Die Tarasque - der Drache von Tarascon. Foto: Hilke Maunder
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Tarascon: die eingedeichte Drachenstadt

Tarascon ist ein kleiner Ort an der Rhône, noch immer ein wenig abseits vom touristischen Fokus. Und doch eine Entdeckung wert. Seine Lage an der Rhône ist wunderschön, seine Innenstadt noch herrlich authentisch und herrlich provinziell, pardon, provenzal. Mit Tartarin schuf Alphonse Daudet den Urtyp eines südfranzösischen Hinterwäldlers.

Legendär wurde auch die Tarasque von Tarascon. Das menschenfressende Monster  halb Mensch, halb Tier, lebte einst in den Ufern der Rhône und verschlang dort jeden, der dort entlang kam. Heute versteckt es sich, gut gesichert, in einem dunklen Schaukasten unter den Arkaden der Place du Marché.

Nur im Sommer, wenn die Stadt an der ViaRhôna ihre Fête de la Tarasque feiert und der Drache beim Umzug durch die Straßen getragen wird, darf das Ungeheuer sein Gefängnis verlassen. Mit roter Zunge, grünem Kopf und pechschwarzen Haaren zieht es durch dei Gassen der alten Stadt.

Tarascon: Rue des Halles. Foto: Hilke Maunder
Von Arkaden gesäumt: die Rue des Halles. Foto: Hilke Maunder

Hoch über der Rhône sonnt sich an der Flutmauer eine zweite Tarasque, groß aus hartem Stein geschlagen, nur einen Steinwurf entfernt von der Kirche, die der Heiligen geweiht ist, die das Monster bezwang: Sainte-Martha. Allein mit Weihwasser und Keuschheit soll die Jungfrau diese ungeheure Tat begangen haben.

Tarascon, Collège Royale. Foto: Hilke Maunder
Der Collège Royale von Tarascon. Foto: Hilke Maunder

Der gezähmte Drache

60 tapferen Männern, die zuvor versucht hatten, die Tarasque zu besiegen, war die Zähmung nicht gelungen. Die Hälfte von ihnen wurde vom Feuerstrahl des Drachen verbrannt, Die Restlichen flüchteten – froh, den Kampf überlebt zu haben. Der Drache ist heute im Stadtwappen verankert, der siegreichen Sainte-Martha die Stiftskirche von Tarascon geweiht.

Drinnen zeigt ein Gemälde hinter der Kanzel, wie die Heilige Martha die Tarasque mit dem Kreuzzeichen bannte und den Einheimischen zur Steinigung zuwarf. Charles André van Loo hat es gefertigt. Die Gebeine der Sainte-Martha ruhen in der Krypta in einem vergoldeten Reliquiarum.

Tarascon: Porte Saint-Jean.Foto: Hilke Maunder
Die Porte Saint-Jean.Foto: Hilke Maunder

Die Heimat von Tartarin

Frankreichweit berühmt wurde die antike Handelsniederlassung auch durch einen Schriftsteller: Alphonse Daudet wählte Tarascon als Heimatstadt von Tartarin. Als beliebte literarische Figur führte der gewiefte Südfranzose ab 1872 mit seinen Prahlereien andere hinters Licht.

Alphonse Daudet hegte recht zwiespältige Gefühle gegenüber Tarascon. Jedes Mal, wenn er das Städtchen betrat, so soll der provenzalische Dichter im Zuge eines Gerichtsstreits zu Protokoll gegeben haben, hätte er dieses Gefühle der Verlegenheit gespürt.

Von  dem Moment an, als die hohen hellen Türme des Château René vor ihm auftauchten, bis zu dem Moment, als er sie hinter sich ließ, habe er sich in Tarascon unwohl gefühlt, so Daudet. Und doch hat er den Namen der verschlafenen provenzalischen Stadt in drei Romanen im späten 19. Jahrhundert fast so berühmt gemacht, wie er es im im 15. Jahrhundert unter ihrem legendären König gewesen war, dem Bon Roi René.

