
8,60 Meter hoch ragt er an der Passstraße zum Col de Jau (1.506 Meter) in den Pyrenäen von Aude auf: der Grand Menhir de Counozouls. 50 Tonnen wiegt der Koloss nahe der D 84, den der Bergwald versteckt. Die steinerne Spitze aus Granit erhebt sich an einem dicht bewaldeten Hang im Tal der Ayguette. Der Menhir rühmt sich gleich zweier Rekorde. Er ist nicht nur einer der größten Frankreichs, sondern auch der höchstgelegene des Landes.

Auf der anderen Talseite schmiegt sich in 960 Meter Höhe ein ganz besonderes Dorf an den Hang im Schatten des Pic du Bernard Sauvage (2.423 m): Counozouls. Bereits im 12. Jahrhundert spielte das castrum von Counozouls eine wichtige Rolle im Verteidigungssystem des oberen Roquefortès, des dritten Plateaus des Pays de Sault. Sein Name wird oft mit dem Haus Esquiem de Rocafort in Verbindung gebracht.

Aber erst viel später, an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, wurde Counozouls besonders bekannt. In Opposition zu den damaligen Verwaltungs- und Justizbehörden erklärte es sich zu einer freien Kommune.
Am 30. Juli 1894 ging der gesamte Besitz des Baron de la Rochefoucauld an einen gewissen Monsieur Jodot über. Darunter befanden sich auch die Wälder rund ums Dorf. Bei dieser Transaktion wurden Weideflächen und bestimmte Nutzungsrechte der Gemeinde, die der König im 17. Jahrhundert bestätigt hatte, infrage gestellt.

Am 26., 27. und 31. Mai sowie am 8. und 9. Juni 1897 erhielten zwei Hirten der Gemeinde, Fromillagues und Soulié, eine offizielle Anzeige, weil sie das Land von Jodot betreten hatten.
Nach zahlreichen Rechtsstreitigkeiten brachte dieser die Gemeinde 1903 vor das Gericht von Limoux. Drei Jahre später gewann Jodot trotz gerichtlicher Klagen seinen Fall.

Die Gemeinde protestierte. Am 17. Juli 1903 suchten daher drei Gutachter des Gerichtes aus Limoux um acht Uhr morgens den Bürgermeister auf. Jener führte sie auf den zentralen Dorfplatz, wo bereits die gesamte Bevölkerung versammelt war.
Dort lasen die Experten die Vorschläge zur Einschränkung der forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte und zur Enteignung der Bevölkerung vor.

Die Bevölkerung war wütend. Und so erbost, dass sie den Bürgermeister daran hinderte, zu antworten. Mit eindeutigen Worten – und Taten – signalisierten die Dörfler ihre Ablehnung und jagten die Gutachter aus dem Dorf. Die Gemeinde weigerte sich auch, die Gerichtskosten und Bußgelder zu zahlen. Wenig später beschlossen die Dorfbewohner, nicht zu wählen.

Ende 1903 setzten sie das Château de la Moulinasse und den Turm des Wachhauses in Brand. Gleichzeitig kauften sie Waffen in der Waffenfabrik in Saint-Étienne.
In den ersten Monaten des Jahres 1904 betrat niemand Counozouls. Am 4. Juni 1904 verkaufte Jodot schließlich seinen Besitz an die Gesellschaft Ernest Ader et compagnie aus Bayonne. Im Dorf kehrte Ruhe ein.

Wenige Tage zuvor, am 23. Mai 1904, hatten die Einwohner von Counozouls eine Bürgervereinigung mit dem Namen Syndicat de Counozouls gegründet. Am 4. Juni 1904 verkaufte Jodot seinen Besitz an eine Gesellschaft. Auch die beiden Wälder, je 600 und 1.500 Hektar groß, wurden an das Syndikat von Counozouls veräußert. Ursprünglich bestand es aus den 86 Einwohnern der Gemeinde.

