2025 feiert Épernay den 100. Geburtstag seiner Avenue de Champagne.. Foto: Hilke Maunder
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Épernay und seine Avenue de Champagne

Épernay! Die Stadt mit einem der höchsten Pro-Kopf-Einkommen Frankreichs lebt vom Prickeln. In ihren Kellern reifen weltberühmte Champagner heran. Dicht an dicht säumen renommierte Champagnerhäuser die Avenue de Champagne. 2025 feierte sie ihren 100. Geburtstag.

Mehr als einen Kilometer lang ist diese schicke Allee, und seit 2015 gehört sie zum Welterbe. Überirdisch wie unterirdisch ist das Kulturerbe außergewöhnlich und einzigartig. In der Vorweihnachtszeit wird die Avenue de Champagne wunderschön beleuchtet. Jedes Champagnerhaus setzt dann seinen ganzen Ehrgeiz darein, sich mit besonders originellem Gebäudeschmuck von der Konkurrenz abzuheben.

Labyrinth in der Kreide

Vom frühen 18. Jahrhundert und während des gesamten 19. Jahrhunderts wurden unter der Straße lange Stollen angelegt. In diesen Kellern lagern auf einer Länge von mehr als 110 Kilometern rund 200 Millionen Flaschen Champagner. Einige der Keller sind direkt mit dem Kanal oder mit der Gleisstrecke der Eisenbahn verbunden.

Erst im 19. Jahrhundert entstanden die prachtvollen Residenzen im Stil der Neorenaissance neben den Produktionsstätten. Besonders prachtvolle Residenzen heißen in Épernay châteaux.

Der älteste Keller von Épernay

Größtes und ältestes Haus der Straße ist das eindrucksvolle Domizil von Moët & Chandon. Das Champagnerhaus, das seit 1987 zum Luxusgüterkonzern LVMH gehört, errichtete bereits 1743 seinen Stammsitz an der berühmten Straße.

Seine Ursprünge liegen nicht in der Herstellung, sondern im Handel. Firmengründer Claude Moët (1683–1760) hatte begonnen, Wein aus der Champagne nach Paris zu exportieren. Sein Enkelsohn Jean-Rémy Moët (1758–1841) erstand im Jahr 1794 das ehemalige Kloster Hautvillers, in dem Dom Pérignon als Mönch einst die Herstellung des vom ihm „erfundenen“ Champagners verfeinert hatte.

Champagner-Siege

Bereits 1781 hatte Jean-Rémy Moët einen Mann kennengelernt, der viele Jahre später zum berühmtesten Botschafter und Werber der Marke wurde: Napoléon Bonaparte.

Als Jean-Rémy Moët den späteren Kaiser der Franzosen kennenlernte und mit ihm Freundschaft schloss, besuchte dieser noch in der Champagne die Militärschule von Brienne-le-Château. Später nahm Napoléon I. auf seinen Feldzügen stets nur den Champagner von Moët mit – und machte ihn so weltberühmt.

Das Riesenfass

Bei Mercier steht in der Eingangshalle ein Holzfass. 1.600 Hektoliter fasst es. Eugène Mercier hatte es extra für die Weltausstellung 1889 mit 20 Ochsenpaaren nach Paris transportieren lassen – als die Attraktion Frankreichs. Das Fass von Mercier erhielt den zweiten Preis nach dem Eiffelturm!

Von dort geht es nach einem Einführungsfilm mit einem Audioguide in deutscher Sprache auf dem Kopf in den Aufzug. 30 Meter tief im Kreideboden von Épernay wartet eine kleine elektrische Bahn auf euch.

Mit dem Zug fahrt ihr durch den 18 Kilometer langen Keller, seht kunstvolle Wandfriese und Lagerräume. Eugène Mercier hatte damals als erster seine Keller allesamt auf einer Ebene anlegen lassen. Bis heute sind sie in Betrieb. Die Auf- und Abfahrt begleiten virtuelle Animationen. „Champagner für alle bei stets hoher Qualität“ war das Credo bei Mercier. Ob dies bis heute gilt, könnt ihr bei der Verkostung selbst einmal durchprobieren.

