Église Notre-Dame de Vals. Foto: Hilke Maunder

Vals: Die Kirche im „Pudding“

Bienvenue à Vals. Wuchtig lehnen sich seine alten Mauern aneinander. Steinhäuser, in Gelb- und Ockertönen hell verputzt. Die Fensterläden sind aus Holz, dunkel gebeizt oder in Pastell gestrichen. Katzen laufen durch die Gassen. Bleu, blanc, rouge flattert die Trikolore am Flaggenmast der Mairie. Gelb leuchtet der Löwenzahn auf den Wiesen.

Ein kleines Bauerndorf, ruhig und still. Wäre da nicht der große Parkplatz. Und ein Schild, das mich hatte abbiegen lassen von der D 119 nach Pamiers. Église rupestre de Vals hatte darauf gestanden. Das hat die Neugier geweckt.

Der rätselhafte Glockenturm

Vals könnte nur ein kleiner Klecks auf der Landkarte sein, ein Bauerndorf am Hers. Wäre da nicht dieser Fels im Herzen des Dorfes. Auf ihm thront ein wehrhafter Turm, der den Dorfbewohnern bei Angriffen im Hundertjährigen Krieg (1337 bis 1453) Schutz bot.

Vermutlich handelt es sich bei dem Glockenturm um den Bergfried einer Burg, die sich einst hier befand. Krähen, Eulen und Tauben haben die Nischen des Mauerwerkes erobert und nisten dort.

Église Notre-Dame de Vals. Foto: Hilke Maunder
Wer hinaufsteigt zur Kirche, erkennt, dass sich hinter dem Donjon noch eine Kapelle verbirgt. Foto: Hilke Maunder

Doch das Kreuz verrät: Dieser Turm ist kein Verlies. Sondern bildet die Spitze eines Gotteshauses, das sich seit dem 10. Jahrhundert in Vals in einer Diaklase versteckt – auf drei Etagen.

Die Kirche im „Pudding“

Eine Diaklase ist eine Art Kluft. In Vals entstand sie in einem „Pudding“, und damit in einem Sedimentgestein, das aus abgerundeten Kieselsteinen besteht. Poudingue de Palassou heißt dieser Klotz aus Konglomerat, der sich mitten im Ortszentrum erhebt und deutlich seine Strukturen zeigt.

Am Sockel des Felsens führen einige Stufen hinauf zu einer Eichentür. Laut knarrend öffnet sie sich. Stufen, in den Fels geschlagen, führen in einem immer schmaler werdenden Spalt hinauf zur Krypta, deren Ursprünge bis ins 10. Jahrhundert zurückreichen. Von dort leiten die Stufen weiter hinauf in eine rechteckige Apsis aus dem 11. Jahrhundert, die romanische Fresken schmücken.

Église Notre-Dame de Vals. Foto: Hilke Maunder
So seht ihr die Kirche vom Dorf aus. Foto: Hilke Maunder

Versteckte Fresken

Kalk, Hämatit, Ocker und Ruß lieferten die Farben für die Fresken, deren Weiß, Rot, Gelb und Schwarz abgestuft in verschiedenen Tönen zu sehen ist. Das sehr seltene Blau wurde vermutlich aus dem Mineral Azurit (Kupferblau) gewonnen.

Erst 1952 entdeckte der Abt Julien Durand die Fresken unter mehreren Putzschichten. Sylvain Stym-Popper, Chefarchitekt der Denkmalpflege von Ariège, rettete und reinigte sie vier Jahre später. 2008 restaurierte Jean-Marc Stouffs die Fresken, die seitdem wieder ihre ursprüngliche Leuchtkraft zeigen.

Die Fresken der Felsenkirche von Vals. Copyright: Agence Départementale du Tourisme Ariège-Pyrénées
Copyright: Mado Goncalves  / Agence Départementale du Tourisme Ariège-Pyrénées

Die Heiligen Michael und Matthäus sowie Raphael und Gabriel umgeben Christus und bewachen die Stätte. Aber jenseits der Farben, der Kleidung und der Positionen der verschiedenen Charaktere fällt ein Detail auf: die Augen.

Unbeweglich und riesig lasten sie auf den Besuchern und scheinen sie noch zu fixieren, wenn sie schon längst die Stufen zum oberen Kirchenschiff empor gegangen sind.

Die Fresken der Felsenkirche von Vals. Copyright: Agence Départementale du Tourisme Ariège-Pyrénées
Copyright: Mado Goncalves / Agence Départementale du Tourisme Ariège-Pyrénées

Aufstieg zum Erzengel

Ursprünglich war das Kirchenschiff deutlich niedriger als heute. Doch im 19. Jahrhundert ließ der Marquis de Portes es erhöhen und 1887 mit Buntglasfenstern ausschmücken, welche die Wappen der Markgrafschaft Portes zeigen.

Am Ende dieses Kirchenschiffs steigt eine knarzende dunkle Holztreppe steil hinauf zur ehemaligen Kapelle des Heiligen Michael. Sie wurde wahrscheinlich im 12. Jahrhundert erbaut. Von dort habt ihr Zugang zu einer Terrasse.

Sie eröffnet weite Blicke über das Dorf bis hin zu den Schneespitzen der Pyrenäen im Süden. Plate-forme du Rahus nennen die Einheimischen das kleine Plateau bei der Kirche.

