Jean-Pierre alarmiert: „Schnell, fahr hin, die Spargeldiebe sind wieder da.“ Alle vier mussten wir herzhaft lachen. Die Fotos habe ich für ihn vergrößern lassen. Er zeigt sie allen Besuchern voller Stolz. Und unser Spitzname ist jetzt les voleurs d’asperges.

König Balthasar

König Balthasar. Foto: Uli Luipold
König Balthasar. Foto: Uli Luipold

So ein-, zweimal im Jahr gehen wir in unserem Dorf in die Kirche, als Protestanten zu den Katholiken. Diesmal waren wir am Sonntag Epiphanias in der Messe. Aus einem Verlies wurden drei etwa 60 cm hohe Figuren geholt und vor der Stufe zum Altar abgestellt. Sie wurden mit schönen Gewändern eingekleidet und entpuppten sich alsbald als die Heiligen Drei Könige, les Rois Mages auf Französisch.

Außer uns waren nur noch neun oder zehn Kirchgänger anwesend, darunter zwei Männer. Plötzlich erhob sich die Gemeinde, die beiden Männer schnappten sich zwei der drei Könige, und eh ich mich’s versah, hatte ich den Balthasar auf dem Arm, nicht ohne die ernste Aufforderung, ihn gut festzuhalten.

Balthasar ist bekanntlich der Mohr unter den Königen. Nun setzte sich die Prozession in Bewegung Richtung Krippe, die im hinteren Teil der Kirche aufgebaut war und wo ich meinen Balthasar abstellen konnte. Der Rest der Messe ging ohne weitere Aktivitäten meinerseits vonstatten.

Bussi-Bussi

Man küsst sich – on fait la bise – bei der Begrüßung und beim Verabschieden. Man küsst die Bäckerin beim Baguettekauf, den Barkeeper beim Vorübergehen, die Zeitungsfrau, den Handwerker und den Bürgermeister. Und natürlich seine Freunde. Im Süden küsst man sich zweimal, die Pariserinnen küssen mindestens dreimal (Ausnahme: im vornehmen Seizième gibt man nur zwei Wangenküsse, drei seien plouc).

Wo genau diese unsichtbare Grenze Frankreich teilt, weiß niemand. Sicher ist nur, dass man mit der linken Wange endet. Also beginnen die Provenzalen rechts, d.h. links beim Gegenüber, die Pariser rechts beim Gegenüber. Alles klar? Am besten ausprobieren!

Der Jankermann

Zu unserer Freude gibt es seit ein paar Jahren ein Sternlokal in unserem Dorf, La Closerie. Leider wird es seit der Ankunft des Sterns zunehmend schwieriger, dort einen Platz zu bekommen. Für uns hat Delphine aber meistens noch ein Plätzchen. Bei einem nächtlichen Spaziergang hörten wir nämlich Wasser im Restaurant rauschen und konnten sie so vor einem größeren Wasserschaden bewahren.

Eines Abends saßen wir im Restaurant, als noch zu später Stunde ein einzelner Mann das Lokal betrat, sich an einen kleinen Tisch setzte und man ihm unaufgefordert eine Flasche Wein samt Glas kredenzte. Er fiel uns deshalb besonders auf, weil er einen für Frankreich eigentlich untypischen Janker trug. Nach dem Essen wurde er von Delphine gefragt, ob er uns kenne, wir hätten ein schönes Haus im Dorf (sie war aber noch nie bei uns).

Wir stellten uns gegenseitig vor und unterhielten uns einige Minuten stehend zwischen unseren Tischen. Ich schlug vor, nochmals Platz zu nehmen und noch eine Flasche Wein zu bestellen. Daraus entwickelte sich ein amüsantes Gespräch mit anschließender Einladung in sein mit Millionenaufwand restauriertes Gutshaus.

Plamen ist gebürtiger Bulgare, kam nach dem Krieg mit nichts als einem kurzärmligen Hemd nach Frankreich und ist vielleicht Adidas-Generalvertreter in Frankreich, ein echter Sozialfall. Bei einer späteren Einladung machten wir die Bekanntschaft von Pierre Cardin und Plamens Freundin Monique (O-Ton Plamen: „ Elle est bonne pour l’amour, mais elle ne sait pas couper les tomates “).

Marius

Jeden Morgen um halb acht schlürft unser Nachbar Marius zum Zeitungsladen und dépot de pain, mal in Hausschuhen wie sie die Russlandheimkehrer getragen haben – mal in flotten Turnschuhen für Teenager. Marius ist Jahrgang 1931. Auf dem Heimweg bleibt er manchmal in der kleinen Bar am Dorfplatz hängen und trifft sich mit seinen Altersgenossen. Mich begrüßt er immer mit “ jeune homme“, ich ihn ebenso. Unser Gespräch erschöpft sich meistens in Fragen des Wetters und des Wohlergehens. Heute Morgen ist Marius nicht zum Zeitungsladen geschlurft. Seine Frau war in der Nacht gestorben.

Das Freiluft-Wartezimmer

Um dem nach dem Dorfheiligen St-Élzéar benannten Platz im Dorfzentrum herum stehen die Mairie, die Post, ein Lebensmittelladen, eine Pâtisserie und auch die Arztpraxis unseres Freundes. In einer Ecke hat die Bar des Sports auf einer kleinen Terrasse unter einer riesigen Platane ihre Außensitzplätze. Dort nehmen wir manchmal einen Espresso und ein Croissant zu uns.

Und wenn der Arzt vorbeikommt, setzt er sich zu uns, immer mit einem Auge auf den Eingang zu seinem cabinet médical. Einmal stand ein Patient schon 10 vor 9 vor der Tür. Der Arzt trank seelenruhig seinen Kaffee aus, und: „der muss warten, er hat erst um 9 Uhr einen Termin.”

Zwiebeln

Kräftig drücken. Foto: Uli Luipold
Kräftig drücken. Foto: Uli Luipold

Auf der Eingangstür zu unserem Verkehrsverein prangte dieses Schild. Allem Querdenken zum Trotz erschloss sich mir nicht, ob sich hinter der Knolle ein Synonym für „kräftig drücken“ verbirgt. Ich konnte dem „Zwiebeln“ aber ein Ende bereiten. 

Die Mätresse

Als wir unser Haus gerade frisch erworben hatten, ist der Vorbesitzer Serge M. – ein Anwalt, auf französisch maître – kurz verschwunden, um für uns im nahe gelegene Weingut ein paar Flaschen besten Rotweins zu kaufen. Einige Zeit später kauften wir dort ebenfalls Wein und gaben uns als neue Eigentümer des Hauses von Serge M. zu erkennen. Die Geschäftsführerin des Weinguts sagte, „ah, mein Kollege.“ Darauf ich: „dann sind sie also maîtresse.“ Schallendes Gelächter. So falsch lag ich nicht. Die Anrede für eine Anwältin ist tatsächlich maîtresse.