Prickelnde Aussichten

Épernay: De Castellane. Foto: Hilke Maunder
De Castellane an der Rue de Verdun. Foto: Hilke Maunder

Nicht an der Avenue de Champagne, aber in Sichtweite, findet ihr an der Avenue Verdun ein Haus, das bereits optisch ein echter Hingucker ist: De Castellane. Sein 66 Meter hoher Turm eröffnet weite Ausblicke auf die umliegenden Weinberge. Die Produktionsanlagen erstrecken sich 200 Meter lang entlang der Eisenbahnlinie Paris-Straßburg.

Die Bahngleise sind bis heute das Kapital des Hauses. Sie erlauben dem Haus Champagne de Castellane, alle Produktionsanlagen am selben Standort unterzubringen: vom Bottichraum bis zur Flaschenabfüllung und dem Versand, einschließlich der sechs Kilometer Keller, die in den Hügel von Épernay gegraben wurden. Und auch hier endet jede Führung mit einer berauschenden Degustation.

Épernay: Schmucke Villa an der Avenue de Champagne. Foto: Hilke Maunder
Schmucke Villa an der Avenue de Champagne. Foto: Hilke Maunder

Welterbe mit Hinterstube

Épernay vereint exemplarisch alles, was die Champagnerherstellung ausmacht. Im Ort sind alle Elemente traditionell handwerklicher wie auch moderner industrieller Champagnerherstellung vereint. Die Produktions- und Vertriebsketten des Luxusgetränks sind durchgängig hier zentralisiert, und das seit Jahrhunderten.

Ihr findet hier Kalksteinkeller, die seit der Antike für die Weinherstellung genutzt wurden – erst für gallo-römische Tropfen, dann für mittelalterliche Weine, später für die Champagnerherstellung.

Épernay zeigt zudem eindrücklich, wie sehr die Champagnerhäuser Einfluss hatten auf die städtebauliche Infrastruktur. Dort, wo es wichtig war, Macht und Einfluss zu zeigen, ist alles prachtvoll und repräsentativ: die Villen, die Parks, die sichtbaren Bereiche der Champagnerherstellung, die öffentlich zugänglichen Keller.

Doch jenseits der prachtvollen Avenue de Champagne und den nahen, von Mauern umgebenen Gärten des prunkvollen Rathauses ist Épernay eine Stadt, die deutlich zeigt, dass nicht alle am Wohlstand teilhaben.

Viele Straßen, durch die man beim Bummeln Richtung Bahnhof oder Parkplatz kommt, sind charmefrei. Nüchterner Beton, mitunter verwahrlost. Hinterstuben im Herzen der Champagnerstadt.

Wiege des Champagners: Colline Saint-Nicaise

Die herrliche Lage macht dies mehr als wett. Épernay liegt direkt an der Marne. Jenseits des sich sanft schlängelnden Flusses säumen seit vielen Jahrhunderten Weinhänge die Colline Saint-Nicaise. Als Wiege des Champagners gelten die Rebhänge zwischen Cumières und Mareuil-sur-Aÿ.

Auch dort findet ihr die gesamte Palette an Zeugnissen der jahrhundertealten Wein- und Champagnerherstellung: Weinpressen und Winzerhäuser, Genossenschaften und Champagnerhäuser … entdeckt sie auf der Route du Champagne durch das Tal der Marne!

Ich trinke Champagner, wenn ich froh bin, und wenn ich traurig bin. Manchmal trinke ich davon, wenn ich allein bin; und wenn ich Gesellschaft habe, dann darf er nicht fehlen. Wenn ich keinen Hunger habe, mache ich mir mit ihm Appetit, und wenn ich hungrig bin, lasse ich ihn mir schmecken. Sonst aber rühre ich ihn nicht an, außer wenn ich Durst habe.

Madame Lily Bollinger
Épernay: Colline Saint-Nicaise. Foto: Hilke Maunder
Die Colline Saint-Nicaise. Foto: Hilke Maunder

Hintergrund: die méthode champenoise

Die feinen Perlen des Champagners beschert die zweifache Flaschengärung. Nur Schaumweine, die aus dem genau festgelegten Anbaugebiet der Champagne stammen und traditionell hergestellt wurden, dürfen sich Champagner nennen.

