Strasbourg an der Ill. Foto: Hilke Maunder

Strasbourg: 10 Viertel zum Entdecken

Carrefour de l’Europe, Kreuzung Europas, nennt sich Strasbourg (Straßburg) zu Recht und beweist es in jedem seiner 15 Arrondissements und 60 Quartiers. Mit ihren 78,26 Quadratkilometern Fläche ist die Europametropole zwar nur so klein wie Hanau, aber mit 290.000 Einwohnern dreimal so dicht besiedelt, und dies mit Menschen aus 150 Nationen: welch ein Mikrokosmos der Welt!

Das spiegeln auch die verschiedenen Viertel der Stadt wider. Es lohnt sich, die Grand-île der Innenstadt zu verlassen und einzutauchen in die unterschiedlichsten Szenerien im melting pot des Elsass. 800 Bauten sind allein in der Innenstadt denkmalgeschützt – und sogar zwei UNESCO-Welterbestätten birgt Strasbourg!

10 spannende Viertel in Strasbourg

Die Grande Île (Innenstadt)

Das historische Stadtzentrum von Strasbourg bildet die Grande Île, die „große Insel“ in der Ill, die auch der Canal du Faux-Rempart umfließt.

Auf nur 1,25 Quadratkilometern drängen sich alle jene Bauten, Gassen und Plätze, die Strasbourg berühmt werden ließen -– und ihm 1988 die Anerkennung als Weltkulturerbe einbrachten.

Das Straßburger Münster ist mit einer Länge von 112 Metern und einem 142 Meter hohen Westturm das größte Gotteshaus im Elsass – und war sogar lange Zeit das höchste Gebäude der Welt.  

Die im Französischen Cathédrale Notre-Dame genannte Kirche behielt den Titel des höchsten Gebäudes der Welt für etwa 227 Jahre, bis es 1874 vom Turm der St.-Nikolai-Kirche in Hamburg (147 Meter) übertroffen wurde … und kurz darauf, im Jahr 1880, von der 157 Meter hohen Turmspitze des Kölner Domes. Hinauf zur Aussichtsplattform in 66 Metern Höhe führen 332 Stufen.

MIt hohen, spitzbogigen Gewölben, wie sie für die Gotik typisch sind, gegrüßt euch das Innere. Ist es draußen sonnig, leuchten auf den Fenstern die Glasmalereien aus dem 12. bis 14. Jahrhundert.

Neben der imposanten Orgel und der prächtigen Kanzel ist jedoch mein absolutes Highlight die astronomische Uhr aus der Renaissancezeit mit einem Mechanismus aus dem Jahr 1842. Um 12.30 Uhr könnt ihr das kunstvolle Meisterwerk der Technik im Kirchinneren in Aktion sehen – dann beginnt die tägliche Parade der Apostel.

Um die Architektur des Münsters bestmöglich zur Geltung zu bringen, wurde der u-förmige Münsterplatz 20.000 Quadratmeter groß anlegt und im 18. Jahrhundert noch weiter geöffnet, um die freie Sicht auf das Münster zu gewährleisten.

Mit dem Kammerzellschen Haus, 1427 erbaut und im 16. Jahrhundert renoviert, ist auch eines der schönsten Fachwerkhäuser von Strasbourg am Münsterplatz vertreten. Biblische Szenen und allegorische Figuren, Fantasie-Tiere und Fratzen, Ornamente und Pflanzen schmücken sein Schnitzwerk. Seit 1873 birgt es ein Restaurant, das zu den ältesten und bekanntesten von Strasbourg zählt.

Das Musée de l’Œuvre Notre-Dame barg einst die Dombauhütte und zeigt heute eine bedeutende Sammlung mittelalterlicher und Renaissance-Kunstwerke aus Straßburg und dem Oberrhein.

Noch mehr Museen birgt der prachtvolle Palais Rohan, der früher die Residenz der Fürstbischöfe von Strasbourg war. Heute beherbergt der große Komplex aus dem 18. Jahrhundert drei Museen: das Archäologische Museum, das Museum der Schönen Künste und das Kunstgewerbemuseum.

