Es bringt Spaß, Brouage zu entdecken - denn immer wieder lockt Überraschendes, Schönes, Beschauliches. Foto: Hilke Maunder
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Brouage: der Stern im Sumpf

Zwischen Rochefort und der Île d’Oléron versteckt sich Brouage als zackiger Stern im Sumpf des Département Cahrente-Maritime . Unter dem hohen Himmel der südwestfranzösischen Atlantikküste grasen Pferde auf den salzigen Weiden im Schatten der Festungsmauer.

Im Schatten der Zitadelle von Brouage grasen Pferde. Foto: Hilke Maunder
Im Schatten der Zitadelle von Brouage grasen Pferde. Foto: Hilke Maunder

Wer oben auf der Wehrmauer entlang geht, sieht an schnurgeraden Kanälen bunte Holzhütten, flache Kähne und unzählige Taschen und Körben (poches) aus Polyethylen am Boden: Brouage ist heute eine Hochburg der Austernzucht.

Der Blick auf die Hütten der Austernzüchter und einstigen Salzbecken. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf die Hütten der Austernzüchter und einstigen Salzbecken. Foto: Hilke Maunder

Das weiße Gold

Die Salzgärten im Marais de Brouage betrieben einst die Mönche der Prioratskirche Saint-Hilaire. Bereits im Mittelalter bedeckten die Salzgärten mehr als 8.000 Hektar. Salz galt damals als weißes Gold und war das einzige Mittel, um Lebensmittel wie Fleisch, Fisch und Käse haltbar zu machen.

Brouage stieg zur Salzkammer Frankreichs auf – und versorgte Nordeuropa. Das Salz aus Brouage war besonders beliebt bei den Kabeljaufischern, die vor Neufundland den begehrten Speisefisch jagten. Damals wurden in Brouage während der Saison täglich 200 Schiffe aus ganz Frankreich, aber auch aus den Niederlanden, England und Skandinavien abgefertigt.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Frankreichs Salzkammer

An den Kais von Jacopolis-sur-Brouage, „hörte man alle Sprachen Europas“, berichten die Annalen. Jacques de Pons, Seigneur der Burg von Hiers, hatte den Bau der Stadt 1555 angeordnet, um den Salzhandel zu erleichtern. Als Fundament wurden Ballaststeine der Schiffe in den Sumpf versenkt. Stolz nannte er sein Werk Jacopolis.

Dank der bereits im 14. Jahrhundert eingeführten Salzsteuer gabelle blühte das Städtchen und kam rasch zu Wohlstand. Rund 30 Prozent der gesamten Salzherstellung Frankreichs erfolgte rund um Jacopolis.

Stattliche Häuser erzählen vom einstigen Reichtum. Foto: Hilke Maunder
Stattliche Häuser erzählen vom einstigen Reichtum. Foto: Hilke Maunder

Zankapfel der Religionskriege

Die Menge an Salz, die im Hafen umgeschlagen wurde, zog sehr schnell die Aufmerksamkeit der Machthaber auf sich. La Rochelle, die nahe Hauptstadt der Hugenotten, belagerte 1570 Jacopolis so lange, bis die Bevölkerung aufgab – der Hunger hatte gesiegt. Sieben Jahre später widerholte sich dieser Zustand, diesmal nur umgekehrt.

Als Schauplatz von Konflikten zwischen Katholiken und Protestanten verwandelten die jeweiligen Herrscher Jacopolis-sur-Brouage in eine als uneinnehmbar geltende Festung.

Nach dem Sieg der französischen Krone ließ Frankreich seinen besten Ingenieur und Festungsbaumeister kommen. Den Anfang machte Pierre de Conti d’Argencourt. Im Jahr 1578 wurde die wehrhafte Hafenstadt der königlichen Domäne angegliedert. Jacopolis wurde zu Brouage.

Die Hauptstraße von Brouage. Foto: Hilke Maunder
Die Hauptstraße von Brouage. Foto: Hilke Maunder

Richelieus Festung

1627 wurde Kardinal Richelieu der Gouverneur von Brouage. Während der Belagerung von La Rochelle (1627/28) hatte er dort Schutz gefunden. Von seinem Sitz aus konnte er das geschäftige Treiben im Hafen betrachten – und die Navigation zwischen dem Festland und der Île d’Oléron kontrollieren.

