Bettentest: Le Chevalier bleu, Monpazier
Alte Gebäude nachhaltig zu restaurieren und als Unterkünfte für Individualtouristen zu neuem Leben zu erwecken, ist das Konzept der Hideauts Hotels, einer Marke des österreichischen Hotelbetreibers Urbanauts.
In der südfranzösischen Bastide Monpazier eröffnete im August 2023 der auf Immobilien mit weniger als 60 Einheiten spezialisierte Betreiber sein erstes französisches Hotel: Le Chevalier Bleu.
Das Konzept
Off the beaten track ist das Motto der Hideauts von Urbanauts. Abseits vom Massentourismus sollen Städter in reizvollen Zielen auf dem Lande einen Aufenthalt erleben können, der die Annehmlichkeiten eines Hotels mit der Autonomie einer eigenen Wohnung verbindet.
Serviced Living nennt es Urbanauts und definiert damit das Wesen der Serviced Apartments, die im asiatischen und angelsächsischen Raum bereits seit Anfang der 1990er-Jahre en vogue sind, nun auch für Europa trendig neu. Denn auch hier boomen seit einigen Jahren solche Angebote – nicht zuletzt durch den Erfolg der NUMA-Gruppe.
Die Lage
Das Hideauts Hotel Le Chevalier bleu in Monpazier liegt im Herzen der einst englischen Bastide, nur einen Steinwurf von der sehr malerischen Place des Cornières entfernt.
Hinter seinen dicken Mauern aus dem goldgelben Stein der Dordogne birgt Le Chevalier bleu 14 Zimmer und Appartements für Einzelreisende, Paare und Familien, die sich im Grundkonzept ähneln, aber allesamt eine eigene Note besitzen.
Das Hotelangebot komplementiert eine Bar samt Lounge, Wellnessmomente bescheren eine Sauna und ein ummauerter Außenpool. Das Hotel residiert in einem der ältesten Gebäude der Bastide, dessen Bausubstanz bis auf das 12. Jahrhundert zurückgeht.
Der römische Architekt Enrico Realacci renovierte mit seinem Team das Stadthaus behutsam. Er bewahrte das historische Holzgebälk, die alten Dielen und die schweren Stufen der imposanten Treppe und ihrem Schnitzwerk des hölzernen Geländers und lässt das Bauerbe spannungsreich mit modernem Design und plakativer Kunst flirten.
Wie einst ist das Stadthaus mit terre-cuite-Ziegeln gedeckt. Der Putz ist hell und freundlich in Écru gehalten. Neben poppigen Farben von Violett bis Orange für die Glastüren der Sanitärräume setzt Enrico Realacci auch auf Licht als Gestaltungsmittel: mit großen, ringförmigen Hängeleuchten in Bar und Lounge, die sich dimmen lassen, und Strahlern, die architektonisches Erbe akzentuieren.
Die Zimmer
Konzept, Design und Planung der 14 Zimmer in insgesamt fünf Kategorien stammen vom Wiener Büro KLK.
Kategorie Chic
Die günstigste Zimmerkategorie im Hideauts Hotel Le Chevalier bleu sind die beiden 20 Quadratmeter großen Chic-Zimmer. Als klassische Doppelzimmer besitzen sie keine Küchenzeile.
Kategorie Classy
Ebenfalls ohne Küchenzeile, aber 25 Quadratmeter groß, sind die vier Doppelzimmer der Kategorie Classy.
Kategory Cozy
Kleiner als 30 Quadratmeter, aber ausgestattet mit einer Küchenzeile sind die Cozy-Zimmer. Im Hideauts Hotel Le Chevalier bleu gibt es davon nur eines.
Kategorie Comfy
Die sechs Comfy-Zimmer sind größer als 30 Quadratmeter und entsprechen einer Junior-Suite mit Küchenzeile.
Kategorie Spacy
Das größte und schönste Zimmer des Hauses ist die 60 Quadratmeter große Suite im zweiten Obergeschoss mit Ausblicken über die Bastide auf das Umland und eindrucksvollem Kamin im Salon. Eine Küchenzeile indes fehlt in dieser Familienunterkunft.