Nach allen Seiten hin verführt der Münsterplatz, eines der Terrassencafés aufzusuchen und zu schauen. Oder einzutauchen in das Gewirr der Straßen … und über die Krämergassen hin zu bummeln zum Gutenbergplatz mit dem Denkmal jenes Mannes, der in Strasbourg den Buchdruck perfektionierte.

Nun hinein in die Rue du Marché-aux-Poissons, wo in Hausnr. 40 Goethe während seiner Straßburger Studienzeit wohnte, und hin zum einstigen Fischmarkt, der heute Place des Tripiers heißt. Weiter in Richtung Pont du Corbeau (Rabenbrücke) und Ill lohnt sich noch ein Abstecher zur Place du Marché aux Cochons de Lait, dem Ferkelmarkt mit seinen malerischen alten Bürgerhäusern.

Wer nun noch Lust auf Shopping hat, spaziert im Carré d’Or an den Auslagen edler Boutiquen und exquisiter Juweliere vorbei – oder schlendert auf der Rue des Grandes Arcades vom Gutenbergplatz weiter zur Place Kléber, mit rund 1,9 Hektar der größte Platz in der Innenstadt von Strasbourg.

Seinen Namen erhielt er von Jean-Baptiste Kléber, der 1753 in Strasbourg geboren und im Jahr  1800 in Kairo einem Attentat zum Opfer fiel. Seine sterblichen Überreste ruhen seit 1838 in einer Gruft unter seinem Denkmal.

Eine Bronzestatue zeigt seit 1840 den General in heroischer Pose. Im Advent reckt sich hier eine Weihnachtstanne hoch in den Himmel, und geschmückte Holzhütten laden ein, hier mit einem Glühwein und einer Brezel den Bummel über die marché de Noël  in der selbst ernannten Weihnachtshauptstadt Strasbourg zu beginnen – mehr davon hier.

Weihnachtsmärkte: Das Straßburger Münster und die Maison Kammerzell im weihnachtlichen Licht. Foto: Hilke Maunder
Das Straßburger Münster und die Maison Kammerzell im weihnachtlichen Licht. Foto: Hilke Maunder

La Petite France

Das kleine Frankreich nennt sich ein malerisches Altstadtviertel, das neben dem Münsterplatz die zweite weltberühmte Attraktion von Strasbourg ist – dementsprechend touristisch und voll kann es werden. Früher arbeiteten hier die Gerber, Müller und Fischer am Ufer der Ill, die sich hier in fünf Arme aufspaltet . Aus der Luft sieht das Delta aus wie eine Hand, die nach dem Quartier de la Gare greift.

Welterbe: die Altstadtinsel von Strasbourg.
La Petite France mit dem Haus Gerwerstubb auf der Altstadtinsel von Strasbourg. Foto: Hilke Maunder

Gut erhaltene Fachwerkhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert säumen die Ufer und Gassen, im Sommer üppig geschmückt mit Geranien und anderen leuchtenden Blütenpflanzen. Das älteste Haus des nur 0,.25 Quadratkilometer großen Viertels ist die Maison des Tanneurs aus dem Jahr 1572, heute ein Restaurant.

La Krutenau

Bereits im Mittelalter wuchs Strasbourg über die Grenzen der Grande-Île hinaus, und Handwerker, Arbeiter und kleine Geschäftsleute, Flussschiffer und Fischer ließen sich in der Krutenau nieder. Viele Straßennamen zeugen noch von dieser Zeit, so zum Beispiel die Rue St-Nicolas-aux-Ondes oder die Rue de la Tour des Pêcheurs.

Die Krutenau besteht, genau genommen, aus zwei Teilen: dem Vorort Sainte-Madeleine mit engen, verschlungenen Gassen, den sich Strasbourg von 1228 bis 1344 einverleibte, und der eigentlichen Krutenau, die zwischen 1387 und 1441 befestigt wurde, aber ihre großen Gärten und landwirtschaftlichen Flächen bis ins 20. Jahrhundert behielt.

