Der Blick auf die Kais von Vernon. Foto: Hilke Maunder

Vernon: das Sprungbrett zu Monet

Vernon wird gerne unterschätzt – und nur als Sprungbrett nach Giverny genutzt. Doch auch die Hafenstadt am Südufer der Seine hat Claude Monet beim Malen inspiriert. Der berühmteste Vertreter der Impressionisten fand in Vernon viele Motive für seine Kunst, besonders die malerische Wassermühle auf der alten Seine-Brücke.

Normannenherzog Rollo gründete im 9. Jahrhundert Vernon. Seit dem Boom der Flusskreuzfahrten hübscht sich das Städtchen für den Tourismus immer weiter auf – und setzt dabei auf Nachhaltigkeit als eine der drei Städte der Nouvelle Normandie, wie sich die ville d’art et d’histoire (Stadt der Kunst und der Geschichte) zukunftsorientiert mit Les Andelys und Giverny gemeinsam vermarktet.

Mit Finanzmitteln der Region erhielten die beiden Flussschiff-Anleger am Ufer der Seine für die wachsende Zahl der Kreuzfahrtschiffe je einen Steiger, sprich, Versorgungsanschluss, für Wasser und Landstrom.

Zweites Standbein von Vernon ist der Maschinenbau. Im „Tor zur Normandie“ an der Seine produziert die Ariane-Gruppe den Antrieb der Ariane-Rakete. Davon später mehr. Jetzt bleiben wir erst noch einmal in der Stadt, die Sitz des Europäischen Zentrum für Umweltschutz ist und bis heute ein beschauliches Flair verströmt.

Motiv der Maler: die Seine-Mühle

Das Wahrzeichen der Stadt ist der ehemalige Brückenkopf der Festung Vernon am Ufer der Seine. Das dortige Château de Tourelles sollte – mit ihrem Gegenstück am linken Ufer — einst den Zugang der oft umkämpften Stadt zwischen Frankreich und der Normandie schützten. Von der damaligen Brücke über die Seine ist nur noch ein Brückenbogen erhalten. Auf ihm thront seit dem 15. Jahrhundert Le Vieux Moulin. Der Fachwerkbau diente einst als Zollhäuschen und ist so malerisch gelegen, dass er auch Claude Monet als Motiv diente. Seine Ansicht der alten Mühle könnt ihr heute im Museum of Art in New Orleans bewundern.

Das Musée Blanche Hoschedé-Monet an der Rue du Pont 12 birgt in einem alten Fachwerkhaus zwei Gemälde von Monet sowie weitere Kunstwerke von Tiermalern wie Paul Jouve, eine grafische Sammlung sowie Exponate zur Archäologie und zur Regionalgeschichte.

Am Seine-Kai machen immer mehr Flusskreuzfahrtsschiffe fest. Foto: Hilke Maunder
Am Seine-Kai machen immer mehr Flusskreuzfahrtschiffe fest. Foto: Hilke Maunder

Der Park der Künste von Vernon

Am Rand der Altstadt von Vernon entstand 2006 nach Plänen der Landschaftsarchitektin Elizabeth Moisan der Parc des Arts. Er birgt zwei mittelalterliche Türme:  die Tour des Archives als Wahrzeichen von Vernon – und die Tour de la Farine.

Die Tour des Archives von Vernon überragt die alten Fachwerkhäuser. Foto: Hilke Maunder
Die Tour des Archives von Vernon überragt die alten Fachwerkhäuser. Foto: Hilke Maunder

Der Park vereint Natur und Kunst in harmonischer Weise. Skulpturen, blühende Rabatten und Wasserkunstwerke sorgen für einen idyllischen Ort der Ruhe und Inspiration in der alten Stadt. Sogar einige Weinreben wachsen dort und erinnern daran, dass im Mittelalter im Seinetal Wein hergestellt wurde.

Ganz bewusst sehr modern gehalten – und im spannungsreichen Kontrast mit den Resten der alten Stadtmauer – steht der zum Parc des Arts gehörige Espace Philippe-Auguste mit Theater-, Ausstellungs- und Veranstaltungssaal sowie der städtischen Mediathek und dem Konservatorium.

Im Zentrum des Fachwerkstädtchens stehen sich weltliche und kirchliche Macht direkt gegenüber: hier das frisch gesandstrahlte stattliche Rathaus, gegenüber, etwas zurückgesetzt von der Rue Carnot, die Collégiale Notre-Dame. Ende des 11. Jahrhunderts begann um das Jahr 1072 ihr Bau, doch erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde er vollendet.

