Roccapina, Tafoni. Foto: Hilke Maunder
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Roccapina: Fabelwesen aus Fels

Zwischen Meer und Bergen wacht ein seltsamer Löwe über die Bucht von Roccapina im Süden von Korsika. Unbeweglich starrt er aufs Wasser. Der Legende nach handelt es sich bei dem Küstenfels um eine Dame, die die Liebe eines reichen Herrn nicht erwiderte. Sie habe ein Herz aus Stein, klagte der Seigneur, und Stein solle sie werden. Gesagt, getan.

Die Geburt der Tafoni

„Pah, nur eine Legende“, sagen die Wissenschaftler. Der Löwe ist ein waschechter Tafone ein Granit, geformt von den vier Elementen.

Der Wind peitscht die Gischt auf den Stein, der Regen lässt das Salzwasser in die Felsspalten rinnen, die Sonne lässt das Salz kristallisieren, das Salz sprengt den Stein, trennt Feldspat, Quarz und Glimmer.

Dann verändert der Menschen, der unter ihm Schutz sucht, den Fels. Hier ein Löwe, dort ein Elefant, weiter hinten ein Nashorn, ein Kamel – lauter fabelhafte Tiere aus Fels.

Die Landschaft bei Roccapina. Foto: Hilke Maunder
Die Landschaft bei Roccapina. Foto: Hilke Maunder

Vom Tafone zum Oriu

U Tafonu – das Loch, ein Fels, von unten ausgehöhlt: eine korsische Spezialität, die zum weltweit gebrauchten Fachbegriff der Geologie aufstieg. Bereits in der Vorzeit erkannten die frühen Korsen den Wert der Tafoni.

Mit Zweigen und Ästen verschlossen sie die Naturhöhlen und nutzten sie als Stall, Schuppen oder Wohnung. Im 19. Jahrhundert wandelte sich der Tafone zum Oriu: Die Höhle erhielt Fenster und Türen und wurde zum Haus mit Bett, Herd und Stuhl. Unzählige dieserOrii birgt bis heute die korsische Macchia.

Zu Gast beim Cantonière

Roccapina. Foto: Hilke Maunder
Die Straßenkneipe von Roccapina. Foto: Hilke Maunder

Die Passhöhe von Roccapina ist seit alters her eine Passage zwischen Sartène und Bonifacio. Den Straßenabschnitt zwischen Pianottoli und Coralli hielt ein cantonière instand, der die Löcher im Straßenbelag mit Kieselsteinen füllte – eine Schwerstarbeit.

In seinem Haus bot er Schäfern, Reisenden und fahrenden Händlern Unterkunft. Seine Frau versorgte die Gäste mit einem einfachen, aber reichlichen Mahl. Brot, Käse, Gemüse und Wurst waren die Hauptnahrungsmittel.

Die Tomaten, die im Garten wuchsen, kamen getrocknet mit Öl in Weckgläser oder kamen in Ragouts. Im Steinofen wurden jede Woche rund 70 Brote gebacken – die Hälfte zweimal, die so zu knusprigem Zwieback wurden. Die Kinder des Straßenwärters sammelten Alpenveilchen, um sie an Reisende zu verkaufen

Die Mythen der Macchia

Roccapina. Foto: Hilke Maunder
A Casa di Roccapina. Foto: Hilke Maunder

Das alte Haus des Straßenwächters ist heute ein Museum. In der A Casa di Roccapina erzählt Jeanne, die Tochter des Löwen, die Geschichte der Region. Jäger der Vorzeit treffen hier auf Banditen der Berge, Köhler begegnen Schäfern.

Nach der Ausstellung auf mehreren Etagen laden zwei Wege ein, den Besuch draußen fortzusetzen. U Caminu de l’oriu ( le sentier de l’oriu ) führt als 20 Minuten-Runde zu weiteren Tafoni bei Roccapina.

U camino di a punta ( le sentier du belvédère ) taucht in die korsische Macchia ein und führt 45 Minuten lang zu Orten, die dort verborgen sind: eine Grotte unter einem Elefanten, aber auch ein Belvedere, der weite Aussichten bis an den Horizont eröffnet.

Roccapina, Glocke. Foto: Hilke Maunder
Foto: Hilke Maunder

Liebe & Blutrache

1923 drehte René Norbert in Roccapina den Stummfilm Amour et vendetta (1923). Der Schwarz-Weiß-Streifen, der auf der Novelle Colomba von Prosper Mérimée basiert, vereint die Schauspielstars der damaligen Zeit: Luc Dartagnan, Gaston Norès, José Davert, Jean Sarté, Jane Duverger und Liane de Beauvais.

1981 wurde der Film in einem Keller von Sartène gefunden und elf Jahre später auf Initiative der Cinémathèque de Corse restauriert.

Im Museum von Roccapina fasst ein zehnminütiger Zusammenschnitt das Liebesdrama actionreich zusammen – wie schön konnten damals beide Geschlechter ihre Augen rollen. Und was für ein Temperament … ganz und gar korsisch!