Zahlreiche Wasserläufe führten durch das Viertel und sorgten dafür, dass sich auch Fischer und Flussschiffer niederließen, verband doch einst der Rheingießen die Ill mit dem Rhein.

Erst 1872, als der Rheingiessen für den Bau der Rue de Zurich zugeschüttet wurde, wurden die beiden Viertel
Sainte-Madeleine und Krutenau vereint und die einstigen Gärten in Parzellen als Bauland aufgeteilt. Ohne das Wasser verloren sie ihre Seele und verarmten.

Als die Kasernen in Quartier Esplanade dem Unicampus wichen und immer mehr Gewerbe und Industrie die Krutenau verließ, schob die Strasbourg ein Sanierungsprogramm an, das auf Abriß und Neubau zielte.

Erst nach den massiven Protesten der Bewohner wurde auf die Sanierung alter Gebäude gesetzt. Die langsame Gentrifizierung begann. Auf die Kleinbürger folgten Studierende und Vertreter der bourgeois-bohème oder bobos, wie Frankreich seine Öko-Yuppies nennt. La Krutenau stieg zum Szene-Viertel auf.

Der Wein des Hôpital Civil

Ebenfalls zur Krutenau gehört der riesige Komplex des Hôpital Civil. Das berühmte Highlight unter den 45 Gebäuden auf 23 Hektar ist der historische Weinkeller mit seinem mittelalterlichen Gewölben, in dem heute noch Weißwein aus dem Jahr 1477 in Holzfässern lagert!

Die Neustadt

 Historismus, Jugendstil und Neoklassizismus verbinden sich in der Straßburger Neustadt mit ihren breiten Alleen, weiten Plätzen und repräsentativen Gebäuden.Die Neustadt wurde als Erweiterung der Altstadt geplant und sollte während der Zeit des Deutschen Reiches (1871-1918) die deutsche Herrschaft repräsentieren.

In nur 47 Jahren – von 1871 bis 1918 – entstand östlich der Altstadt hier das zweitgrößte Jugendstilviertel Europas nach Wein. Viele Straßennamen in der Neustadt wurden nach der Rückkehr zu Frankreich 1918 geändert. Doch die Architektur blieb erhalten.

Ein Drittel des Straßburger Stadtgebiets umfasst heute die Neustadt. Federführend beim Bau der Neustadt war  der Stadtplaner Jean-Geoffroy Conrath, der sie im klaren Schachbrettmuster mit mit diagonalen Durchgangsstraßen angelegte – welch ein Kontrast zur Altstadt!

Besonders beeindruckend ist der Kaiserplatz (heute Place de la République) mit dem ehemaligen Kaiserpalast (heute Palais du Rhin) von August Orth und dem Wasserturm, der als Vorbild für den Wasserturm in Mannheim diente. Das Hauptgebäude der Universität gehört zu den Meisterbauten der wilhelminischen Architektur.

In faszinierender Weise verschmilzt die Neustadt deutsche und französische Architektur-Traditionen. 2017 gab es dafür die Auszeichnung als UNESCO-Weltkulturerbe.

Die Paulskirche der Neustadt von Strasbourg. Foto: Hilke Maunder
Die Paulskirche der Neustadt von Strasbourg. Foto: Hilke Maunder

Esplanade

Für manche noch Teil der Neustadt, für andere ein eigenes Quartier ist das Esplanade-Viertel im Südosten von Strasbourg, sich ab 1682 für das Militär erbaut wurde. Heute nimmt der Campus der Université de Strasbourg den Großteil seiner Fläche ein.

Das Esplanade-Viertel grenzt direkt an de Parc de la Citadelle, der rund um die ehemalige Zitadelle angelegt wurde, die Vauban ganz in der Nähe vom Rhein im 17. Jahrhundert hatte erbauen lassen.

