L’Esterel: schönste Berge der Côte d’Azur
Zwischen Saint-Raphaël und Cannes versteckt sich das wohl schönste Küstengebirge der Côte d’Azur: L’Esterel. Zerklüftet und stark ausgewaschen, schieben sich die roten Porphyrfelsen ins Mittelmeer. 618 Meter hoch ragen sie beim Mont Vinaigre über den Fluten auf.
Tiefe Schluchten spalten die Berge. Bis ins Meer setzen sie sich fort. Und bilden dort calanques, kleine Buchten wie Fjorde. Selbst im Meer ragt immer wieder zerfurchter Fels als Mini-Insel auf.
L’Esterel – eine feurige Geburt
Entstanden ist die dramatische Landschaft am Meer vor rund 250 Millionen Jahren im Perm. Damals sprudelten 30 Millionen Jahre lang hier die Vulkane. Sie hinterließen eine große Menge an Basalt und Ryolith, die im Mesozoikum stark erodierte.
In der Erdneuzeit vor rund 66 Millionen Jahren kippte der Druck, den die afrikanische Platte auf Europa ausübte, das Massiv hin zum Mittelmeer. So entstanden all jene Berge, die sich heute so farbig über dem azurblauen Meer aufrecken.
Bedrohte Natur
Korkeichen, Pinien und Macchia bedecken die zerfurchten Hänge. Adler und Falken kreisen über die Bergspitzen. Wildschweine wühlen im Unterholz. Zistrosen blühen von Weiß bis Rosa, Ginster leuchtet gelb. Wilder Knoblauch reckt seine rosa Blütenbüschel aus dem Gras. Thymian und Rosmarin verströmen mediterrane Düfte.
Eine Bilderbuchnatur, wiederauferstanden nach den großen Bränden von 1987. Feuer entfachen oder eine Zigarette einfach wegzuschnippen ist nicht nur verboten, sondern wird teuer.
Um dieses einzigartige Naturerbe zu schützen und seine biologische Vielfalt intakt zu halten, wurden Schutzgebiete eingerichtet. Die höchste Auszeichnung für die Natur gab es mit der Anerkennung des Esterel-Massivs als Natura-2000 Gebiet als eine von 1.776 Stätten im gesamten Land.
Meerseitig entstand in Kooperation mit den Berufsfischern das Meeresschutzgebiet Cap Roux. Auf einer Fläche von 445 Hektar ist dort am Fuße des Esterel-Massivs jegliche Form des Fischfangs, ob beruflich oder in der Freizeit, gesetzlich verboten.
Versteckte Badebuchten
Halsbrecherisch sausen Motorradfahrer auf der Küstenstraße durch die Kehren und Kurven. 1903 hatte der Touring Club de France sie als Corniche d’Or anlegen lassen. Samt wunderschöner Aussichtspunkte wie dem Point de l’Observatoire. Was die Raser dabei übersehen, sind die kleinen calanques der Küste. Und die idyllischen kleinen Badebuchten, die sich unterhalb der Straße verstecken.
Der Strand besteht zwar aus groben Kieseln, die etwas ungemütlich sind zum Liegen, aber das Wasser hat noch im Oktober angenehme Badetemperaturen. Eine Bucht weiter entdecke ich sogar einen kleinen Sandstrand!
Robin Hood der Küste
Im Dickicht der Macchia duftet es nach Lavendel und Wacholder, Rosmarin, Thymian, Erdbeerbaum und Heide. Wie auf Korsika, wo sich Matteo Falcone im Gestrüpp der Macchia versteckte, war auch das der Esterel ein Versteck von Räubern. Besondern rund um den 618 Meter hohen Mont Vinaigre wurde einst fast jede Postkutsche überfallen.
Dies hinterließ sogar seine Spuren in der französischen Sprache. Passer le pas de l’Esterel war für eine lange Zeit eine gängige Redensart für eine beschwerliche Reise.
Im 18. Jahrhundert soll sich hier der provenzalische Wegelagerer Gaspard de Besse versteckt gehalten haben, der Jean Aicard im Jahr 1919 zu seinem Roman Maurin des Maures inspiriert hat. 1970 verfilmte André Hugon die abenteuerliche Geschichte des Robin Hoods der Küste. Der Antiheld ist bis heute unvergessen. So stand er auch als Namensgeber für ein Restaurant im gut 50 Kilometer westlich gelegenen Rayol-Canadel-sur-Mer Pate.
Bergwandern mit Meerblick
Gemeinsam mit dem westlich anschließenden Massif des Maures bildet das Massif de l’Esterel ein sehr abwechslungsreiches Gebiet zum Mountainbiken und Wandern. Ein gut markiertes Wandernetz durchzieht beide Gebirge. Gelb markiert sind die lokalen Wanderwege. Rot-weiße Balken verraten die Grandes Randonnées, die Weitwanderwege.
Fahrt von Saint-Raphaël doch einmal zum Parking du Col de Notre-Dame und folgt dort rund anderthalb Stunden dem gelb-blau markierten Weg vorbei am Dent de l’Ours zum Pic de l’Ours.
