Eine französische Schülerin am Lycée Français de Hambourg. Foto: Hilke Maunder
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À l’école: Frankreichs Bildungswesen

À l’école! Frankreich ist stolz auf sein Bildungswesen – und auf zwei Männer, die es maßgeblich voranbrachten. Karl der Große „erfand“ die Schule neu, und Jules Ferry gab allen eine Chance, sie zu besuchen.

Seit dem Untergang des Weströmischen Reiches im Jahr 476 war das Schulwesen weitgehend vernachlässigt worden. Karl der Große war es, der es im 8. Jahrhundert neu belebte. Während seiner 44-jährigen Herrschaft förderte er die Gründung von Schulen.

Modellschule am Palast

An seinem Hof richtete Karl die Aachener Palastschule ein, in die sowohl Kinder aus dem Adel als auch aus einfachen Verhältnissen aufgenommen wurden. Seine Modellschule sollte Vorbild sein für alle anderen Institutionen. Im Jahr 789 verkündete er: „In jedem Kloster sollen Psalmen, Noten, Gesang, Rechnen und Grammatik gelehrt werden, und es sollen gut korrigierte Bücher zur Verfügung stehen.“

Zur Schule in der Abtei

Während des gesamten Mittelalters lag eine solche Erziehung in den Händen von Priestern. Bis zum 11. Jahrhundert waren es Abteien wie Cluny, die beste Bildung boten. Die Schüler, die in den Klerus aufgenommen werden sollten, lernten innerhalb des Klosters, während alle anderen in einer separaten Schule unterrichtet wurden.

Alle Kinder trugen die gleiche Uniform und teilen sich einen Schlafsaal. So wurde „der größte Prinz in den Palästen der Könige nicht sorgfältiger erzogen als das kleinste Kind in Cluny“.

Frankreichs älteste Uni

Ab dem 12. Jahrhundert übernahmen die bischöflichen Schulen der Kathedralen allmählich den Unterricht. Die Abteien lagen oft zu weit abseits der Städte, die in jener Zeit eine Führungsrolle übernahmen.

1215 wurde mit der Sorbonne die erste französische Universität gegründet, lange nach Oxford (1167) und Bologna (1088). Die Studierenden hießen écoliers, trugen die Tonsur und mussten um Almosen bitten, um das sehr teure Studium zu finanzieren.

Bildung war ein Privileg der Oberschicht – und Jungen vorbehalten.  Das galt auch noch während der Aufklärung, die Voltaire auf Herrscher und Elite beschränkte. Denn sonst könnte, so seine Sorge, sich der gebildete Sohn des Landarbeiters von den Feldern abwenden.

Frankreichs erste Abiturientin

Revolution und Kaiserreich brachten die Gymnasien und das Abitur. Doch erst 1850 wurden auch Mädchen „ermutigt“, die Schule zu besuchen. 1861 legte Julie-Victoire Daubié im Alter von 37 Jahren als erste Frau Frankreichs das Abitur ab. „80 Prozent eines Jahrgangs sollen das Abitur machen“, forderte in den 1980er-Jahren der sozialistische Bildungsminister Jean-Pierre Chevènement.

Dabei half 1985 die Einführung des Bac professionnel. 2012 hatten 85 Prozent der Schüler das französische Fachabitur in der Tasche. Nach 1995 wurde das Baccalaureat 2021 erneut modernisiert. Die Reform senkte die im OECD-Vergleich hohe Zahl der obligatorischen Prüfungsfächer auf vier und entzerrte den Prüfungszeitraum. 93,8 Prozent der Abiturienten bestanden bei der Premiere die Prüfung.

Die Klassenstufen in Frankreich

École Maternelle: die Vorschule

Die <em>école maternelle</em> verbindet spielen und lernen. Foto: Hilke Maunder
Die école maternelle verbindet spielen und lernen. Foto: Hilke Maunder

Der Ernst des Lebens beginnt in Frankreich bereits mit drei Jahren. In der école maternelle werden die Kinder auf den Schulbesuch vorbereitet. Spielen und lernen verbinden sich. Zu den ersten Lerneinheiten gehören Zahlen und zählen, einfaches Rechnen, erste Schreib- und Leseübungen, Gedichte und Lieder. Großen Wert wird auf gutes Sozialverhalten gelegt.