Der Waldschrat von Versailles

Ein Gewann im Nachbarort heißt tatsächlich Versailles. Dort haust im Wald ein Mann in einer Bretterbude, der zwischen Bäumen und Büschen alles sammelt, was andere Menschen nicht mehr brauchen: alte Autos, jeglichen Schrott, Baumaterial und Blumenkübel.

Ich muss dort immer ganz schnell vorbeifahren, weil es meiner Frau dort unheimlich zu Mute wird. Wir lernten den Mann kennen, als wir einmal bei Hochwasser an die Durance fuhren, die schon große Teile des Ufers weggespült hatte.

Gemeinsam betrachteten wir den Schaden. Der Mann entpuppte sich als eingewanderter Spanier, überaus freundlich und überraschend ordentlich. Wir haben beschlossen, beim nächsten Ausflug in seinen Wald eine Flasche Wein mitzunehmen, um sie mit ihm in seiner nun plötzlich nicht mehr unheimlichen Behausung zu trinken.

Blasrohr

Über unserem Dorf thront ein Schloss aus der vorvorigen Jahrtausendwende. Bis vor ein paar Jahren war es immer im Besitz der selben Adelsfamilie, verwandt mit allen Häusern Europas. Dann haben sich die 4 Geschwister zerstritten und es kam zur Zwangsversteigerung. Die sieht in Frankreich so aus: auf dem Richtertisch brennt eine Kerze.

Es kann geboten werden, solange sie brennt. Ein Abgesandter von Pierre Cardin wollte das Schloss ersteigern und hatte das letzte Gebot abgegeben. Dann sei er eingeschlafen und unmittelbar vor dem Erlöschen der Kerze hätte ein Immobilienmann aus Aix-en-Provence nachgelegt und den Zuschlag erhalten. Im Dorf geht die Mär, dass jemand aus der dritten Zuschauerreihe mit einem Blasrohr nachgeholfen hätte.

4 Söhne, 4 Töchter

Von besagter Adelsfamilie lebten 2 Brüder im Dorf. Einer hat vier Söhne, der andere vier Töchter. Wie der eine zu vier  Söhnen kam, bleibt im Unklaren. Der mit den vier  Töchtern war der Ältere und deshalb bevorzugt erbberechtigt. Er hatte zuerst zwei Töchter, und das Erbe war in weiter Ferne.

Darauf schickte ihn seine Frau nach USA zur Hormonbehandlung mit dem Ergebnis, dass er nun drei  Töchter hatte. Ein kluger Mensch ließ ihn wissen: „Geschwächte Väter zeugen Söhne“. Und so sah man ihn allabendlich durchs Dorf joggen, und ein jeder im Dorf wurde dadurch informiert, dass es anschließend bei ihm zuhause zu einem Aufhüpferli kommen würde. Alles umsonst, auch das vierte Kind wurde eine Tochter.

Le Ravi

Le Ravi ist nach der Heiligen Familie der wichtigste santon und darf in keiner Krippe fehlen. Es ist der Verrückte, der Dorfdepp. Er wird immer mit einer roten Zipfelmütze und hilflos erhobenen Armen dargestellt. Wir haben schon alle möglichen santons, Bäcker, Müller, Schafhirten und Bauersfrauen.

Nur der ravi fehlt uns, weil unser Dorf-Santonnier einfach keinen macht. Immer wenn wir ihm begegnen, heben wir verzweifelt die Arme anstelle eines Grußes. Leider gibt es aber einen lebendigen ravi im Dorf. Er freut sich, wenn ich ihn mit Handschlag begrüße. Leider kann ich seine selbsterfundene Sprache nicht verstehen.

Tag der Kapitulation

Tag der Kapitulation. Foto: Uli Luipold
Tag der Kapitulation. Foto: Uli Luipold

Das Datum 8. Mai passt gut, ist es doch unser Hochzeitstag. Dank jährlicher Teilnahme am Salon des Artistes und Freundschaft mit dem Bürgermeister sind wir zur jährlichen Feier eingeladen, vielleicht auch als exotische oder europäische Dekoration. Eine Blaskapelle intoniert Marschmusik, der Vertreter der anciens combattanst spricht ernste Worte und der Bürgermeister legt einen Kranz an den Fuß des frankreichweit gleichen Soldaten aus Zementguss.

Hier ist er grau, manchen Orts findet man aber auch hellblaue Soldaten, die dann weniger gefährlich aussehen. Von den alten Kriegern des 2. Weltkrieges lebt niemend mehr, so müssen die Kämpfer aus Indochine als Staffage herhalten. Der 8. Mai heißt auch Jour de la Libération. „Ob damit auch die Befreiung von den collaborateurs gemeint sei”, wollte ich wissen. Erstaunlicherweise allgemeine Zustimmung.

Gianni

Im Norden unseres Dorfes verläuft von Ost nach West der Luberon, auch mal Lubéron geschrieben, ein der Schwäbischen Alb vergleichbarer Kalkstein-Gebirgszug. Auf halber Höhe der Nordseite liegt die ferme-auberge Le Castellas. Schon oft bin ich auf verwunschenen Wegen zu Gianni hochgestiegen. Gianni ist Sarde und spricht mit rollendem R.

Auf seinem Bauernhof hält er Ziegen und Schweine, die tagsüber in den Wäldern umherstreifen und irgendwann als köstlicher Schinken zusammen mit Salat, Ziegenkäse und Honig auf dem Teller landen. Vor der ferme-auberge steht unter einer riesigen Eiche ein aus dicken Brettern grob zusammen gezimmerter Tisch. Dort ist mein Lieblingsplatz, mit der weiten Aussicht in den Luberon für mich einer der schönsten Plätze der Welt.

Zum Nachtisch gibt es manchmal Schokoladenkuchen, da kann es schon vorkommen, dass plötzlich eine rosa Sau auf dem Tisch steht und davon naschen möchte. Wenn sonst keine Besucher da sind, legen wir uns nach dem Essen, durch ein paar Gläser Rosé beseelt, zur Siesta einfach auf den Tisch. Das lockt wiederum die Ziegen an, die das offensichtlich stört und einem das Gesicht abschlecken.

Einmal sagte Gianni :“Komm mit!“ Er führte mich zu seinem Pkw. Die Rückbank war umgeklappt. Dicht an dicht lagen etwa 20 quiekende, rosa Ferkel in seinem Auto, die er gerade auf dem Markt gekauft hatte. Damit begann seine Schweinezucht.

Für Gäste hält Gianni auch ein paar einfache, saubere Zimmer bereit. Abends sitzt man dann an der table d’hôtes vor dem Kamin zusammen. Später schlägt dann Gianni seine gimbarde, eine Maultrommel, verzaubert damit seine Gäste und vor allem sich selbst, verdreht entrückt die Augen und ist plötzlich nicht mehr in der Provence, sondern in weiter Ferne, in seiner Heimat Sardinien.