Verhasst und verboten

Doch die Bewohner von Tarascon waren von der plötzlichen Berühmtheit eher peinlich berührt und verärgert als erfreut. Sie fühlten sich verkannt, beleidigt und der Lächerlichkeit preisgegeben. Zumal der Schauplatz der Mützenschießereien, die Daudet im Werk urkomisch als eine der Heldentaten des berühmten Tartarin niederschrieb, rund 25 Kilometer entfernt auf der anderen Seite der Rhône lag.

Daudet indes hatte bei der Wahl des Ortsnamen keinerlei Gedanken an die Bewohner der Stadt verschwendet. Ihm hatte einzig gefallen, wie der Name klang – und rollte wie der Lauf der Rhône. Den Zorn bekam Daudet dennoch zu spüren. Das Buch wurde verboten und mit einem Verkaufsverbot belegt. Die Jahre vergingen, das Werk wurde legendär. Und Zugpferd für den Tourismus, der heute mit den Abenteuern von Tartarin selbst Kreuzfahrtgäste nach Tarascon lockt.

Tarascon. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Tarascon. Foto: Hilke Maunder

Im Cloître des Frères Mineurs erfahrt ihr mehr. Der Renaissance-Kreuzgang aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehörte dem Kloster, das vom Orden der Minderbrüder gegründet wurde. Heute werden in seinen gewölbten Galerien das ganze Jahr hindurch Ausstellungen gezeigt.

Ebenfalls im Kreuzgang befindet sich der Espace Tartarin, der  Szenen aus Alphonse Daudets berühmtem Roman Tartarin de Tarascon zeigt: das Cabinet des curiosités de Tartarin (Kuriositätenkabinett) und den Salon von Madame Bézuquet.

Dort erfahrt ihr alles über den heldenmütigen Rentner, der auf Löwenjagd gehen wollte. Zwar wurde er bei der Überfahrt, wie auch beim Kamelritt, seekrank. Doch zurück kehrte er wahrhaftig mit einem erlegten (wenngleich blinden und lahmen…) Löwen. Und Tarascon bereitete ihm einen rauschenden Empfang.

Provenzalische Lebensart

Tarascon: Innenhofcafe von Souleiado. Foto: Hilke Maunder
Im Innenhof von Souleiado könnt ihr im Café eine kleine Pause einlegen. Foto: Hilke Maunder

Der nächste große Name, den alle Franzosen mit Tarascon verbinden, heißt Souleïado. Seit zwei Jahrhunderten residiert die Textilmanufaktur mitten in der Altstadt im prachtvollen Stadtpalais Hôtel d’Ayminy.

Dort erzählt heute ein Museum die Geschichte der Stoffherstellung in der Provence und gewährt Einblicke in die Produktion der berühmten Stoffe. Der Museumsbesuch ist eine faszinierende Zeitreise und lässt hautnah neben der Firmengeschichte auch das Landleben der Provence von einst aufleben.

Tarascon: Souleiado-Museum. Foto. Hilke Maunder
Im Souleiado-Museum. Foto. Hilke Maunder
Tarascon: Souleiado-Museum. Foto. Hilke Maunder
Provenzalisches Zimmer im Souleiado-Museum. Foto: Hilke Maunder

Im Innenhof serviert eine Teestube Getränke und Kuchen auf Souleïado-Decken. In der Boutique gibt es Souleïado zum Tragen für sie und ihn.

Zum Sortiment gehören seidenfeine Baumwollhemden und Kleider und Mode, die mit Farbe, Mut zu Mustern und schlicht-raffinierten Schnitten wie ein Sonnenstrahl die Lebensart der Provence in alle Welt bringt.

Tarascon, Boutique von Souleiado. Foto. Hilke Maunder
Zum Souleiado-Museum gehört auch eine Boutique. Foto: Hilke Maunder

Die Burg des guten Königs

Residenz des guten Königs, roi René: das Château de Tarascon. Foto. Hilke Maunder
Residenz des guten Königs: das Château de Tarascon. Foto. Hilke Maunder
Wuchtig und wehrhaft_ das Château de Tarascon. Foto: Hilke Maunder
Wuchtig und wehrhaft: das Château de Tarascon. Foto: Hilke Maunder

Im großen Bogen laufen wir durch Gassen mit hell verputzten Fassaden und Fensterläden in den typischen Farben der Provence zurück zu einer Trutzburg, die der beliebteste Herrscher des Südens bewohnt hat: le bon roi Réné.

