Der Blick auf das Château de Clisson vom Pont de la Vallée. Foto: Hilke Maunder
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Clisson: Italien in Frankreich

Am Rande des Städtchens Clisson im Département Loire-Atlantique verwirklichte François-Frédéric Lemot im einstigen Jagdgebiet der Herzöge von Clisson zwischen 1805 und 1827 seine Vision einer idealen Landschaft.

Heraus kam ein italienisch inspiriertes Arkadien inmitten eines 13 Hektar großen Parks an den Ufern der Sèvre Nantaise. Angeregt hatten ihn dazu Freunde aus Nantes, die Brüder Pierre und François Caucaut. Unterstützung fand Lemot in einem Verwalter, der 1771 in Clisson geboren worden war: François-Joseph Gautret.

Auf der Terrasse der Villa mit Blick auf Clisson: Worte von Lemot. Foto: Hilke Maunder
Der Blick auf Clisson  mit seiner Kirche im italienischen Stil. Foto: Hilke Maunder

Wer war Lemot?

Die Vision von François-Frédéric Lemot ist ein Spiegel seiner Zeit. Lemot, 1772 in Lyon geboren, war 18 Jahre jung, als die Französische Revolution die bekannte Ordnung auf den Kopf stellte und für immer veränderte.

Lemot begann seine künstlerische Ausbildung in Besançon, ging dann nach Paris und erhielt dort als junger Mann von König Ludwig XVI. ein Stipendium für eine Studienreise nach Rom.

Von 1790–1793 besuchte er dort die Académie de France à Rome. Dieser Aufenthalt  prägte sein Leben und Werk.

Erst nach dem Sturz von Robespierre und dem Ende des Terrors kehrte er 1799 nach Frankreich zurück und ließ sich zunächst in Nantes nieder, wo er bis 1801 blieb und an verschiedenen Projekten arbeitete. 1801 erwarb er das Landgut La Garenne in Clisson und begann mit dem Bau des Italienischen Theaters und der Villa Lemot.

Die Worte von Lemot über das Château von Clisson. Foto: Hilke Maunder
Die Worte von Lemot über das Château von Clisson. Foto: Hilke Maunder

La Garenne: Traum von Arkadien

Bis heute ist sein Anwesen gespickt mit klassizistischen Bauwerken, Schirmpinien, Grotten und einem romantischen Felschaos. Hier erhebt sich ein griechischer Tempel aus dem Grün, dort eine strahlend weiße Marmorskulptur. Laubengänge, mit Wein berankt, bieten Schutz vor der Sonne.

Jogger laufen hier am Ufer der Sèvre Nantaise entlang. Kanuten setzen ihre Boote ein. Wild und üppig wächst es es allerorten.Nur um die Villa löst ein formeller französischer Garten den englischen Landschaftspark ab.

Der Eingang zur  Villa von La Garenne. Foto: Hilke Maunder
Der Eingang zur Villa von La Garenne in Clisson. Foto: Hilke Maunder

Alle Wege führen den Hang hinauf zu einer Villa, die Lemot nach Vorbild der Landsitze von Palladio anlegen ließ. Eine Säulenreihe schließt im Halbrund den Vorplatz ein.

Hoch über der Sèvre eröffnen ein Belvédère, eine Loggia und eine Galerie weite Ausblicke auf den Fluss und die Stadt. Auch sie bezog der Bildhauer von Napoleon mit in seine Komposition ein.

Blick von der Terrasse der Villa auf die Stadt mit der Église Notre-Dame. Foto: Hilke Maunder
Blick von der Terrasse der Villa auf die Stadt mit der Église Notre-Dame. Foto: Hilke Maunder

Sehnsucht nach Italien

Selbst die Hofstelle, deren Betrieb La Garenne mit allem versorgte, was Lemot und seine Freunde benötigten, war ganz im Stil Italiens gehalten: als befestigtes Gut, das ihr ähnlich so noch heute in der Toskana und in Umbrien findet. Vor einem flachen Bau waren Sonnenschirme aufgespannt.

