
In weiten Bögen fließt die Maas gemächlich dahin. Schleppkähne und Hausboote sind am Quai de Londres vertäut. Hinter der monumentalen Stadtmauer erheben sich über dunklen Schieferdächern stolz zwei Wahrzeichen der Stadt: der Turm der gotischen Notre-Dame-Kathedrale. Und die 30 Meter hohe Spitze des Soldaten- und Siegesdenkmals von Verdun.
Blutbad an der Westfront
Die Stadt im Nordwesten Lothringens war vor 100 Jahren Schauplatz einer Schlacht, die an einem Februarmorgen des Jahres 1916 unspektakulär begann – und zu einem der größten Gemetzel der Geschichte ausartete.
Am Ende der Kämpfe von 1916, nach entsetzlichen „300 Tagen und 300 Nächten“, war Verdun ein Trümmerfeld. Neun Dörfer wurden zerstört, Landschaften und Felder verschwanden in einem beispiellosen Sturm. 800.000 Franzosen und Deutsche ließen an der Westfront ihr Leben. An ihr Schicksal erinnert ein Monument, das im Februar 2016 nach zwei Jahren Umbau und Erweiterung wieder eröffnet wurde: das Mémorial de Verdun.
Direkt dort, wo einst die mörderische Schlacht tobte, verwandelt es abstrakte Zahlen und Daten mit ausgewählten Fotos, Ton- und Filmaufnahmen in Eindrücke, die unter die Haut gehen, nachdenklich machen und nachwirken. Wie haben der Soldat, der Arzt oder das Volk diese Schlacht erlebt?
Bald Welterbe?
Der Rundgang gibt Antworten. Mit Fotos, Film- und Tonbeiträgen und vielen emotionsgeladenen Gegenständen. Eine neue Ebene, 2015 zur Gedenkstätte Mémorial de Verdun hinzugefügt, öffnet den Blick auf die Landschaft. Sie trägt die Narben von 60 Millionen Granaten.
Neun zerstörte Dörfer halten die Erinnerung wach. Gräberfelder, das riesige Beinhaus Ossuaire de Douaumont aus Granit und die Forts Vaux und Douaumont erzählen vom Schrecken. Auch die unterirdische Zitadelle und dem Centre Mondial de la Paix, des Libertés et des Droits de l’Homme, das im Bischofspalast von Verdun residiert, gehören dazu. Gemeinsam bilden die Monumente eine weltweit einzigartige Vielfalt von Stätten, die als Weltkulturerbe geschützt werden soll.
Auf der Tentativliste der UNESCO stehen derzeit mehr als 30 französische Kandidatenakten. Auf die Anerkennung als Welterbe hoffen eben den Kriegsdenkmälern des Ersten Weltkriegs (wie Verdun) auch die D-Day-Strände der Normandie, die Katharerburgen Südfrankreichs sowie sie Salzfelder der Guérande und die Städte Nîmes und Metz

Ein Wald der Erinnerungen
Der 10.000 Hektar große Staatswald von Verdun wurde bereits 2014 als Forêt d’Exception und damit als außergewöhnlicher Wald ausgezeichnet. Ab 1919 wurde Verdun zum Symbol für die menschlichen Opfer des Krieges. Das Kampfgebiet wurde vom Staat abgegrenzt zur „roten Zone“.
Um dort die Überreste der Kämpfe zu erhalten und zukünftigen Generationen als Erbe weiterzugeben, wurde die französische Forstverwaltung mit der Verwaltung beauftragt. Innerhalb von acht Jahren pflanzte sie dort 36 Millionen Bäume.
Eingebettet in die Stille der Bäume birgt der Wald heute Erinnerungs- und Gedenkstätten wie das Beinhaus von Douaumont, das Mémorial von 1966 oder den Bajonettgraben.
Action oder Zen?
20 Kilometer nördlich von Verdun lockt bei Sivry-sur-Meuse der Forêt d’Vasion. Der Erlebniswald verbindet Adrenalinkicks mit tiefer Entspannung. Hochseilgarten und Laser-Games sorgen für Nervenkitzel, ein Barfußpfad für das tiefe, intensive Erleben der Natur ringsum.
Wanderwege zur Kunst
Rund 40 Kilometer südlich präsentiert sich das bewaldete Umland von Verdun als Hort der Kunst. Sechs Dörfer empfangen dort seit 1997 jeden Sommer Künstler aus aller Welt. Ihre Werke präsentiert von März bis September Le Vent des Forêts auf sieben Rundwegen mit insgesamt 45 Kilometer Länge, die ihr zu Fuß oder mit dem Mountainbike entdecken könnt. Offene Kunstkurse ergänzen das Angebot-
Schlafplätze im Wald
Das passende Nachtquartier hat seit die französische Designerin Matali Crasset mit ihren Maisons Sylvestre geschaffen. Die inzwischen vier Holzzelte verbergen sich in der Nähe der Dörfer Dompcevrin, Fresnes-au-Mont, Nicey-sur-Aire, Pierrefitte-sur-Aire und Ville-devant-Belrain im 5000 Hektar großen Wald.
Die vier Häuser sind als Kunstwerke konzipiert, die ihr inmitten der Wälder bewohnen könnt, um sich auszuruhen, zu träumen, zu essen, zu beobachten und ein wesentliches Element auf den Wegen des Vent des Forêts zu erleben.
Für den Bau verwendete die Designerin, die auch für IKEA entwirft, nur regionale bzw. typisch französische Materialien. Die Verkleidung aus Douglasienholz lieferte die Firma Fenneteau Bois aus Rambervillers. Die essis, traditionelle Dachziegel aus Douglasienholz, fertigte Guy Vlaemynck aus Rupt-sur-Moselle. an. Das Camargue-Schilf sammelte Jean-Renaud Prévot in Vauvert imH Grad. Das Eschen- und Eichenholz für die Innenverkleidung schnitt das Sägewerk Denée in Villers-sur-Meuse zu.
