Männern in Tuniken maischen mit nackten Füssen die Trauben. Foto: Preissebild Mas gallo-romain des Tourelles
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Der Wein der Via Domitia

Mit der Via Domitia schufen die Römer in der Antike eine Handelsstraße, die Rom mit Spanien verband. Im Hinterland des Mittelmeeres durchquerte sie dabei Südfrankreich. Die Handelsroute, deren Verlauf heute die A9 folgt, bildete das Rückgrat für Wirtschaft und Wohlstand in der Provinz Gallia Narbonensis.

Antike Hauptstadt Galliens

Orte wie Ambrussum (heute eine archäologische Stätte bei Villetelle im Hérault), Ugernum/Beaucaire, Ruscino, Illibéris/Elne, die bereits zur Eisenzeit bestanden, stiegen zu wichtigen Handelsorten auf. Zur Hauptstadt des römisch geprägten Gallien schaffte es eine Stadt am Kreuzpunkt der Handelsstraßen Spanien-Italien und Mittelmeer-Aquitanien (Via Aquitania): die Colonia Narbo Martiu, das heutige Narbonne.

Vor seinem imposanten Rathaus wurden 1997 unter dem Pflaster bei Bauarbeiten per Zufall große Quader mit tiefen Wagenspuren im Granit entdeckt – ein perfekt erhaltenes Teilstück der Via Domitia.

Ein Teilstück der Römerstraße Via Domitia. Foto: Hilke Maunder
Ein Teilstück der Römerstraße Via Domitia. Foto: Hilke Maunder

Haupt-Handelsgut der Via Domitia: Wein

Zu den wichtigsten Handelsgütern, die u.a. auf der um 118 v. Christus vom Prokonsul Domitius Ahenobarbus errichteten Straße transportiert wurden, gehörte Wein. Die Amphoren für den Weintransport wurden einst in einem gallo-römischen Dorf bei Nîmes gefertigt.

Erst in den 1980er-Jahren wurde die antike Werkstatt entdeckt. Archäologen fanden sie auf dem Gelände des Weingutes Mas des Tourelles, das prompt einen Lehrpfad anlegte. Auf laminierten Tafeln könnt ihr dort die verschiedenen Anbautechniken der Römer kennenlernen – als Spalier, in Symbiose mit Olivenbäumen oder in Trichterform.

Die Rebsäfte der Römer

Alljährlich im September werden die Trauben wie einst in der Antike geerntet und gepresst.  Bei der Pressung kommt nicht mechanische pressoirs zum Einsatz. Sondern Männer in Tuniken, die mit nackten Füssen die Traube maischen. Das Ergebnis könnt ihr gleich vor Ort verkosten. Drei Weine, die nach überlieferten römischen Rezepten vinifiziert wurden – Mulsum,  Turriculae und Carenum.

Nunc est bibendum!

Der Mulsum der Winzerfamilie Durand steht in der Tradition des antiken Vinum Mustum. Diesen „jungen Wein“ genossen die Römer als Aperitif, gerne gewürzt mit Zimt, Pfeffer oder Thymian. Seinen lateinischen Namen deutschten die Germanen ein zu … Most.

Hinter dem Turriculae verbirgt sich ein trockener Wein, der neben Meerwasser auch den Defrutum enthält, einen wie in der Antike unvergorenen, eingekochten Traubenmost. Der süße Weißwein Carenum ähnelt ein wenig einem Dessertwein oder Sherry und wird aus überreifen Trauben und etwas Quitte hergestellt. Etwas gekühlt schmeckt er am besten.

Süffige Zeitreisen

200 Kilometer südwestlich – und ebenfalls nahe der Via Domitia – hat auch die Domaine du Cardona in Fraïsse-des-Corbières Gefallen an früheren Weintechniken gefunden. 2023 hat sie es mit ihrem ausgefallenen Sortiment sogar in die Museumsboutique des Pariser Louvre geschafft! Seit einigen Jahren bereits wird das ansonsten recht unbekannte Weingut als Referenz geführt im Pariser Mittelalter-Museum Musée de Cluny.

Hausherr François Desnier ist von Haus aus ein gelernter ITler. Doch als er einen Weinberg vom Großvater erbte, begann er ein wenig zu experimentieren. 1999 folgte die Spezialisierung auf antike und mittelalterliche Getränke. Als Erstes brachte er seinen Liebestrank Hypocras in den Handel, wo ihn die Bar L’Échoppe ausschenkte.

