Artischocken. Foto: Hilke Maunder
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Artischocken: raue Schale, zartes Herz

Jetzt ist Artischocken-Zeit! Die bretonische Camus-Artischocke lieben die Franzosen gedünstet. Le Violet de Provence schmeckt am besten roh mit einem Hauch Vinaigrette.

Ob weiß oder violett, die Artischocke ist in Frankreich ein sehr beliebtes Frühlings- und Sommergemüse. Hauptanbaugebiete sind die Bretagne und Okzitanien mit einer Produktion von fast 40.000 Tonnen.

Gemüsegarten am Meer

Marktstand mit lilafarbenen Artischocken aus Frankreich. Foto: Hilke Maunder
Marktstand mit lilafarbenen Artischocken aus Frankreich. Foto: Hilke Maunder

Kaum Frost im Winter, selten längere Hitzeperioden im Sommer, aber immer viel Sonne: Dieses Klimatrio macht den 30 Kilometer breiten Küstenstreifen der Nordbretagne zum perfekten Terrain für Gemüse. Besonders Frühgemüse fühlt sich hier wohl. 1961 wuchsen auf den lösshaltigen Böden zwischen Roscoff und Saint-Pol-de-Léon nur Weißkohl, Artischocken, Kartoffeln, Zwiebeln und Karotten, fünf Sorten, Feld für Feld. Heute gedeihen hier 46 Sorten.

Grüner König ist der weiße Blumenkohl mit 160 Millionen Köpfen. Weit abgeschlagen dahinter: Romanesco mit 1,8 Millionen Köpfen und grüner Blumenkohl mit 1,2 Millionen Köpfen.

Erst nach 80.000 t Tomaten kommt das Gemüse, das zum Aushängeschild der Region wurde: die Artischocke. 45.000 Tonnen werden alljährlich zwischen Morlaix und Roscoff geerntet. In den Verkauf kommt das Gemüse der Bauern vor allem durch die Erzeugergemeinschaft Prince de Bretagne. Rund 5.000 Familienbetriebe haben sich in ihr zusammengeschlossen. Insgesamt ernten die Bauern der Nordbretagne auf insgesamt 38.000 Hektar Land dort alljährlich  650.000 t Grünzeug. Als Service für seine Kunden hat das Großunternehmen zwischen der Pointe-de-Brest und Saint-Malo Les Circuits Gourmands de Prince de Bretagne ausgearbeitet. Sämtliche Tipps zum Nachreisen, Partner und Rezepte findet ihr auf der Webseite des Unternehmens.

Die Mitgift der Medici

Katharina von Medici brachte die Artischocke als Mitgift nach Frankreich – und zwar, als sie 1533 in Paris Heinrich II heiratete.

Doch als das Gemüse zum ersten Mal an ihrem Hof serviert wurde, wussten einige der Gäste nicht, wie sie es essen sollten – und aßen nicht nur das Innere der Blätter und das weiche Herz, sondern auch das Heu – und wären fast daran erstickt. Diese alte Angst spiegelt der Name des Gemüses wider.

Katharina von Medici hingegen soll mit Hingabe Artischocken gegessen haben. Artischocken galten schon damals als natürliches Gesundmittel für Galle, Leber und Magen. Zudem wurde ihnen eine gewisse aphrodisische Wirkung zugesprochen. Flugs pflanzte die Aristokratie das Edelgemüse in seine Küchengärten, wo sie bis zur Französischen Revolution sein Zeichen von Reichtum und vornehmer Lebensart waren.

Auch im Küchengarten von Château de Castelnaud wachsen Artischocken. Foto: Hilke Maunder
Auch im Küchengarten von Château de Castelnaud wachsen Artischocken. Foto: Hilke Maunder

Der Vorfahre: le cardon

Der Vorfahre der Artischocke ist die Kardone ist, die wild überall im Mittelmeerraum wächst. Sie wurde erst in den letzten Jahren als Gemüse neu entdeckt. Bei Sternekoch Armand Arnal von La Chassagnette wächst der cardon im Küchengarten.

Im August wird er geerntet. Als Entrée oder zum Apéro kommt er als frittierter Krapfen auf die Karte des Sternelokals bei Arles. Auch dieses Rezept findet ihr weiter unten im Beitrag.

In der Provence steht le cardon beim Gros Souper, dem großen Weihnachtsessen auf dem Tisch, überbacken mit einer Béchamelsoße, begleitet von Sardellen oder Trüffeln.  Sein Geschmack erinnert an Artischocken, Schwarzwurzeln und Mangold, mit dem er oft verwechselt wird.

Die Artischocken-Arten

Knapp die Größte des Artischockentrios der Bretagne ist die runde Castel mit ihrem sehr zarten Fleisch.

Die klassisch dunkelgrüne Sorte Camus, die 300-500 Gramm auf die Waage bringt, verdankt ihren Namen – auf Deutsch „Stupsnase“ – ihrer großen kugeligen Form.  Matte graugrüne Blätter bedecken wie Schuppen ihre Kugel. Frisch gedünstet, zeigt sie ein zart schmelzendes Herz und ein feines Fleisch.

Es gibt noch weitere weiße Artischockensorten wie Castel, Calico, Blanc Hyérois oder Macau.

