
Korsischer Wein: Franzosen lieben ihn. Auf der Insel werdenTrauben vinifiziert, die auf dem Festland selten und gar nicht wachsen. Der Niellucciu (ital. Sangiovese) ist das rote Herz von Patriminio.
Der rote Sciaccarellu gedeiht auf dem Granit des Westens. Die Weißweine prägt die alte mediterrane Weißwein-Sorte Vermentinu. Die Trauben reifen unter einem Himmel, von dem durchschnittlich 2750 Stunden im Jahr die Sonne scheint.
5782 Hektar groß ist heute die Rebfläche – und hat sich damit seit der Jahrtausendwende fast verdoppelt. Allein in den Jahren 2019 und 2020 wurden 180 Hektar Neuanpflanzungen genehmigt. Dennoch stellt Korsika gerade mal 1 Prozent der Weinbergfläche Frankreichs.

Neun AOC-Regionen
Auf die Insel kamen die Rebreiser unter der Herrschaft Genuas, die Korsika von 1284 bis 1768 beherrschten) Die Italiener verpflichteten 1572 die Familien, mindestens vier Rebstöcke anzupflanzen. Damit begann die zweite Blüte des seit dem Altertum bestehenden Weinanbaus.
Außerhalb Frankreichs wird korsischer Wein gern mit billiger Pantsche assoziiert. Schuld am schlechten Ruf sind die einfachen Massenweine von den Monokulturen der Ostküste, die Zweidrittel der jährlichen Weinproduktion liefern.
Kaum bekannt jedoch sind die neun AOC-Regionen der Insel – Ajaccio, Corse, Calvi, Muscat und Coteaux du Cap Corse, Figari, Patrimonio, Porto-Vecchio und Sartène. Dort produzieren engagierte Winzer hervorragende Tropfen, die keinen Vergleich scheuen müssen.

Das Erbe des Elefanten
So wie Saparale, das zu den ältesten Weingüter Korsikas gehört. Gegründete wurde es von Philippe de Rocca, einer schillernden Persönlichkeit. 1845 war der Korse nach Afrika gegangen, um für die ägyptische Königsfamilie zu arbeiten.
Auf dem Rücken eines Elefanten bereiste er den schwarzen Kontinent. Heute ist der Elefant das Markenzeichen des Weingutes, das er mit dem Geld aus Afrika aufbaute.
In seiner Heimat, dem Vallée de l’Ortolo, verwirklichte er seinen Lebenstraum. Er verwandelte 100 Hektar Wildnis in einen Garten Eden – mit Weinbergen, Olivenhain, Zitrus- und Obstgarten. Er errichtete Unterkünfte für alle Menschen, die für ihn arbeiteten, Werkstätten und Lager. So schuf Saparale ein neues Dorf, selbstversorgend und autark.

Korsischer Wein mit Pariser Gold
Sein größter Erfolg: Im Jahr 1900 wurden seine Weine in Paris mit der Goldmedaille ausgezeichnet. Doch dann kam die winzige Phylloxera-Laus ins Tal und zerstörte binnen weniger Jahre die Weingärten. 60 Jahre lang war die Domaine sich selbst im Dornröschenschlaf überlassen.
Bis 1995 Julie und Philippe Farinelli auftauchten, neue Reben pflanzten, sukzessive die Gebäude restaurierten – und die Renaissance von Saparale einleiteten. Woher der Kontakt kam? Die Großmutter von Philippe war die Gouvernante des damaligen Besitzers gewesen….

Wiederaufbau als Paar
Heute tragen wieder 50 Hektar Trauben, sind viele Gebäude restauriert, zwei davon sogar als Hameau de Saparale, luxuriöse Ferienwohnungen für zwei bis 17 Personen mit Pool.
„Doch Schafstall und Schule sowie die Ölmühle müssen noch instand gesetzt werden“, erzählt Julie Farinelli, die ihren Mann auf dem Weingut kennenlernte. Inzwischen Mutter zweiter Jungs, packt sie dennoch täglich mit an. „Da wartet noch viel Arbeit auf uns. Läuft das Weinjahr gut, wird der Gewinn in die Häuser gesteckt.“

