Der Bahnhof von Canfranc in den Pyrenäen von Aragón. Foto: Hilke Maunder
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Canfranc – großer Bahnhof in den Pyrenäen

Imposant ragt die Peña Collarada 2.886 Meter hoch über Canfranc in den spanischen Pyrenäen auf. Im kanalisierten Bett schießt der junge Aragón über glatt polierten Stein. Auf der Nationalstraße N 330 sausen Auto- und Motorradfahrer hinauf zum Col du Somport.

Über den 1.640 Meter hohen Pass pilgern seit dem Mittelalter die Gläubigen nach Santiago de Compostela zum Grab des Apostels Jakobus, und Canfranc verdient nicht schlecht am Pilgerstrom. Heute ist das Bergdorf auch ein Aktivurlaubsziel. Im Sommer lockt Canfranc mit Wanderungen und Ausflügen in den Pyrenäen. Im Winter begeistern der riesige Skizirkus von Candanchú und, etwas weiter entfernt und deutlich kleiner, die Pisten von Puerto Astún die Wintersportler.

Und genau hier, gleich neben dem Weiler Los Arañones, legte Spaniens König Alfons XII. den Grundstein für einen internationalen Bahnhof der Superlative.

Der Prunkbau

Der monumentale Eingang zum Bahnhof führt heute zur Lobby des Fünfssternehotels Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder
Der monumentale Eingang zum Bahnhof führt heute zur Lobby des Fünfsternehotels Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder

Bei den Plänen für seinen Prunkbau im eklektizistischen Stil des Historismus ließ sich Canfrancs Architekt Ramírez de Dampierre vom Bahnhof in Prag inspirieren. Wie dort vereint auch Canfranc architektonische Stilelemente aus verschiedenen Epochen: Säulen, Pilaster und Giebel im neoklassizistischen Stil, Glasmalereien, schmiedeeiserne Geländer und Verzierungen im Jugendstil sowie maurische Elementen wie z. B. Hufeisenbögen und Fliesen in der Bahnhofshalle.

In den Bahnhof integriert war ein Luxushotel mit prunkvoller Riesenhalle als Lobby und raffiniertem Schmuck mit Marmor, Holzvertäfelungen und Intarsien.

1928 weihten Spaniens König Alfons XIII. und der französische Staatspräsident Gaston Doumergue den Mega-Bahnhof mit seinem 222 Meter langen Bahnsteig ein. Ein Tunnel hinüber nach Frankreich war in den Berg geschlagen worden, die Reisenden bestiegen die geschmückten Waggons, der Zug fuhr ab, das Volk applaudierte.

Das Bahnhofsvordach. Foto: Hilke Maunder
Das Bahnhofsvordach der Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder

Das Raubgold

Im Zweiten Weltkrieg war der Bahnhof Canfranc jahrelang die Drehscheibe für ein schmutziges Geschäft. Damals benötigte Nazi-Deutschland Wolfram für die Produktion von Rüstungsgütern. Spanien verfügte über große Wolfram-Reserven, die es gegen Gold von den Nazis tauschte.

Das Gold, das Spanien von den Nazis erhielt, stammte zum Teil aus Raubüberfällen auf Zentralbanken und jüdische Familien in den besetzten Gebieten Europas. Das geraubte Gold wurde in Zügen von Deutschland nach Frankreich transportiert und über den Bahnhof Canfranc nach Spanien gebracht.

Von dort wurde es nach Portugal und in andere Länder weitergeschleust. Schätzungsweise 86 Tonnen Gold wurden zwischen 1942 und 1943 über den Bahnhof Canfranc transportiert.

Auf dem Gelände der Canfranc-Estación sind mehrere historische Züge ausgestellt. Foto: Hilke Maunder
Auf dem Gelände der Canfranc-Estación sind mehrere historische Züge ausgestellt. Foto: Hilke Maunder

Das Unglück

Zum Todesstoß für den Bahnhof von Canfranc wurde das Jahr 1970. Am  27. März 1970  befuhr ein mit Mais beladener Güterzug auf französischer Seite langsam die Rampe bei Etsaut hinauf. Doch plötzlich rollte er rückwärts, wurde schneller und schneller, sprang aus dem Gleis und stürzte hinab. Am Talgrund des Gave d’Ossau schlug er auf, zerbarst, verlor seine Ladung und verstreute den Mais in alle Winde.

Das Unglück bringt den internationalen Warenverkehr auf dieser Strecke zum Erliegen. Der Bahnhof von Canfranc wurde verlassen. Seine Wände bekamen Risse, die Farbe bröckelte ab, die Intarsien quollen auf, das Holz verrottete. Sturm, Schnee und Schauer zerstörten das Dach. Erste Wände stürzten ein. Canfranc-Estación wurde zum Phantom, zu einem lost place in den Pyrenäen.