Heute treffen sich hier die Einheimischen zum Joggen, schieben Kinderwage über die sandigen Wege, betrachten die Schwäne, die über ein Teilstück des einstigen Wassergrabens gleiten, sporteln im Parc de Street Workout oder vertreiben sich die Zeit beim Ping-Pong auf Beton oder Basketball.

Neudorf

Groß im Kommen und inzwischen sehr angesagt ist auch der bevölkerungsreichste Stadtteil von Strasbourg, der sich durch seine Vielfalt und urbane Landschaften auszeichnet. Neudorf ist besonders bei jungen Paaren und Familien beliebt, denn trotz der ruhigen Umgebung ist diese kleine Stadt in der Stadt voller Leben und besitzt mit der Presqu’ile André-Malraux seine eigene kleine „HafenCity“.

Die Presqu’île Andre Malraux war mit ihrem Bassin d’Austerlitz früher ein wichtiger Teil des Straßburger Rheinhafens. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde dort unter anderem Erze und Kohle für die Schwerindustrie sowie Getreide, Holz, chemische Produkte, Maschinen und Fahrzeuge umgeschlagen.

In der Nähe des Stadtzentrums entstand ein großes Industriegebiet mit Lagerhäusern, Silos und gigantischen Kränen Zu den größten Reedereien gehört damals Seegmüller, weshalb der dortige Kai auch Seegmüller-Mole genannt wurde.

In der Nachkriegszeit jedoch verlor der Straßburger Rheinhafen an Bedeutung, Straße und Schiene brachen der Binnenschifffahrt das Genick. 1980er Jahren wurde der Hafen daher stillgelegt.

Das Bassin d’Austerlitz, wo 1892 das erste Dampfschiff in Straßburg festgemacht hatte, lag brach. Street-Art eroberte die friche am Rande der Innenstadt. Erst mit der Jahrtausendwende begannen erste Projekte für das zentrumsnahe Brachland.

2008 eröffnete die Mediathek André Malraux in einer der ehemaligen Lagerhallen des Geländes. Ihre Architekten Jean-Marc Ibos und Myrto Vitart haben beim Umbau das Wesen des in den 1930er-Jahren errichteten Industriebaus bewahrt. Metall und Glas ergänzen den Backstein und Beton von einst, und zwei Hafenkräne geben auf dem Vorplatz dem Raum seinen Rhythmus.

Das Quartier Gare-Tribunal

Das Viertel Gare-Tribunal entwickelte sich rund um den Hauptbahnhof, der 1883 eröffnet wurde und einen beeindruckenden Glasvorbau besitzt. Auch dieses kosmopolitisches steckt mitten im Sog der Gentrifizierung, was die steigenden Immobilienpreise zeigen – und die trendigen Bars und Boutiquen, die hier eröffnen. Das hier ansässige Kulturzentrum La Laiterie ist einer der wichtigsten Hotspots für Alternativkultur in Strasbourg und Sitz der Vereinigung für Alternativkultur Molodoï .

Alternativ angehaucht, grün und nachhaltig gibt sich auch der Weihnachtsmarkt des Viertels, der Marché OFF auf dem Grimmeisen-Platz. In Containern statt Chalets bietet er seit 2006 Vintage-Möbel, Second-hand- und Customized-Kleidung, Bücher und Bio- und Fairtrade Lebensmittel sowie originelle Kreationen aus lokalem Kunsthandwerk und gebrauchtes Spielzeug. Thementage und Workshops beleben diesen Markt.

An der Place Hans-Jean.Arp findet ihr mit dem Musée d’Art Moderne et Contemporain eine Kunstsammlung, kantig, licht und offen. Hinter den großen Glasfassaden des Gebäude, das Adrien Fainsilber, Architekt der Cité des Sciences et de l’Industrie in Paris entwarf, zeigt das Museum auf etwa 13.000 Quadratmetern moderne und zeitgenössische Kunst vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.

