
Im Nordosten von Paris ist eine kleine Straße das Mekka der Street-Art von Ménilmontant: die Rue du Retrait im 20. Arrondissement. Ihr Name erinnert an den Ratrait. So hieß einst ein Weinberg, der die Südhänge des Butte de Ménilmontant bedeckte.
Heute gibt es statt Weinstöcken nur Häuser dicht an dicht. Und zwei Kulturstätten, die die Straße beleben: das Théâtre de Ménilmontant in Hausnummer 15 und den Verein Asso LeRatrait in Hausnummer 20.

Dieser 2001 gegründete Verein hat zum Ziel, den kulturellen Austausch rund um die Rue du Retrait mit vielen Veranstaltungen zu fördern.
80 Künstler aller Richtungen engagieren sich: Maler, Bildhauer, Fotografen, Schauspieler, Sänger. Mit dabei sind auch bekannte Street-Art-Künstler wie Némo, Jérôme Mesnager, Mosko oder Herr Pee.
2013 entstanden die ersten Fassaden für den Mois du Ratrait. 2017 beschloss der Verein, der Rue du Retrait ein neues Aussehen zu verleihen und beauftragte sieben monumentale Werke zum Thema „Gemüse“.
Heute ergänzen viele weitere Wandbilder die Monumentalwerke. Immer neu erfindet sich die Street-Art in der Rue du Retrait. Und das nicht nur zum jährlichen Mois du Ratrait. Sondern oft unbemerkt und spannend über Nacht. Lasst euch überraschen!

Les Gars de Ménilmontant / sont toujours remontant. / Même en redescendant / les rue de Ménilmuche.
Ils ont lescœurs ardents / les cœurs et tout l’restant /tant qu’ils sont vont chantant: Menilmontant.
So besang Maurice Chevalier die Straßen, in deren Hausnummer 29 er als momo de Ménilmuche 1888 die Welt erblickte. Damals war Ménilmontant noch richtig dörflich und weit entfernt vom Zentrum von Paris. Ein Viertel der Handwerker und Arbeiter, in dem Wein wuchs – und das erst 1860 an die Hauptstadt Paris angeschlossen wurde.
Und das nicht nur administrativ, sondern auch mit einem Bahnhof, der an der Kreuzung der Rue de la Mare und Rue de Ménilmontant eröffnet wurde. 1934 aufgegeben, wurde der Bahnhof 2018 von der Stadt Paris wieder reaktiviert. Direkt an den Gleisen entstand aus Holz eine grüne Promenade, auf der es sich heute herrlich flanieren lässt.

Das Viertel und seine Menschen haben schon früh Künstler inspiriert – erst den Fotografen Willy Ronis, dann den Filmemacher Jacques Becker. 1952 drehte jener in Ménilmontant La Casque d’Or. Simone Signoret, die für ihre Rolle in diesem Streifen einen Oscar erhielt, wohnte damals in der Rue des Cascades 44.

Wenige Schritte weiter erhebt sich an der Rue Boyer der Veranstaltungssaal La Maroquinerie. Berühmter wurde La Bellevilloise. Die einstige Genossenschaft hat den Geist der Pariser Kommune bewahrt und ist heute ein Kulturzentrum, das auch politisch Position bezieht. Im Sommer lockt ein 900 Quadratmeter großer Garten, der nur zu schönen Jahreszeit als jardin éphémère an der Rue de Ménilmontant 88 eingerichtet wird.

Die Mur d’art urbain umgibt in der Rue de Ménilmontant 122 das einstige Grundstück eines Aristokraten. Nicolas Carré de Baudouin hatte dort im Jahr 1770 ein Stadtpalais im Stil der italienischen Villen Paladios errichten lassen. Diese folie, die später als Waisenheim und Unterkunft für junge Arbeiter diente, birgt seit 2003 ebenfalls Kultur und zeigt aktuelle Kunst von heute.

Rue du Retrait & Ménilmontant: meine Tipps
Cô my cantine
Die Aromen Vietnams im Ambiente aus hellem Holz.
• 18, Rue de Ménilmontant, 75020 Paris, Tel. 01 43 66 94 10, https://co-my-cantine.fr
La boulangerie-pâtisserie Benôit Castel
Bäckerei: 150, rue du Ménilmontant. Besonders lecker: das pain du coing mit Waldhonig und Quitte
Konditorei: 11, rue Sorbier
Le Pavillon Carré de Baudouin
Spannende aktuelle Kunst aller Genres in einem Bau des Klassizismus voller grandeur. Grandios!
• 121, Rue de Ménilmontant, 75020 Paris, Tel. 01 58 53 55 40, www.pavilloncarredebaudouin.fr
Le Monte en l’Air
Eine engagierte, gut sortierte Buchhandlung mit Programm und Bistro
• 2, Rue de la Mare, 75020 Paris, Tel. 01 40 33 04 54, https://montenlair.fr

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