Schon beim Aufstieg eröffnen sich immer wieder schöne Ausblicke auf das Esterel-Massiv, den Haut-Var und die Bergspitzen des Mercantour. Und freut euch auf allerbeste Blicke auf die Bucht von Cannes und Saint-Raphaël oben vom Gipfel! Alle Infos zu dieser Tour gibt es online hier.
D-Day-Strand der Provence
Ihr wollt lieber der Küste folgen? Dann wandert zum häufig sehr windigen oder gar sturmumtosten Cap Dramont mit Blick auf die Île d’Or. Die rund 200 Meter lange Insel mit ihrem quadratischen Turm im mittelalterlichen Stil soll Hergé zu seinem Album „Tim und Struppi und die Schwarze Insel“ inspiriert haben.
Am Strand der Plage du Débarquement landeten 15. August 1944 20.000 GIs der 36. Texas-Division der US Army und begannen die Befreiung Frankreichs. Daran erinnern an der kleinen Promenade ein original erhaltenes US-Landungsschiff und eine Stele zu Ehren der Soldaten, die bei der Landung 1944 gekämpft haben.
Und wenn ihr schon einmal hier seid, dann verpasst auch nicht den kleinen Fischereihafen von Poussaï. An seiner Via Cordata du Dramont könnt ihr im Sommer mit Führer auf dem Felskap am Seil zum Meer hinab klettern.
Wer die Wanderung nachlaufen möchte: Routen-Infos zur 3,5 Kilometer langen Rundroute gibt es hier. Achtung: Bei Mistralwind kann die Strecke im Sommer gesperrt sein!
Die schönsten Orte an der Esterel-Küste
Die meisten Besucher erleben das Esterel-Massiv bei einer Panoramafahrt auf der Küstenstraße. Aussichtspunkte eröffnen immer wieder neue Ausblicke. Doch Achtung: Die Parkplätze sind beliebte Ziele für schnelle Autoaufbrüche mit zertrümmerten Seitenscheiben – und das nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr. Daher nichts sichtbar im Fahrzeuginneren liegen lassen!
Agay
Agay heißt auf Griechisch „günstig“, und das war für die ersten Besucher in der Antike der Ort wirklich: Die Bucht zwischen Cap Dramont und der Pointe de la Baumette gelegen, schützt der 288 Meter hohe Rastel d’Agay.
Mit der Ankunft der Bahn kamen ab 1860 viele Künstler nach Agay. Maler wie Louis Valtat, Komponisten wie Vincent d’Indy, Schriftsteller wie Guy de Maupassant, Albert Cohen und Maurice Donnay. Ganz begeistert von Agay war der Autor des kleinen Prinzen, an den heute La Fontaine du Petit Prince erinnert. Antoine de Saint-Exupéry hatte eine ganz besondere Beziehung zu diesem Küstenort.
Saint-Exupérys Schwester Gabrielle heiratete 1923 Pierre de Giraud d’Agay. Das Paar ließ sich in der Familienvilla in Agay nieder – und Antoine besuchte sie oft. Am 12. April 1931 heiratete er sogar Consuelo Suncin in der Kirche von Agay. Die standesamtliche Trauung fand am 22. April in Nizza statt. Ein Denkmal, ein Brunnen des kleinen Prinzen, ziert heute den Garten des Einkaufszentrums Les Bastides d’Agay und erinnert an diese besondere Verbindung.
Besonders tragisch: Das Schloss der Familie d’Agay, ein majestätisches Gebäude auf einem Felsen, wurde während des Zweiten Weltkriegs von der deutschen Armee besetzt und im Mai 1944 zerstört. Eine Gedenktafel am Leuchtturm von La Beaumette hält die Erinnerung an den berühmten Schriftsteller wach. Er schwärmte:
Agay est un paradis où même la poussière est parfumée…
Agay ist ein Paradies, wo selbst der Staub parfümiert ist…Antoine de Saint-Exupéry
Mandelieu-la-Napoule
Der Doppelname verrät es: La Napoule ist heute ein Ortsteil von Mandelieu, der selbst ernannten Hauptstadt der Mimose. Dort beginnt die Mimosenstraße, die mitten im Winter Frühlingsgefühle verbreitet. Klickt hier für mehr Infos.
Le Trayas/Miramar
In der Bucht von Figueirette findet ihr den exklusiven Badeort Miramar mit seinem Jachthafen. Noch im 17. Jahrhundert fingen die Fischer dort Thunfisch. Heute züchtet eine Aquafarm Doraden und Seeteufel.
Théoule-sur-Mer
Richelieu war einer der ersten, der hier am Meer ein Schloss erbauen ließ. Später wählten Prominente wie Jean Sablon, der Bing Crosby von Frankreich, Flugzeugbauer Serge Dassault und Modemacher Pierre Cardin Théoule-sur-Mer zum Zweitwohnsitz. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Théoule eigenständig. Und erklärte 80 Prozent des Gemeindegebietes zur Grünzone.