Die Violet de Provence hingegen hat eine konische Form. Ihre kleinen Blätter sind grün und violett gefärbt. Genießt sie roh mit einer Vinaigrette! Weitere lilagrüne Sorten sind der Salambom Violet de Gapeau und der IGP Violet du Roussillon. Immer beliebter wird ein Mini, der erst 1991 auf den Markt kam:  die kleine, 150 Gramm schwere Petit Violet, die Lila Artischocke.

Artischocke auswählen und lagern

Der Artischocken-Kopf sollte Schuppen haben, die dicht aneinander liegen. Schwarze Flecken und lockere Blätter verraten, dass die Artischocke überreif ist. Die Blätter sollten scharf und der Stiel feucht sein –  ein Zeichen für Frische.

Rohe Artischocken könnt ihr wenige Tage lang im Gemüsefach aufbewahren. Gekochte Artischocken sollten ihr innerhalb von 24 Stunden verzehren. Das Gemüse oxidiert und verliert dabei an Geschmack.

Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Das Rezept: Artichauts barigoule

Die Artischocken des Midi sind die kleinere, feinere Antwort auf die großen bretonischen Sorten: Sie besitzen im Innern kein Heu. Der Violet de Provence und der Violet du Roussillon besitzen daher beide ein viel zarteres Fruchtfleisch. Im April/Mai und Oktober/November stapeln sie sich mit ihren lilafarbenen Blütenköpfe auf den Marktständen.

Zutaten (4 Personen)

  • 8 junge violette Artischocken
  • Saft von 1 Zitrone
  • 1 milde Zwiebel
  • 100 g geräucherter Speck am Stück
  • 1 Karotte
  • 2 Tomaten
  • 4 Knoblauchzehen
  • 3 EL Olivenöl
  • Salz und frisch gemahlener Pfeffer
  • 1 Lorbeerblatt
  • 100 ml trockener Weißwein
  • glatte Petersilie, grob gehackt

Zubereitung

  • Die Artischocken vorbereiten:  Die Stiele etwa 4 cm vom Herzen entfernt abbrechen. Die harten Blätter an der Basis und das obere Drittel der spitzen Blätter abschneiden. Mit einem Messer die Stiele schälen und die Hauptblätter entfernen. Die Artischocken weiter schälen. Dabei wie beim Bleistifte anspitzen so drehen, bis das Herz sichtbar wird. Nur den weißen Teil der Blätter aufbewahren.
  • Die Herzen der Länge nach halbieren. Sofort in eine Schale mit einem Gemisch aus Wasser und dem Zitronensaft legen. Sonst färben sich die Artischocken an der Luft schwarz.
  • Die Zwiebel abziehen und fein hacken. Den Speck würfeln. Die Karotte schälen und in Scheiben schneiden. Die Tomaten halbieren. Das Kerngehäuse entfernen und das Fruchtfleisch in kleine Stücke teilen. Den Knoblauch abziehen.
  • Das Olivenöl in einer Pfanne erhitzen. Die Karotte, die Zwiebel und den Speck darin anbraten. Dann den Knoblauch kurz mit anschwitzen. Die Artischocken aus dem Zitronenwasser nehmen und zufügen. Mit Salz und Pfeffer würzen. Zuletzt die Tomaten und das Lorbeerblatt dazugeben.
  • Die Gemüsemischung mit dem Weißwein ablöschen. Bei niedriger Temperatur 5 Minuten ziehen lassen. Anschließend 100 ml Wasser hinzufügen. 1 Stunde köcheln lassen. Mit Petersilie bestreut servieren.

Das Gericht schmeckt warm wie kalt. Dazu passt ein junger Weißwein der Côte Vermeille, der Coteaux de Narbonne oder der Côtes de Thau.

Das Rezept: Beignet de Cardons

 Zutaten (4 Personen)

  • 4 Kardonen
  • 200 g Mehl
  • 1/2 Päckchen Bäckerhefe
  • 1 Prise Zucker
  • Salz
  • Wasser
  • Olivenöl

Zubereitung

  • Die Kardonen schälen. Blätter, stachelige und faserige Teile entfernen. Mit einem Tuch abreiben, um die dünne, flaumige Schicht zu entfernen. Die Kardonen waschen, in 5-8 Zentimeter lange Stücke schneiden und in Zitronenwasser legen, damit sie nicht schwarz werden.
  • Fünf bis sieben Minuten aufkochen, um die Bitterstoffe auszuschwemmen. Wasser abgießen, Topf mit frischem Wasser auffüllen, salzen und die Stangen zusammengebunden darin 50 Minuten lang garen.
  • Das Mehl, eine Prise Zucker und die Hefe in eine Schüssel geben. Salz hinzufügen und nur so viel Wasser dazugeben, dass ein dicker, glatter Teig entsteht. 2 Stunden lang ruhen lassen.
  • Die Kardonstangen in den Teig tauchen, in heißem Öl frittieren und auf Küchenpapier abtropfen lassen. Warm servieren.

Artischocken-Feste

Bretagne

Fête de l’Artichaut

Saint-Pol-de-Léon (Finistère): Juli

Okzitanien

Fête de l’Artichaut

Sainte-Marie-la-Mer (Pyrénées-Orientales): 1. Mai

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Le Midi*

Die artichauts barigoule gehören zu den 80 echten, authentischen Speisen, die ich bei meiner kulinarischen Landpartie durch den Süden von Frankreich entdeckt habe. Zwischen Arcachon, Hendaye und Menton schaute ich den Köchen dort in die Töpfe. Ich besuchte Bauern, kleine Manufakturen, Winzer und andere lokale Erzeuger.

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