Cap Ferret: Der alte Mann und das Meer
Schnurgerade ist der Küstenstreifen der Côte d’Argent. Doch auf halber Höhe hat die Eyre, ein schmaler Fluss aus den Landes, einen Durchbruch gegraben, und eine riesige Landzunge schützt das 250 Quadratkilometer große Bassin d’Arcachon vor der Brandung des Atlantiks.
Bereits im alten Diercke-Schulatlas hatte ich fasziniert diese Formation bestaunt und träumte von jenem Dünenland in XXL, das Jahrmillionen Jahre lang dem Spiel von Wind und Wellen ausgesetzt war, ehe Napoleon III. in einer riesigen Aufforstungsaktion mit Millionen von Pinien dem Sandflug ein Ende gesetzt hat.
Das 44-Hektar-Paradies
Das Cap Ferret, vorher fest in der Hand der Natur und einiger Fischer, wandelte sich zur Sommerfrische. Und Wochenendflucht der Großstädter. Immer wieder blitzen ihre luxuriösen Villen im dichten Kiefernwald auf. Nicht alles wurde ganz legal gebaut.
Berühmt sind die 44 hectares von Cap Ferret. Das 44-Hektar-Gebiet erstreckt sich vom Ende der Conche und dem Beginn des Mimbeau bis hin zur Spitze von Cap Ferret (Mirador).
Hier ist alles Natur, im Geist der Umgebung wie in der Architektur, die aus cabanes (Holzhäusern) oder alten Residenzen besteht. Eine Luxusadresse wie aus einer anderen Welt. Und absolut filmreif. Auch im Film Les Petits Mouchoirs von Guillaume Canet diente das Viertel als Kulisse.
Vivons heureux, vivons cachés
Die Entwicklung von Cap Ferret begann viel später als am Bassin Sud. Es gab lange keine Infrastruktur an Straßen, und bis heute ist so manche Strecke hinauf zum Kap eine Schlaglochpiste. Auch machten die sandigen oder sogar sumpfigen Böden das Bebauen schwierig. Erst die Anpflanzung von Kiefern legte die Böden trocken und fixierte den Dünensand.
Heute feiern Magazine, Filme und Dokumentationen das Cap Ferret als Saint-Tropez der Atlantikküste. Doch die Atmosphäre ist das genaue Gegenteil. Statt auf Urbanisierung setzt Cap Ferret alles auf die Karte der Natur und der Rückkehr zu den Wurzeln.
Der Geist des Cap Ferret der 1950er-Jahre ist heute dort so lebendig wie nie zuvor. Vivons heureux, vivons cachés – glücklich leben, versteckt leben.
Wie Wilde
Benoît Bartherotte war gerade mal zwei Jahre alt, als er das erste Mal mit seinen Eltern in La Pointe an der Landspitze von Cap Ferret seine Ferien verbrachte. Später hat er die Hütte der Eltern geerbt.
Sie war einfach, erbaut im Stil der Austernzüchter, die am Rand des Beckens arbeiteten. „Wir lebten dort während der Ferien in völliger Freiheit, wie Wilde“, erzählte Benoît Bartherotte einmal der Tageszeitung Le Parisien.
Benoît, 1946 in Bordeaux geboren, machte bei Louis Féraud und mit Ancel-Esterel in der Mode Millionen. Geschickt nutzte er seine Medienkontakte, um während der Trente Glorieuses gegen das Zubetonieren der Halbinsel zu protestieren.
Als er 1985 seine Konfektionsfirma verkaufte und zum Cap Ferret zurückkehrte, verlor die Landspitze bei La Pointe jährlich 100 Meter Land, weil das Meer an ihr nagte.
Der Deichbauer
Bartherottes Lösung: Er baute einen 470 Meter langen Deich. Bei Ebbe beträgt die Wassertiefe dort 31,40 Meter. Die Zugaben für Flut und starke Dünung hinzugerechnet, misst der Deich vom Meeresboden bis zur Dammkrone an seiner höchsten Stelle 40 Meter. Damit gehört der private Damm zu den höchsten Küstenschutzbauten in Europa.
Jedes Jahr muss er seinen Privatdamm mit Lastwagen voller Steine neu befestigen. Das private Bauvorhaben zog mehrere Prozesse und Klagen nach sich. Denn so ganz uneigennützig war der Damm nicht. Er schützt das Anwesen von Bartherotte und die darauf befindlichen Wohnhäuser.