Nach einem Besuch in Le Castellas habe ich mal meinen schönen Cashmere-Pullover vergessen. Telefonisch bat ich Gianni, mir den Pullover bis zum nächsten Frühjahr aufzuheben. Das mache er gerne, er könne den Pulli im kalten Winter gut gebrauchen. Ich nahm’s gelassen.

Beim nächsten Besuch tauchte Gianni plötzlich am Tisch auf, meinen Pullover als Turban um den Kopf gebunden. Nach dem gegenseitigen Erkunden nach Wohlbefinden und Wetter sagte Gianni, er müsse noch heute Nachmittag nach Paris fahren, um mir einen neuen Pullover zu kaufen. Gerührt, schenkte ich ihm den Pullover. Gianni verschwand wieder und kam mit einer Flasche Champagner zurück.

Gianni. Foto: Uli Luipold
Gianni. Foto: Uli Luipold

Der Kampfflieger

Eines der schönsten Häuser im Dorf bewohnt ein Engländer, Mister H. Im 2. Weltkrieg war er Kampfflieger. Man sagt, er kenne Marseille nur vom Bombenabwerfen.

Dachs

Wir waren abends bei Freunden eingeladen. Es war schon dunkel, als wir auf dem Hinweg ein steiles Straßenstück hinauffuhren. Hinter einer Kurve lag ein toter Dachs auf der Straße. Ich war zu schnell, um noch abbremsen zu können, und überfuhr den Dachs. Auf dem Heimweg kamen wir an der gleichen Stelle vorbei. Jetzt sah man, dass es kein Dachs, sondern ein täuschend ähnliches Stück Draht war, vielleicht von einem Zaun oder einer Matratze. Das Straßenstück heißt seither bei uns „der Dachsberg“.

Diese gekrümmten Tiere

In jedem Herbst fahre ich mit zwei Freunden für eine Woche in unser Haus zum Wandern, Essen, Diskutieren. Einer war über Jahre mein griechischer Freund und Leibkoch Theo P. Den anderen haben wir immer gemeinsam ausgesucht. In einem Jahr fiel die Wahl auf unseren Freund Karli, Uniprofessor, Radlfreund und unser gemeinsamer Privatskilehrer.

Im Gegensatz zu Theo, der Fischen und allem Seegetier zugetan ist, liebt Karli mehr die bodenständige Kost. Eines Abends kochten wir Crevetten in einer crème-fraîche-Pastis-Sauce. Ein Schauer lief wohl über Karlis Rücken und er sagte: „Igitt, diese gekrümmten Tiere.“ Ein andermal haben wir ihn mit Seeigeln genotzüchtigt. Karli: „Wenn man sie schnell schluckt, schmeckt man Gott sei Dank gar nichts.”

Diese gekrümmten Tiere… Foto: Uli Luipold
Krevetten. Foto: Uli Luipold

Das Mädchen und die Gartenzwerge

Eine Ausstellung mit Möbeln und Deko-Artikeln für den Garten sollte Besucher in das Provence-Örtchen Lourmarin locken. Außer Tischen, Stühlen, schmiedeeisernen Perlhühnern und Rosenstöcken waren bei einem Antiquitäter auch alte Gartenzwerge zu sehen. Den Zugang zu seinem Stand von hinten hatte der Händler mit ein paar Buchsbäumchen abgesperrt.

Ein kleines Mädchen von vielleicht  sechs oder sieben Jahren wusste sich aber dazwischen durchzuschlängeln und stand dann andachtsvoll vor den etwa 30 Gartenzwergen. Die standen wie die Zuschauer im Fußballstadion dicht gedrängt neben- und hintereinander. Plötzlich griff das Mädchen vorsichtig 2 Gartenzwerge aus der ersten Reihe, sah sie an und drückte sie dann inniglich an seine Brust. Der Standbesitzer schaute schmunzelnd zu. Offensichtlich hatte das Mädchen diese stumme Zwiesprache mit den Zwergen schon ein paar Mal an diesem Tage gehalten.

Strandgut

Westlich von Marseille zieht sich die Côte Bleue bis nach Martigues hin, mal als Steilküste, mal mit flachen Abschnitten. Man findet dort kleine Krebse, Treibholz, Korallen und bunte Plastikreste unserer Zivilisationsgesellschaft. Irgendwann wurde ein Stück Eisen freigespült. Wir buddelten weiter und bargen einen eisenbeschlagenen Bootsbug. Er war zu schwer zum Wegtragen und wir versteckten ihn deshalb hinter einem Busch, um ihn am nächsten Tag mit dem Fahrrad abzuholen. Große Enttäuschung am nächsten Tag. Irgend jemand muss sich schmunzelnd für unsere Buddelarbeit bedankt haben.

Les crottins

Auch in Frankreich verrichten Hunde gern ihr Geschäft (crottins) auf dem Weg oder vor unserer Haustür. Ich habe deshalb das trottoir in crottoir umgetauft. Als sich in alles einmischender Deutscher habe ich mal einen Hundebesitzer aufgefordert, die Hinterlassenschaft seines Hundes aufzunehmen. Er holte aus dem nächsten Papierkorb ein altes Papier, nahm damit die Hundekegel auf und warf sie auf mich. Ich konnte mich gerade noch zur Seite werfen, er traf nur eine Hauswand.

Ainsss, ssswai

Wir haben auch einen Zeitungsladen im Dorf. Dort gibt es neben Zigaretten, Fotokopien, Andenken und Zeitschriften auch das regionale Käseblatt La Provence. Dort interessieren uns vor allem Wetterbericht und kommende Veranstaltungen, aber auch Bundesliga-Ergebnisse. Über den Fussballclub Olympique Marseiile kommen vier Seiten, über Weltpolitik meist nur eine halbe Seite.

Der ehemalige Ladenbesitzer Bruno war eine Seele von einem Menschen. Immer freundlich, zu Scherzen aufgelegt und kinderlieb. Unsere Enkel haben bei ihm immer Süßigkeiten gekauft – das hat mit Ferien zu tun. Nebenbei haben sie versucht, Bruno das Zählen auf deutsch beizubringen. Nach ainsss, ssswai endete meist die hoffnungslose Aktion. Mit Lachen

Ein Panamera

Eines Tages stand doch tatsächlich mitten auf der Place du Château ein dicker, fetter Porsche Panamera mit Stuttgarter Kenn­zeichen. Das hat mir gar nicht geschmeckt. So eine für die schmalen Gassen total überdimensionierte Kiste und dann auch noch von einem Deutschen! Bald hat sich aber herausgestellt, dass der Porsche unserem Freund Wayne Rowe gehört, seines Zeichens Professor für Fotografie in Los Angeles.

Er hat ihn in Stuttgart abgeholt, um ihn nach seinen Provence-Ferien mit nach USA zu nehmen. Wayne hat übrigens beim Wenden auf dem kleinen Platz Blut und Wasser geschwitzt und das Auto sofort bei unserem Freund Christian auf dem Hof abgestellt.