Bei allen Unterschieden gehören diese Dinge zum Standard aller Zimmer: WLAN, Bügelbrett und Bügeleisen, Wasserkocher und Kaffeemaschine mit Alukapseln sowie ein Kühlschrank, in dem zur Begrüßung ein lokaler Wein und Mineralwasser aus der Region stehen.
Duschgel/Shampoo und Bodylotion stehen in allen Zimmern von Le Chevalier bleu in großen Plastikspendern zur Verfügung. Sie stammen vom Naturkosmetikhersteller Stop the Water While Using Me und sind garantiert tierversuchsfrei und vegan.
Acht der 14 Zimmer sind rollstuhlgerecht eingerichtet. Sie sind über Rampen und Aufzüge erreichbar. Dennoch ist das Hotel nicht komplett barrierefrei.
Der glatte, unebene Boden aus altem Holz lässt die Unterarmgehstützen verrutschen. Wer nicht trittsicher ist, kann leicht stolpern.
Beim Zimmer Nr. 1 müssen zwei Stufen überwunden werden, um zum Pool zu gelangen. Die Zimmer im Erdgeschoss haben einen direkten Zugang zum Pool – und zur Straße.
Ein Schlüsseltresor mit Code ermöglicht es den Gästen von Le Chevalier bleu, auch noch nach Schließung der Rezeption spät anzukommen.
Le Chevalier bleu: die Wertung
Top
• die Lage – zentraler könnt ihr in der Bastide nicht nächtigen
• die Architektur: Die Renovierung des Stadthauses aus dem 12. Jahrhundert ist perfekt gelungen
• geschmackvoll eingerichtete öffentliche Bereiche mit Café-Bar und zweitem Raum, der als Lounge zum Arbeiten, Treffen mit Freunden o.ä. ohne Konsumzwang genutzt werden kann
• längliches, ummauertes Schwimmbecken, das allmorgendlich ein Pool-Roboter reinigt
• Fahrstuhl zu den Zimmern im ersten und zweiten Stock
• Die Zimmer im ersten und zweiten Stock sind sehr geräumig
• die Grundausstattung in allen Zimmerkategorien mit Wasserkocher und Kaffeemaschine (leider mit Alu-Kapseln…), Bügelbrett und topschnellem WLAN
• das Bett – Matratze und Bettzeug sind vom Feinsten
• mehrfach verglaste Fenster
• hochwertige moderne Ausstattung, klar und übersichtlich
• eine Seltenheit in Frankreich: die vielen Steckdosen
• kleine Caféterrasse an der Rue Saint-Jacques
• alle Zimmer des Chevalier bleu sind klimatisiert.
Flop
• keine Haltebucht zum Be- und Entladen des Gepäcks vor dem Hotel. Das Hotel befindet sich im Herzen der Bastide; das Gros der Parkplätze indes außerhalb der Stadtmauern und -Tore. Am Seiteneingang des Hotels wäre ausreichend Platz gewesen, einen solchen Be- und Entlade-Punkt einzurichten.
• Form dominiert Funktion: Mitunter geht das Design vor Alltagstauglichkeit – beim schmalen, kurzen Griff zum Öffnen des Kühlschranks wie beim wirklich wunderschönen Waschbecken. Dessen Wasserhahn ragt so tief und hoch ins Becken, dass er beim Zähneputzen vollgekleckert wird. Mir scheint das Waschen an den lavabos genannten Becken außer zum Säubern der Hände ist nicht vorgesehen.
• zum Trocknen der kleinen Handtücher genügen die Metallstangen am Waschbecken. Aber wo sollen die großen Duschhandtücher trocknen? Dafür fehlt eine Möglichkeit. Der Haken in der Dusche ist aufgrund der Feuchtigkeit der Nasszelle nicht geeignet.
• Enttäuschend war das Frühstück. Auf dem Bartresen stehen Wasser, Milch und Orangensaft, saisonal wechselndes Obst sowie ausschließlich süße Angebote: mit Früchten oder Vanille aromatisierte Bio-Joghurt und vier nicht identifizierbare Konfitüren, ferner Croissant, Pain au Chocolat und ein Korb mit fünf, sechs schmalen Baguette-Scheiben für alle Gäste.