Die Terrasse von La Garenne-Lemot mit Blick auf Clisson. Foto: Hilke Maunder
Die Terrasse von La Garenne-Lemot mit Blick auf Clisson. Foto: Hilke Maunder

Oh, ein Café, freute ich mich – doch leider gibt es keinerlei Bar oder Lokal auf dem Anwesen. Im Seitentrakt sind die öffentlichen Toiletten untergebracht. Sie sind kinderfreundlich. In den Klodeckel ist ein zweiter, kleiner „Topf“deckel für den Nachwuchs integriert.

Die befestigte Hofstelle von La Garenne. Foto: Hilke Maunder
Der formelle Garten vor der Villa von La Garenne. Foto: Hilke Maunder

Die Kopie des Freundes

Was Lemot in die Landschaft von Clisson gesetzt hat, traf den Zeitgeist. Und gefiel besonders gut einem Pariser Freund des Bildhauers: Jacques Charles Valentin. Er erbaute am anderen Ufer der Moine, die hier in die Sèvre Nantaise einmündet, sein ganz persönliches Arkadien: La Garenne Valentin.

Die Garenne Valentin von Clisson. Foto: Hilke Maunder
Die Garenne Valentin von Clisson. Foto: Hilke Maunder

Neben einem stattlichen Herrenhaus ließ Valentin noch ein zweites Gebäude für seine Kunstsammlung errichten, die 1920 zerstört wurde. Ihre Werke sind heute in alle Winde verstreut

Beide Anwesen verbindet seit 1840 ein Viadukt mit 15 hohen, schlanken Bögen. Blick einmal unter dem Bau die Bögen entlang. Dort hat sich ein Street-Art-Künstler verewigt.

La Garenne Valentin. Foto: Hilke Maunder

Das Viadukt über die Moine birgt Street Art. Foto: Hilke Maunder

Von der Grande Rue de la Trinité bieten sich immer wieder sehr schöne Ausblicke auf die Stadt und Sèvre. Gegenüber der Garenne-Valentin führt euch die Ruelle des Arts zur Ruelle de la Moine direkt ans Ufer des idyllischen Flüsschens. Der Pont Saint-Antoine war im Mittelalter eine wichtige Passage auf der Handelsroute von Nantes nach Poitiers.

Ebenfalls aus dem Mittelalter stammt der steinerne Pont de la Vallée über die Sèvre Nantaise. Ursprünglich besaß er an der linken Uferseite eine Zugbrücke, um den Zugang zur Stadt zu sichern. Das steinerne Kreuz auf der Brücke markiert die Pfarrgrenzen zwischen der Gemeinde von La Trinité und Notre-Dame.

Der Pont de la Vallée von Clisson. Foto: Hilke Maunder
Der Pont de la Vallée von Clisson. Foto: Hilke Maunder

Noch immer Arkadien

Auch die Ruine der Burg von Clisson und Pfarrkirche Notre-Dame erheben sich wie Kulissen eines sorgsam komponierten Gemäldes am gegenüberliegenden Ufer der Garenne Lemot.

Überquert den Pont de la Vallée und folgt der Rue de la Collégiale. Unterwegs verraten auch die Stadthäuser den Einfluss Italiens – mit Terracottadächern, Backstein und Rundbogenöffnungen.

Die Église Notre-Dame von Clisson. Foto: Hilke Maunder
Die Église Notre-Dame von Clisson. Foto: Hilke Maunder

Kürzer ist der Weg über die malerische Gasse Rue de l’Échelle du Château. Aber dann entgehen euch schöne Ausblicke auf das Tal von Sèvre Nantaise und Moine sowie die sehenswerte Galerie de la Couronne. Und ein beeindruckender Baum… quer über die Straße wächst eine stattliche Pinie!

Am Standort des in den Vendée-Kriegen zerstörten Kollegs erhebt sich heute die Église Notre-Dame. Auch sie wurde nach italienischem Vorbild erbaut.

Um die Freske so zu sehen, müsst ihr erst an der linken Seite der Wand neben der Freske das Licht einschalten! Foto: Hilke Maunder
Um die Freske so zu sehen, müsst ihr erst an der linken Seite der Wand neben der Freske das Licht einschalten! Foto: Hilke Maunder

Imposante Höhenburg

Auch als Ruine ist  das Château de Clisson bis heute ungeheuer eindrucksvoll. Wuchtig und wehrhaft thront es seit dem 11. Jahrhundert auf einem Felssporn über der Sèvre Nantaise. Bis zu drei Meter dick sind die Mauern. Mohn hat den Wehrgraben erobert, Efeu das Mauerwerk.

