Moutier-d'Ahun, eines der schönsten Dörfer des Limousin. Foto: Hilke Maunder

Moutier-d’Ahun: ein Dorf erzählt

Malerisch schmiegt sich Moutier-d’Ahun ans Ufer der Creuse. Limousine-Rinder weiden auf Wiesen, die nach der Schneeschmelze immer wieder überflutet werden. Um den Wassermassen der Creuse dann standzuhalten, wurde die Brücke über den Fluss während des Mittelalters nicht gerade, sondern sanft gebogen gebaut – und mit Vorbauten als Wasserbrecher versehen.

Das war damals. Heute sind harte Winter und solche Wassermassen auch hier im Süden des Départements Creuse selten geworden, das seine vielen kleinen Orte rund um Ahun zur Communauté de communes Creuse Sud-Ouest zusammengefasst und auch Moutier-d’Ahun eingebunden hat.

Doch den Charme jener vergangenen Zeiten hat Moutier-d’Ahun bis heute gewahrt — und gehört damit zu den schönsten Dörfern des Limousin.

Gerade mal 160 Einwohner zählt das kleine Dorf auf 362 Metern Höhe über dem Meeresspiegel. Doch trotz der geringen Einwohnerzahl bietet Moutier-d’Ahun überraschend viel Kultur in der alten Scheune von La Bergerie, in der heute Jazzkonzerte, Ausstellungen und andere Veranstaltungen stattfinden. Künstler und Kunsthandwerker können in La Métive ein Zuhause auf Zeit finden, direkt am Fluss in Ateliers arbeiten und ihre Werke auf Ausstellungen zeigen.

Mit seinen niedrigen Granithäusern, bekrönt von braunen Ziegeldächern, seiner bocage-Heckenlandschaft, seinen goldbraunen Limousine-Rindern und seinen sanft bewaldeten Hügel, die das Tal einrahmen, wirkt Moutier-d’Ahun ungeheuer malerisch.

Drehort für ausgezeichnete Filme

Der Bilderbuchort ist wahrhaft filmreif. 1991 wählte der Regisseur Alain Corneau daher das Minidorf als Kulisse für einige Szenen seines Films Tous les matins du monde* (Alle Morgen der Welt) aus. 1974 drehte hier Jean-Pierre Valladeau seinen experimentellen Dokumentarfilm Moutier d’Ahun. Der Film beginnt an den Ufern der Creuse und führt seine Zuschauer zu den barocken Skulpturen der Abtei.

Dabei verbindet er visuelle Eindrücke der Landschaft und der Skulpturen mit klassischer und zeitgenössischer Musik von Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Krzysztof Penderecki, Francis Poulenc und Arnold Schönberg zu einem einzigartigen audiovisuellen Erlebnis. 1974 gab es dafür einen Obelisken auf der Photokina 1974 in Köln. Weitere Auszeichnungen auf Festivals in Cannes, Deauville, Sarlat, Barcelona, Mendoza, Melbourne und Malta folgten. 1995 gab es für den 13-minütigen Streifen die Silbermedaille beim WorldFest-Houston International Film Festival.

Das kleine Dorf der großen Abtei

Der Name von Moutier-d’Ahun verweist auf den Ursprung als Kloster, ist moutier doch die alte Schreibweise für monastère. Stolz thront die Église Saint-Pierre-et-Saint-Paul über dem kleinen Dorf, das neben der Hauptstraße zur Brücke noch zwei Parallelstraßen und einige Quergassen durchziehen.

Das von außen recht wehrhaft wirkende Gotteshaus ist der einzige Überrest einer verschwundenen Abtei. Halb romanisch, halb gotisch im Flamboyant-Stil, verrät nichts von außen, welchen Schatz die Abteikirche im Inneren birgt: kunstvolle Holzschnitzereien, die als Meisterwerk der Barockkunst gelten.

Das Staunen beginnt bereits beim hölzernen Lettner, der zu den wenigen erhaltenen dieser Art in Frankreich gehört und einst das Volk von den Geistlichen beim Besuch der Messe trennte. Oben bekrönt ihn – das ist einzigartig – ein doppelter Christus am Kreuz.

So hatten beide Gruppen der Gottesdienstbesucher ihren Jesus. Doch nicht mit identischem Ausdruck, sondern sozialer Abgrenzung. Gen Westen, zum Volk hin, zeigt sich der Sohn Gottes gerichtet und gekreuzigt als Symbol der Warnung. Gen Osten, zu den Geistlichen hin, präsentiert er sich als gekrönt und auferstanden – und damit als Hoffnungsgeber.

Apsis und der Chor sind komplett mit opulenten wie raffinierten Täfelungen aus Eichenholz geschmückt, die der aus der Auvergne stammende Künstler Simon Bauer zwischen 1673 und 1681 gefertigt hat. Das Altarbild rahmen fein geschnitzte, gedrehte Säulen ein, die bukolische Szenen zeigen. Habt ihr die Weinbergschnecke zwischen ihren Blättern und Reben entdeckt?

Auf dem Chorgestühl mit seinen 26 Sitzen für die Mönche, die stehend wie sitzend den Geistlichen Halt boten, wimmelt es geradezu: Flora, Fauna und fantastische Kreaturen schmücken das Ensemble, welches Karyatiden behüten. Chimäre und Sphinxe sind dort zu entdecken, dann ein Engel, der auf einem Delfin reitet. Zwei Löwen, die Rücken an Rücken stehen, bilden das Lesepult. Welch ein barocker Überschwang, welch eine Sinnlichkeit!