Das katholische Gotteshaus vereint daher verschiedene architektonische Stile. Chor und Querschiff sind romanisch, der Rest des Gebäudes ist überwiegend gotisch. 13 Seitenkapellen säumen das 22 Meter hohe Kirchenschiff, dessen schönster Schmuck eine Fensterrose im Flamboyantstil in der Westfassade ist.

Schönster Aussichtspunkt auf die Schieferdächer der Altstadt und die Seine ist die Côte Saint-Michel. Und wenn ihr schon einmal in Vernon Halt macht, dann besucht auch einmal das am Stadtrand gelegene Château de Bizy. Das prächtige Schloss, ein Stilmix des 18. Jahrhunderts, mit weitläufigen, gepflegten Gärten besitzt sogar einen Pool für Pferde!

Hintergrund: von der V1 zum Viking-Triebwerk

Das französische Städtchen Vernon ist seit Jahrzehnten ein zentraler Knotenpunkt in der europäischen Raumfahrt. Die Wurzeln dieser bedeutenden Rolle reichen bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück, als Frankreich deutsche Atomwissenschaftler und V2-Raketeningenieure aus seiner Besatzungszone – wie beispielsweise Friedrichshafen – nach dem Ende des Krieges nach Frankreich holte, um Raketenantriebe zu erforschen und die Grundlagen für die französische force de frappe (Atomstreitmacht) zu legen.

Diese Aktivität war Teil eines breiteren Musters nach dem Krieg, bei dem die Siegermächte deutsches wissenschaftliches Personal für ihre eigenen militärischen und wissenschaftlichen Programme rekrutierten. Ähnliche Programme gab es in den USA (Operation Paperclip) und der Sowjetunion.

In Vernon wurde auf dem Gelände des heutigen ArianeGroup nach dem Krieg das Laboratoire de recherches balistiques et aérodynamiques (LRBA) gegründet. Auch ehemalige Ingenieure aus Peenemünde arbeiteten hier an der Entwicklung von Raketentriebwerken. Viele der in Vernon entwickelten Triebwerke tragen noch heute den prägenden Buchstaben „V“ als Hommage an diese Anfänge.

Aus dieser Zeit stammt auch das Viking-Triebwerk, das als Grundlage für die ersten Stufen der europäischen Trägerrakete Ariane diente. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte Snecma, der Vorgänger des ArianeGroup, eine Vielzahl von Triebwerken, darunter das Vinci-Triebwerk, das als eines der leistungsstärksten Triebwerke seiner Klasse gilt und in der Oberstufe der Ariane-Raketen zum Einsatz kommt.

Auch heute spielt Vernon eine entscheidende Rolle in der europäischen Raumfahrt. ArianeGroup testet und entwickelt hier innovative Triebwerke wie Prometheus und Themis, die den Weg für eine neue Generation wiederverwendbarer Trägerraketen ebnen sollen. Prometheus ist ein besonders leistungsstarkes Triebwerk, das die Grundlage für zukünftige Raumfahrtmissionen bilden könnte. Themis hingegen ist Prototyp für eine wiederverwendbare Raketenstufe, und damit ein wichtiger Baustein zu kostengünstigeren Raumfahrtmissionen.

Obwohl es in der Vergangenheit Kooperationen mit US-amerikanischen Unternehmen wie Rocketdyne gab, legt die europäische Raumfahrtagentur ESA großen Wert auf die Unabhängigkeit der europäischen Raumfahrttechnologie. Daher werden internationale Kooperationen sorgfältig geprüft und darauf ausgerichtet, die technologische Souveränität Europas zu stärken.

Frankreichs Technologietransfer nach dem Krieg war damals in Vernon mehr als umstritten, da es sich um die Nutzung von Expertise handelte, die ursprünglich für das Nazi-Regime entwickelt wurde. Frankreich versteckte daher seine deutschen Experten im Wald – dem legendären Buschcamp.

Vernon: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Traditionelle Küche serviert das Bistro Les Fleurs
73, rue Carnot, Tel. 02 32 51 16 80, www.facebook.com, Mo. geschl.

Angenehme Atmosphäre, gute Küche und 50 geräumige Zimmern vereint Le Normandy*.
• 1, rue Pierre Mendès/ place de Paris, Tel. 02 32 51 97 97

Hier könnt ihr schlafen*

 

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