Monsieur 103

Foto: Uli Luipold
Foto: Uli Luipold

Unser Lieblingsort am Meer ist Cassis. Das Schluss-S wird nicht gesprochen, es sei denn, man ist Pariser oder meint den Schwarzen-Träubles-Likör. Auf Ausflugsbooten kann man in die kleinen, tief eingeschnittenen Buchten fahren, in die calanques.

Cassis ist schon eine kleine Drosselgasse, aber liebenswürdig und menschlich. Der kleine Hafen ist von Restaurants, Eisdielen und Geschäften gesäumt. Wir aber essen meistens im Grand Large, wie Grand Bleu ein Synonym für Meer, direkt über dem kleinen Sandstrand mit seinem bunten Treiben.

Wir lassen uns immer Tisch 103 direkt an der Brüstung reservieren. Inzwischen bin ich als Monsieur cent-trois bekannt. Auch das Menü hat sich im Lauf der Jahre eingefahren: Fischsuppe oder gratinierte Muscheln, dann eine Dorade vom Grill und zum Nachtisch den gestürzt gebackenen Apfelkuchen Tarte Tatin. Mit einem Schlag säuerlicher crème fraîche wäre er aber noch besser. Dazu passt eine Flasche Fontcreuse oder Paternel. Cassis ist ein typischer Weißwein-Ort.

Vor dem Restaurant liegt ein niedrig ummauerter Bouleplatz. Boules kennt man inzwischen auch in Mitteleuropa, in der Provence heißt das Spiel auch pétanque. Mit diesem Schild wird vor Querschlägern gewarnt, man würde sicher den Kürzeren ziehen.

Marseillaise 1

Am französischen Nationalfeiertag, dem quatorze juillet, trifft sich tout Ansouis auf dem kleinen Dorfplatz. An zwei Seiten stehen Büffet-Tische mit Wein und kleinen Pizzen, spendiert von den örtlichen Geschäften und von den Einheimischen in kürzester Zeit vernichtet. An der dritten Seite ist eine Bühne aufgebaut, von der eine Band den Platz mit Musik beschallt, die niemand hören möchte. Zuvor resümiert der Bürgermeister das Dorfleben des vergangenen Jahres. Am Ende seiner Ansprache reklamierte ich mal das Singen der Marseillaise. Ein Mitbürger: „Der Bürgermeister wünscht das nicht, er ist doch royaliste“.

Marseillaise 2

Außerhalb des Nachbarstädtchens Pertuis gibt es die Gärtnerei Ferrat mit vielen großen Gewächshäusern. In einer Volière zwitschern und fliegen unzählige kleine, bunte Vögel. Daneben lebt in einem großn Drahtkäfig ein Papagei, wahrscheinlich ein Ara.

Das ist ein verrückter Kerl, er pfeift nämlich neben ein paar anderen Melodien auch die Marseillaise. Man muss ihm nur ein paar Takte vorpfeifen und schon legt er los. Jetzt träume ich davon, ihn zum nächsten quatorze juillet auszuleihen, um dem Bürgermeister die Marseillaise zu blasen.

Salon des Artistes

Kunst im Salon des Artistes. Foto: Uli Luipold
Kunst im Salon des Artistes. Foto: Uli Luipold

Seit Jahren beteilige ich mich mit meiner Fotografie am jährlichen Salon des Artistes im Ausstellungsraum des Dorfes. Wir sind etwa 10 Künstler, die vom kunstgewerblichen Bekleben von Zigarrenschachteln mit Muscheln, Patchwork-Decken und Malerei bis zu ausgesprochen schönen Keramiken und Bronzeplastiken die ganze Breite künstlerischen Vermögens und Unvermögens zeigen.

Eine Dame fait des croûtes. Sie malt „schlechte Schinken“. Ich habe im Lauf der Jahre Fotos zu allen möglichen Themen ausgestellt: Abstraktes, Reflexe im Wasser oder nur rote Motive. Einmal habe ich einen riesigen Kalender ausgestellt, bestehend aus 31 auf Block aufgezogenen Zahlen, die ich im Lauf der Jahre überall auf der Welt fotografiert habe.

Die „1“ war eine alte Hausnummer auf einem Flohmarkt. Ein Aufkleber zeigte den Preis „5 Euro“. Ich hab’s natürlich umsonst fotografiert samt Preisschild. Ein Besucher der Ausstellung bestand darauf, dass ich ihm die Nummer um 5 Euro verkaufe. Nach zäher Verhandlung hat er dann doch meine geforderten 15 Euro berappt.

Speckweckle

Zur Vernissage des Salon des Artistes sollte jeder Aussteller etwas zum Knabbern oder Trinken mitbringen. Seit Jahren macht meine Frau kleine Speckweckle aus Hefeteig, die reißenden Absatz finden. Spezialisten unter den Besuchern essen am Besten gleich ein halbes Dutzend direkt am Buffet. Inzwischen hat das halbe Dorf das Speckweckles-Rezept.

Zugbrücke

Unser Gegenüber jenseits der kaum 3 m breiten Strasße hat ein großes Schwimmbad. Wegen der Hanglage liegt es auf dem gleichen Niveau wie unser 1. Stock. Wir waren zum Schwimmen eingeladen. Ich schlug vor, eine Brücke zu unserem Schlafzimmer-Balkon zu bauen. Der Nachbar wollte sich das überlegen, “es käme aber allenfalls eine Zugbrücke in Frage.”

Ostereier

In Frankreich kennt man den Brauch der gefärbten Ostereier kaum. Wir waren an Ostern bei Bekannten auf dem Land eingeladen, als Mitbringsel hatten wir ein paar Dutzend gefärbte Wachteleier dabei. Die lagen dann in einer Schale auf dem Tisch, aber kein Mensch wusste damit etwas anzufangen. Erst als wir beide ein paar Eier geschält und gegessen hatten, waren sie in kurzer Zeit vernichtet.

Chœur de l’Éspérance

Zum Kulturprogramm im Dorf gehört auch ab und zu der Auftritt eines Chors. Einer hiess Chœur de l’Espérance. Er sang zum Steinerweichen. Ich habe ihn umgetauft in Chœur de Despérance. Das Wort gibt es aber nicht, es müsste désespoir – Verzweiflung  – heißen. Meine Freundin Marie sagt in solchen Fällen: „Ich verstehe, was Du sagen wolltest“.

Die Zikaden

Konzert mit Zikaden. Foto: Uli Luipold
Konzert mit Zikaden. Foto: Uli Luipold

In La-Roque-d’Anthéron, etwa 30 Minuten entfernt, steigt alljährlich im August vier Wochen lang das weltgrößte Pianofestival. Brendel, Sokolov, Trifonof, aber auch Jazzgrößen wie Chick Corea oder Keith Jarrett haben wir dort schon gehört. Man spielt in einem Steinbruch, auf öffentlichen Plätzen, aber hauptsächlich in einer riesigen Konzertmuschel in einem Park mit altem Baumbestand.

