Die Embouteilage de Lapalisse. Foto: Rolf Feier
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Embouteillage de Lapalisse: Rein in den Stau!

„Rein in den Stau“ ist das Motto beim Embouteillage de Lapalisse. Rolf Feier berichtet in seinem Gastbeitrag von diesem Veteranen-Stau-Fest in Frankreich. Ihr wollt mit dabei sein? Dann klickt mal hier.


Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
Foto: Rolf Feier

Die Vokabel bouchon definiert der Larousse, quasi der französische Duden, schlicht als Korken. Wer ab und zu in Lyon und Umgebung unterwegs ist, kennt bouchon auch als regionale Bezeichnung für urige Weinstuben. Besonders rechts der Saône, z.B. im Quartier Saint-Jean, wo aus der Gamay-Traube gekeltert, der dritte Fluss Lyons zu Hause ist: neben Rhône und Saône der Beaujolais.

Der Schreck der Verkehrsmeldungen

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
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Und dann ist le bouchon auch die Schreckensvokabel aller Verkehrsmeldungen: der Stau. In Frankreich ist der bouchon auch eine liebevoll gepflegte Reminiszenz an die 50er- und 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts und die damals gelebte Mobilität. Und davon will ich berichten.

Als Mitte der 1950er-Jahre bei unseren westlichen Nachbarn der bezahlte Urlaub eingeführt wurde und gleichzeitig ein gewisser wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen war, entstand ein bis dahin unbekanntes Phänomen: der Ferientourismus mit dem eigenen Auto.

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
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Frankreichs Ferienstraße

Und weil schon immer das Mittelmeer bevorzugtes Reiseziel war und die meisten Franzosen – bis heute –  gefühlt im Großraum Paris zu Hause sind, entwickelte sich die Fernverkehrsstraße Route Nationale 7 zwischen ihrem Beginn vor dem Haupteingang von Notre-Dame in Paris bis nach Menton an der italienischen Grenze bei Ventimiglia zur Urlaubsrennstrecke Paris – Côte d’Azur.

Foto: Rolf Feier
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Autobahnen gab es noch keine. So dauerte es nicht lange, bis die Ortsdurchfahrten nach und nach den zunehmenden Verkehr nicht mehr so richtig bewältigen konnten: Die ersten Staus waren die Folge.

Mitte der 1960er-Jahre begann unter Präsident Charles de Gaulle dann der Bau von Autobahnen und später der Bau von Umgehungsstrecken bei den Nationalstraßen, vergleichbar mit unseren Bundesstraßen.  So war etwa ab 1970 der Stau in den Ortsdurchfahrten weitestgehend Geschichte. Die verlagerten sich fortan auf Autobahnen und Schnellstraßen. Wie überall.

Unterwegs auf der Route Nationale 7

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
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Als Student in Lyon hatte ich 1967 noch das „Vergnügen“, gelegentlich mit einem von einem Kommilitonen ausgeliehenen VW-Käfer ab Vienne (bis dahin war die Autobahn A7 schon in Betrieb) auf der N7 an Wochenenden in den Süden zu fahren. Mitten durch Valence, Montélimar, Orange, Avignon und die ganzen anderen Ansichtskarten-Orte. Der Stau war damals noch systemimmanent und wurde quasi als Bestandteil automobilistischer Folklore hingenommen.

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
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Heute ist das ganz anders: Die Autos sind schneller, Ortsdurchfahrten gibt es auf der Autobahn nicht, und die Staus sind doppelt so lang. Tempus fugit.

Viele Orte, die bislang ganz gut von den Staus und deren Nebenwirkungen leben konnten (Gastronomie, Hotellerie, Abschleppdiensten, Werkstätten etc.) versanken zum Teil in Bedeutungslosigkeit, vor allem wirtschaftlich.

Die Renaissance der N 7

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
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Vor einigen Jahren entstand die Idee, die guten alten Zeiten wieder auferstehen zu lassen. Und man begann, an der legendären N7 erstmals in Tourves einen Stau als Event zu etablieren. Die alte Ortsdurchfahrt wurde gesperrt und an einem Wochenende im Jahr von Autos der alten Stau-Epoche in Beschlag genommen. Da machte man aus der alten Not eine aktuelle Tugend und das Ganze zu einem nationalen Oldtimer-Event mit vierstelligen Teilnehmerzahlen.