Jean Arp und seine Ehefrau Sophie Taeuber-Arp, Wassily Kandinsky, Gustav Doré César Domela, der Gruppe De Stijl und Vertreter des Surrealismus sind dort mit Gemälden, Skulpturen, Fotografien, Videokunst und Installationen vertreten.

Entlang der Rue du Rempart sind noch die ehemaligen deutschen Befestigungsanlagen erhalten. Ganz in der Nähe findet ihr dort in einem ehemaligen Wasserturm das Château Musée Vodou. Die weltweit größte private Sammlung von Voodoo-Artefakten umfasst über 1.000 Objekte, die aus Westafrika stammen, insbesondere aus Benin, Togo, Ghana und Nigeria. Mit Fetischen, Figuren, Masken, Instrumenten und anderen rituellen Gegenstände, die bei Voodoo verwendet werden, bietet einen tiefen Einblick in die spirituellen und kulturellen Praktiken dieses Kults.

Das Europaviertel

Im Stadtteil Orangerie-Conseil des XV schlägt das Herz Europas: Hier haben mit dem Europarat, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Palais des Droits de l’Homme, das Europäische Direktorat für die Qualität von Arzneimitteln und Gesundheitsfürsorge und (im Wechsel Brüssel) dem Europäischen Parla­ment die wichtigsten europäischen Institutionen ihren Sitz.

Besichtigen könnt ihr derzeit nur das Europa-Parlament, einen 220.000 Quadratmeter großer Megabau. Hinter seiner Fassade aus Stahl, Glas und Holz birgt er 1.133 Büros, 18 Sitzungssäle, den Plenarsaal für 800 Abgeordnete, eine Bibliothek, mehrere Restaurants und Cafeterien sowie das Parlamentarium Simone Veil, ein Besucherzentrum mit 360°-Kino und Infostationen.

Im Informationszentrum Lieu d’Europe erfahrt ihr alles Wissenswerte über die europäischen Institutionen und das Viertel, das 2015 mit dem Europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet wurden.

Hinüber ins deutsche Kehl führt seit 1960 die 245 Meter lange Europabrücke über den Rhein. und einer Breite von 18,5 Metern. Sie gilt als Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung und der europäischen Integration. Anlässlich des 60. Geburtstags der NATO überquerten daher die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten gemeinsam die Brücke. Auf der Brücke findet ihr die Installation „Ecrire les Frontières – Le Pont de l’Europe, Grenzüberschreibung – Die Europabrücke“. Sie besteht aus 40 Stelen mit Texten europäischer Autoren, darunter drei Nobelpreisträger.

La Robertsau

La Robertsau im Nordosten von Strasbourg war früher der Garten der Gemüsebauern, und bis heute ist es eine ruhige, grüne Wohngegend, die an einem Wald endet, der als nationales Naturschutzgebiet ausgewiesen ist und direkt ans linksrheinische Rheinufer grenzt. Mitten im Wald versteckt sich ein Wasserfall mit mehreren Kaskaden. Den Namen Ruprechtsau, französisiert zu Robertsau, erhielt das Viertel von einem Ritter namens Ruprecht, der im 13. Jahrhundert ein Schloss dort errichten ließ.

Nur, wer jung, verheiratet, gesund und fruchtbar war, durfte in der Gartenstadt Ungemach der Robertsau wohnen – und erhielt mit dem Wohnungsschlüssel die Auflage, der Familie viele Kindern zu schenken.

La Fondation des jardins Ungemach est destinée à de jeunes ménages en bonne santé, désireux d’avoir des enfants et de les élever dans de bonnes conditions d’hygiène et de moralité. / Die Stiftung der Ungemach-Gärten richtet sich an junge, gesunde Familien mit Kinderwunsch, die diese unter guten hygienischen und moralischen Bedingungen großziehen möchten

So lautete die Auswahlkritiereien von Charles-Léon Ungemach, Direktor der Konservenfabrik Société Alsacienne d’Alimentation, der so in den 1920er-Jahren bezahlbaren Wohnraum für seinen Arbeiter schaffen wollte. Seine Cité-Jardin folgt dabei den Visionen der Gartenstadtbewegung, die Anfang des 20. Jahrhunderts danach strebte, das Stadt- und Landleben vorteilhaft zu kombinieren.