Ähnliche Veranstaltungen gibt es auch anderswo. Das Besondere hier sind die Zikaden, cigales genannt. Sie haben ein feines Gespür. Wenn der Pianist auf seinem Piano piano spielt, legen sie los und zirpen und sägen unerbittlich und mit größer Inbrunst. Auf diese Momente warte ich immer mit großem Vergnügen.

Busfahrt

Mindestens einmal pro Woche fahren wir nach Aix-en-Provence, keine 30 km von uns. Die Verwaltung von Aix hatte eine schlaue Idee. An einigen Peripherie-Punkten gibt es Park-and-Ride-Plätze. Man kann für ganze 2 Euro 20 sein Auto den ganzen Tag abstellen und bekommt für bis zu fünf Personen eine Ganztages-Netzkarte für alle Busse in Aix und Umgebung. Wir nutzen dieses Angebot häufig. Bemerkenswert ist die Höflichkeit der Fahrgäste: Fast alle verabschieden sich beim Aussteigen vom Busfahrer und rufen „Au revoir, merci„. Eine nette Geste!

Nächtlicher Besuch

Im Sommer übernachten wir häufig auf unserer Dachterrasse. Bei Vollmond ist so hell, dass ich einen Mondschirm aufspannen muss. Ab und zu bekommt man auch nächtlichen Besuch von diesen kleinen Quälgeistern, die es auf unser Blut abgesehen haben. Meine Frau hat deshalb ein großes Moskitonetz gekauft. Der Schuss ging aber nach hinten los. Der Moskito war innen drin im Netz.

Wilde, verwegene Jagd

Unser Haus steht fast ganz oben auf dem Dorfhügel, nur das Schloss und eine Handvoll Häuser thronen über uns. Von unserer Terrasse geniessen wir ein besonderes Schauspiel: Die Thermik über dem Dorf lockt allabendlich eine große Schar von Mauerseglern an. Die rasen mit abartiger Geschwindigkeit um die Dächer, spielen Fangerles und schlagen Haken wie die Hasen. Ich habe sie die „Lausbuben der Lüfte“ getauft.

Jean-Marie

Unser Schlosser Jean-Marie S. ist Nachfahre von Einwanderern aus Italien. Er hat auf unserer Terrasse das Gestell samt Plane für das Schattendach montiert. Obwohl als Tennisspieler gut trainiert, schnauft und ächzt er nach dem Erklimmen unseres obersten Stockwerks. Dann geniesst er zuerst einen Espresso, nach getaner Arbeit gibt’s ein Gläschen Rosé. Jean-Marie hat im Ort die Hinweistafeln der Gemeinde gefertigt, über dem Anschlagbrett prangt die Silhouette des Dorfes, überragt vom Schloss. Wir sind die einzigen im Ort, denen er so eine Silhouette aus rostigem Blech geschenkt hat. Sie schmückt jetzt unseren Eingang. Gern haben wir dafür Espresso und Rosé kredenzt.

Das Rattenlokal

Im Lauf der Jahre haben wir alle Restaurants der näheren und weiteren Umgebung abgegrast. Besonders gern haben wir ein Restaurant in St-Martin besucht und uns die gefüllten Zucchiniblüten schmecken lassen. Eines Tages sahen wir beim Verlassen des Restaurants eine Ratte im Regenfallrohr des Hauses verschwinden. Seither heißt das Lokal – den richtigen Namen habe ich verdrängt – bei Freunden und in der Familie das Rattenlokal. Wenn man übrigens auf der Terrasse eine carafe d’eau bestellt, holt die Bedienung das Wasser vom Brunnen nebenan. Dort warnt ein Schild eau non potable.

Heimkommen, essen!

Heimkommen, essen! Foto: Uli Luipold
Foto: Uli Luipold

Mitten in unserem Dorf steht der Glockenturm, beffroi. Zwischen   7 Uhr morgens und 10 Uhr abends schlägt er zu jeder Viertelstunde. Bis vor einigen Jahren hat er den Schlag zur vollen Stunde nach­ 3 Minuten wiederholt. Der erste Schlag hat die Bauern auf dem Feld alarmiert. Beim 2. Schlag konnten sie dann mitzählen, um nicht das Mittagessen zu versäumen

Polizei gegen Gendarmerie

Bereits in der ersten Woche nach dem Hauskauf wurde mein schöner Renault direkt vor der Haustüre gestohlen. Einen Tag, nachdem das Auto in den Besitz der Versicherung übergegangen war, erhielt ich von unserm Generalkonsulat in Marseille die Mitteilung, dass mein Auto nun schon sechs Wochen in einer Garage in Manosque stünde.

Ich rief darauf den Garagisten an, der versprach, mir ein Paket mit meinen Habseligkeiten fertig zu machen. Die Spannung war gross, als ich das Paket auf dem Postamt abholte. Für Fracht bezahlte ich an die 400 DM. Ich bekam die Einbruchwerkzeuge, das Scheckbuch eines Griechen und eine Brille mit Gläsern so dick wie Glasbausteine. Aber nichts, wofür ich Verwendung gehabt hätte.

Meine Auto wurde übrigens von der Police gefunden, bevor ich selbst den Verlust bemerkt hatte. Den Diebstahl hatte ich bei der Gendarmerie Nationale gemeldet, die beiden Organisationen mögen sich aber nicht und arbeiten mehr gegen- als miteinander.

Nachbarn

Wenige Tage nach Einzug in unser Ferienhaus trafen wir auf der Straße einen Nachbarn. Wir stellten uns als die Neuen vor, soeben aus Stuttgart eingetroffen. Er war darob höchst erfreut und lud uns für den selben Abend zum apéritif ein. Er hieß Gabriel Lévy, seine Frau Pauline Goldfarb. Weiterer Kommentar überflüssig!

Wir wurden gute Freunde, er schlug mir bei der Begrüßung immer auf den Rücken, dass mir fast das Kreuz brach. Apéritif ist in Frankreich übrigens die Formel für ein zwangloses Beisammensein so ab 18 Uhr, man trinkt ein paar Gläschen Champagner oder Rosé und isst dazu kleine Häppchen – meist beim traiteur geholt.

Teure Versicherung

Nach Beendigung einer Künstlerausstellung mit meiner Beteiligung schlug ich Franck, dem frisch installierten pâtissier vor, meine Fotos in seiner pâtissérie aufzuhängen, um mir das Einlagern zuhause zu ersparen. Natürlich ohne jegliche Verpflichtung für ihn. Nach Rücksprache mit seiner Versicherung hat er aber von meinem Angebot Abstand genommen, man hätte ihm wegen der „teuren“ Fotos die Versicherungssumme erhöht.

L’Arbre de Mai

L’Arbre de Mai. Foto: Uli Luipold
L’Arbre de Mai. Foto: Uli Luipold

Nicht nur in Bayern oder Schweden kennt man den Brauch des Maibaum-Aufstellens, auch in unserem Nachbarort Cucuron. Ein riesiger, frisch gefällter Baum, vielleicht eine Pappel, wird von kräftigen Männern durchs Dorf zu Kirche getragen. Obenauf reitet ein kleiner Junge in Landsknechtsuniform. Das ganze Dorf ist auf den Beinen und der Pfarrer, le curé, gibt nach vollbrachter Arbeit seinen Segen dazu.

