Der Blick auf die Pyrenäen von Montalba-le-Château im Département Pyrénées-Orientales. Foto: Hilke Maunder
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Die Pyrenäen – was für wilde Berge!

Die Pyrenäen ist ein alpines Märchenland. Es gurgelt und rauscht im tiefen Wald. Dann plötzlich blitzt zwischen Jahrhunderte alten Weißtannen wildes Wasser auf, auf dem Sonnenstrahlen wie Sterne tanzen: unterwegs am Pont d’Espagne im Herzen des Pyrenäen-Nationalparks.

100 Kilometer lang und rund zehn Ki.lometer breit, schützt der Nationalpark m Süden Frankreichs nur einen kleinen Teil des mächtigen Gebirges, das Frankreich im Süden zu Frankreich abgrenzt. Wild, ursprünglich und völlig anders als die Alpen sind sie, die Pyrenäen – und insgesamt 430 Kilometer lang und bis zu 140 Kilometer. im Osten indes nur 50 Kilometer breit.

Les Aspres: Im Frühjahr blühen die Obstbäume. Foto: Hilke Maunder
Canigou: Im Frühjahr blühen die Obstbäume. Foto: Hilke Maunder

Die Pyrenäen sind ein echter Grenzfall: Hier endet Europa – und beginnt Afrika. Zumindest für die Geologen – denn hier knallt unsere Kontinental-Platte an das afrikanische Schild.

DasUrgestein wurde hochgeschoben, geknickt, gefaltet – schroff und steil zum Felsriegel der Pyrenäen. Bei Saint-Martin-de-Fenouillet könnt ihr auf dem erdgeschichtlichen Wanderpfad Sentier géologique des Hauts de Taïchac direkt an der Bruchkante entlanglaufen. Mehr zu dieser Wanderung erfahrt ihr hier im Blog.

Weiche Knie im Welterbe

Schneeschuhwandern mit Bernard Josué im Cirque de Gavarnie. Foto: Hilke Maunder
F/Midi-Pyrénées: Schneeschuhwandern, Bernard Josué

„Unbezwingbar“, denke ich, und ein wenig werden die Beine weich. Zwei schmale Bänder halten eiförmige Gitter aus rotem Plastik an meinen Füßen fest. Die Hände klammern sich an Skistöcke. Im Rucksack ist ein Picknick vorbereitet. Ein eisiger Wind bläst aus Südwest.

Breitbeinig folge ich Bernard Josué und stapfe die steile Flanke des Pic du Taillon (3.144 Meter) entlang, während sich mein klappender Schneeschuh im Schnee verkrallt. Stundenlang wandern wir so durch den Gebirgskessel Cirque de Gavarnie. Meterhoch glitzert die weiße Pracht.

Auch Nathalie Morel ist mit Schneeschuhen unterwegs in der Cirque de Gavarnie. Foot. Hilke Maunder
Auch Nathalie Morel ist mit Schneeschuhen unterwegs in der Cirque de Gavarnie. Foto. Hilke Maunder

42 Wasserfälle bilden klirrende Kaskaden aus Eis, einige fast 500 Meter hoch. Bricht eine Spitze, halt ihr Echo wie ein Donner. Unser Ziel ist die Brèche de Roland (2.807 Meter).

Dort, wo das Schwert des sterbenden Roland diese markante Scharte in die kilometerlange Kalkmauer geschlagen haben soll, hält Josué inne, öffnet den Rucksack und bereitet im Windschatten eines Felsblocks ein goûter vor, ein kleines Picknick mit Bergkäse, Hartwurst, Tee und Brot.

Dann holt er ein zerfleddertes Büchlein heraus und reicht es mir. „Die Felswände stehen in einem gigantischen Halbkreis, oben liegt etwas Schnee, und das Ganze ist schön anzusehen …“ schrieb Kurt Tucholsky 1927 in seinem „Pyrenäenbuch“.

Cauterets: Spielwiese im Schnee am Pont d'Espagne. Foto: Hilke Maunder
Spielwiese im Schnee am Pont d’Espagne. Foto: Hilke Maunder

Orchideen und Gänsegeier

Gen Westen ragt die Eisspitze des Vignemale 3.298 m hoch in den Himmel – Rekord im Nationalpark. Von Osten weht sanft und mild das Mittelmeer hinüber, von Westen kommt kühlere Atlantikluft. Auch das Klima ist ein Grenzfall. Es ändert sich von Tal zu Tal und sorgt für eine einzigartige Vielfalt.

