Das Château des Lumières von Lunéville mit seinem Ehrenhof. Foto: Hilke Maunder
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Die Perlenstickerinnen von Lunéville

Im Jahr 1703 beschloss Léopold als Herzog von Lothringen den Bau eines Palastes, der Europa sein Ansehen und seine Regierungsfähigkeit beweisen sollte. Es sollte zwanzig Jahre dauern, bis Lunéville, wie sein Vorbild Versailles, zu diesem Statement in Stein der Macht wurde. Einer seiner Nachfolger, Stanislaus, der gestürzte König von Polen, macht es später zum Treffpunkt europäischer Gelehrter – mit Voltaire als Gaststar.

Die prunkvolle Hofhaltung finanzierte der geschasste Monarch mit jährlich zwei Millionen Livre, die Stanislaus als Pension erhielt. Während seines zweiten Exils starb er auf Schloss Lunéville unter tragischen Umständen. Er war mit seiner Kleidung dem wärmenden Feuer zu nahe gekommen.

Am 5. Februar 1766 entzündete sich seine Kleidung am Kamin. Stanislaus erlitt so schwere Verbrennungen, von denen er sich nicht mehr erholen sollte. Am 23. Februar verstarb er im Alter von 88 Jahren im Château de Lunéville. Gemeinsam mit seiner Gemahlin Katharina, die ihn bereits im Alter von 66 Jahren im Jahr 1747 verlassen hatte, wurde er in der Kirche Notre-Dame-de-Bonsecours in Nancy beigesetzt. Nach seinem Tod wurde Lothringen Frankreich angeschlossen. Was überlebte, war eine Handarbeitstradition, die bis heute in Lunéville lebendig ist.

Das Château des Lumières von Lunéville. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Perlen & Pailletten

„Durch die Baumwolle gestochen, mit der feinen Häkelnadel den stets weißen oder écrufarbenen Faden hinter der aufgereihten Perlen oder Paillette durch die weiße Unterlage holen und durch die Schlaufe ziehen, und so alles fixieren – so einfach geht es!“

Die ältere Dame hält mir ihren rechteckigen Rahmen entgegen, dreht ihn um und zeigt stolz das Ergebnis der Arbeit. „So wird hier seit Jahrhunderten mit Perlen und Pailletten gestickt“, sagt die alte Stickerin Paulette Suter stolz. „Schauen Sie sich einmal unsere Ausstellung an!“

Die kleine, feine Schau versteckt sich im Seitenflügel des Château des Lumières von Lunéville. Germain Boffrand entwarf es für die Herzöge von Lothringen als barocken Prunkbau mit dem ebenfalls beeindruckendem Parc des Bosquets samt Wasserspielen – ein Versailles von Lothringen, 1703 bis 1720 erbaut.

Im Schlosspark des Château des Lumières von Lunéville. Foto: Hilke Maunder
Im Schlosspark des Château des Lumières von Lunéville. Foto: Hilke Maunder

Haute-Couture und Opern-Outfits

In zwei kleinen Räumen haben Ehrenamtliche und Freunde des Conservatoire des Broderies François Remy eine beeindruckende Ausstellung zusammengestellt. Neben opulenten Bühnenoutfits der Oper von Paris stehen Haute-Couture-Roben von Balmain, Mugler, Stéphane Roland, Eymeric François und Pierre Cardin.

Im Schlosspark des Château des Lumières von Lunéville. Foto: Hilke Maunder
Wasserspiele schmücken den Schlosspark von Lunéville. Foto: Hilke Maunder

Raffiniert verzieren Pailletten und Perlen die Kleider. Aber auch Taschen, Halsbänder und andere Accessoires schmückt der Point de Lunéville, den Louis Ferry erfand. Er hatte die Idee, die Perlen im Voraus auszufädeln und mit einem Spitzenstich zu fixieren. Dieser Spitzenstich und die Perlen- und Paillettenstickerei gehören seit 2020 zum immateriellen Kulturerbes der UNESCO.