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
Foto: Rolf Feier

Da aber Tourves ziemlich tief im Süden liegt und somit die Anreisestrecken zwangsläufig lang sind, adoptierten andere Orte an der N7 und deren Tourismusorganisationen die Idee, und bitten seither ebenfalls um gelegentliche Stauteilnahme. Glücklicherweise konzentrierte sich das auf die Regionen, die seinerzeit tatsächlich die Stau-Hochburgen waren und vor allem auf die legendäre Route Nationale 7, die Charles Trenet 1955 in einem Chanson verewigte.

Der Stau: Volksfest der Veteranen

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
Foto: Rolf Feier

Heute gibt es – terminlich abgestimmt und meistens im 2-Jahres-Rhythmus– N7-Stau-Events in Tourves im Département Var zwischen Aix-en-Provence und Fréjus gelegen, Lapalisse, im Département Allier, 24 Kilometer nordwestlich von Vichy und La Garenne-Colombes im Speckgürtel von Paris.

Wir fuhren an einem goldenen-Oktober-Wochenende mit zwei Citroën 11 CV (Baujahre 1952 und 1955) von Offenburg zunächst nach Losne in Burgund, und am nächsten Tag nach Lapalisse, wo wir im regionalen Umfeld schon ein halbes Jahr im Voraus ein Ferienhaus gemietet hatten.

Unser Ziel: Lapalisse

Foto: Rolf Feier

Bereits am Stau-Vortag war die Region mit Autos bestückt, die unser aller Herzen höher schlagen ließen. Beim Bäcker und im Supermarkt kam man schnell mit den (auch markenfremden) Kollegen zusammen und konnte sich fachlich austauschen. Oder wahlweise mit –natürlich fachbezogenen – blöden Sprüchen.

Am Samstag, dem Tag des Staus, traten über 1.500 Autos mit Ihren Fahrern und Passagieren an, die Region straßenmäßig und mit amtlichem Segen (!) lahmzulegen. Dies sowohl in der reinen Ortsdurchquerung auf der Hauptstraße, als auch auf sämtlichen Zufahrtsstraßen.

Zeitreise ins Jahr 1960

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
Foto: Rolf Feier

Faszinierend: Schaute man aus dem Fenster, hatte man exakt eine identische Perspektive, wie 1960, dem Limit für das Baujahr der teilnehmenden Fahrzeuge. Nur zeitgenössisches rollendes Material und Gebäude, die seit 1960 keine Umbauten erfahren hatten und in deren Nähe seither auch keine Neubauten aus Glas und Beton entstanden sind. Lediglich die Handykameras der Zuschauer störten das ansonsten historisch korrekte Bild.

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
Foto: Rolf Feier

Im Stau konnte man dauernd die Nadel der Temperaturanzeige des Kühlwassers gen 100 °C wandern sehen. Die Investition in eine Lamellenkupplung vor ein paar Jahren zeigte sich auch hier als Segen – aber alles ging pannenfrei über die Bühne. Die Rückfahrt in zwei Etappen, diesmal über Dole, der Heimat von Louis Pasteur, zum Teil entlang des Doubs, ließ uns noch einmal auf der Rückfahrt an den badischen Oberrhein den goldenen Oktober genießen.

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
Foto: Rolf Feier

Der Beitrag von Rolf Feier ist ein Gastartikel in einer kleinen Reihe, in der alle, die dazu Lust haben, ihre Verbundenheit zu Frankreich ausdrücken können. Ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit Frankreich, Erlebnisse, Gedanken. Ihr wollt mitmachen? Dann denkt bitte daran: 

• Bitte keine PDFs.

• Text: per Mail in Word, Open Office oder per Mail. Denkt daran, euch mit ein, zwei Sätzen persönlich vorzustellen.

• Fotos: bitte möglichst im Querformat und immer in Originalgröße. Bitte schickt sie mit www.WeTransfer.com (kostenlos & top!) gebündelt mir zu – oder EINZELN ! – per Mail. Bitte denkt an ein Foto von euch – als Beitragsbild muss dies ein Querformat sein.

Vor der Veröffentlichung erhaltet ihr euren Beitrag zur Voransicht für etwaige Korrekturen oder Ergänzungen. Erst, wenn ihr zufrieden seid, plane ich ihn für eine Veröffentlichung ein. Merci ! Ich freue mich auf eure Beiträge! Alle bisherigen Artikel dieser Reihe findet ihr hier.

Die <em>Embouteilage de Lapalisse</em>. Foto: Rolf Feier
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