Direkt am Ufer der Rhône gelegen: das Burgschloss von Tarascon. Foto. Hilke Maunder
Direkt am Ufer der Rhône gelegen: das Burgschloss von Tarascon. Foto. Hilke Maunder

Seit dem 15. Jahrhundert sicherte die imposante Wehrburg am Ufer der Rhône die damals noch unabhängige Provence vom Einflussbereich des französischen Königs ab.

Vorbei an Sälen, die Christian Lacroix mit rotem Teppich ausgelegt hat, auf denen sich Vögel und andere Tiere im tiefen Schwarz tummeln, steigen wir ausgetretene Treppen hinauf zur Dachterrasse.

In der Burg von Tarascon. Foto: Hilke Maunder
Die Teppiche von Christian Lacroix in der Burg von Tarascon. Foto: Hilke Maunder

Was für ein Ausblick! Gen Osten die Kalksteinspitzen der Alpilles, gen Westen am anderen Ufer der Rhône, und damit im Languedoc, das Städtchen Beaucaire, gen Norden und Süden die sanften Bögen der Rhône. Schuten und Tanker passieren auf dem Strom.

Boutique in Tarascon. Foto: Hilke Maunder
Mit seinen Boutiquen verführt Tarascon zum Shopping. Foto: Hilke Maunder

Ausflugsschiffe von Mireio machen am Kai fest. Und auch Flussschiffe unterbrechen dort immer häufiger ihre Kreuzfahrt. Tarascon ist im Kommen. Es gibt viel zu entdecken!

Tarascon: Antiquitätengeschäft. Foto: Hilke Maunder
Antiquitätengeschäft in der Altstadt. Foto: Hilke Maunder

Künstler-Freunde

Dass die südfranzösische Rhônestadt eine norddeutsche Freundin hat, erfuhr ich per Zufall von meiner Freundin Claudine, mit der ich auf der ViaRhôna unterwegs war.

Im Hôtel de Provence entdeckte sie das Wappen ihrer Heimatstadt. Und das Werk eines Mannes, der zu den besten Freunden ihres Bruders gehörte: Anders Petersen aus Elmshorn.

Vernissage in der Werkstattgalerie von Anders Petersen in Elmshorn beim Festival Arabasques. Mitz dabei: Françoise Vadon. Foto: Hilke Maunder
Vernissage in der Werkstattgalerie von Anders Petersen in Elmshorn beim Hamburger Festival arabesques. Mit dabei: Françoise Vadon. Foto: Hilke Maunder

2005 war der freie Künstler, dessen Arbeiten die klassischen Genres sprengen, nach Tarascon gekommen und hatte dort seine Werke im Kreuzgang des ehemaligen Franziskanerklosters gezeigt. Und im Zuge der Städtepartnerschaft mit Elmshorn einen fruchtbaren künstlerischen Austausch mit Françoise Vadon begonnen.

Inzwischen hat die Künstlerin aus Tarascon ihre Arbeit mehrfach im Großraum Hamburg gezeigt, und Anders Petersens Werk ist regelmäßig in Tarascon zu sehen.

Tarascon. Foto: Hilke Maunder
In der Altstadt von Tarascon. Foto: Hilke Maunder

Meine Reisetipps: Tarascon

Schlafen

Hôtel de Provence

Geräumige, typisch provenzalisch eingerichtete Zimmer am Platanen bestandenen Altstadtring – die Räume im Obergeschoss haben wunderschön große Terrassen!
• 7, bd. Victor Hugo, 13150 Tarascon, Tel. 04 90 91 06 43, www.hotel-provence-tarascon.com

Noch mehr Betten*
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Tarascon, Terrasse des Hôtel de Provence. Foto: Hilke Maunder
Perfekt für den apéro: die Terrasse des Hôtel de Provence. Foto: Hilke Maunder

Schlemmen

Tailles de Bon

So zartes Stierfleisch habe ich bislang nirgends gegessen! Und das Ambiente ist einfach wundervoll: im Sommer im Garten, im Winter in einem fast opernartig opulent gestalteten Gastraum, urgemütlich und kuschelig.
• 1, place du Colonel Berrurier, 13150 Tarascon, Tel. 04 90 91 47 74, www.facebook.com/taillesdebon