Alles begann, als Boson II, Graf von der Marche, der Abtei von Uzerche in der Corrèze im Jahr 997 eine kleine Kirche schenkte, die am Ufer des Flusses Creuse errichtet wurde. Das Benediktinerkloster, das im Schatten der Kirche entstand, blühte sehr schnell auf, wurde unabhängig und ließ im 12. Jahrhundert eine neue Abteikirche errichtet, die größer und schöner war als die frühere Église Notre-Dame. Aus dieser Zeit stammen der Glockenturm, das Viereck des Querschiffs und der Chor.

Die Abtei, während des Hundertjährigen Krieges verwüstet und geplündert, wurde im 15. Jahrhundert nur teilweise wieder aufgebaut. Aus dieser Zeit ist das gotische Portal im Flamboyant-Stil erhalten. Als die Abtei während der Religionskriege erneut beschädigt wurde, flüchteten die Mönche – und die Einheimischen nutzten die Steine der verlassenen Anlage, um daraus ihre Häuser im Dorf zu bauen.

Erst 1610 kehrten einige Mönche zurück. Sie gehörten dem Cluniazenserorden an – und ließen sich in Moutier-d’Ahun nieder. Seit 1844 ist die Abteikirche eine Pfarrkirche. Dass diese Juwelen der Barockkunst erhalten und restauriert wurden, verdankt Moutier-d’Ahun einem Mann, der von 1904 bis 1963 der Dorfpfarrer war: Jules Malapert. Der Platz vor der Kirche ist nach ihm benannt.

Jacques Lagrange (8. Juli 1917 – 20. Juli 1995) ist es zu verdanken, dass sich ein ehemaliger Schafstall in ein Kulturzentrum verwandelte. Der Maler, der 1946 in Aubusson seinen ersten carton als Vorlage für Wandteppiche fertigte und seine Arbeiten auch auf den Biennalen von Venedig und São Paulo ausstellte, war auf dem Weg nach Aubusson dem Charme des Dorfes nach eigenen Worten „verfallen“ und hatte die Verwandlung in La Bergerie initiiert.

Auch im nahen Städtchen Ahun hat Jacques Lagrange seine Spuren hinterlassen. Dort wurde 2003 ein Garten nach ihm benannt. Lagrande hatte das Grundstück sowie das benachbarte Hôtel Jorrand gekauft, um ein neues Museum zu schaffen. Nach seinem Tod wurde der Ort von seiner Lebensgefährtin und Testamentsvollstreckerin Hyacinthe Moreau-Lalande der Gemeinde Ahun geschenkt. Groß schmückt eine seiner Skulpturen als schwarzes, auf der Wand fixiertes Mobile das Anwesen.

Die ehemalige Mühle der Abtei von Moutier-d’Ahun verwandelte sich 2004 in La Métive, eine Künstlerresidenz am Ufer der Creuse. Fotografen, Tänzer, Maler und Musiker aus der ganzen Welt kommen hierher und lassen sich als artist in résidence von Stille und Aura des Ortes inspirieren.

Die Bio-Invasion

Unerbeten hingegen sind die Gäste, die sich im Flussbett der Creuse festgesetzt haben: lauter kleine, helle Muscheln. Corbicula nennt sich die kleine Molluske, die vor rund 50 Jahren das erste Mal in Frankreich auftauchte und seitdem systematisch die Flüsse Frankreichs von kleinen Gewässern wie der Vilaine bis zum größten Strom des Landes, der Loire, erobert hat.

Nur drei Zentimeter groß mit Schale ist ausgewachsen diese Muschel, die das Wasser filtert und sich dabei von Phytoplankton ernährt. Damit raubt sie kleinen endemischen Fischen die Nahrung – und frisst auch ihre Larven. So bringt der Bio-Invasor aus Asien, der vier bis sieben Jahre alt werden kann, die gesamte Nahrungskette durcheinander.

Sie zu entfernen, ist fast unmöglich. Die Muschel hat keine natürlichen Feinde und vermehrt sich rasant schnell. Bis zu 70.000 Larven bringt jede zwittrig lebende Molluske hervor.

Moutier-d’Ahun: meine Reisetipps

Schlemmen und genießen

Im Dorf selbst gibt es keinerlei Gastronomie mehr, und auch Le Marais, das noch an der Hauptstraße zu sehen ist, hat längst geschlossen. Packt also euren Proviantkorb und picknickt am Ufer der Creuse!

Le Viaduc

Rund sieben Kilometer nordwestlich von Ahun könnt ihr bei Katia und Laurent Le Mestre in Busseau-sur-Creuse eine raffiniert verfeinerte cuisine du terroir genießen. Ihr Gasthof liegt direkt an Route de la tapisserie, die Aubusson mit Guéret verbindet.
• 9, Busseau Gare, Busseau-sur-Creuse, 23150 Ahun, Tel. 05 55 62 57 20, www.restaurant-leviaduc.com

Hier könnt ihr schlafen

La Maison de Crouzat

Ein Steinhaus inmitten von Wiesen mit zwei gemütlichen Gästezimmern und Spa: Wer sich hier einbucht, ist der einzige Gast – auch, wenn man nur ein Zimmer mietet. Dann bleibt das zweite unbewohnt. Abends könnt ihr euch mit einer table d’hôte kulinarisch verwöhnen lassen.
• 6, Crouzat, 23130 Issoudun-Létrieix, Tel. mobil 06 09 32 37 09, www.lamaisondecrouzat.com

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