Lauter Steine
Zu einem Spottpreis hatte er 1985 das Land erworben, das heute sein Deich schützt. Auf dem Gelände, nicht als Bauland ausgewiesen, errichtete er eigenhändig für sich, seine Frau Zara und ihre sieben Kinder die erste „Hütte“.
Dass das Gelände nicht zum Bauen geeignet war, zeigte sich kurz darauf, als erste Nachbarhäuser in den Fluten versanken. Bartherotte holte per Laster lauter Steine und verankerte sie mit ausgedienten Strommasten im Meer.
100 Lasterladungen an schweren Steien schaufelt er jedes Jahr ins Meer, 3.000 Tonnen Ballast jedes Jahr ist der Preis fürs Leben am hungrigen Meer. Benoît will den Ozean bezwingen. Und investiert darin sein ganzes Geld.
Prominente Gäste
All jene, die Bartherotte unterstützen, wohnten in den ersten Jahren in La grande maison. Das „große Haus“ entstand auf den Fundamenten eines Gebäudes aus den 1940er-Jahren. Der heutige Bau erstreckt sich über drei Etagen, ist natürlich mit Holz verkleidet und von Glasfenstern umgeben, die durch das Grün die Dune du Pilat erkennen lassen.
Später fanden dort Hochzeiten oder andere Veranstaltungen statt. Zahlreiche Prominente wie der Fürst von Monaco, Leonardo DiCaprio oder Isabelle Adjani haben dort schon übernachtet.
Die Vermietungen finanzieren die Instandhaltung des Deiches. Diese „Hüttten“ von Bartherosse sind Luxusvillen, die auch schon als Filmkulisse und Fotostrecke in zahlreichen Einrichtungsmagazinen gedient haben.
Beste Aussichten!
Den besten Überblick über das legendäre Cap Ferret bietet ein weiß-roter Leuchtturm. 1944 sprengten die Nazis das Schifffahrtssignal in die Luft, doch bereits 1947 war es wieder aufgebaut. Heute führen 258 Stufen hinauf zur Aussichtsplattform in 50 Meter Höhe.
Von dort oben eröffnen sich 360°-Panoramablicke über das Bassin, die Halbinsel und den Atlantik. Rot leuchten die Dächer aus dem Grün, in hellem Weißgold die Dünen vor dem Blau des Meeres.
Zur Seite des Bassin d’Arcachon tanzen Segelboote auf dem Wasser. Austerntische ragen aus den Fluten. Eine stille Zufriedenheit und Beschaulichkeit prägen die Aussicht an lauen Sommertagen. Und der Wunsch, solche Momente des Glücks für immer bei sich tragen zu können.
Das deutsche Erbe
Im kleinen Park zu Füßen des Leuchtturms erinnert ein Doppelgruppenunterstand an den deutschen Atlantikwall, der zwischen Norwegen und Spanien das Dritte Reich schützen und eine Invasion der Alliierten abhalten sollte. Die meisten Besucher bemerken ihn nicht. Immer mehr erobert das Grün die Vergangenheit.
Und auch der private Damm von Benoît Bartherotte ist nicht mehr Stein des Anstoßes für die Kommune. Sondern wird heute vom Département als eine durchaus vernünftige Maßnahme zum Küstenschutz geduldet.
Jahrzehntelang hatte sich die Landspitze von Cap Ferret zurückgezogen. Am Ende der Halbinsel ist es nun der Ozean, der sich seit einem Jahr zurückzieht, und der Sand gewinnt gegenüber dem Wasser an Bedeutung. Zwischen dem Anwesen von Benoît Bartherotte und dem Aussichtspunkt beträgt der Landgewinn je nach Standort 40 bis 100 Meter.
Dies sind Ergebnisse der Neubesandung, die die Vermesser des Geometrie-Unternehmens Parallèle 45 erfassten. Seit 2020 hat die Association de défense de la Pointe im Auftrag der Stadtverwaltung von Lège und des Syndicat intercommunal du Bassin d’Arcachon (Siba) sie durchgeführt.
Cap Ferrat: meine Reisetipps
Schlemmen und genießen
Chez Hortense
• 26, avenue du Sémaphore, 33970 Lège-Cap-Ferret, Tel. 05 56 60 62 56
La Cabane de Mimbeau
Am südlichen Ende der Conche du Mimbeau von Cap Ferret könnt ihr bei Austernzüchter Denis Bellocq im Saal oder auf der Terrasse, mit den Füßen im Wasser, köstliche Meeresfrüchte genießen – mit Blick auf die große Düne und die Einfahrt ins Bassin d’Arcachon.