Pont d'Espagne: Überall gurgelt und gluckert das Wasser. Foto: Hilke Maunder
Pont d’Espagne: Überall gurgelt und gluckert das Wasser. Foto: Hilke Maunder

Pflanzen, anderswo ausgestorben, haben hier überlebt. Pyrenäen-Lilie, Pyrenäen-Baldrian und der Pyrenäen-Steinbrech ist nur hier daheim. Steinadler, Lämmer- und Gänsegeier kreisen am hohen Himmel, Gämsen klettern über zerfurchten Fels, Fischotter leben an Flüssen und Seen. In den tiefen Wäldern ist wieder der Braunbär heimisch.

Pont d'Espagne. Wasserwunderland oberhalb von Cauterets. Foto: Hilke Maunder
Pont d’Espagne – das Wasserwunderland oberhalb von Cauterets. Foto: Hilke Maunder

2004 war mit Cannelle die letzte Bärin Frankreichs von der angeblich verirrten Kugel eines Wildschwein-Jägers getötet worden. Der Nachschub kam aus Slowenien. Die fünf Tiere aus dem Osten, genetisch dem Pyrenäenbär sehr ähnlich, haben sich so gut eingelebt, dass heute rund 80 Bären in den Départements Pyrénées-Atlantiques, Hautes-Pyrénées, Haute-Garonne und Ariège leben.

Frühling am Pont d'Espagne. Foto: Hilke Maunder
Am Pont d’Espagne. Foto: Hilke Maunder

Die Bären sind los!

Geist der Ahnen und Gottheit: Bis weit ins Mittelalter hinein wurde der Bär dort so verehrt. Legenden und Mythen ranken um das Zotteltier. Und wilde Spektakel wie die Fêtes de l’Ours, die Bärenfeste des Haut-Vallespir.

Im Hochtal des Tech soll einst ein Bär, völlig ausgehungert, eine Schäferin geraubt haben. Holzfäller, die in der Nähe arbeiteten, hörten die Hilferufe des Mädchens und befreiten sie – ein Ereignis, das alljährlich im Februar wieder auflebt. Auch in Prats-de-Mollo-La-Preste.

Drei Männer, die Gesichter rußgeschwärzt, den Körper mit Schafsfellen behängt, rennen durch die Gassen des befestigten Städtchens, die Schäferin in ihren Fängen, Dörfler und Besucher hinterher. Wer sich ihnen in den Weg stellt, wird mit Ruß beschmiert. Und danach? Wird getafelt und getanzt. Und in Strömen fließt … Bärenbier der Brasserie de l’Ours.

Die Pyrenäen bei Aurignac. Foto: Hilke Maunder
Die Pyrenäen bei Aurignac. Foto: Hilke Maunder

Einzigartig in den Pyrenäen

Gipfelnacht

Auf dem 2877 m hohen Kegel des Pic du Midi seid ihr dem Himmel ganz nah: Schwebt per Gondel zum Planetarium, entdeckt per Teleskop den Sternenhimmel, lasst euch von Marc Berger kulinarisch verwöhnen und erlebt, wie die Pyrenäenkette in der Dämmerung wie Purpur leuchtet.
• Pic du Midi, Rue Pierre Lamy de la Chapelle, 65200 La Mongie, Tel. 05 62 56 70 00, https://picdumidi.com; rechtzeitig reservieren, ist sehr gefragt! 12 DZ. 3 EZ

Heiße Gänge

Oben: 13 gletscherglänzende Dreitausender, die über Belle-Époque-Prachtbauten funkeln. Unten: Große Gänge in Felswänden, in denen Thermalwasser, 38 – 42 Grad, euch schwitzen lässt. Das Vaporarium von Luchon – ein einzigartiger Natur-Hammam, der die Spionin Mata Hari begeisterte.
• Thermes de Luchon, Cours des Quinconces, 31110 Bagnères-de-Luchon,  Tel. 05 61 79 22 97, www.luchon.com; Mo. – Sa. 15 – 19. So. 10 – 12.30, 13.30 – 17 Uhr

Das Vaporiumm von Luchon. Foto: Alain Felix Masai Pressebild Office de Tourisme de Luchon
Das Vaporiumm von Luchon. Foto: Alain Felix Masai Pressebild Office de Tourisme de Luchon

Gorges de la Fou

Sie gilt als schmalste Schlucht der Welt: die Gorges de la Fou unterhalb des Mont Canigou (2784 m), des heiligen Berges der Katalanen. Bis auf 70 Zentimeter rücken die Felswände der „Schlucht der Verrückten“, in der Geister und Hexen hausen sollen.