Die erste Gärung

Für Champagner fermentiert der Grundwein traditionell in Eichenfässern bei Temperaturen von 20-22° Celsius.  Danach wird er abgesogen und lagert in kühlen Kellern, bis er klar ist.

Für eine Cuvée wird der Champagner mit anderen Weinen verschnitten, für einen Jahrgangschampagner nicht. Nach der Abfüllung in Flaschen wird die liqueur de tirage aus Zucker, Wein und Hefe beigefügt.

Zweite Gärung

Côte des Bars: Diese Depot wird beim Rütteln entfernt. Foto: Hilke Maunder
Diese Depot wird beim Rütteln entfernt. Foto: Hilke Maunder

Die Flaschen lagern im kühlen Keller. Die Hefe wandelt den Zucker in Alkohol und Kohlensäure um und lagert sich ab. Die schräg liegenden Flaschen werden täglich maschinell oder per Hand gedreht und gerüttelt ( remuage ).

Dadurch wandert das Hefedepot in den Flaschenhals. Für das dégorgement mit dem Entfernen der Hefe wird der Flaschenhals eingefroren. Beim Öffnen drückt die Kohlensäure in der Flasche den Eisklotz mit den Ablagerungen aus der Flasche.

Côte des Bars: Das Werkzeug für das Degorgieren per Hand. Foto: Hilke Maunder
Das Werkzeug für das Degorgieren per Hand. Foto: Hilke Maunder

Mit etwas Zuckersirup, der liqueur d’expédition, wird die Flasche wieder aufgefüllt und die Süße reguliert. Dann kommt statt des Kronkorkens der echgte Kork-Korken auf die Champagnerflasche. Und die Flasche wandert wieder in den Reifekeller. Mehrjährige Lagerung erhöht die Qualität!

Côte des Bars: Hier reift der Champagner "sur les lattes". Foto: Hilke Maunder
Hier reift der Champagner „sur lattes“. Foto: Hilke Maunder

Die Avenue de Champagne in Épernay in Bildern

Mit seinem historischen Erlass aus dem Jahr 1728 erlaubte König Louis XV. erstmals, dass Champagner in Flaschen und nicht mehr im Fass transportiert und verkauft werden durfte, was die Entwicklung und internationale Vermarktung des Schaumweins überhaupt erst ermöglichte. Im Vorhof des Champagnerhauses Venoge erinnert eine Bronzeskulptur von Juan Carlos Carrillo an das berühmte Dekret.

Rechte Seite stadteinwärts

Die Skulptur zeigt den König mit einer Champagnerflöte in der einen Hand und der Feder zum Unterzeichnen des Dekrets in der anderen, womit er bildlich „dem Champagner Leben einhaucht“. Zum 300. Jubiläum der Krönung Ludwigs XV. im Jahr 2022 widmete die Maison de Venoge auch ihre Cuvée Louis XV dem König und ließ an ihrem Standort in Épernay diese Statue als Hommage errichten.

Linke Seite stadteinwärts

Épernay: meine Reisetipps

Ansehen

Musée du vin de Champagne et d’Archéologie régionale

Das Château Perrier wurde von 2011 bis 2020 für rund 23 Millionen Euro zum Regionalmuseum mit Schwerpunkt Wein/Champagner und Archäologie umgebaut. Rund 2.000 Exponate präsentieren euch das Reich des Champagners von den Böden bis zu den berühmten Herstellern.

Prunksaal m Erdgeschoss des Regionalmuseums.  Foto:  Hilke Maunder
Prunksaal m Erdgeschoss des Regionalmuseums. Foto: Hilke Maunder

Verpasst auch nicht die historische Holztreppe im zweiten Obergeschoss und den grand caveau im Keller.
• 13, avenue de Champagne, 51200 Épernay, https://archeochampagne.epernay.fr

Erleben

Habits de Lumière

Zum Jahreswechsel 2000 wurde das Lichterfest von Épernay aus der Taufe gehoben, das seitdem alljährlich Mitte Dezember auf der berühmten Avenue de Champagne die Kunst, Gastronomie und Champagner-Tradition der Region zu einem Winterspektakel vereint, das an seinen drei Tagen rund 60.000 Besucher anlockt.
https://habitsdelumiere.epernay.fr

Schlemmen und genießen

Wer nicht auf den vielen Terrasse oder den Restaurants der Champagnerhäuser an der Avenue de Champagne etwas essen oder trinken möchte, findet in der Innenstadt von Épernay zahlreiche weitere Optionen.