Blumen für die Dame

Meine Frau „schmückt das Heim“ gern mit Casablanca-Lilien, genannt Casa, und Hortensien. Bei der Abreise tut es ihr leid, die Blumen in voller Blüte in die Mülltonne zu werfen. Mitnachhausenehmen geht auch nicht immer. Bleiben die Nachbarn. Die waren aber verreist. Schließlich schenkten wir die Hortensien der Frau an der Hähnchenbraterei auf dem sonntäglichen Markt. Seither haben wir einen Stein im Brett bei der „Hähnchenfrau“, sie heißt zudem noch Barbara.

Rache

Wir wohnen im alten Dorfkern innerhalb der alten, noch teilweise vorhandenen Mauern. Ein Poller schützt den Dorfkern vor den des Lesens unkundigen Parisern. Die kennen nämlich keine Einfahrt-Verbotsschilder. Wir Anlieger können den Poller mit einem Magnetschlüssel im Boden versenken. Mit einem Dreikantschlüssel oder einer kleinen Zange habe ich den Poller auch schon überlistet. Er hat mir das wohl übel genommen. Er ist sicher absichtlich langsam herunter gefahren. Jedenfalls langsamer als mein Auto schnell war. Ergebnis: Front am Auto eingedrückt. 3000 Euro Schaden.

Kunstfreunde

Den Schachspieler Jean-Paul habe ich schon erwähnt. Er hat uns mal zu sich nach Hause zum Apéro eingeladen. Er wohnt außerhalb des Dorfs. „Du musst oben auf der Höhe rechts abbiegen, an den 3 Briefkästen rechts halten und dann einen Kilometer auf dem Feldweg fahren“. Die 3 Briefkästen sahen aus, als ob sie einer Bande Wohnsitzloser gehörten, die Türchen waren aufgebrochen und die Kästen verbeult. Uns wurde es unheimlich. Doch landeten wir beim Haus von Jean-Paul, und welch Wunder: das Haus hing voller Impressionisten. Ob ein echter Cézanne dabei war, blieb uns verborgen. Dem Hausbesitzer offensichtlich, nicht aber uns blieben die kunstsinnigen Spinnen verborgen, die sich auf ihre Art der Kunstbetrachtung widmeten. Es war ein denkwürdiger Abend.

Der neue Mozart

Im Programmheft zu einem Konzert der Camerata Salzburg im Grand Théâtre de Provence stand „Mozart (1813 – 1883)“. Das wären aber die Lebensdaten von Richard Wagner. Peinlich, peinlich für die Musikstadt Aix-en-Provence mit ihren weltbekannten Festivals. Zu hören waren dann aber doch Mozarts Violinkonzerte Nr. 1 und Nr. 4 (mein Lieblings-Violinkonzert) mit Stargeiger Renaud Capuçon, sie ließen mich den Fauxpas schnell vergessen.

Die kleinste Kellertür der Welt gehört zu unserem Keller, vielleicht 12 mm hoch, und ist auf einer französischen Briefmarke abgebildet. Passend dazu gibt es bei presse-tabac eine Postkarte der kleinen Gasse, die zu unserem Keller führt. Der Postkarte habe ich entnommen, dass die Gasse Impasse de l“arbalétier heißt, auf schwäbisch Schützen- oder Armbrüstlesgässle. Witzig, in Heslach lebte doch die bekannte Phantasiefigur Traugott Armbrüstle. So habe ich hier und dort ein Armbrüstle.

Die calade

Zu meinem 70. Geburtstag habe ich mir an Stelle von Geschenken eine Spende gewünscht für die Wiederherstellung des alten Straßenbelags im Gässle. Im Lauf der Jahre waren fehlende Pflastersteine durch Beton ersetzt worden, das Gemeindeprogramm hat diese Sünden nun wieder rückgängig gemacht. Den Spendenbetrag habe ich verdoppelt und dem Bürgermeister überreicht.

So haben wir nun unsere eigene calade, schön restauriert mit hellen, aufrecht stehenden gespaltenen Flusskieseln aus der Durance. Die Gasse ist aber winzig, kaum zehn Meter lang. Die Restaurierung der calades im Dorf hat sicher auch dazu beigetragen, dass Ansouis seit einigen Jahren zu den „plus beaux villages de France“ gehört.

Straßenkehrer mit Michelin-Stern

In der Altstadt von Aix-en-Provence hat man zwei große Plätze aufgegraben. Dummer- oder auch glücklicherweise hat man darunter alte Mauern und Gewölbe aus dem Mittelalter oder gar der Römerzeit gefunden. Auch in vielen Nebenstraßen werden wohl neue Leitungen verlegt. Entsprechend staubig geht es zu.

Vor einem Restaurant sahen wir einen Straßenkehrer in blütenweißer Kochuniform das Trottoir fegen. Wir kamen ins Gespräch, der sympathische Straßenkehrer entpuppte sich als der Patron des Restaurants, Mickaël Féval, und war sich nicht zu schade für die niedere Arbeit. Natürlich haben wir ihn (und uns) für seine private Kehrwoche belohnt und sein Restaurant zu unserer höchsten Zufriedenheit beehrt.

Bonjour, mon capitaine

Freitags findet in Lourmarin, ca. 11 km von Ansouis entfernt, ein großer Markt statt. Angeboten werden hauptsächlich Obst und Gemüse, Fisch an zwei Ständen, Käse, Gewürze, aber auch Kleidung, Schmuck und Autopolitur. Auch unsere Hähnchenfrau Barbara ist da. Der Markt ist eine Touristenattraktion, man hört alle Sprachen und sieht die ganze Vielfalt an menschlichen Gestalten, von Magersucht bis zur „Zartverpflegung“.

Gern werden Kinderwägen und Fahrräder durch die dicht gedrängten Menschenmassen geschoben. Wir gaudieren uns über die Autofahrer, die schon 1 km vor dem Ort nach einem Parkplatz Ausschau halten. Wir aber sind die Könige, haben wir doch bei unserem Freund Bruno, dem ehemaligen Zeitungsmann in Ansouis, unseren Privatparkplatz, nur 100 m vom Markt entfernt. Grand luxe.

Wir kommen aber meistens mit dem Fahrrad, die Radelstrecke führt über stille Sträßchen, und wir stellen die Räder immer am Rand des Marktplatzes ab. Unsere Utensilien verstauen wir in einer Packtasche, auch Einkäufe deponieren wir in blindem Gottvertrauen. Natürlich sichern wir die Räder mit einem stabilen Schloss, der Schlüssel passt bei mir als alter Schlüsselfigur auch in alle Türen in Stuttgart und Ansouis.