Doch Todesfälle und Erbschaften ließen die Zahl der Besitzer sehr schnell auf mehr als 400 anschnellen. Das machte die Verwaltung sehr schwierig. So wurden die beiden Wälder in den 1960er-Jahren angesichts der Schwierigkeiten der verschiedenen Eigentümer, sich zu einigen, vom Gericht beschlagnahmt.

Ihre Verwaltung wurde erst 2001 an die Einwohner zurückgegeben. Fünf Einwohner übernahmen die Eigentümervereinigung. Jene wurden mit dem nächsten Problem konfrontiert. In Frankreich haben Syndikat eine gesetzliche Lebensdauer von 99 Jahren hatte. Da es 1904 gegründet wurde, hörte es im Jahr 2003 auf zu existieren.

Doch die Einwohner von Counozouls hatten vorgesorgt. Und bereits 1972 als Nachfolgegesellschaft das Syndicat Forestier de Counozouls gegründet, das seit Eigentümerin ist von 2400 Hektar Wald mit Tannen und Buchen.
So kann in Counazouls nicht geschehen, was am Col de Jau passiert war. Dort besitzt die Versicherungsgruppe Groupama 1.900 Hektar auf dem Madrès-Massiv.

Erst wurde das Pilzesammeln verboten. Dann wurden Wanderer ausgesperrt. Einzig der Weg zum Refuge du Caillou steht ihnen dort heute offen. An allen anderen Wegen verkündet warnend ein Schild: Forêt privée – privater Wald.
Wachleute des g.i.p.f.a Groupement interdepartemental de proprietaires forestiers et agricoles drohen mit einer Geldstrafe, wenn man die Domaine de Cobazet nicht sofort verlässt.

Als ich das Dorf entdeckte, saßen die Einwohner am Sonntag gemütlich vor dem öffentlichen Grill des Dorfes beisammen. Wein und Wasser waren geöffnet. Das Feuer war entzündet, und am Rand wärmen sich Fleisch und Wurst bereits aufs Grillen vor, das dem Apéro unter freiem Himmel folgte.

Bei jedem Tritt und Schritt war zu spüren, dass das Dorf zusammenhält. Überall leuchten Blumen kunterbunt vor den alten Fassaden voller Patina. Es rauscht und gurgelt, und immer wieder sprudelt in alten Brunnen frisches Bergwasser in den Gassen.

Vorbei am alten Friedhof mit seinen Eisenkreuzen führt der Rundwanderweg Tour de Benal hinaus aus dem Dorf und hin zu Feldern, auf denen das Heu gemäht ist. Am Wegesrand leuchten rotgelb die Äpfel an knorrigen Bäumen. Weit schweift der Blick über das Tal der Ayguette und hin zu den Kalkgraten bei Axat und die Dörfer des Fenouillèdes, zu denen es einst gehörte.

Counazouls: meine Reise-Infos
Nicht verpassen
Expo Lavoir
Im Waschhaus von Counozouls stellt eine kleine Ausstellung mit Tafeln die Entwicklung des Ortes sowie Flora und Fauna der Umgebung vor. Online könnt ihr die Tafeln hier betrachten.
Schlemmen und genießen
Brasserie Sylvatia
Sonnabends um 10.30 Uhr könnt ihr bei Führungen hinter die Kulissen der Mikrobrauerei schauen (Voranmeldung!).
• 12, Rue Grand Rue, 11140 Counozouls, Tel. 06 74 57 14 36, https://brasserie-sylvatica.com
La Souche – Boutique Café Restaurant de la Brasserie Sylvatica
Zur Brauerei gehört eine kleines Ladencafé. Es ist Freitag bis Sonntag von 11 – 20 Uhr der Treff von Counozouls.
• 11, Rue de la Fontaine, 11140 Counozouls, Tel. 04 30 07 35 99, https://brasserie-sylvatica.com/lasouche
Schlafen
Casa rural
• 5, Rue de la Forge, 11140 Counozouls

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