Beliebt bei Einheimischen wie Besuchern sind diese Adressen:

Cook’in

• 18, rue Porte Lucas, 51200 Épernay, Tel. 03 26 54 89 80, https://restaurant-cookin.fr

La Grillade Gourmande

• 16, rue de Reims, 51200 Épernay, Tel. 03 26 55 44 22, www.lagrilladegourmande.com

Symbiose

• 5, rue de Reims, 51200 Épernay, Tel. 03 26 54 75 20, www.symbiose-restaurant.com

Le Progrès

Beliebte einfache Brasserie mit Terrasse.
• 5, place de la République, 51200 Épernay, Tel. 03 26 55 22 72, https://leprogres.shop

In der Nähe

Pressoria

Im Herzen des Weinbaugebietes von Aÿ-Champagne enthüllt Pressoria multisensorisch die Geheimnisse des Champagners. In einer ehemaligen Kelterei des Champagnerherstellers Pommery könnt ihr auf 2.400 Quadratmetern nicht nur viel über die Herstellung und die Weingärten erfahren, sondern auch die Menschen kennenlernen, die ihn herstellen. Spielerisch und interaktiv taucht ihr ein in den Rhythmus der Jahreszeiten, entdeckt, wie es unter der Erde aussieht, und erfahrt alles über die Arbeit im Weinberg und am Wein.
• 2, rue du Moulin, 51160 Aÿ-Champagne, Tel. 03 26 52 60 87, www.pressoria.com

Hautvilliers

Als „Wiege des Champagners“ gilt das rund sechs Kilometer entfernte Dorf Hautvilliers, das inmitten der Weinberge auf einem Hügel über dem Marne-Tal liegt. Hier wirkte der Benediktinermönch Dom Pierre Pérignon von 1668 bis zu seinem Tod 1715 als Kellermeister in der Abtei Saint-Pierre.

Der Legende nach „erfand“ er den Champagner, indem er die Perlen (Kohlensäure) in den Wein brachte – tatsächlich ging es um die Verbesserung des Verfahrens zur Flaschengärung und Stabilität des Produkts. Dom Pérignon ist in Hautvillers in der Abteikirche beigesetzt. Die Abtei selbst ist im Besitz von Moët & Chandon, die hier ihre Prestige-Cuvée Dom Pérignon herstellen.

Hier könnt ihr schlafen*

 

Weiterlesen

Im Blog

  • Weniger berühmt als die Champagnerhäuser von Épernay und Reims sind die Keller der Côte des Bar. Entdeckt die unbekannte Champagne hier.
  • Ihr sucht Verkostungstipps für Champagner? Dann klickt  hier für die schönsten bulles der Champagne!
  • Kostengünstiger als Champagner sind die Crémants, die u.a. an der Loire, im Burgund und im Elsass nach der tradierten méthode champenoise herstellt werden.
  • Zu den großen Namen des elsässischen Schaumweins gehört Wolfberger. In Éguisheim durfte ich hinter die Kulissen der Crémant-Herstellung gucken. Neugierig? Dann klickt einmal hier.
Troyes: Daniel Phelizot. Foto: Hilke Maunder
Für Daniel Phelizot kann es nie genug Champagner geben. Foto: Hilke Maunder

Im Buch

Klaus Simon, Hilke Maunder, Roadtrips Frankreich*

Roadtrips Frankreich

Das zweite gemeinsame Werk mit Klaus Simon stellt euch die schönsten Traumstraßen zwischen Normandie und Côte d’Azur vor. 14 Strecken sind es – berühmte wie die Route Napoléon durch die Alpen oder die Route des Cols durch die Pyrenäen, aber auch echte Entdeckerreisen wie die Rundtour durch meine Wahlheimat, dem Fenouillèdes.

Von der Normandie zur Auvergne, vom Baskenland hin zu den Stränden der Bretagne und dem wunderschönen Loiretal laden unsere Tourenpläne ein, Frankreich mobil zu entdecken – per Motorrad, im Auto, Caravan oder Wohnmobil. Hier* gibt es das Fahrtenbuch für Frankreich!

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