Brouage galt damals als uneinnehmbar. Auf seine 4000 Einwohner kamen, je nach politischer Lage, 500 bis 2000 Soldaten der Garnison.

Hier und da schmücken Rosenstöcke die Fassaden von Brouage. Foto: Hilke Maunder
Hier und da schmücken Rosenstöcke die Fassaden von Brouage. Foto: Hilke Maunder

Die große Liebe des Sonnenkönigs

1659 schickte Kardinal Mazarin seine Nichte Marie Mancini nach Brouage. Er wollte so deren Liaison mit Louis XIV beenden. Der König indes konnte Marie nicht vergessen. Und fuhr nach der Vermählung mit der Infantin Marie-Theresia von Spanien allein nach Brouage, um dort zu übernachten, wohin seine große Liebe verbannt worden war.

Doch als der Sonnenkönig dort eintraf, hatten bereits jene Politiker, die jene Heirat verhindert hatten, die große Liebe Ludwigs entfernt. Vor ihrem leeren Bett vergoss der junge Monarch unentlich viele Tränen.

Foto: Hilke Maunder
Brouage ist heute recht bäuerlich geprägt. Foto: Hilke Maunder

Der Niedergang

Während der Herrschaft Ludwigs XIV. baute der königliche Militärarchitekt Marquis de Vauban die Befestigungsanlagen aus. Mit der Gründung des königlichen Arsenals von Rochefort ab 1666 verlor der Hafen jedoch seine Funktion. Scharenweise verließen die Einwohner von Brouage ihre Stadt.

Die Ironie des Schicksals: Genau jenes Land, das in gallo-römischen Zeit noch einige Meter unter dem Meeresspiegel, mitten im Golf von Saintonge gelegen hatte, erlebte nun, wie sich der Atlantik immer weiter zurück zog. Der einst größte Hafen der Atlantikküste wurde zu einer nutzlosen Festung mitten im Nirgendwo. Heute befindet sich die Zitadelle drei Kilometer vom Ozean!

Weiße Fassade, blaue Fensterläden, tiefrote Tondächer: typisch für das Département Charente-Maritime. Foto: Hilke Maunder

Ein Dorf in Blau, weiß, rot

Das Dorf fiel in einen Dornröschenschlaf. Die Einwohnerzahl halbierte sich. Brouage bewahrte so hinter seiner imposanten Porte Royal und dem fünf bis 25 Meter dicken Mauergürtel seine typische Architektur der Charente. Der weiße Kalk seiner Fassaden soll Insekten und besonders Mücken abhalten. Die Farbe der Fenster zitiert das Blau des Himmels, die Dächer den Boden mit ihren Ziegeln aus tiefrotem Ton.

Vor einem Eckhaus stehen rot blühende Geranien in einer Topf-Parade Spalier. Stockrosen in Zartrosa und Hellbrau wiegen sich vor Hauseingängen im Wind. Immer weht ein kleines Lüftlichen vom Atlantik herüber.

Ein Trecker rumpelt über das Kopfsteinpflaster. Auf der Fassade des Musée du Vélo tummeln sich Räder. Drinnen erzählt es mit vielen Modellen die Geschichte des Velozipeds von der draisienne bis zu den Fahrrädern von heute.

Das Museum der Fahrradgeschichte von Brouage. Foto: Hilke Maunder
Das Museum der Fahrradgeschichte von Brouage. Foto: Hilke Maunder

Wie ein Schiff

Pünktlich zur Mittagszeit läuten die Kirchenglocken, und die Terrassen der Lokale füllen sich. Doch werft zuvor noch einmal einen Blick in die 1608 errichtete église Saint-Pierre de Brouage und betrachtet ihren ungewöhnlichen Dachstuhl. Er ähnelt einem Schiffsrumpf – denn so etwas konnten die örtlichen Zimmerleute, die auf den Schiffbau spezialisiert, perfekt bauen.

Die <em>église Saint-Pierre de Brouage</em>. Foto: Hilke Maunder
Die église Saint-Pierre de Brouage. Foto: Hilke Maunder

Sechs der insgesamt neun Glasfenster hat der franko-kanadische Glasbläsermeister Nicolas Sollogoub gefertigt. Auf ihnen ist der berühmteste Bürger von Symbolfigur von Brouage abgebildet: der Gründer der Stadt Québec, Samuel de Champlain, der 1574 in Brouge geboren wurden.

