Der 1. Mai und das Maiglöckchen

Maiglöckchen: das traditionelle Präsent zum 1. Mai. Foto: Hilke Maunder
Maiglöckchen: das traditionelle Präsent zum 1. Mai. Foto: Hilke Maunder

Alljährlich am 1. Mai in Frankreich die gleiche Szenerie: Überall verkaufen Kinder und Frauen in großen Körben und Schalen weiß blühende Maiglöckchen, das kleine Gebinde für einen Euro. Die kleinen Maiglöckchen-Sträuße mit dem betörenden Duft werden in Frankreich traditionell als porte-bonheur, Glücksbringer, einem geliebten Menschen geschenkt.

Und auch die Männer, die am 1. Mai beim Tag der Arbeit die vielen Demonstrationen besuchen, tragen den Frühlingsgruß im Knopfloch. Eine schöne Sitte, die seit Jahrhunderten in Frankreich gepflegt wird.

Mai-Brauch seit der Antike

Als Liebesgruß war das Maiglöckchen schon in den antiken Legenden beliebt. Apollo soll mit Maiglöckchen zu Füßen seiner Musen einen weichen Teppich  bereitet haben.

Das bis zu 30 cm hohe Maiglöckchen stammt ursprünglich aus Japan. Seine kleinen, weißen, stark duftenden Glocken-Blüten sind in Trauben. Im Mittelalter kam die exotische Blüte nach Europa. Damals befestigten die Männer Maiglöckchen über die Tür der Angebeteten.

Nachdem jedoch Karl IX. 1560 offen bei Hofe Maiglöckchen an seine Damen verschenkte, wurde der bis dato inkognito gesandte Liebesgruß ein gesellschaftlich anerkannter Glücksbringer. Rasch verbreitete sich der königliche Brauch im Volk.

Maiglöckchen-Verkauf in Dinan. Foto: Hilke Maunder
Dieser Junge bessert sich mit Maiglöckchenverkauf in Dinan sein Taschengeld auf. Foto: Hilke Maunder

Symbol der Sinnlichkeit

Der Duft der Maiglöckchen ist für Franzosen der als Inbegriff von Weiblichkeit, Sinnlichkeit und Erotik. Mit seiner intensiven Süße und einem frischen, blumigen Charakter, fügt er sich perfekt in viele Parfums ein.

Dior lässt sein Diorissimo* nach Maiglöckchen duften. Yves Rocher hat für seinen sinnlichen Duft Muguet en Fleurs* ebenfalls Maiglöckchen in den Flakon gepackt. Bei Guerlain findet ihr die betörenden Duftnoten von Maiglöckchen in Aqua Allegria*.

Selbst in sanften Herrendüften findet ihr die Extrakte der zierlichen weißen Blüten. Beliebt sind vor allem Kombination mit Sandelholz oder Ylang Ylang.

Mugueter … oh là là !

Er sorgte sogar dafür, dass ein neues Verb Eingang in die französische Sprache fand: mugueter – verführen, den Hof machen (muguet = Maiglöckchen). Seit 1. Mai 1947 ist der 1. Mai in Frankreich ein offizieller Feiertag. Und wird die Blüte auch gerne bei den Demonstrationen zum Tag der Arbeit ins Knopfloch gesteckt.

Zog man einst selbst hinaus in die Natur, um den Liebesgruß zu pflücken, brachte der neue bezahlte Urlaubstag den Wandel: Die ersten Händler kamen auf. Zunächst in Nantes, dann in ganz Frankreich.  Denn bis heute ist nur an diesem Tag – der Fête du Muguet – das Pflücken der Frühlingspflanze legal und unbesteuert.

Bonheur pour tous

Es gelten jedoch einige Regeln. Verkauft werden darf nur, was wild im Garten oder Wald selbst gepflückt wurde. Tische oder Stände sind tabu. Daher tragen die Verkäufer meist Körbe oder Schale. Und wehe, sie wagen sich zu nahe an die Geschäfte von Floristen. Dann droht Ärger.

So stehen Kinder und Senioren, Frauen und Männern an den Plätzen, schlendern durch Straßen und Gassen und freuen sich, wenn ihr sagt: „Un brin de muquet ! “ Oder gar ein pot de muguet kauft, einen kleinen Topf. Denn der Maiglöckchenverkauf bessert auch kleine Einkommen auf. Und bringt so auch  den Verkäufern bonheur, Glück.

Die Hochburgen

Längst werden die Maiglöckchen im großen Stil angebaut für den 1. Mai. Bis heute ist Nantes die Hochburg. Dreiviertel aller muguets für den Handel werden dort gezüchtet und geerntet. Bei Temperaturen von zwei bis drei Grad Celsius warten sie in Kühlhäusern auf ihren Ehrentag. Warum aber Nantes?

Das liegt nicht am Klima oder Boden, sondern an einer Innovation. Die dortigen Bauern erfanden die chassises, aufgeständerte Glasrahmen, die dank des Sonnenlichts Wärme erzeugten und das Wachstum von Gemüse beschleunigten. Auf diese Weise wurden sie zu großen Karottenproduzenten, bevor andere Kulturen folgten: Melonen – und Maiglöckchen.

Ein zweites wichtiges Anbaugebiet für Maiglöckchen findet ihr bei Bordeau und im Département Var. Dort befindet sich der französische Marktführer für Maiglöckchen in Töpfen. Fast eine Million Töpfe liefert er für den 1. Mai aus. Gemeinsam produziert ds Trio alljährlich rund 90 Millionen Maiglöckchen – und damit mehr als genug für jeden Franzosen!

Giftiger Glücksbringer

Doch Achtung: Maiglöckchen sind hochgiftig! Die Pflanze gehört zu der Familie der Spargelgewächse und ist nicht nur am Stängel, sondern auch an der Blüte toxisch. Ihr kleinen, weißen Kelche können schwere Kreislaufprobleme auslösen, wenn ihr sie berührt, und die Berührung mit dem Pflanzensaft kann sogar zum Tod führen. Daher gilt auch bei dieser Blüte: bewundern, aber nicht anfassen!

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13 Kommentare

  1. Schade, daß es diese schöne Sitte nicht in Deutschland gibt. Maréchal Pétain hat das Maiglöckchen mit dem Tag der Arbeit verbunden – bis dahin war L‘églantine rouge (das rote Heideröschen) die Symbolblume der Arbeiter/innen am 1. Mai gewesen.

  2. Kein erster Mai ohne Maiglöckchen. Am ersten Mai dürfen wie in Frankreich Maiglöckchen im Wald pflücken und sie auf der Strasse verkaufen.

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