Vom Wasserpolo zum Wein
Zu den Pionieren im korsischen Weinbau gehört auch Richard Spurr. Seine Mutter ist Irin, sein Vater Brite, und Richard, der mit seinem Ohrring, tätowierten Armen, Dreitagebart und Strubbelhaaren eher wie ein Rockstar aussieht, der erste ausländische Winzer Korsikas. Der einstige Wasserpolo-Profi hatte zuvor das nötige Rüstzeug als Winzer auf Weingütern der AOC Faugères und an der Universität von Montpellier erworben. Letztere verließ er ohne Diplom, aber mit einer Dame – Marjolie. Inzwischen ist die Önologieprofessorin seine Gattin.
Während eines Urlaubs verliebten sich beide in die Umgebung von Calvi. Sie erwarben mit Hilfe von zwei korsischen Weinbauern dort einen verlassenen Weinberg, der in den 1960er-Jahren von der Familie Michelin angelegt worden war. Sie nannte ihr Weingut Enclos des Anges.

Was sie dort aus Niellucciu, Carignan und Grenache-Trauben für traumhafte Tropfen zaubern, lässt Gäste wie Kritiker jubeln – samtene Rotweine von tiefdunkler Farbe, deren Tannine Erinnerungen an große Weine wecken.
Auch die lang vernachlässigten Vermentinu-Weinstöcke liefern heute köstliche blass goldene Weißweine, die in Apfel- und Pfirsicharomen schwelgen. Dass sie im ersten Jahr 2007 allerdings einen Alkoholgehalt von 17.7 % erreichten, war reinster Zufall. Denn, so Richard, „2007 war mein Jahr der Experimente“. Seit 2021 ist das Weingut der Spurrs bio-zertifiziert.
Tschüs Jura, hallo Wein!
Ein Quereinsteiger ist auch Nicolas Mariotti Bindi. 2007 hievte Alain Ducasse im Pariser Schlemmertempel Plaza Athénée Bindis Tropfen auf die Weinkarte. Der Vermentinu des jungen Juristen sei ein Juwel, schwärmte Frankreichs berühmtester Dreisternekoch.
Seitdem hat Nicolas Mariotti Bindi die hohe Qualität seiner Weine halten können. In Bastia als Sohn eines Advokaten geboren, war Bindi zunächst auch in Fußstapfen des Vaters gefolgt, hatte an der Sorbonne Jura studiert – und in Paris erkannt, dass die Liebe zum Wein stärker war als zur Juristerei.
Er machte Praktika im Beaujolais, wurde Manager des Weingutes Domaine Leccia und erwarb 2007 vom Patrimonio-Winzer Henri Orenga de Gaffory die ersten fünf Hektar eigenen Landes. Heute ist er Herr über 15 Hektar Rebland in Cantina di Torra bei Oletta. Dort baut der überzeugte Bio-Winzer nur autochthone Sorten an: weißen Vermentinu und dunklen Nieullucci, fermentiert mit selbst hergestellter Bio-Hefe.