Seine Siedlung besteht aus 140 rosaroten Einfamilienhäusern mit Spitzdach und Dachgaupen im elsässischen Stil und großen Gärten zur eigenen Versorgung. Waren die Kinder aus dem Haus, mussten die hier Wohnenden den nächsten jungen Familien Platz machen.

Nach dem Tod des Stifters übernahm die Stadt Strasbourg die Gartenstadt und führt sie seitdem im Sinne seines Gründers fort. Es macht Spaß, hier einmal zu spazieren und eine nur wenig bekannte Ecke der Stadt zu entdecken.

Neuhof-Meinau-Port du Rhin

Im Westen von gelegen ist das Quartier Neuhof-Meinau-Port du Rhin, das meist nur Fußballfans kennen: Hier liegt das Stade de la Meinau, das Heimstadion des Fußballvereins Racing Straßburg. Industrie – früher befand sich hier u.a. die Fabrik des deutschen Flugzeugherstellers Junkers und ein Werk von Mathis – und sozialer Wohnungsbau prägen diesen Stadtteil, den ich nicht erwähnen würde, wenn es dort nicht einen ganz besonderen Park gäbe: den jardin des deux rives.

Der 150 Hektar große Park entstand anlässlich des 50. Geburtstages des Europarats im Jahr 1999. Die Idee dazu gab ein Installation des Straßburger Stadtrats Michel Krieger auf der Europabrücke. Kriegers Vision war es, den geschichtsträchtigen Rhein nicht länger als trennendes, sondern als verbindendes Element zu sehen.

Im Jahr 2004 wurde der Jardin des Deux Rives als Teil der grenzüberschreitenden Gartenschau Kehl/Strasbourg offiziell eröffnet. Mitten hindurch führt ein grenzübergreifenden Rundweg, der geschickt die Landesgrenzen in die Landschaftsgestaltung integriert und so die trennende Wirkung des Rheins symbolisch aufhebt.

Die beiden Hälften des Parks auf deutscher und französischer Seite verbindete eine Brücke, die der französische Architekt Marc Mimram nach einem Entwurf der Brücke des deutschen Landschaftsarchitekten Rüdiger Brosk baute. Mimrams Doppelbrücke, die mit 76 Seilen verspannt ist und zwei Stege umfasst, versteht sich als Bindeglied zwischen zwei Nationen mit unterschiedlicher Vergangenheit.

In der Mitte der Fußgänger- und Radfahrerbrücke treffen sich beide Stege auf einer großen Plattform etwa zwölf Meter über dem Rhein aufeinander. Diese Plattform bildet das Herzstück des Gartens der zwei Ufer und bietet einen weiten Blick über den Rhein und hin zu beiden Ländern.

Achtung

Die Stadtviertel Elsau, Hautepierre und Cronenbourg von Strasbourg sollten ihr besonders nachts meiden. Sie weisen eine deutlich höhere Kriminalitätsrate als die restliche Stadt auf und sind polizeibekannt.

Die Viertel von Strasbourg: meine Reisetipps

Erleben und unternehmen

Cinéma Vox

Mainstream- und Arthouse-Filme zeigt dieses Kino der Grande-Île. Herrlich retro: die Leuchtreklame dieses Lichtspielhause.
•  17, rue des Francs-Bourgeois, 67000 Strasbourg, Tel. 03 88 75 50 21, www.cine-vox.com

Le Shadok

Ganz der digitalen Kultur verschrieben hat sich diese Stätte auf der Presqu’ile André Malraux , die mit vielen kostenlosen Veranstaltungen digitale Technologien vorstellt und sie hautnah erlebbar macht. Das Ziel des etwas anderen Kulturkomplexes: einen sensiblen, vernüntigen Umgang mit der virtuellen Welt zu fördern.
• 25, presqu’ile André Malraux, Rue du Bass. d’Austerlitz, 67100 Strasbourg, Tel. 03 68 98 70 35, https://shadok-strasbourg.eu