Ein architektonisches Unikum findet ihr oberhalb von Théoule: eine Villa, die fast nur aus Bullaugen zu bestehen scheint und weder ein richtiges Dach noch ordentliche Fassaden besitzt. Sondern organisch, wie eine Skulptur, hingeworfen wurde in die Natur, die sie erobert hat. Pierre Cardin liebte sie.
Entworfen hat sie Antti Lovag, der bei Jacques Couëlle in die Lehre gegangen ist. Der französische Architekt Couëlle hat mit der Maison de l’Escaillon in Saint-Jean-de-l’Esterel (1981) eine zweite ungewöhnliche Architektur-Villa am Esterel hinterlassen. Und auch die Feriensiedlung Port La Galère stammt von dem Erfinder der bewohnbaren Skulpturen.
L’Esterel: meine Reiseinfos
Schlemmen und genießen
Die großen herrschaftlichen Anwesen zeigen: Das Esterel-Massiv ist, besonders an der Küste, eine edle hideaway-Adresse. Besonders rund um Théoule-sur-Mer ist das gastronomische Angebot ausgerichtet auf diese Klientel und preislich meist sehr gehoben.
Mareluna
Minimalistisch-kunstvolle Haute Cuisine von Francesco Fezza und seiner Brigade. In seinen kulinarischen Miniaturen flirtet seine Heimat Italien mit Einflüssen aus Frankreich und Japan.
• 55, avenue de Lérins, 06590 Théoule-sur-Mer, Tel. 04 22 46 04 45, www.chateau-de-theoule.com/fr/mareluna; nur Frühjahr bis Herbst
L’Or bleu
Nach Stationen in renommierten Sternerestaurants in der Schweiz und in Chantilly ist Sternekoch Alain Montigny (Meilleur Ouvrier de France 2004) heute Küchenchef des Fünfsternehotels Tiara Yaktsa Côte d’Azur, das zum Verbund Relais & Châteaux gehört. Auf seiner Terrasse mit Blick auf das Meer und das Esterel-Gebirge mundet eine kreative Meeresküche mit bretonischer Seespinne oder geräuchertem Aal in grüner Apfelsülze.
• 6, boulevard de l’Esquillon, 06590 Théoule-sur-Mer, Tel. 04 92 28 60 30, https://yaktsa.tiara-hotels.com
La Joya Beach
Gleich neben dem Hafen von La Figueirette findet ihr dieses Strandlokal, das im Sommer seine Transat-Liegen auf den hellen Sandstrand stellt.
• Port de la Figueirette, Avenue du Trayas, 06590 Théoule-sur-Mer, www.lajoyabeach.com
Snack La Cabane Chez Monique
Aussichtsreicher Straßenimbiss an der Küstenstraße.
• 1633 RN/98, route du Trayas, 83700 Saint-Raphaël, Tel. 04 94 44 11 58
Maobi Beach Agay
Lage und Liegen sind top, die Küche ist oftmals leider nur durchschnittlich, das Preisniveau für das Gebotene für meinen Geschmack zu teuer.
• 124, boulevard de la Plage, 83700 Saint-Raphaël, Tel. 04 94 44 18 08, www.maobibeachagay.fr
L’épuisette Plage
Schönes Strandlokal am Westende des Esterel-Gebirges.
• 179, chemin de la Palmeraie, 83700 Saint-Raphaël, Tel. mobil 06 24 85 37 27, www.lepuisetteplage.fr
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Hallo Hilke, kannst du mir bitte für die Provence einen Tipp geben, da ich gehbehindert bin und dennoch den Wunsch habe die Provence zu bereisen? Über einen Tipp würde ich mich sehr freuen, liebe Grüße Rosi
Hallo Rosi, danke für Deine Anfrage. So pauschal aus der Ferne zu antworten, ist schwierig… ich denke, am besten ist es für Dich, Dich auf Städte dort zu konzentrieren, da dort Bürgersteige abgesenkt sind und Museen Rampen haben…. in alten Dörfern sind die Wege und Straßen oftmals holperig. Es gibt in Frankreich mehrere Verbände, die sich um Reisende mit körperlichen Einschränkungen kümmern, auch die SNCF hat einen eigenen Service dafür. Dort findest Du bei Deinen Fragen bestimmt ganz konkret Hilfe. Gute Reise in die Provence! Hilke
Lieber Uwe, ich drücke Dir/euch die Daunen! Schönes Wochenende! Hilke
Immer wieder schön. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie oft wir an der Küste entlang oder oben durchs Gebirge gefahren sind. Es gibt Dinge, die lohnen sich immer wieder aufs Neue anzusehen, egal zu welcher Jahreszeit. Für mich einer der schönsten Abschnitte der südfranzösischen Küste, besonders an einem sonnigen Wintertag, wenn dort nicht viele Autos dort unterwegs sind.
Ja, Claudia, da hast Du völlig recht!! Herzliche Grüße, wo immer Du gerade steckst! Hilke
Sehr guter Bericht. Danke ! Die Küste allein ist eine Reise wert.
Ja, wundervoll dort!!