Als wir einmal Radhelm und Handschuhe aus der Packtasche holen wollten, war alles weg. Außerdem ein Körbchen frische Feigen, zwei Seezungen und eine Portion Ziegenkäse. Bei der Gendarmerie erstattete ich Anzeige. Man habe mir heute Morgen auf dem Markt in Lourmarin den Inhalt meiner Fahrradtasche gestohlen. Der Gendarm: Sie waren nicht in Lourmarin, donnerstags ist der Markt in Cadenet. Ich: Bonjour mon capitaine, heute ist aber vendredi. Ich hatte ihm sein Zeitgefühl wieder zurecht gerückt, er dankte mit Heiterkeit.

Awui

Der neue Zeitungsmann – bereits der 5. seit unserer Ankunft in Ansouis – heißt Christian, hat so viel Haare auf dem Kopf wie Karl Mays Hadschi Halef Omar im Bart, ist ein wunderbar umständlicher Mensch, bestätigt jeden Kaufwunsch mit ah oui und zählt einem jede Münze einzeln auf die Hand, gefolgt von einem ah oui, verabschiedet sich zweimal und wünscht dazu noch zweimal Guten Tag!

Austern bei Laetitia

Austern bei Laetitia. Foto: Uli Luipold
Austern bei Laetitia. Foto: Uli Luipold

Zum sonntagvormittäglichen Markt nach St-Martin-de-la-Brasque kommt immer nach zweistündiger Fahrt ein Austernstand aus Bouzigues aus dem Languedoc, an Bord eine Ladung Weltplastikstühle und klapprige Tischchen. Die sind bald heiß umkämpft, drei Rentner (einer kommt im 50er-Jahre-MG) öffnen selbstlos Austern am laufenden Band und halten dabei ihren wöchentlichen Schwätz.

Die lustige Laetitia serviert die Austern stilecht in großen Styroportabletts mit 12 Vertiefungen (so verzählt sich niemand), dazu eine Flasche Pic-Poul. 12 Austern für 6 Euro, da kann man nicht klagen, aber sich trotzdem wundern über ein deutsches Paar, das bescheidene 48 Austern verzehrt hat. Nach ein paar Flaschen ist man mit allen per Du, einer hat Käse mitgebracht, ein anderer Kuchen und Obst, jeder isst von jedem. Der Nachmittag wird immer kürzer.

Grain de sel

Nach langer Fahrt (unter 9 Stunden ist die Strecke Stuttgart – Ansouis kaum zu bewältigen) sind wir an einem Samstagabend im Dorf angekommen, der Kühlschrank leer und wir hungrig. Vor dem Haus begegnen wir Julien, der gegenüber ein kleines Bistro namens Grain de sel betreibt, nur Terrassen, keine Räume im Innern. „Ihr habt doch sicher nichts zu essen, ich habe morgen geschlossen und bis Montag möchte ich nichts aufheben. Kann ich Euch was bringen?“ Nach 5 Minuten stand Julien mit einem großen Tablett vor der Tür, darauf Käse, Schinken, Tomaten und ein Stück Pastete. Köstliches Salzkorn. Und wie’s uns geschmeckt hat!

Ein Hert für Tiere… Foto: Uli Luipold
Ein Herz für Tiere… Foto: Uli Luipold

Ein Herz für Tiere hat die Straßenbauverwaltung in den französischen Alpen. Auf den bekannten Wildwechsel-Schildern hat man den Hirschen rote, im Wind wehende Schals „umgelegt“, wofür die Tiere besonders im Winter sicher dankbar sind. Auch Hirsche mit Pegasus-Flügeln habe ich schon gesehen.

Trockenübung

Wenn’s über dem Luberon regnet, sinkt das Wasser im Berg und steigt dann wie in kommunizierenden Röhren in unserem Schlossberg wieder hinauf. Deshalb sind alle Keller im Dorf etwas feucht, zudem sind die verbauten Steine aus der Gegend hygroskopisch. Unser Nachbar hat sich so einen Trockenapparat angeschafft, der mit lautem Schnaufen seinen Keller vordergründig trocknet, dabei aber immer weitere Feuchtigkeit nachzieht. Ich habe ihn gefragt, ob er mit dem Apparat den Luberon trocknen wolle.

Fabien Barthez

Vor Jahren sahen wir im Grand Large in Cassis den damaligen französischen Fußball-Nationaltorhüter Fabien Barthez. Der wohnte in der Gegend, spielte bei OM und hatte als Sportler keine Scheu, eine Zigarre zu rauchen. Einige Monate später sah ich ihn in Arles wieder und rief ihm mit südfranzösischen Akzent zu „salü Fabiäng“, worauf er freundlich zurück winkte, als ob wir alte Kumpels wären.

Löffelente

In einem Feinschmeckerrestaurant in Aix-en-Provence stand Cuisse de canette en Parmentier auf der Speisekarte. Entenschlegel, das nehme ich. Parmentier sagte mir nichts, aber ich war neugierig. Dann wurde das Besteck serviert, eine Gabel und ein Löffel. Aha!, dachte ich spontan, da muss es sich wohl um eine Löffelente handeln. Inzwischen bin ich schlauer, Parmentier ist eine Zubereitungsart mit mehren Schichten Hackfleisch und Kartoffelpürree. Egal, es war köstlich.

Der Wolf trottete gemütlich vor uns her, als wir auf einem Feldweg über die Claparèdes fuhren, eine Hochebene im Luberon mit frisierten Lavendelfeldern und Steineichen. Er verschwand dann im Dickicht der Büsche. Fast täglich lesen wir in der Zeitung, dass in den Alpen-Departements Schafe von Wölfen gerissen werden. Zwischen Naturschützern und Schafzüchtern ist ein heftiger Streit ausgebrochen.

Der Wolpertinger. Foto: Uli Luipold

Wolperdinger gibt es auch in der Provence. In einer Kunstausstellung sah ich ein drollig dreinschauendes Tier, ein SchnauZieFu, eine tierpräparatorische Meisterleistung aus Schnauzerkopf, Ziegenfüßen und Fuchsschwanz. 

Schafe

Es macht mir Spaß, mir seltene französische Wörter zu merken, die man im täglichen Leben nicht braucht, z.B. transhumance, unser Almauf- oder -abtrieb. Der ist inzwischen in der Provence zu einem touristischen Spektakel verkommen. In St-Rémy-de-Provence werden Hunderte von Schafen über den Boulevard getrieben, angeführt von Spielmannszügen mit der typischen 3-Loch-Flöte (könnte ich vielleicht auch noch lernen) galoubet und dem tambourin. Ausserhalb der Stadt werden die Viecher auf Lastwagen geladen und dann 150 km in die Alpen gefahren.

Schafe. Foto: Uli Luipold
Schafe. Foto: Uli Luipold

Aktion Bakschisch

Unter unserem Haus gibt es 2 Gewölbekeller. Ein paar Steine waren schon aus der Wand gefallen, der Mörtel rieselte aus den Fugen. Glücklicherweise lernte ich einen jungen Marokkaner kennen mit dem netten Vornamen Kamel, von Beruf Maurer. Jetzt ist alles wieder gerichtet, eine neue Beleuchtung installiert, der Keller strahlt in neuem Glanz und ich würde dort gern meine Fotos ausstellen. Da bräuchte ich aber vorher den Luberon-Trockenapparat des Nachbarn.