Info: Korsischer Wein
Kostet diese Weine!
Enclos des Anges
Wahrlich himmlische Tropfen produzieren Richard und Marjolie Spurr im Hinterland von Calvi.
• Cave de la Signoria, Route de Bonifato, Calvi, Tel. 06 19 85 16 39, https://domaine-lenclos-des-anges.business.site
Domaine Nicolas Mariotti Bindi
Mitte 30 und hochgelobt: Nicolas Mariotti Bindi gehört zu den jungen Winzern des Patrimonio, die mit Qualität überzeugen.
• Porcellese, Poggio d’Oletta, Tel. 06 12 05 24 59, www.gustidicorsica.com
Domaine Saparale
Auf dem Weingut von Julie Farinelli, der ein Elefanten als Markenzeichen hat, könnt ihr luxuriös im Rebenland übernachten!
• Vallée de l’Ortolo, Saparale, 20100 Sartène, Tel. 04 95 77 15 52, www.saparale.com, www.lehameaudesaparale.com
Ein paar Zahlen
Rebfläche
5782 Hektar Rebfläche, davon:
1 IGP
9 AOC
AOC Corse: 1405 ha
AOC Patrimonio: 426 ha
AOC Ajaccio: 255 ha
AOC Corse Calvi: 225 ha
AOC Sartène: 221 ha
AOC Corse Figari: 126 ha
AOC Corse Porto Vecchio: 86 ha
AOC Muscat du Cap Corse: 67 ha
AOC Corse Coteau du Cap Corse: 30 ha
Winzer
Insgesamt 295 Produzenten, davon 135 unabhängige Winzer sowie 160 Vertragswinzer von vier Kooperativen (2022)
Ertrag
• 375.521 Hektoliter (2022), davon 237.499 hl IGP, 121.108 AOP, 16.214 hl Vin de France
• Von den AOC-Tropfen sind 70 % Rosé-, 17 % Rot-, 13% Weiß- und Muskatweine
• 50 Millionen Flaschen
Die korsischen Weine sind hauptsächlich für das französische Festland (45 %) und den heimischen Markt (35 %) bestimmt.
Weitere Infos
Conseil Interprofessionel des Vins de Corse
• 7, Boulevard du Général de Gaulle, 20200 Bastia, Tel. 04 95 32 91 32, www.vinsdecorse.com
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Jenny Hoch: Gebrauchsanweisung für Korsika*
33 Sommer hatte Jenny Hoch auf der Insel verbracht. Doch erst, seitdem sie quasi lebt, wird sie langsam von den Einheimischen ins Herz geschlossen und integriert, erzählt die Journalistin und Buchautorin, die heute mit ihrer Familie die Tradition ihrer Eltern fortsetzt. Seit sie vier Jahre alt war, sei sie jedes Jahr auf Korsika gewesen, als Kind, als Teenager, als Erwachsene. Immer am selben Ort, immer glücklich, gerade dort zu sein. „Ich weiß, wo am Strand der Rutschfelsen ist, wie die Wellen sich brechen”, erzählte sich bei einer Lesung im Feriendorf zum Störrischen Esel.
Ihre persönlichen Erfahrungen machen den Reiz dieses Bandes der insgesamt sehr zu empfehlenden Taschenbuchreihe im Piper-Verlag aus. Jenny Hoch hat sie hintergründig wie humorvoll zu Papier gebracht. Dazu noch ein paar Daten und Fakten: ein perfekter Einstieg, um sich mit der Insel zu beschäftigen. Besser kann keine Reiseplanung beginnen! Wer mag, kann das Werk hier* online bestellen.
Zum Träumen: Das Haus auf Korsika*
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Marcus X. Schmid: Korsika*
Der freie Reisejournalist Marcus X. Schmid hat für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, den besten Reisebegleiter verfasst: sachlich, mit viel Hintergrund, Insiderwissen und Tipps, und doch mitunter sehr unterhaltsam und humorvoll.
Ich kann seinen Führer aus ganzem Herzen empfehlen – er hat mich auf allen Erkunden nie im Stich gelassen und mir oft schöne, neue, unbekannte und überraschende Ecken gezeigt.
Der gebürtige Schweizer, Jahrgang 1950, hat in Basel, Erlangen und im damaligen Westberlin Germanistik, Komparatistik und Politologie studiert und lebt heute als Autor und Übersetzer in der französischsprachigen Schweiz. Ebenfalls im Michael-Müller-Verlag sind von Schmid die Reiseführer „Bretagne“ und „Südfrankreich“ erschienen sowie Führer zu italienischen Destinationen. Wer mag, kann den Reiseführer hier* online bestellen.
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Mit blau lackierten Fingernägeln ordnet Madame auf dem Markt von Bastia in einem Bastkorb längliche Stangen. „Boutargues“, verrät das Schild. „Das ist echter korsischer Kaviar. Nur noch wenige Fischer entnehmen den Meeräschen den Rogen. Mein Mann ist einer davon.“ Die Rarität hat ihren Preis: 150 Euro das Kilo.
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Also: Wer die Wahl zwischen Wein und Juristerei hat, der wird natürlich Winzer. 😉