Bistro des Anges

Gehobene Hausmannskost in für Frankreich recht großen Portionen, lokale Weine und schönes Ambiente drinnen wie draußen.
• 20, Place du Marché, 13150 Tarascon, Tel. 04 90 91 05 11, www.facebook.com

Tarascon, Bistro-Café. Foto: Hilke Maunder
Schöne Caféterrasse im Herzen der Altstadt: das Bistro des Anges. Foto: Hilke Maunder

Le Comptoir des Gourmets

Sehr gut sortiertes Feinkostgeschäft mit Bistro am Bahnhof. Serviert werden planchettes, kleine kalte Platten, mit charcuterie, Käse oder rein vegetarisch. Mittags gibt es frische Hausmannskost mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert für günstige Euro.
• 18,  place du Colonel Berrurier, www.facebook.com/lecomptoirdesgourmets

Tarascon: Bäckerei. Foto: Hilke Maunder
Auch diese Bio-Bäckerei findet ihr in der Altstadt von Tarascon. Perfekt für ein kleines goûter unter freiem Himmel! Foto: Hilke Maunder

SERVICE

Tarascon ist eine Etappe an der Fernradroute ViaRhôna. Unterkünfte für Radfahrer tragen dort das Siegel Accueil Vélo.

Rund ums Rad

Technicycles

Verkauf, Verleih und Reparatur von Fahrrädern
• Rue des Charpentiers, 13150 Tarascon, Tel. 04 90 93 14 10, https://technicycles.fr

Offizielles Stadt- und Tourismus-Portal von Tarascon: www.tarascon.fr

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Im Blog

Den Ort Tarascon gibt es in Frankreich mehrmals. Zur Unterscheidung nennt sich das Tarascon im Département Bouches-du-Rhône auch Tarascon-en-Provence oder Tarascon-sur-Rhône. Die Stadt Tarascon am Ufer der Ariège im gleichnamigen Département habe ich hier vorgestellt.

Postkarte aus … Tarascon-sur-Ariège

Im Buch

Cover: Marie-Xavier Bonnot, Im Sumpf der CamarguePackt beim Besuch von Tarascon einen Krimi mit ins Gepäck, den ich in nächtlichen Stunden verschlungen habe: Im Sumpf der Camargue von Xavier-Marie Bonnot. Tarascon und seine Tarasque sind dort das Thema.

Der zweite Fall des Marseiller Kripomannes Michel de Palma, der vom Milieu seiner Heimat nur  le baron genannt wird, gehört zu den besten französischen Krimis, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Spannend, überraschend, kenntnisreich in der Region verwurzelt – ein Lesevergnügen bis zur letzten Seite! Wer mag, kann den Krimi hier* als gebundenes Buch online bestellen. Das E-Book gibt es hier*.

Den ersten Fall von Commissaire Michel de Palma habe ich euch in meinem Blogbeitrag zum Krimiland Frankreich vorgestellt.

Roadtrips FrankreichRoadtrips Frankreich*

Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

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Tarascon, Blick vom Burgschloss auf die Rhône. Foto: Hilke Maunder
Von der Dachterrasse des Burgschlosses könnt ihr eine Rundumsicht genießen. Foto: Hilke Maunder

6 Kommentare

  1. Chère Hilke,
    danke für den schönen Bericht. Ich war zwar schon ein paarmal in Tarascon, nehme den Artikel aber zum Anlass, die Stadt und die Zwillingsstadt Beaucaire auf dem Rückweg aus Catalunya (den ich auch wieder mit ein paar Tagen in der Provence verbinden will) erneut zu besuchen und auch in eines der von dir empfohlenen Restaurants einzukehren..

  2. Wie immer hervorragend recherchiert und packend erzählt mit verführerischen Bildern und praktischen Hinweisen garniert. Mieux ne va plus! Ein herzliches MERCI. (Denis Sarlin)

  3. Beau reportage sur la jolie et méconnue ville de Tarascon! A bientôt j’espère chère Hilke pour un apéritif à l’ombre des platanes.
    Et merci d’être venue hier soir au vernissage de l’exposition avec Anders Petersen à Elmshorn.

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