Seifenkistlesrennen gibt es alle paar Jahre mal in der Umgebung. Da sieht man Kinder, aber auch ausgewachsene Männer in Einkaufswagen oder auf großen Plastikkühen mit Rädern an den Füßen die abschüssige Straße hinab düsen. Und entsprechend spektakuläre Stürze.

Seifenkisten-Rennen. Foto: Uli Luipold
Seifenkisten-Rennen. Foto: Uli Luipold

Gelbe Hosen

Beim Verlassen des Restaurants sagte ich zu dem Herrn am Nebentisch, dass mir die gelbe Farbe seiner Hose überhaupt nicht gefallen würde. Der Mann war ziemlich perplex. Als ich seinen Tisch passiert hatte, merkte er, dass ich just die gleiche Hosenfarbe trug. Das Staunen löste sich in Heiterkeit auf. Der Mann war Kubaner und Arzt in einem Nachbarstädtchen. Ein netter Plausch auf Spanisch beendete den Abend.

clic-clac

Wir sitzen auf der Terrasse der bar des sports. Sechs alte Männer – jünger als ich – kommen auf ihren Rennrädern den kleinen boulevard des platanes herauf gefahren, stellen ihre Räder ab und staksen auf ihren Spindelbeinen in die Bar, trinken einen café oder eine eau minérale und sind auch schon wieder im Sattel. Alles begleitet vom clic-clac ihrer Spezialradschuhe.

Barbarisch

Auf einem Bankformular steht neben unserer Kontonummer noch LUIPOLD ULI BARBAR. Da hat mich doch glatt jemand erkannt.


Der Beitrag von Uli Luipold ist ein Gastartikel in einer kleinen Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran: 

• Keine PDFs.

• Text: per Mail in Word, Open Office oder per Mail. Denkt daran, euch mit ein, zwei Sätzen persönlich vorzustellen.

• Fotos: Bitte schickt nur eigene Bilder und jene möglichst im Querformat und immer in Originalgröße. Sendet sie gebündelt mit www.WeTransfer.com (kostenlos & top!)  – oder EINZELN ! – per Mail. Bitte denkt an ein Foto von euch – als Beitragsbild muss dies ein Querformat sein.

• Ganz wichtig: Euer Beitrag darf noch nicht woanders im Netz stehen. Double content straft Google rigoros ab. Danke für euer Verständnis.

Vor der Veröffentlichung erhaltet ihr euren Beitrag zur Voransicht für etwaige Korrekturen oder Ergänzungen. Erst, wenn ihr zufrieden seid, plane ich ihn für eine Veröffentlichung ein. Merci !

Ich freue mich auf eure Beiträge! Alle bisherigen Artikel dieser Reihe findet ihr hier.

10 Kommentare

  1. Lieber Uli,
    klasse Erzählungen- witzig und trocken berichtet- diese Kuriositäten findet man eben immer nur im Midi. Ich ertappe mich gerade wieder, in der Arbeit Deine Geschichten zum xten mal zu lesen (obwohl ich hier etwas anderes tun sollte)-weil sie mich so zum Schmunzeln bringen und mir den Tag versüßen.
    Habe Ähnliches erlebt im Roussillon und mit meiner Lebensgefährtin Christiane zusammen nun doch den Mut gefasst hier, in „Mein Frankreich“ ebenfalls eine kleine Vorstellung zu geben. Auch hier nochmal an Hilke vielen Dank!
    Lieber Uli, bleib Deinem Humor und Deiner scharfen Beobachtungsgabe treu und vielleicht dürfen wir mal wieder was zum Schmunzeln von Dir haben.

    Viele Grüsse aus München und dem Roussillon

    Christoph

  2. Der Uli, der Erzähler! Compliment !
    Habe heute Abend eine TV-Doku über einen Teil vom Südprovence gesehen, eine Wiederholung aus dem 2018. Na ja, zu schnell und knapp… Dein Örtchen haben sie nur als ein paar Gassenbilder gezeigt…

  3. Ich finde die kleinen einzelnen Geschichten ganz wunderbar.
    Ich habe dauernd geschmunzelt.
    Vielleicht gefällt mir diese Form einer Liebeserklärung an Frankreich so gut, weil kein großes Pathos verbreitet wird, in dem Sinn: Ich, Schwabe, bin zu einem provencalischen Mitbürger geworden. Alle im Dorf lieben mich!
    Genau das macht der Autor nicht. Er ist kein Voyer wie Peter Mayle.
    Er beschreibt und gewichtet nicht. Sehr angenehm!
    Wir haben seit 1987 eine Datsche in der Provence und haben in diesen Jahren meherere innerliche Aggregatzustände erlebt, was unsere Nähe und Distanz zur Provence betrifft.
    Von daher trifft uns diese Darstellung in unserer wechselhaften Befindlichkeit.
    Demnächst schreiben wir gerne einen Beitrag.
    Im Übrigen ist unser Domizil am Lac de Ste. Croix und wir hoffen, da im Juli 2021 nach einem Jahr Zwangspause wieder sein zu können, geimpft und mit drei Enkelkindern!

  4. Ja, das hat Schwung, das hat Charme, das ist Südfrankreich, denn die scheinbaren Nebensachen werden zur verbindenenden Hauptsache. Vor allem keine sterile Landschaftsschilderungen à la Baedeker. Stattdessen eine Komposition kleiner Kunstwerke wie die Ihrer Nummernschilkder auch. Chapeau!
    Ein Fischkopp aus dem Roussillon (seit 27 Jahren)

  5. Lieber Herr Luipold,

    herzlichen Dank für diesen tollen Stimmungsbericht aus einer der wenigen Gegenden Frankreichs, die ich nicht so gut kenne.
    Bretagne, Normandie, Grand Est, Bourgogne, (Nouvelle-)Aquitaine, Languedoc-Roussillon, Centre, Pays de la Loire, all das kenne ich wesentlich besser als die Provence, da mich die Côte d´Azur nicht wirklich reizt; gut, ich weiß: die Provence ist/bietet mehr als diese Schickeria-Küste …

    Bitte gestatten Sie mir eine kleine Nachfrage:
    Obwohl ich als ehem. Franz.lehrer Französisch fast genau so gut wie Deutsch spreche, erschließt sich mir der „faux ami“ mit den Zwiebeln nicht, von daher möchte ich Sie bitten, es mir erklären zu wollen.

    Liebe Grüße,
    Hubert

  6. Herrlich, diese Geschichten..Ich bin noch gar nicht ganz durch und schon so amüsiert. Das ist der schöne Teil. Der weniger schöne ist die Sehnsucht, die jetzt so schmerzhaft piekst. Ach, wäre ich doch auch da unten…..

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