Zwei Kilometer flussaufwärts von Arles-sur-Tech endet die Zufahrt zur Schlucht an einem kleinen Parkplatz, hinter dem rötlich schimmernde Felsen aufragen. Ausgerüstet mit einem Helm, den ihr vor Ort ausleihen könnt, geht es am Rande des Wildbaches Richtung Klamm.

Dort erwartet euch eine 1,2 Kilometer lange Wanderung durch eine fast unwirkliche Spalte im Berg. Bis  auf einen Meter rücken die mehr als 200 m hohen, ausgewaschenen Felswände heran. Auf Gitterrosten marschiert ihr immer weiter aufwärts, während sich ein Bach sprudelnd über Felsen in die Tiefe ergießt.

Nicht minder faszinierend ist die Vegetation, die im Zwielicht der schroffen Felsen ihre Heimat hat. Dann wieder führt der Weg unter den Felsen hindurch, bannt er sich durch einen Tunnel oder überwindet mit Stufen besonders starkes Gefälle. Für eure Sicherheit sorgen Netze, die herunterfallende Steinbrocken auffangen, und Notfall-Telefone. Nach rund 50 Minuten endet der Stahlgitterweg auf einem kleinen Plateau – perfekt für ein Picknick!

• Gorges de la Fou, 66150 Arles-sur-Tech, Tel. 04 68 39 16 21, derzeit nach Bergsturz geschlossen

Topographische Karte

IGN 2249 ET Font-Romeu, blaue Serie, Maßstab 1: 25.000, EAN: 3282112249530. Wer mag, kann sie hier* online bestellen.

Can Rigall

Der alte katalanische Hof birgt heute zwölf rustikal-komfortable Zimmer mit 26 Betten, davon drei Suiten.
• Arles-sur-Tech, Tel. 06 04 07 03 65, www.facebook.com/Canrigall66

Der Canigou bei Terrats. Foto: Hilke Maunder
Der Canigou bei Terrats. Foto: Hilke Maunder

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Weiterlesen

Im Blog

Meine zweite Heimat liegt im Vorland der Pyrenäen. Daher findet ihr entlang der gesamten Pyrenäenkette eine Vielzahl von Berichten zu den faszinierend wilden Grenzbergen zu Spanien.

Baskenland, Béarn, Hautes-Pyrenées, Haute-Garonne, Ariège, Aude und Pyrénées-Orientales sind eigene Kategorien im Blog wie auch die Pyrenäen. Ich wünsche euch wundervolle Entdeckungen in meinem Lieblingsbergen!

Mont Valier spiegelt sich Lac de Bethmale. Foto: Hilke Maunder
Mont Valier spiegelt sich Lac de Bethmale. Foto: Hilke Maunder

Im Buch

Waldwunder

DuMont Waldwunder 2018

Die Wälder vor unserer Haustür stecken voller Schönheiten und Überraschungen, die darauf warten, entdeckt zu werden. Über meine Wahlheimat im Süden wacht die südlichste Spitze der Grenzberge zu Spanien, der Canigou.  Wen wundert es da, dass ich auch die anderen Gipfel und Täler erkunden musste?

Im Bildband kommen in 37 reich bebilderten Kurzepisoden auch noch weitere Reiseschriftsteller und Blogger zu Wort und bieten in vier Kapiteln Reiseinspiration: nordische Wälder, heimische Wälder, Wälder im Osten und Wälder im Süden.

Nach jedem Essay werden die besten Tipps für eigene Entdeckungen vor Ort gegeben. Wer mag, kann den Band hier* direkt bestellen.

Das ganze Land

Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!

Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren… oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.

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