Oh, Tannenbaum!
Es war Ende November, als ich etwas Unerwartetes beobachtete: Meine Nachbarin zerrte einen gut verpackten Tannenbaum aus dem Auto und stellte ihn im Wohnzimmer auf. Verwundert beobachtete ich, wie sie den Baum sorgfältig schmückte, obwohl die Adventszeit gerade erst begonnen hatte.
In Hamburg war der Baum stets bis Heiligabend gut versteckt gewesen, und nur der Adventskranz zierte die Wohnung in den Wochen davor. Doch in Frankreich ist der Weihnachtsbaum der Star der Vorweihnachtszeit. „Adventskränze“, lachte meine Nachbarin Josiane, „gibt es nur im Elsass!“
Die Tradition des geschmückten Tannenbaums kam vergleichsweise spät nach Frankreich. Nur im Elsass, das kulturell eng mit Deutschland verbunden ist, notierten die Stadtarchivare von Sélestat bereits 1521 den Verkauf von Tannenbäumen zur Weihnachtszeit.
Im restlichen Frankreich war es die Königin Marie Leszczyńska, die den Brauch populär machte. Im 18. Jahrhundert ließ die Ehefrau von König Ludwig XV. im Schloss von Versailles einen Weihnachtsbaum aufstellen und ihn mit Kerzen, Früchten und Süßigkeiten schmücken. Der Adel war begeistert, das Volk kopierte.
Traditionell wird in Frankreich der Weihnachtsbaum mit natürlichen Materialien geschmückt – Äpfel, Nüsse, getrocknete Früchte und kleine Figuren aus Holz oder Stroh waren früher üblich. Heute liebt es das Land gerne auch bunt, glitzernd und funkelnd. Lichterketten, einfarbig oder kunterbunt, verwandeln den Baum in ein funkelndes Lichtermeer, das sich in den berühmten Glaskugeln aus Meisenthal spiegelt.
Zur Hauptstadt der Weihnachtsbäume stieg Saulieu auf. Vor seinen Toren liegt der Morvan. Das kleinste Bergmassiv Frankreichs ist mit jährlich mehr als einer Million Tannenbäumen das führende Gebiet für den Anbau und Versand von Weihnachtsbäumen in Frankreich.
Seine 1.500 Plantagen stellen rund ein Viertel der nationalen Produktion. Traditionell wird im Morvan auch der Weihnachtsbaum für den Innenhof des Élysée-Palastes gefällt. Die Tanne für den Präsidenten ist jedes Jahr eine Nachricht im Fernsehen wert – und wird stets per Boot nach Paris transportiert.
Und während ich heute nun auch schon Ende November meinen Tannenbaum aufstelle, erinnere ich mich an die Verwunderung, die ich damals verspürt hatte. Doch heute habe ich diese Tradition ins Herz geschlossen und kenne auch die französische Übersetzung des berühmten Liedes „Oh Tannenbaum“ von Ernst Anschütz auswendig auf Französisch.
Oh Tannenbaum à la française
Mon beau sapin, roi des forêts,
Que j’aime ta verdure !
Quand, par l’hiver, bois et guérets,
Sont dépouillés de leurs attraits,
Mon beau sapin, roi des forêts,
Tu gardes ta parure.
Toi que Noël planta chez nous,
Au saint anniversaire !
Joli sapin, comme ils sont doux,
Et tes bonbons et tes joujoux !
Toi que Noël planta chez nous,
Tout brillant de lumière.
Mon beau sapin, tes verts sommets,
Et leur fidèle ombrage,
De la foi qui ne ment jamais,
De la constance et de la paix,
Mon beau sapin, tes verts sommets
M’offrent la douce image.
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