Die Infotafel zur Felsenkirche von Valls. Foto: Hilke Maunder
Die Infotafel zur Felsenkirche von Valls. Foto: Hilke Maunder

Spurensuche in der Steinzeit

Zwischen Felsblöcken und schlanken Bäumen sind noch die Spuren des mittelalterlichen Dorfes zu sehen, das sich einst hier befand. Doch auch ältere Spuren, die bis in die Steinzeit führen, sind hier erhalten. Archäologische Ausgrabungen legen sie frei. Ein Trampelpfad führt hinab zum Friedhof, der sich an den Fels lehnt. Auch er ist ein mystischer Ort, völlig der Zeit entrückt.

Der Friedhof von Vals. Foto: Hilke Maunder
Der Friedhof von Vals. Foto: Hilke Maunder

Vals: meine Reisetipps

Ansehen

Bar-Expo (Musée de Vals)

Das erste Museum in Vals richtete der damalige Abt Julien Durand 1964 in einem Haus ein, das dem Bistum Pamiers gehörte. Dieses Haus kaufte die Gemeinde Vals, verlagerte das Museum vom ersten Stock ins Erdgeschoss, ergänzte es mit einer Bar und eröffnete es 4. Juli 2009 als Bar Expo.

Wandtafeln erklären die Ortsgeschichte und die romanischen Fresken der Kirche von ihrer Entdeckung bis zu ihrer Restaurierung. Wer ein Souvenir sucht: Hier werden neben Getränken auch Postkarten und Lesezeichen verkauft!
• Place de l’Ormeau, 09500  Vals, Tel. 05 61 68 68 57, https://vals-ariege.fr/bar-expo, Juni – Okt. 11 – 19 Uhr, sonst auf Anfrage

Das Museum von Vals. Foto: Hilke Maunder
Das Museum von Vals. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen & schlafen

Café de Vals

Das gemütliche Café findet ihr im Herzen des alten Dorfes in einem alten Steinhaus. Das Dorf trifft sich hier zu Kaffee und Wein, spielt Schach und klönt. Ausflügler und Wanderer auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela finden hier ein Doppel- und ein Vierbettzimmer, die jeweils mit von der Kirche inspirierten Fresken dekoriert sind.
• 1, Rue de l’École, 09500 Vals, Tel. 05 61 60 31 57, www.vals09.fr

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Wandern

Vals liegt direkt an der Grande Randonnée GR 78. Die Weitwanderroute folgt dem Pyrenäen-Piemont-Weg (auch: el cami deu pé de la coste) und ist eine Nebenroute der Pilgerreise nach Santiago de Compostela.

Obwohl sie weniger frequentiert ist als die vier historischen Routen, gilt sie als fünfte Hauptroute und nicht mehr als eine Variante der Via Tolosana. Die GR 78 beginnt in Carcassonne und führt bis nach Saint-Jean-Pied-de-Port. Mehr über die Jakobswege in Frankreich erfahrt ihr hier.

Église Notre-Dame de Vals. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

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Im Blog

Meine Lieblingsorte in Ariège habe ich hier vorgestellt.

Auch das nahe Pamiers ist einen Besuch wert. Klickt mal hier!

Am Hers wohnt der Messermann von Ariège. Mein Interview mit Jean-Paul Tisseyre gibt es hier.

Sentier Cathare: Jean-Paul Tisseyre Foto: Hilke Maunder
Jean-Paul Tisseyre. Foto: Hilke Maunder

Im Buch

Annette Meiser, Midi-Pyrénées*

Annette Meiser, die u.a. die ers­te müll­frei­e Schu­le Deutsch­lands mitbegründete, hat in Midi-Pyrénées ihre Wahlheimat. Dort lebt und arbeitet sie seit vielen Jahren und bietet erdgeschichtliche und kulturhistorische Wanderreisen an.

Ihre Expertise hat sie auf 432 Seiten zwischen die Buchdeckel eines Reiseführers gepackt. Ihr erstes Buch stellt eine Ecke Frankreichs ausführlich vor, die in klassischen Südfrankreich-Führern stets zu kurz kommt.

Für mich ist es der beste Reiseführer auf Deutsch für alle, die individuell unterwegs sind – sehr gut gefallen mir die eingestreuten, oftmals überraschenden oder kaum bekannte Infos. Wie zum einzigen Dorf Frankreichs, das sich in zwei Départements befindet: Saint-Santin liegt genau auf der Grenze von Aveyron und Cantal. Wer mag, kann den Band hier* direkt online bestellen.

Okzitanien abseits GeheimtippsHilke Maunder, Okzitanien: 50 Tipps abseits der ausgetretenen Pfade*

Okzitanien ist die Quintessenz des Südens Frankreichs. Es in den Höhen der Cevennen, endet im Süden am Mittelmeer – und präsentiert sich zwischen Rhône und Adour als eine Region, die selbstbewusst ihre  Kultur, Sprache und Küche pflegt. Katharerburgen erzählen vom Kampf gegen Kirche und Krone, eine gelbe Pflanze vom blauen Wunder, das Okzitanien im Mittelalter reich machte.

Acht Welterbestätten birgt die zweitgrößte Region Frankreichs, 40 grands sites – und unzählige Highlights, die abseits liegen. 50 dieser Juwelen enthält dieser Band. Abseits in Okzitanien: Bienvenue im Paradies für Entdecker!  Hier* gibt es euren Begleiter.

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