Seit 1999 unterrichtet eine Schule wieder diese alte Handarbeitstechnik. Die Kosten für die Berufsausbildung zum C.A.P. certificat d’aptitude professionnelle Brodeuse Main übernahmen früher der FONGECIF (Fonds de Gestion des Congés Individuels de Formation), heute umfirmiert in Transitions Proder Pôle d’Emploi  oder für Menschen mit Handicap die AGEFIPH (Association de Gestion du Fonds pour l’Insertion Professionnelle des Personnes Handicapées).

Bei viertägigen Hobbykursen könnt ihr die Grundlagen der Stickerei erlernen und sogar das Sticken mit Gold ausprobieren!

Im Schlosspark des Château des Lumières von Lunéville. Foto: Hilke Maunder
Stille Schönheit im Schlossgarten von Lunéville. Foto: Hilke Maunder

Keine Fotos!

Lunéville ist sehr stolz auf seine Tradition und will Muster und Techniken vor Billigimitationen schützen. Daher gilt ein absolutes Fotografierverbot in der Ausstellung. Alle Ausstellungsstücke sind zudem urheberrechtlich geschützt.

Im Stadtzentrum von Lunéville. Foto: Hilke Maunder
Im Stadtzentrum von Lunéville. Foto: Hilke Maunder

Auch für die Presse gibt es keinerlei Bildmaterial – einzige gestattete Ausnahme ist die bekleidete Schaufensterpuppe am Türeingang. Daher ist dieser Beitrag mit Impressionen des Schlosses und des charmanten Städtchens illustriert.

Das Schloss von Lunéville – und sein Städtchen  – lohnen einen Besuch! Auch die Schäden des großen Brandes, der in der Nacht vom 2. auf den 3. Januar 2003 im Schloss wütete, Dachstuhl, Kapelle, Südflügel und Bibliothek zerstörten und unschätzbare Schätze wie Napoleons Korrespondenz und Werke von Voltaire Opfer der Flammen wurden, sind behoben.

Lunéville und das Feuer: Dieser rote Faden zieht sich durch die gesamtes Geschichte des Feuers. Insgesamt 13 Mal wurde Lunéville seit seiner Errichtung von Flammen heimgesucht. Fast scheint es so, als würde sich Nicolas Ferry, der für seine schlechte Laune bekannte Zwerg von Stanislaus, sich an seinem Herren rächen wollte…

Türklopfer in Lunéville. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Lunéville: meine Reisetipps

Stickausbildung & Hobbykurse

Conservatoire des Broderies François Remy

Ausstellungen und Kurse zur Perlen- und Paillettenspitze von Lunéville.
• Château de Lunéville, Tel. 03 83 73 56 86, www.broderie-luneville.com

Schlafen & schlemmen

Hôtel Les Pages

Jenseits des Schlossgrabens findet ihr dieses Dreisternehaus, das zu den Logis-Hotels gehört. Die Zimmer sind klassisch eingerichtet, komfortabel und sehr ruhig, da die Unterkunft abseits vom Verkehr in einer Nebenstraße gelegen ist. Im Hausrestaurant Le Petit Comptoir serviert Küchenchef Denis Tabouillot raffiniert verfeinerte Traditionsküche.
• 5, quai des petits bosquets, 54300 Lunéville, Tel. 03 83 74 11 42, www.hotel-les-pages.com

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Nicht verpassen

Scènes en Selle

Im August ist Lunéville Gastgeberin eines Pferdefestivals, das an die große Tradition der Stadt als Kavalleriestandort erinnert. Früher waren in Lunéville 18 Einheiten mit insgesamt 2400 Kavalleristen, Kürassieren, Dragonern und Jagdreitern stationiert. Auch einer der berühmtesten Reitersoldaten wurde in Lunéville geboren: General Alexis L’Hotte. Bis heute ist Lothringen ein Pferdeland.

Das Festival Scènes en Selle wurde 2021 als Nachfolgerin der Rencontres Équestres gegründet. Es lockt im August mit Akrobatik, Tanz, burlesker Erzählung und Zirkus im gesamten Stadtzentrum und der Altstadt von Lunéville. Veranstaltet wird es von der Vereinigung Equiart’Concept mit Unterstützung der Stadt, des Theaters, der CCTLB und des Pays du Lunévillois (P.E.T.R.).

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Das ganze Land

Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!

Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren… oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.

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Luneville. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

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