Den Boden der Kirche bedecken Grabplatten, unter denen reiche Salzhändler des 17. Jahrhunderts, Militärs und ehemalige Gouverneure ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Eine Gedenktafel erinnert an jene Priester, die während der blutigen Tage der Französischen Revolution vom April 1795 bis zum März 1796 eingekerkert waren. 36 der 245 Geistlichten überleben dies nicht. Ihre Name ehrt die Tafel.

Neben der Dorfkirche lässt eine Boutique kanadische Lebensart aufleben. Foto: Hilke Maunder
Neben der Dorfkirche lässt eine Boutique kanadische Lebensart aufleben. Foto: Hilke Maunder

Unterirdische Häfen

Wenige Schritte weiter entführt die Rue de l’Arsenal in die militärische Vergangenheit von Brouage – mit den Pulvermagazinen Saint-Luc und La Brèche und alten unterirdischen Häfen, die über in die Stadtmauer gegrabene Kanäle zugänglich sind.

Die einstigen Ställe der Zitadelle von Brouage bergen heute Boutiquen und Künstlerateliers. Foto: Hilke Maunder
Die einstigen Ställe der Zitadelle von Brouage bergen heute Boutiquen und Künstlerateliers. Foto: Hilke Maunder

In den königlichen Ställen, die heute in kleine Läden und Künstlerateliers umgewandelt wurden, standen 17. Jahrhundert mehr als 238 Pferde.

Den großen freien Platz im Herzen von Brouage dominiert die Halle aux Vivres. Einst war das Terrain ringsum dicht bebaut und umgeben von Lagerhäusern, in denen Wein, Apfelwein, Öl, Schnaps, aber auch Fisch, gepökeltes Fleisch, Weizen, Dinkel, Buchweizen und Roggen gelagert werden konnten.

La Halle aux Vivres ist 64 Meter lang und 14 Meter breit. Foto: Hilke Maunder
Die Halle aux Vivres ist 64 Meter lang und 14 Meter breit. Foto: Hilke Maunder

Als erstes Lebensmittellager war zuvor La Tonnellerie entstanden, die Vauban für die Erweiteurng der Stadtmauer um zwei Drittel kürzen ließ. Seit 2003 dient La Tonnellerie aus Aussstellungsraum und stellt zwischen Februar und November zeitgenössische Künstler vor.

Die <em>Halle aux Vivres</em>. Foto: Hilek Maunder
Die Halle aux Vivres. Foto: Hilek Maunder

Dokuzentrum der Militärgeschichte

Auch die 1631 erbaute Halle aux Vivres diente zunächst als Vorratsspeicher. Später übernahm sie viele andere Funktionen: Kaserne, Nebengebäude des Krankenhauses, Gefängnis und Pulvermagazin. Um im Falle einer Explosion den Schaden zu begrenzen, wurden sämtliche Häuser um die poudrerie im Jahr 1816 abgerissen. 1836 folgte der Bau einer Schutzmauer.

Den Eingang zum Dokumentationszentrm schmückt eine Kanone. Foto: Hilke Maunder
Den Eingang zum Dokumentationszentrm schmückt eine Kanone. Foto: Hilke Maunder

1885 dem Verfall preisgegeben wurde, wurde der große Backsteinriegel inzwischen restauriert. Heute birgt sie einen Ausstellungsraum zur Geschichte von Brouage und das Centre Européen d’Architecture Militaire.

Im ersten Stock birgt dieses Europäische Zentrum für Militärarchitektur eine Spezialbibliothek mit rund 4000 Büchern, akademischen Arbeiten und Zeitschriften.

<em>Le Guetteur</em> nannte Karlito seine drei Meter hohe Skulptur und 300 kg schwere aus Altmetall aus dem Jahr 2017. Foto: Hilke Maunder
Le Guetteur (Der Späher) nannte Karlito seine drei Meter hohe und 300 kg schwere Skulptur aus Altmetall aus dem Jahr 2017. Foto: Hilke Maunder

Sie stellen die zivile und religiöse Militärarchitektur vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert vor, die Geschichte von Brouage und seiner Sümpfe und die Geschichte Kanadas.