Zu Zeiten einer unabhängigen Bretagne war die Höhenburg in Clisson an einer Straßenkreuzung zum Anjou und Poitou eine der wichtigen Grenzanlagen des Herzogtums.

Die Burg von Clisson. Foto: Hilke Maunder
Die Burg von Clisson. Foto: Hilke Maunder

Für Franz II. war die Festung eine seiner Lieblingsresidenzen – wohl auch, weil der letzte Herzog der Bretagne hier 1471 Marguerite de Foix, Mutter von Anne de Bretagne, heiratete.

1807 kaufte François-Frédéric Lemot die Burg, bereits damals eine Ruine. Im 17. Jahrhundert waren die Türme aus der Gründungszeit der Burg eingestürzt. Danach hatten die Vendée-Aufstände um 1793 Stadt und Burg zerstört.

Nichts war daher nach den Zerstörungen willkommener als die Vision von Lemot und seiner Freunde, auf dem Erbe des Schrecken ein Gegenbild zu erbauen: ein ideale Stadt, Arkadien in Frankreich.

Drei gestaffelte Verteidigungslinien schützen ab dem 16. Jahrhundert die Burganlage. Foto: Hilke Maunder
Drei gestaffelte Verteidigungslinien schützen ab dem 16. Jahrhundert die Burganlage. Foto: Hilke Maunder

Clisson: meine Reise-Tipps

Ansehen

La Garenne-Lemot

La Garenne-Lemot könnt ihr das ganz Jahr kostenlos besuchen (Ostern – Oktober 9.00 – 20.00 Uhr, sonst 9.30 – 18.30 Uhr). Infos auch auf Deutsch gibt es auf der Website www.parcsetjardins.fr.

Auch dieser Tempel hoch über der Sèvre Nantaise gehört zur architektonischen Gesamtkomposition von La Garenne Lemot. Foto: Hilke Maunder
Auch dieser Tempel hoch über der Sèvre Nantaise gehört zur architektonischen Gesamtkomposition von La Garenne Lemot. Foto: Hilke Maunder

Kunst von heute

In Clisson haben sich in den letzten Jahren mehrere Galerien angesiedelt. Vor Ort arbeitet Bozo. 1949 in Nantes geboren, lebt und arbeitet Monsieur heute in Clisson, wo er gerne Holz in der Größe eines Baumes verarbeitet. Eine seiner monumentalen Skulpturen schmückt die kleine Venelle du Chapeau Rouge.

Inzwischen könnt ihr auch in Südfrankreich in der Nähe von Carcassonne seine Arbeiten open-air entdecken – auf dem Sentier Sculpturel von Mayronnes!

Die Maserung des Holzes treibt sein Werkzeug an, sagt Bozo. Foto: Hilke Maunder
Die Maserung des Holzes treibt sein Werkzeug an, sagt Bozo. Foto: Hilke Maunder

Genießen

Wochenmarkt

Dolce Vita in Clisson: Versorgt euch in der überdachten Markthalle Dienstag morgens ab 8.30 Uhr mit den leckersten Erzeugnissen der Region! Während der Vendéekriege kampierten unter dem wuchtigen Holzdach aus dem 14. Jahrhundert die Soldaten. Freitag erstreckt sich der Wochenmarkt auf die Rue des Halles und die place Saint–Jacques. Um 13 Uhr ist Schluss!

L’Épicerie fine des voisines

Craft Beer aus Clisson, crème de Salidou, Kekse, Oliven und viele andere lokale Produkte findet ihr in dieser épicerie unter dem Dach der Markthalle.
• 2, rue des Rémouleurs, 44190 Clisson, Tel. 02 40 54 38 12, www.levignobledenantes-tourisme.com

La Blanche Hermine

Jean-Philippe Bouvet von La Blanche Hermine. Foto: Hilke Maunder
Jean-Philippe Bouvet von La Blanche Hermine. Foto: Hilke Maunder