Es gibt drei Klassenstufen: die kleine, die mittlere und die große Klasse (la petite, la moyenne und la grande section).  Der Unterricht erfolgt in neun Vormittags- und Nachmittags-Einheiten: 4 vollen Tagen und einem halben Tag freien Tag. Meist wird dazu der Mittwoch Nachmittag gewöhlt.

Der Besuch der Vorschule ist kostenlos, nicht jedoch der Besuch der Kantine und die Hortbetreuung – beispielsweise in den Schulferien oder erweiterten Zeiten während des Schulbetriebes.

École élementaire: die Grundschule

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Ist die Schulreife erreicht, wechseln junge Französinnen und Franzosen für fünf Jahre in die école élementaire.

  1. Klasse: cours préparatoire / CP (6-7 Jahre)
  2.  Klasse: cours élémentaire 1 / CE 1 (7-8 Jahre)
  3. Klasse: cours élémentaire 2 /  CE 2 (8-9 Jahre)
  4. Klasse: cours moyen 1 / CM 1 (9-10 Jahre)
  5. Klasse  cours moyen 2 /  CM 2 (10-11 Jahre)
Viel Wert wird an französischen Schulen auch auf die Musikerziehung gelegt - oftmals gibt es Chöre. Foto: Hilke Maunder
Viel Wert wird an französischen Schulen auch auf die Musikerziehung gelegt – oftmals gibt es Chöre. Foto: Hilke Maunder

Collège: Sekundarstufe 1

Im Jahr 1975 reformierte der damalige Bildungsminister René Haby die Sekundarstufe, indem er das bis dahin siebenjährige lycée abschaffte und dafür das vierjährige collège für alle verbindlich machte. Seitdem wechseln alle Schüler nach der Grundschule unabhängig von ihrer Leistung auf das collège.

Sie durchlaufen dort die Klassenstufen Sixième (6. Klasse), Cinquième ( 7. Klasse), Quatrième (8. Klasse) und Troisième (9. Klasse).  Das Collège endet mit den schriftlichen Prüfungen in Mathematik, Französisch, Geschichte/Geografie und einer mündlichen Prüfung in Kunst für das diplôme national du brevet .

Dieser Abschluss gestattet:

• Wechseln in eine classe de seconde in einem allgemeinen und technologischen Gymnasium
•  Besuch eines Lycée professionnel oder einer Berufsschule (CFA) mit Abschluss Certificat d’aptitude professionnelle (CAP)

Die allgemeine Schulpflicht endet mit 16 Jahren.

Referate und Projektarbeiten gehören zum Schulalltag am Collège. Foto: Hilke Maunder
Referate und Projektarbeiten gehören zum Schulalltag am Collège. Foto: Hilke Maunder

Lycée: Sekundarstufe 2

Nach dem collège folgt der Besuch des lycée. Die gymnasiale Oberstufe wird in Frankreich in drei Schulformen angeboten: dem lycée général (50 % der Schüler), dem lycée technique (23 %) und dem lycée professionnel (27 %). Die Klassenstufen heißen Séconde (10. Klasse), Première (11. Klasse) und Terminale (12. Klasse).

Das lycée endet nach drei Jahren mit den Prüfungen zum Baccalauréat. Das französische Abitur wurde 2021 reformiert, gestrafft und neu ausgerichtet.

Mehr zum neuen Bac général erfährst Du hier.

Das Baccalauréat ist bestanden, die Schule beendet, die großen Ferien können kommen! Foto: Hilke Maunder
Das Baccalauréat ist bestanden, die Schule beendet, die großen Ferien können kommen! Foto: Hilke Maunder

Ansehen!