Authentisch und charmant

Der Blick von der Wehrmauer landein. Foto: Hilke Maunder
Der Blick von der Wehrmauer landein. Foto: Hilke Maunder

Mir gefällt in Brouage die Geschlossenheit der Anlage und die homogene Dorfarchitektur. Alle Straßen verlaufen im Schachbrettmuster. Die Mitte der Siedlung bildet ein kleiner Platz mit dem geistlichen Zentrum des Dorfes, der Kirche.

Anders wie viele andere „schönste Dörfer Frankreichs“ hat Brouage seinen Charme nicht verloren, sondern bewahrt.  In der Hochsaison herrscht zwar Trubel, aber die Zahl der Souvenir- und Schnickschnackläden ist übersichtlich, das Angebot in den Gaststätten noch immer ehrlich und authentisch. So macht es stets Freude, einmal in Brouage zu halten, zu schlendern und zu schauen. Und hinaufzusteigen zu einer wundervollen Aussichtsrunde.

Die aussichtsreiche Runde

Hinter der großen Halle könnt ihr zum Wall hinaufsteigen und auf der zwei Kilometer langen und acht Meter hohen Stadtmauer aussichtsreich spazieren. 19 Scharwachttürme ( échauguettes ) und mehrere Bastionen verstärken sie.

Die breite Maria-Mancini-Treppe führt hinauf zum Wehrgang der Stadtmauer. Foto: Hilke Maunder
Die breite Marie-Mancini-Treppe führt Tier und Mensch hinauf zum Wehrgang der Stadtmauer. Foto: Hilke Maunder

Ein guter Ausgangspunkt für eine Runde auf der Wehrmauer ist auch die Marie-Mancini-Treppe neben der Porte Royale, dem Stadttor Richtung Rochefort. Bei klarer Sicht sind sogar das Meer und die Inseln Aix und Oléron zu sehen!

Eisiger Brunnen

In einer Ecke  der Stadtmauer erhebt sich La Glacière. In ihrem gemauerten, rund vier Meter tiefer Brunnen wurden früher bis zu 22 Tonnen Eis aufbewahrt, das in den zugefrorenen Kanälen gesammelt worden war.

Dieses Eis nutzte der Gouverneur von Brouage seinen vornehmen Gästen Sorbets und Süßspeisen anzubieten. La Glacière erfüllte aber auch einen medizinischen Zweck. Dort wurden Heilpflanzen dank Kälte konserviert. Die ungewöhnliche Architektur des Eis-Kellers mit seinem runden, tief hinuntergezogenen Holzschindeld machen ihn zum Hingucker!

So begrüßt Brouage seine Besucher. Foto: Hilke Maunder
So begrüßt Brouage seine Besucher. Foto: Hilke Maunder

Brouage: meine Reisetipps

Hinkommen

Auto

An den Ortseingängen von Brouage befinden sich Besucherparkplätze. Der Ort ist verkehrsberuhigt; die Einfahrt ist nur Anwohnern und Anliegern gestattet.

Mitten durch den Ort führt die D5. Foto: Hilke Maunder
Mitten durch den Ort führt die D3. Foto: Hilke Maunder

Rad

Brouage gehört zu den Höhepunkten der Eurovelo 1-Route, die in Frankreich als Vélodyssée vom bretonischen Hafenstädtchen Roscoff bis an die spanische Grenze bei Hendaye führt. Auf dem Teilstück von Rochefort nach Marennes bringt euch eine autofreie voie verte von Cabariot nach Brouage.
www.af3v.org

Schlemmen und genießen

Sehr beliebt bei Einheimischen und Gästen gleichermaßen: <em>Le Champlain</em>. Foto: Hilke Maunder
Sehr beliebt bei Einheimischen und Gästen gleichermaßen: Le Champlain. Foto: Hilke Maunder

Le Champlain

Schräg gegenüber der Dorfkirche servieren Cathy und Jean Paul die beste französische Küche von Brouage: bodenständig, verlässlich und typisch französisch.
• 32, Rue du Québec, 17320 Hiers-Brouage, Tel. 05 46 76 72 68

La Belle Époque

Lokale Küche im Herzen der Zitadelle. Auch Aal mit Petersilie stand bei meinem Besuch auf der Karte!
• 11, Rue du Québec, 17320 Hiers-Brouage, Tel. 05 46 47 95 98

Hier könnt ihr schlafen*
Booking.com

<em>Au revoir, Brouage ! </em>. Foto; Hilke Maunder
Au revoir, Brouage !  Foto: Hilke Maunder

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