Roccapina: meine Infos

Ansehen

A casa di Roccapina

T 40, auf der Passhöhe, Tel. 04 95 71 56 30, April – November, Eintritt

Schlemmen und genießen

L’Oasis du Lion

Das einzige Lokal ist eine Bar mit Terrasse – die Aussicht bezahlt man mit einem satten Aufschlag auf die Preise. Auf der Karte stehen typisch korsische Gericht. Über der Gastwirtschaft könnt ihr in rustikal-gemütlichen, einfachen Zimmern nächtigen.
• T 40, auf der Passhöhe, Tel. 04 95 73 49 89, www.aubergedulion-sartene.fr

Hier könnt ihr schlafen*

 

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Im Blog

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Im Buch

Jenny Hoch: Gebrauchsanweisung für Korsika*

Cover: Jenny Hoch, Gebrauchsanweisung für Korsika. Foto: Hilke Maunder33 Sommer hatte Jenny Hoch auf der Insel verbracht. Doch erst, seitdem sie quasi lebt, wird sie langsam von den Einheimischen ins Herz geschlossen und integriert, erzählt die Journalistin und Buchautorin, die heute mit ihrer Familie die Tradition ihrer Eltern fortsetzt. Seit sie vier Jahre alt war, sei sie jedes Jahr auf Korsika gewesen, als Kind, als Teenager, als Erwachsene. Immer am selben Ort, immer glücklich, gerade dort zu sein. „Ich weiß, wo am Strand der Rutschfelsen ist, wie die Wellen sich brechen”, erzählte sich bei einer Lesung im Feriendorf zum Störrischen Esel.

Ihre persönlichen Erfahrungen machen den Reiz dieses Bandes der insgesamt sehr zu empfehlenden  Taschenbuchreihe im Piper-Verlag aus. Jenny Hoch hat sie hintergründig wie humorvoll zu Papier gebracht. Dazu noch ein paar Daten und Fakten: ein perfekter Einstieg, um sich mit der Insel zu beschäftigen. Besser kann keine Reiseplanung beginnen! Wer mag, kann das Werk hier* online bestellen.

Zum Träumen: Das Haus auf Korsika*

Die Hauptfigur, fast 30, lebt seit zehn Jahren mit ihrem Freund zusammen, jobbt in der Pizzeria ihres Schwiegervaters, überlebt im belgischen Charleroi. Ein eigenes Leben nach ihren Vorstellungen? Das ist ein Luxus, den sie sich nicht leisten kann. Und mit der Erbschaft doch wagt. Sie macht auf den Weg in den Süden. Und verliebt sich – in die geerbte Bruchbude, die Insel, einen neuen Mann. Wer mag, kann den Film hier* online bestellen.

Mit wenig Geld und Aufwand hat Pierre Duculot 2011 einen meiner Lieblingsfilme gedreht, die Geschichte eines Ausbruchs, Sich-Finden, die Rückkehr zu den Wurzeln. Und eine Geschichte des Mutes. Ausgelöst durch die Erbschaft eines Hauses, das Christina erbt.

Marcus X. Schmid: Korsika*

Marcus X. Schmid, Korsika

Der freie Reisejournalist Marcus X. Schmid hat für alle, die gerne auf eigene Faust unterwegs sind, den besten Reisebegleiter verfasst: sachlich, mit viel Hintergrund, Insiderwissen und Tipps, und doch mitunter sehr unterhaltsam und humorvoll.

Ich kann seinen Führer aus ganzem Herzen empfehlen – er hat mich auf allen Erkunden nie im Stich gelassen und mir oft schöne, neue, unbekannte und überraschende Ecken gezeigt.

Der gebürtige Schweizer, Jahrgang 1950, hat in Basel, Erlangen und im damaligen Westberlin Germanistik, Komparatistik und Politologie studiert und lebt heute als Autor und Übersetzer in der französischsprachigen Schweiz. Ebenfalls im Michael-Müller-Verlag sind von Schmid die Reiseführer „Bretagne“ und „Südfrankreich“ erschienen sowie Führer zu italienischen Destinationen. Wer mag, kann den Reiseführer hier* online bestellen.

Hilke Maunder: Baedeker „Korsika“*

Baedeker Korsika

Mit blau lackierten Fingernägeln ordnet Madame auf dem Markt von Bastia in einem Bastkorb längliche Stangen. „Boutargues“, verrät das Schild. „Das ist echter korsischer Kaviar.

Nur noch wenige Fischer entnehmen den Meeräschen den Rogen. Mein Mann ist einer davon.“ Die Rarität hat ihren Preis: 150 Euro das Kilo.

Der Nachbar-Händler sieht das erstaunte Gesicht und hält ein Holzbrett hin: “ Goûtez !“ Lasst euch mit meinem Baedeker Korsika* an Orten wie diesen (ver)führen. Genussmomente und einzigartige Erlebnisse: Sie machen den Band besonders. Wer mag, kann ihn hier* direkt bestellen.

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