Der antike Mix kam so gut an, dass Monsieur Desnier seinen Job an den Nagel hängte und sich nun voll und ganz seinem Herzensprojekt widmet: der Herstellung von Hypocras, Met und gallo-römischen Weinen.

Antiker Opferwein

Mittelalterliche Getränke dominieren das Sortiment. Bestseller im antiken Angebot ist der weiße V Gallo-romain de la Narbonnaise. Seine Komposition basiert auf einer Abschrift eines Opferweins aus dem 1. Jahrhundert, der von der Legende der Cybele inspiriert wurde.

Als Narbonne noch Hauptstadt der römischen Kolonie Gallia Narbonensis war, die sich von Toulouse bis Genf erstreckte, wurde dort aus der weißen Vermentino-Rebe ein honigsüßer Wein mit mediterranen Pflanzenessenzen hergestellt. In Rot wurde er als Cuvée aus Carignan, Grenache und Syrah hergestellt.

Über den Hafen von Narbonne, den Narbo Martius, reiste er ins ganze römische Weltreich und natürlich auch nach Rom

Das einzige Rezept für diese gallorömischen Getränke stammt aus den Schriften von Lucius Iunius Moderatus Columella. Jener hat zu Lebzeiten ein zwölfbändiges Werk zur Landwirtschaft, den Gartenbau und die Baumzucht verfasst.

Gewürze, Honig, Blüten und Früchte

Früher wurde Wein gerne mit Honig gesüßt oder mit Gewürzen aromatisiert. Eines der ältesten Rezepte stammt von Guillaume Tirel (*vermutlich 1312 – 1395). Besser bekannt ist er als Taillevent (Schneidewind). Ab 1381 war er Chefkoch König Karls V. von Frankreich. Eng verknüpft mit seinem Namen ist eines der frühesten und einflussreichsten westlichen Kochbücher, Le Viandier.

Fünf Manuskripte des Viandier sind erhalten. Das älteste, aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts stammende Manuskript wird in der Kantonsbibliothek Wallis in Sion aufbewahrt. Die anderen Exemplare besitzen die Bibliothèque nationale de France und die Bibliothèque Mazarine in Paris, die Murhardsche Bibliothek in Kassel und die Bibliothek des Vatikans.

Das Erbe der Kreuzritter

Taillevent führt darin auch sein Hyprocas-Rezept auf.  Zu seiner Zeit war das Getränk in ganz Europa auf den großen Tafeln üblich. Ins Land gekommen war es durch die Kreuzritter, die aus dem Orient zurückkehrten. Sie hatten großen kulturellen Einfluss auf den Wein.

In der Renaissance war es Mode, die Weine nicht nur mit Honig und Gewürzen zu aromatisieren, sondern auch mit Blumen und Früchten.

François Desnier hegt jedoch nicht den Anspruch, die Weine aus vergangenen Epochen exakt zu reproduzieren. Zwar stützt er sich bei der Herstellung auf die Arbeit von Historikern, passt aber die Tropfen dem heutigen Geschmack an.  Sonst würden uns die Weine ungenießbar erscheinen, sagt er.

Die Weine der Via Domitia: die Infos

Mas Tourelles

• 4294, route de Saint-Gilles, 30300 Beaucaire, Tel. 04 66 59 19 72, https://tourelles.com

Domaine du Cardona

• 9 bis, Grand rue, 11360 Fraïsse-des-Corbières, Tel. 06 41 15 24 27, www.domaineducardona.com

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2 Kommentare

  1. Wie nicht anders gewohnt: ein höchst interessanter und gut recherchierter Artikel. Für mich besonders interessant. Nicht nur, weil ich sehr gern Wein trinke. Mein Haus in Südfrankreich liegt an der etwas weniger bekannten altrömischen Via Aquitana, die bei Narbonne von der Via Domitia abbiegt in Richtung Atlantik. Viele Jahrhunderte später hatte dann ein gewisser Jean Paul Riquet die Idee, längs der Via Aquitana einen Wasserkanal zu bauen, der heute unter „Canal du Midi“ bekannt und beliebt ist

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