Phare Citadelle

Das Kulturzentrum in den einstigen Wehrbauten am Bassin der Zitdalle die jahrhundertlang das Militär nutze, ist besonders immer ein beliebter Treff, um Live-Konzerte zu erleben und Street-Food im Grünen am Ufer zu genießen. Auch Flohmärkte und Firmenevents finden hier statt. Im Sommer schippert Batorama von der Kathedrale aus bis hierher – und wieder zurück.
• 13, rue de Nantes, 67100 Strasbourg, https://phare-citadelle.eu

Strasbourg per Fahrrad entdecken

Strasbourg bereits seit 2010 das Stadtradsystem Vélhop. Mit seinen 6.000 Stadträdern und 600 Kilometern Fahrradwegen besitzt die Metropole das größte Fahrradnetz Frankreichs.

Bootstouren auf der Ill

Batorama bietet das ganze Jahr über 70-minütige Stadtrundfahrten mit dem Ausflugsboot auf der Ill an. Entdeckt vom Wasser aus die bekanntesten Sehenswürdigkeiten der elsässischen Hauptstadt, darunter das Gerberviertel Petite France, die Neustadt und die europäischen Institutionen.
www.batorama.com

Schlemmen und genießen

Chez Yvonne – S’Burjerstuewel

Eine Institution seit 1873 ist diese lebhafte Winstub der Stadt mit Holztäfelung und Herz im Stuhl, in der ihr köstlich schmaust: Presskopf, Leberknödel und Bibeleskaes, Hahn in Riesling, geschmorte Haxe oder Elsässer Sauerkraut mit fünf Sorten Fleisch. Und wer danach noch Platz im Bauch hat, freut sich aufs typisch Elsässer Dessert; den Kougelhopf. Fürs gute Preis-Leistungsverhältnis gabs dafür von Michelin 2024 den Bib Gourmand.
• 10, rue du Sanglier, 67000 Strasbourg, Tel. 03 88 32 84 15, www.restaurant-chez-yvonne.net

Au Pont Corbeau

An der Rabenbrücke, gleich neben dem Musée Alsacien, serviert diese gemütliche Winstub seit drei Jahrzehnte mit Zutaten von kleinen, lokalen Erzeugnern eine authentische elsäsische Küche.
• 21, quai Saint-Nicolas, 67000 Strasbourg, Tel. 03 88 35 60 68, www.aupontcorbeau.fr

Saint-Sepulchre (Winstubb Heilig Graab)

Zu den bekanntesten Weinstuben der Grande-Île gehört diese Adresse im Herzen des Carré d’Or.
•  15, Rue des Orfèvres, 67000 Strasbourg, Tel. 03 88 75 18 45, www.saintsepulcre.fr

Le Bistrot d’Antoine

Schlicht raffiniert ist die marktfrische Saisonküche dieses Bistros mit gutem Preis-Leistungsverhältnis und einer spannenden Auswahl an Bio- und Naturweinen.
• 3, rue de la Courtine, 67000 Strasbourg, Tel. 03 90 24 93 25, www.facebook.com/BistrotAntoine

Le Banquet des Sophistes

• 5, rue d’Austerlitz, 67000 StrasbourgTel. 03 88 68 59 67, https://le-banquet.com

La Bouture

Ein nettes veganes Restaurant auf der Halbinsel am Bassin d’Austerlitz.
• 11, presqu’île André-Malraux, 67100 Strasbourg, Tel. 09 83 31 08 62, www.purcoop.org/restaurants/la-bouture

Le Chapitre

Dort, wo in Neudorf 50 Jahre lang in L’Ange Flammenkuchen aus dem Ofen kamen, haben Samir und sein Küchenchef Benjamin das Ecklokal kulinarisch und optisch verjühngt und servieren klassisch französische Küche in einem modernen, gemütlichen Ambiente.
• 95, rue de Bâle, 67100 Strasbourg, Tel. 09 81 09 32 22, https://restaurantlechapitre.fr