Die Vision

Die Hotelhalle der Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder
Die Hotelhalle der Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder

Im April 1994 einigten sich die Regierung von Aragonien, die Stadtverwaltung von Canfranc und die spanische Staatsbahn RENFE darauf, den internationalen Bahnhof Canfranc wieder zum Leben zu erwecken. Ihre Kooperationsvereinbarung definierte drei Ziele: die Wiederaufnahme des grenzüberschreitenden Personenzugverkehrs zwischen Canfranc und Pau in Frankreich, die Entwicklung des Bahnhofs zu einem modernen Logistikzentrum für den Güterverkehr und den Ausbau der Anlage für den Tourismus. Doch anfangs blieb es bei Lippenbekenntnissen.

Die Auszeichnung

Die Flure der Canfranc-Estación wecken Erinnerung an die Ära der Dampflokomotiven. Foto: Hilke Maunder
Die Flure der Canfranc-Estación wecken Erinnerung an die Ära der Dampflokomotiven. Foto: Hilke Maunder

2002 folgte die Auszeichnung der Canfranc-Estación als „Gut von nationalem Interesse“. 2013 kaufte die Regierung von Aragón das Bahnhofsgebäude und begann dessen Sanierung.  2016 wurde die spanische Barceló-Gruppe mit der Entwicklung des Hotelprojekts betraut.

Die Barceló Hotel Group ist der Hotelzweig der Barceló-Gruppe und die zweitgrößte Hotelgruppe in Spanien. Ihre mehr als 270 Vier- und Fünf-Sterne-Hotels mit insgesamt mehr als 60.000 Zimmern in 24 Ländern, vermarktet sie unter vier Marken: Royal Hideaway Luxury Hotels & Resorts, Barceló Hotels & Resorts, Occidental Hotels & Resorts und Allegro Hotels.

Die Renaissance

Die Cafeteria des Ryoal Hideaway Hotels Canfranc-Estación ist bis 12 Uhr mittags den Hotelgästen vorbehalten - das sorgt für Unmut unter den Besuchern, die die Anlage besichtigen. Foto: Hilke Maunder
Die Cafeteria des Royal Hideaway Hotels Canfranc-Estación ist bis 12 Uhr mittags den Hotelgästen vorbehalten.
Das sorgt für Unmut unter den Besuchern, die die Anlage besichtigen. Foto: Hilke Maunder

Der Bahnhof Canfranc eröffnete im Dezember 2022 als Royal Hideaway Hotel mit 104 Zimmern, darunter vier Luxussuiten auf der ersten und zweiten Etage. Die Inneneinrichtung entwarfen der Architekt Michele Corbani und der Industriedesigner Andrea Spada von Ilmiodesign.

Sie ließen sich dabei von der Ästhetik der alten Bahnhöfe und der luxuriösen Fernzüge des frühen 20. Jahrhunderts mit ihren Privatwaggons inspirieren und haben der Nostalgie und dem Art déco von einst einen zeitgenössischen Touch verliehen. Holz und Messing, Samt und typische Farben der 1920er-Jahre wie Beige, Grün und Petrolblau prägen ihren Look, der auch Elemente der aragonesischen Volkskultur in die Textilien integriert.

Das Erdgeschoss birgt einen Wellnessbereich mit beheiztem Pool, die Bibliothek und das Hauptrestaurant des Hotels, El Internacional mit Bar/Cafeteria und großem modernen Speisesaal. Kleiner und feiner ist das Sternelokal, das unter Leitung von Küchenchef Eduardo Salanova und Managerin Ana Acín in zwei Waggons auf einem Gleis vor dem Bahnhof französisch-aragonesische Gourmetküche serviert. Die historische Bahnhofshalle birgt die Rezeption des Hotels. Hier beginnen auch die Führungen über das Bahnhofsgelände von Canfranc.

Canfranc-Estación: meine Wertung

Der Wohnbereich eines Standardzimmers. Foto: Hilke Maunder
Der Wohnbereich einer Junior-Suite im Royal Hideaway Canfranc-Estción. Foto: Hilke Maunder

Top

Gesamtanlage

  • Grandiose Architektur vor einer eindrucksvollen Bergkulisse
  • Per ÖPNV zu erreichen. Die spanischen Regionalzüge halten im neuen Bahnhofsgebäude gegenüber und fahren zweimal pro Tal von Canfranc-Estación über Jaca und Huesca nach Zaragoza (Saragossa). Von Frankreich geht es mit dem TER-Regionalzug von Pau via Oloron nach Bedous und per Bus weiter über den Col du Somport bis nach Canfranc.