Jean-Philippe Bouvet hat bei berühmten Köchen wie Michel Caines und Pâtissiers wie Youri Nyers gearbeitet, ehe der junge Konditor mit seiner Frau Emily den Sprung in die Selbständigkeit wagte und jetzt im Obergeschoss ihres Hauses Schokoträume kreiert. Mit dabei: süße Totenköpfe, passend zum Heavy-Metal-Festival Hellfest!
• 7, place du Minage, Tel. 02 51 71 73 02, www.patisserie-lbh.com

Der Lutscher zum Hellfest. Foto: Hilke Maunder
Der Lutscher zum Hellfest. Foto: Hilke Maunder

Muscadet

Das Tal von Clisson liegt im Herzen der Weinberge von Nantes. Dort wird vor allem eine Traube angebaut: Muscadet. Der Zusatz sur Lie verrät, dass der Wein bis zur Flaschenabfüllung auf der Feinhefe lagerte. Das verleiht dem Wein ein feinstes Perlen. Achtung: Bei den Billig-Angeboten von Muscadet sur Lie wird Kohlensäure beigefügt!

Drei Appellationen gibt es für den Muscadet. Als beste gilt die AOP Mus­ca­det Sèvre-et-Maine süd­öst­lich von Nan­tes bei den beiden namensgebenden Flüssen. Kleiner ist die AOP Mus­ca­det des Coteaux de la Loire nord­öst­lich von Nan­tes. Die AOP Mus­ca­det Côtes de Grand Lieu steht eher für Masse und umfasst rund die Hälfte der gesamten Muscadetproduktion.

Im Office de Tourisme von Nantes stellt euch jeweils ein anderer Winzer jeden Sonnabend die Tropfen vor, die ihr vor Ort verkosten und erwerben könnt.

Muscadet-Weinprobe im Office de Tourisme. Foto: Hilke Maunder
Muscadet-Weinprobe im Office de Tourisme. Foto: Hilke Maunder

Erleben

Hellfest

Es gilt nach Wacken als größtes Heavy-Metal-Festival Europas: das Hellfest. Seit 2006 findet es alljährlich Mitte Juni in Frankreichs selbsternannter Rock City statt. Mit dabei waren 2019 auch Bands aus Deutschland: die Rechtsrock-Band Böhse Onkelz und die Dark-Metal Band Freitod. Insgesamt rocken jedes Jahr fast 200 Bands auf der Kuhweide.
www.hellfest.fr

Clisson rühmt sich als Rock City - dank des Hellfest, des zweitgrößten Hartrockfestivals Europas. Foto: Hilke Maunder
Clisson rühmt sich als Rock City – dank des Hellfest, des zweitgrößten Hardrockfestivals Europas. Foto: Hilke Maunder

Schlafen

Villa Saint-Antoine*

Die alte Leinenspinnerei des Ortes birgt heute ein Best-Western-Hotel mit 43 komfortablen Zimmern, Sauna und Hamam sowie Restaurantterrasse über der Sèvre. Hier* könnt ihr eure Nacht dort buchen.
• 8, rue Saint-Antoine, Tel. 02 40 85 46 46, www.hotel-villa-saint-antoine.com

Noch mehr Betten*

 
Schlemmen mit Flussblick: ein Restaurant am Pont de la Vallée an der Sèvre Nantaise
Schlemmen mit Flussblick: ein Restaurant am Pont de la Vallée an der Sèvre Nantaise. Foto: Hilke Maunder

Weiterlesen

Im Blog

Clisson liegt in der Vendée. Was es dort sonst noch zu entdecken gibt, verrät diese Kategorie.

Im Buch

Klaus Simon, Hilke Maunder, Secret Citys Frankreich*

Gemeinsam mit meinem geschätzten Kollegen Klaus Simon stelle ich in diesem Band 60 Orte in Frankreich vor, die echte Perlen abseits des touristischen Mainstreams sind. Le Malzieu in der Lozère, Langogne im Massif Central, aber auch Dax, das den meisten wohl nur als Kurort bekannt ist.

Mit dabei sind auch Senlis, eine filmreife Stadt im Norden von Frankreich, und viele andere tolle Destinationen. Frankreich für Kenner  – und Neugierige!

Lasst euch zu neuen Entdeckungen inspirieren… oder träumt euch dorthin beim Blättern im Sessel oder am Kamin. Wer mag, kann das Lesebuch mit schönen Bildern hier* bestellen.

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