Le Rafiot

Auf dieser péniche, einem Lastkahn mit Altstadt-Blick, trifft sich Strasbourg zum Aperol Spritz und zu tanzt freitags und samstags bei Livekonzerten lokaler Bands.
• Quai des Pêcheurs, 67000 Strasbourg, Tel. 09 81 78 36 16, www.rafiot.net

Hier könnt ihr schlafen*

 

Weiterlesen

Im Blog

Alle Beiträge aus dem nordelsässischen Département Bas-Rhin vereint diese Kategorie. Mehr aus dem Südelsass, dem Département Haut-Rhin, findet ihr hier. Die Weihnachtshauptstadt Strasbourg stelle ich hier vor.

Im Buch

Stefan Böhm, Straßburger Glaubensbekenntnis*

Stefan Böhm präsentiert in seinem dritten Elsass-Krimi einen verzwickten Fall aus Strasbourg mit tief verwurzelten historischen Bezügen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Kommissar Antoine Sturni, der in die Ermittlungen um einen Mordfall verwickelt wird. Der Tote ist ein hochrangiger Beamter der Europäischen Kommission, der während einer Gedenkfeier in Straßburg ums Leben kommt. Schnell wird klar, dass hinter dem Tod mehr steckt als nur ein tragischer Unfall.

Sturnis Ermittlungen führen ihn tief in die Geschichte der Stadt ein. Er stößt auf alte Geheimnisse, religiöse Konflikte und politische Intrigen. Dabei wird deutlich, wie eng die Vergangenheit mit der Gegenwart verbunden ist und wie alte Gräben wieder aufbrechen können.

Sie reichen zurück bis zur Zeit von Johannes Gutenberg, der als Erfinder des Buchdrucks von 1439 bis 1444 in Straßburg gelebt hatte. Haben seine Bücher etwas mit den Morden zu tun? Lest selbst und erfahrt nach 264 Seiten, was dahintersteckt! Wer mag, kann den Straßburg-Krimi hier* online bestellen.

Antje und Gunter Schwab, Elsass*

Gunter Schwab, ist Erdkundelehrer an einem Karlsruher Gymnasium, seine Frau Antje ist mindestens genauso reiselustig und frankreichliebend wie ich (ob’s am Jahrgang liegt?). Gemeinsam haben sie den wohl besten Reiseführer für Individualreisende verfasst.

Auf 444 Seiten stellt er alles vor, was das Elsass zwischen Wissembourg und Mulhouse zu bieten hat: mit­tel­al­ter­li­che Fach­werk­dör­fer, das beschauliche Colmar und die mul­ti­kul­tu­rel­le Eu­ro­pa­stadt Straß­burg. Kunst und Kirchen, Berge und Burgen. Und natürlich viele Schlemmeradressen, denn auch das gehört zum El­sass. Wer mag, kann den Band hier* direkt bestellen.

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2 Kommentare

  1. Liebe Frau Maunder,
    vielen Dank für die sehr interessanten Infos, ich habe wieder einige neue Tipps bekommen. Vielleicht kann ich noch meine persönlichen Tipps ergänzen:

    Das Museum Tomi Ungerer, der sich mit seinen Karrikaturen und Zeichnungen auch sehr für die deutsch-französische Freundschaft engagiert hat.
    https://www.musees.strasbourg.eu/musee-tomi-ungerer

    Auch das Elsaß-Museum Musée Alsacien kann ich wärmstens empfehlen, sehr uriges Heimatmuseum in einem alten Fachwerkhaus über alle Etagen und Hof.
    https://www.musees.strasbourg.eu/musee-alsacien

    Viele Grüße
    Renate

    1. Liebe Renate, danke für die beiden Museums-Tipps zu Strasbourg! Merci und viele Grüße! Hilke

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