Herzhaftes oder Salziges wie Wurst, Käse oder Ei gibt es auch auf Nachfrage nicht. Die Tische der Bar sind zudem deutlich zu klein, um zu zweit oder als Familie zu frühstücken.
Geschmackssache
• In meinem Zimmer (Nr. 103) diente der große, auf ein TV-Möbel gestellte Fernseher als Raumtrenner zwischen Bett und Sitzecke mit Tisch und Sofa. Da er dort auch mit Kabeln im Boden verankert war, ließ er sich nicht beiseiteschieben. Mir missfiel diese dominante Präsenz eines Gerätes, das ich daheim nicht habe, und der von ihm eingeengte Blick.
• Bei einem Drittel der Zimmer im Hideauts Hotel Le Chevalier bleu ist das Bad halboffen. Dusche und WC verstecken schwere farbige Glastüren, die ich anfangs für Schranktüren hielt. Die Waschbecken sind offen im Zimmer an deren Breitseite angebracht. Wer sich im Sitzbereich des Zimmers aufhält, blickt stets auf die Waschbecken, den Haartrockner, die Handtücher und den Spiegel.
Gesamteindruck
Ein tolles Konzept und ein Haus mit viel Potenzial. Le Chevalier bleu wird sich sicherlich noch steigern – wenn das Personal beim Service eingespielter ist und die mangelnden Kenntnisse von Ort und Umland ausgeglichen hat. Bei einem frisch eröffneten Hotel (8/23) darf es noch ein wenig ruckeln im Betriebsablauf und beim Auftreten der Mitarbeiter.
• 21, Rue Saint-Jacques, 24540 Monpazier, Tel. 05 53 63 50 97, www.hideauts-stay.com
Offenlegung
Auf Einladung des Betreibers Urbanauts verbrachte ich im Rahmen einer individuellen Pressereise zwei Nächte in dem Hotel Le Chevalier bleu.
Dafür sage ich merci und herzlichen Dank. Einfluss auf meine Blogberichte hat dies nicht. Ich berichte subjektiv, wie ich es erlebt habe, mache kein Merchandising und werde erst recht nicht für meine Texte bezahlt.
Das Reiseziel
Monpazier ist eine ehemals englische Bastide und wurde als eines der schönsten Dörfer Frankreichs ausgezeichnet. Sein Gründer war König Edward I. von England, der hier während des Hundertjährigen Krieges regierte und mit den Bastiden gezielt Handel und Gewerbe förderte.
Deshalb ist die halboffene Markthalle das bedeutendste Gebäude auf dem großen, von Arkaden gesäumten Dorfplatz – die romanische Kirche Saint-Dominique wurde abgedrängt in eine Gasse in nächster Nähe.
Typisch für Monpazier ist sein rasterförmiger Grundriss. Die Bastide ist um einen zentralen Platz herum organisiert, der von einem Netz von Straßen und Gassen umgeben ist. Diese Anordnung sollte die Nutzung des Platzes maximieren und den Handel erleichtern.
Zwischen den alten Steinhäusern sind in Monpazier auch einige traditionelle Fachwerkhäuser erhalten geblieben. Ihre hölzernen Gefache wurden nicht mit einer Stroh-Lehm-Mischung, sondern mit Gips oder Ziegeln ausgefüllt. Die Balken und Hölzer sind oft liebevoll mit Schnitzereien verziert.
Zum Schutz vor Plünderern und kriegerischen Angriffen ließ Edward I. Monpazier mit einer wehrhaften Stadtmauer umgeben. Viele der Tore, die einst den Zugang zur Stadt ermöglichten, sind heute noch im Originalzustand erhalten.
Wer durch Monpazier schlendert, entdeckt vielleicht auch die Porte au Paradis, das Tor zum Paradies! Durch diese kleine Pforte konnten die Bewohner von Monpazier noch nach Hause zurückkehren, wenn die großen Stadttore längst verschlossen waren.
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