Im Wald können ihre leichten maisons sylvestre aus Akazienholz, Douglasie und Stahl so aufgestellt werden, dass sie den Wald nicht schädigen, sondern harminisch mit der Landschaft verschmelzen. So, wie es der Wanderer tun soll, der den Wegen des Vent des Forêts folgt und dort Unterschlupf findet.
Wandernwege
Nicht nur dort, ringsum von Verdun erstreckt sich bestes Wanderland. Die Weingärten und Obsthaine Côtes-de-Meuse und der Hauts de Meuse begleiten Wanderer, Radler und Reiter auf dem 77 Kilometer langen Mirabellen-Rundweg.
Der 80 Kilometer lange Jeanne d’Arc-Rundweg präsentiert die Wurzeln der französischen Nationalheldin: ihr Geburtshaus, ihre Betkapelle in Bermont und Vaucouleurs, wo sie ihre Waffen erhielt.
Flüsse voller Abenteuer
Schlunde, Ponore und Dolinen lassen sich in Beurey-sur-Saulx und Robert-Espagne entdecken. Nach einem anderthalbstündigen Spaziergang auf den Spuren der Höhlenbildung geht es mit Helm und Lampe hinab ins Labyrinth von Rupt-du Puits, hin zu einem unterirdischen Fluss und Salamandern, die durch das Dunkel huschen.
Wälder, Höhlen … und immer wieder die Maas.
Vom Anleger am Quai de la République von Verdun legt der schnittig weiße Passagierdampfer Mosa ab. 45 oder 90 Minuten lang zeigt er Verdun aus einer völlig neuen Perspektive. Besonders romantisch sind die abendlichen Dinner-Törns mit Kir Lorrain und Dreigängemenü.
Sportlicher sind die Kajaktouren, die Meuse canoë mit 8, 16 oder 24 Kilometer Länge anbietet. Wer seine Angel in die Fluten hält, fängt vielleicht Rotauge, Karpfen, Zander oder einen der kapitalen Hechte, die sich bei Verdun im Wasser tummeln. Oder genießt ihn fangfrisch in der Auberge de la Tour – im Sommer auf der Terrasse am Quai de Londres.
Verdun: meine Reisetipps
Entdecken
Den Pass’Musees (Museen und Denkmäler-Pass) gibt es beim in drei Varianten: Schlachtfeld, Verdun 14/18 (unterirdische Zitadelle, Fort de Vaux, Ossuaire, Fort de Douaumont) und 1. Weltkrieg (unterirdische Zitadelle, Fort de Vaux, Ossuaire, Fort de Douaumont, Weltkriegsausstellung im Centre Mondial de la Paix).
Genießen
Die berühmten Dragées de Verdun gibt es bei Braquier auch in den Farben der Trikolore Blau, Weiß, Rot.
• Laden: 3, rue Pasteur, Tel. 03 29 86 05 02, Fabrikverkauf: 50, rue du Fort de Vaux, Tel. 03 29 84 30 00, www.dragees-braquier.fr
Holt euch Proviant für ein Picknick am Freitagvormittag in Les Halles. Die Markthalle wurde 1853 erbaut.
Schlafen
Die einstige Offiziersmesse verwandelte sich 2016 in eine Nobelherberge mit 40 Zimmern, 19 bis 71 Quadratmeter groß, Spa, Bar und Restaurant bistronomique. Schön: der Park mit seinen alten Bäumen.
• 22, Quai de la République, 55100 Verdun, Tel. 03 29 80 14 18, www.lesjardinsdumess.fr
Informieren
Office de Tourisme de Verdun, Place de la Nation, 55100 Verdun, Tel. 03 29 86 14 18, www.tourisme-verdun.fr
Mémorial de Verdun, 1 Avenue du Corps Européen, 55100 Fleure-devant-Douaumont, Tel. 03 29 84 35 34, http://memorial-verdun.fr
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Weiterlesen
Ein Piano im Garten*
Otto Winzen (Text), Volker Blumenthaler (Foto): Ein Piano im Garten: Drei Reisen nach Verdun. edition 6065, 2013. Drei Tage verbrachte der Fotograf Volker Blumenthaler mit Otto Winzen in Verdun. Das Ergebnis ihrer gemeinsamen Reise ist ein sehr persönlicher Fotoessay.
Wie erleben sie den Ort der „Jahrhundertkatastrophe“? Welche Gedanken und welche Gefühle sich ein? Die Antworten sind berührend wie aufschlussreich zugleich. Wer mag, kann das Buch hier* online bestellen.
Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Sens, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren … oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.
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Eine sehr schön gestalte Seite. Morgen werde ich nach 40 Jahren wieder nach Verdun fahren und bin gespannt wie sich die Stadt und Umgebung verändert hat.
Dir Reise damals hat mich sehr beeindruckt, und noch immer frage ich mich wie man mit so viel Unverstand in den jeweiligen Heeresleitungen handeln konnte.
Gerne freue ich mich auf einen Kommentar von Ihnen
Freundliche Grüße
Helmut Schwalbach
Lieber Herr Schwalbach, ganz herzlichen Dank für Ihre lobendem Worte zu meiner Seite! Mich hat der Besuch in Verdun auch so lange Zeit nach dem Krieg noch sehr berührt. Gerade auch angesichts der wachsenden politischen Spannungen. Doch davon soll auf dieser Seite nicht die Rede sein. Beste Grüße, Hilke Maunder