Zimmer

  • Hochwertige Einrichtung
  • Hervorragende Schallisolierung
  • Allerbeste Matratzen und Bettwäsche im Schlafbereich
  • Regen- und Massagedusche in der sehr geräumigen Dusche; japanisches WC
  • Check-out erst um 12 Uhr
Ein Standardbett im Royal Hideaway Hotel Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder
Das Bett der Junior-Suite im Royal Hideaway Hotel Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder

Küche

Das Frühstücksangebot des Büffets verteilt sich auf zwei Räume mit heißen und kalten, süßen und salzigen Stationen, die keinen Wunsch offenlassen.

Der hintere Raum des Frühstücksbüffets. Foto: Hilke Maunder
Der hintere Raum des Frühstücksbüffets. Foto: Hilke Maunder
Das Brotangebot beim Frühstück. Foto: Hilke Maunder
Das Brotangebot beim Frühstück. Foto: Hilke Maunder

Geschmackssache

Das japanische WC lockt zwar mit vorgewärmtem Sitz, aber leuchtet auch bei geschlossenem Deckel strahlend hell in Neonblau und dies so sehr, dass der Schlafbereich erhellt wird.

Flop

Personal

Bei den meisten Mitarbeitern fehlen Sprachkenntnisse. Sie sprechen Spanisch und verstehen, trotz der Nähe zu Frankreich, kein Französisch. Auch Englischkenntnisse besitzen nur die wenigsten Mitarbeiter.

Parkplätze

Teure Parkgebühren für den Hotelparkplatz, obgleich es direkt anschließend zig kostenlose und freie Parkplätze gibt.

WLAN

Das WLAN ist schnell und stabil – aber der Zugang kompliziert. Viele Gäste suchten mehrfach die Rezeption auf, um Hilfe beim Einloggen zu erhalten. Wie’s gelingt, weiß nur ein einziger junger Mann aus dem Team.

Das Restaurant Internacional des Royal Hideaway Hotels Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder
Das Restaurant Internacional des Royal Hideaway Hotels Canfranc-Estación. Foto: Hilke Maunder

Restaurant Internacional

  • Speisekarte nur auf Spanisch, wünschenswert wäre zumindest auch eine französische Ausgabe der Karte für die zahlreichen Gäste aus dem Nachbarland sowie eine internationale Version auf Englisch.
  • Die Speisekarte führt nur Standardspeisen wie Burrata & Tomate, Burger, Filetsteak, Tartar, New York cheesecake; die beiden aragonesischen Gerichte auf der Karte entpuppen sich als Fleischbällchen in Tomatensoße (albondias) und migas, ein Pfannengericht aus altbackenem Brot, Knoblauch und Öl sowie Wurst-, Speck und Schinkenstreifen.
  • Hohe Preise: 33 Euro für 120 g Rinderfilet auf Kartoffelbrei-Spiegel mit übersichtlichem Gemüse.
Das Rinderfilet im Restaurant International wiegt 120 Gramm und kostete Anfang 2024 stolze 38 Euro. Foto: Hilke Maunder
Das Rinderfilet im Restaurant El Internacional wiegt 120 Gramm und kostete Anfang 2024 stolze 33 Euro. Foto: Hilke Maunder

Schwimmbad

Das Ambiente des Hotel-Pools und der beim Besuch servierte Fruchtcocktail sind traumhaft. Wenn man denn eine Chance hat, hineinzukommen. Für den Pool gelten Zeitfenster (11-14,16-21 Uhr) und einer Besucher-Obergrenze von maximal 16 Personen für die Gäste der 104 Zimmer und Suiten.

Der Eintritt ist nur für Gäste der Suiten frei; alle anderen Gäste zahlen fürs Baden. Wer den Pool nutzen möchte, sollte gleich beim Check-in seine Schwimmbad-Termine vereinbaren. Dass dies nötig ist, wird allerdings nicht bei Ankunft kommuniziert.

Gesamtwertung

  • Anlage: 4/5
  • Zimmer: 5/5
  • Pool: 4/5, Poolbuchung: 1/5
  • Restaurant El Internacional + Cafeteria: 3/5
  • Personal: 2/5
  • Room-Service: 1/5
  • Sternerestaurant: nicht getestet

Canfranc-Estación

• Avenida de Fernando,el Católico, Huesca, Tel. +34 974 56 19 00, www.barcelo.com

Offenlegung

Auf Einladung der Barceló-Hotelgruppe durfte ich eine Nacht lang das Royal Hideways Hotel Canfranc-Estación im Rahmen einer individuellen Pressereise testen. Dafür sage ich herzlichen Dank.

Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Posts bezahlt.

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Im Blog

Alle Grenzhüpfer, sprich, grenznahe Ausflüge außerhalb Frankreichs, vereint diese Kategorie.

Was es in der Vallée d’Aspe zu entdecken gibt, die am Col du Somport beginnt, erfahrt ihr hier.

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