Le Musée de l’école

Im Herzen der mittelalterlichen Cité von Carcassonne kannst Du im Schulmuseum in die Atmosphäre der Gemeindeschule während der Dritten und Vierten Republik eintauchen.

In den fünf Räumen des Museums sind alle Lehrmittel ausgestellt, die in den Schulen von 1880 bis in die 1960er-Jahre verwendet wurden. Besonders sehenswert ist die außergewöhnliche Sammlung alter Projektionsgeräte. Feder und Tinte laden ein, wie einst zu schreiben.

Wer tiefer eintauchen möchte in die Schule von früher, kann nach vorheriger Absprache die Handbücher und Dokumente der Bibliothek Mémoire de l’école nutzen.
• 3, Rue du Plô, 11000 Carcassonne, Tel. 04 68 25 95 14, www.carcassonne.org

Das Musée de l'École der Cité von Carcassonne. Foto: Hilke Maunder
Das Musée de l’École der Cité von Carcassonne. Foto: Hilke Maunder

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2 Kommentare

  1. Liebe Hilke,

    herzlichen Dank für diesen Aufriss über das französische Schulsystem, das sich doch deutlich von der Schule in Deutschland unterscheidet, vor allem in der Zahl der Schuljahre bis zum Abitur, die in Frankreich immer nur bei 12 Jahren lag, während es hier 13 waren, was dann auf 12 reduziert wurde, und gerade in einigen Ländern wieder hochgefahren wird …
    Der Hauptunterschied ist allerdings der, dass das Schulsystem im ganzen zentralistischen Frankreich gleichermaßen gilt, von Lille bis Nizza, und von Straßburg bis Bayonne, sowie in den französischen Überseegebieten.
    Hier in Deutschland leisten wir uns den Luxus 16 verschiedener Bildungssysteme, was bspw. einen Umzug in ein anderes Bundesland mit schulpflichtigen Kindern nicht direkt unmöglich, aber doch schwierig macht.
    Im Schuljahr 1977/78, dem Jahr, in welchem die 1975 von René Haby eingeführte Reform der Sekundarstufe wirksam wurde, war ich als Fremdsprachenassistent in Pau (Pyrénées-Atlantiques), und dort sowohl an einem Collège als auch an einem Lycée eingesetzt, welches ab da nur noch die drei letzten Jahre vor dem Baccalauréat umfasste.
    Und ich kann sagen, dass damals in der Lehrerschaft, vor allem an den Lycées, großer Unmut über diese Reform herrschte, der sich aber inzwischen gelegt hat – es sind ja seitdem auch über 40 Jahre vergangen.

    Interessant im Vergleich zwischen unseren beiden Ländern ist auch folgendes Kuriosum:
    In Frankreich gilt nach wie vor in der Sekundarstufe die „Rückwärtszählung“ der Klassenstufen ab der 6. Klasse, also Sixième, Cinquième, etc. bis hin zur Première, der zweitletzten Klasse vor dem Bac.
    Die Sekundarstufe beginnt ja auch erst mit der 6. Klasse, da die Grundschule (École élémentaire) 5 Jahrgangsstufen umfasst, hier in Deutschland in den meisten Bundesländern – nicht allen – aber nur 4 Jahre.
    Dass die 6. Klasse in Frankreich sich Sixième nennt, ist im Übrigen ein reiner Zufall, der sich aber beim Vergleich beider Länder als „Eselsbrücke“ anbietet.
    In meiner Gymnasialzeit in den 60er-Jahren, und auch noch etliche Zeit später, hießen die Klassen ja noch Sexta, Quinta, Quarta, etc., bis hin zur Unter-/Oberprima, also die gleiche Zählung, nur halt auf Latein.
    Ich könnte – als ehem. Französischlehrer – noch viel weiter ausholen, bspw. über das Angebot an Fremdsprachen an collège und lycée schreiben, aber das würde viel zu weit führen und somit den Rahmen eines Kommentars sprengen.

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