• 28, avenue de la Conche, 33970 Lège-Cap-Ferret, Tel. 05 56 60 61 67, www.lacabanedumimbeau.com
La Canfouine – Au canon
Austern schlemmen – das könnt ihr auch aufs Köstlichste bei Édouard direkt am Bassin d’Arcachon.
• Rue Sainte-Catherine, 33970 Lège-Cap-Ferret, Tel. 06 64 33 23 85
Les pieds dans l’eau
Hubert Ducout betreibt die einzige Austernbar von Le Four. Von seiner Terrasse eröffnen sich weite Blicke auf das Bassin d’Arcachon und die Düne von Pilat.
• Cabane 13, Le Four, 33950 Lège-Cap-Ferret, Tel. 05 56 60 76 59, www.facebook.com/lespiedsdansleaucapferret
La Cabane Japajo
Was für ein schöner Platz für ein genussreiches Frühstück! Wer mag, kann dort in zwei gemütlichen Zimmern in den Holzhäusern auch übernachten.
• Avenue Léon Lesca, Le Four, BP2, 33950 Lège-Cap-Ferret, www.cabane-japajo.com
Schlafen
Hôtel des Pins
Bereits Großonkel Ossi Rohr hatte es als Fußballer nach Frankreich gezogen. Gernot Rohr gewann als Spieler von Girondins Bordeaux in den Jahren 1984, 1985 und 1987 gleich dreimal die französische Meisterschaft. 1989 bis 2002 war er Trainer in seinem einstigen Club. Von 2002 bis 2005 war er Sportdirektor beim OGC Nizza, ab 2007 Trainer beim Zweitligisten AC Ajaccio.
Doch sein Ankerhafen ist Cap Ferret. Der Deutsche, der seit 1982 auch die französische Staatsbürgerschaft besitzt, heiratete dort die Tochter eines örtlichen Abgeordneten und kaufte mit der Prämit, die er 1996 als Trainer für den überraschenden Viertelfinalerfolg gegen den AC Mailand erhielt, ein ehemaliges Theater.
Rohr baute es um und eröffnete es 1999 als Hôtel des Pins. Sein Hotel bewahrt den Charme, die Geschichte und die Retro-Atmosphäre des Hauses. Und erinnert auf der Toilette mit einer Plakette an die eigene persönliche Geschichte mit Frankreich.
• 23, rue des Fauvettes, 33970 Cap Ferret, Tel. 05 56 60 60 11, https://hoteldespins.fr
Noch mehr Betten*
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Alexander Oetker, Rue de Paradis*
Am 27. und 28. Februar 2010 stürmte der Orkan Xynthia mit 238 km/h über Frankreich. 52 Menschen starben, davon 29 allein in der Gemeinde La Faute-sur-Mer. Dieser Sturm gehört zu den heftigsten und tödlichsten Naturkatastrophen des dritten Millenniums. Er war auch ein tiefgreifendes psychologisches und soziales Trauma mit wirtschaftlichen und juristischen Folgen.
Am 14. April 2011 wurde der Bürgermeister von La Faute-sur-Mer, René Marratier, dem Untersuchungsrichter von Sables-d’Olonne vorgeführt. Die Anklage: fahrlässige Tötung und Gefährdung des Lebens anderer.
Was für ein Stoff für einen Krimi, muss sich Alexander Oetker gedacht haben. Von 2008 bis 2012 war Oetker Leiter des Westeuropa-Studios der Mediengruppe RTL Deutschland. Als Journalist hatte er damals die Tage der Flut vor Ort erlebt. Und auch die Klage verfolgt. In seinem mittlerweile fünften Krimi mit dem charismatischen Ermittler Luc Verlain verlegt er den Sturm in ein kleines Dorf am Cap Ferret.
Dort wird, mitten im Sturmgewirr, der Bürgermeister mit einer Verletzung tot aufgefunden. Die Ermittlungen bringen ein wahres Knäuel an Verwicklungen an den Tag. Jeder der Bewohner, eingeschlossen von den Fluten, hätte ein Motiv.
Ein atemberaubender Krimi nach Muster des “Mord im Orientexpress” von Agatha Christie, garniert mit viel Frankreich-Flair und Beschreibungen, die die Küste des Caps, das Bassin d’Arcachon und die Düne von Pilat sofort vor das geistige Auge zaubern. Wer mag, kann den Aquitaine-Krimi hier* online bestellen.
Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*
Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.
Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner – und Neugierige!
Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren … oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.
Klaus Simon, Hilke Maunder, Roadtrips Frankreich*
Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.
Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland< hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal> laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!
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